Erwirbt ein gewerblicher Kraftfahrzeughändler einen Gebrauchtwagen von einem privaten Verkäufer, so trifft ihn jedenfalls dann eine Pflicht zur näheren Untersuchung des Fahrzeugs, wenn er Kenntnis von einem – nach Mitteilung des Verkäufers beseitigten – Vorschaden des zum Weiterverkauf bestimmten Fahrzeugs hat.

OLG Naumburg, Urteil vom 13.05.2024 – 12 U 164/23

Sachverhalt: Die Klägerin, eine gewerbliche Kraftfahrzeughändlerin mit angeschlossener Fachwerkstatt, verlangt von der Beklagten die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen ihrer Ansicht nach mangelhaften Gebrauchtwagen.

Das Fahrzeug hatte der Beklagte von einer gewerblichen Verkäuferin mit Vertrag vom 29.03.2022 unter Hinweis auf Unfallschäden erworben und daran Reparaturen im Umfang von insgesamt 4.952,48 € vornehmen lassen. Im Anschluss hatte er mit dem Pkw circa 8.000 km zurückgelegt.

Im August 2022 verhandelte die Klägerin mit dem Beklagten über den Erwerb des Fahrzeugs und ließ sich Fotos des Pkw zusenden. Der Beklagte holte zum Zustand des Fahrzeugs eine Einschätzung der GTÜ-Prüfstelle E. ein, die erkennbare Nachlackierungen, im Übrigen aber einen verkehrssicheren Zustand bescheinigte. Im Rahmen der Verhandlungen wies der Beklagte darauf hin, dass es sich bei dem Pkw um ein Unfallfahrzeug handele.

Die Parteien schlossen am 17.08.2022 einen Kaufvertrag über das Fahrzeug zu einem Kaufpreis von 28.000 €. In diesem Vertrag heißt es: „Fahrzeug wird als Unfallwagen verkauft (siehe Prüfbericht) repariert“.

Am 16.12.2022 forderte die Klägerin den Beklagten zur Beseitigung des Unfallschadens auf und setzte ihm dafür eine Frist bis zum 30.12.2022. Der Beklagte lehnte eine Reparatur mit Schreiben vom 04.01.2023 ab.

Am 13.01.2023 inserierte die Klägerin das Fahrzeug ohne Hinweis auf die Unfallwageneigenschaft.

Mit Schreiben vom 27.01.2023 erklärte sie gegenüber den Beklagten den Rücktritt vom Kaufvertrag und verlangte dessen Rückabwicklung. Der Beklagte lehnte eine Rückabwicklung ab.

Die Klägerin hat im ersten Rechtszug behauptet, der Beklagte habe im Rahmen der Vertragsverhandlungen bestätigt, dass der Unfallschaden vollständig und fachgerecht beseitigt worden sei. Bei der Vorbereitung des Fahrzeugs für den Weiterverkauf habe sie – die Klägerin – jedoch festgestellt, dass der Unfallschaden nicht repariert worden sei. Insbesondere sei der hintere linke Schweller eingerissen und korrodiert, die Lackierung im Heckbereich in weiten Teilen mangelhaft und die Unterbodenverkleidung gebrochen und erneuerungsbedürftig. Die vom Kläger vorgenommene Reparatur habe die Unfallschäden lediglich kaschiert. Der Pkw sei daher – so hat die Beklagte geltend gemacht – mangelhaft, weil er nicht die vereinbarte Beschaffenheit aufweise. Jedenfalls aber liege ein Mangel i. S. von § 434 III 1 Nr. 2 BGB vor. Da der Unfallschaden entgegen der Zusicherung des Beklagten nicht beseitigt worden sei, habe der Beklagte sie – die Klägerin – auch arglistig getäuscht. Die Bescheinigung der GTÜ-Prüfstelle sei offenbar eine Gefälligkeitsbescheinigung. Tatsächlich würde eine fachgerechte Beseitigung des Unfallschadens, der die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs beeinträchtige, circa 15.000 € kosten. Insoweit hat sich die Beklagte auf ein Gutachten des Sachverständigen S vom 08.06.2023 berufen, das von Reparaturkosten in Höhe von circa 10.000 € ausgeht.

Der Beklagte hat behauptet, die Klägerin habe etwa zwei Wochen nach der Übergabe des Pkw bestätigt, dass mit dem Fahrzeug alles in Ordnung sei. Er hat daher bestritten, dass die von der Klägerin behaupteten Mängel bei Übergabe des Pkw vorgelegen hätten. Jedenfalls – so hat der Beklagte geltend gemacht – seien diese Mängel nicht erheblich i. S. des § 323 V 2 BGB. Die im Gutachten des Sachverständigen S vom 08.06.2023 dokumentierten Lackmängel seien nicht auf die von ihm – dem Beklagten – veranlasste Reparatur zurückzuführen und hätten bei der Übergabe des Fahrzeugs an die Klägerin nicht vorgelegen. Gleiches gelte hinsichtlich des Unterfahrschutzes und des Seitenschwellers.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, Gewährleistungsrechte der Klägerin seien gemäß § 442 I 2 BGB ausgeschlossen, weil der Klägerin die behaupteten Mängel infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben seien. Der Klägerin sei die Unfallwageneigenschaft des Fahrzeugs beim Kauf bekannt gewesen. Da der Beklagte die Klägerin auf den Unfall hingewiesen und ihr die Reparaturrechnung vorgelegt habe, habe für die Klägerin Anlass bestanden, das Fahrzeug näher zu untersuchen. Dabei wären der Klägerin die nun gerügten Mängel aufgefallen. Im Übrigen sei der Vortrag der Klägerin zum Vorliegen eines Mangels widersprüchlich. Die Klägerin habe Mängel vier Monate nach Abschluss des Kaufvertrags festgestellt, aber erst ein Jahr später ein privates Sachverständigengutachten eingeholt und zugleich das Fahrzeug zu einem Preis von 30.990 €, also mehr als 3.000 € über dem Einkaufspreis, zum Kauf angeboten. Der Kläger habe nicht bewiesen, dass der Beklagte den behaupteten Mangel arglistig verschwiegen habe. Der Beklagte habe auch keine Garantie übernommen. Insbesondere sei in der Formulierung „Unfallwagen repariert“ keine Beschaffenheitsgarantie zu sehen.
zu sehen.

Mit ihrer Berufung rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Sie ist der Ansicht, ihre Rechte wegen des behaupteten – ihr nicht bekannten – Mangels seien nicht gemäß § 442 I 2 BGB ausgeschlossen. Eine Pflicht zur Untersuchung des Pkw habe nicht bestanden, vielmehr habe der Beklagte ihr eine ordnungsgemäße Reparatur des Fahrzeugs zugesichert und ihr zu diesem Zweck die GTÜ-Prüfbescheinigung vorgelegt. Damit habe der Beklagte eine Beschaffenheitsgarantie übernommen. Da sie – die Klägerin – das Fahrzeug „online“ erworben habe, sei ihr eine Untersuchung nicht möglich gewesen. Zu diesem Gesichtspunkt hätte sie auf entsprechenden Hinweis des Landgerichts vertieft Stellung genommen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts habe sie nicht widersprüchlich vorgetragen. Vielmehr habe der von ihr beauftragte Sachverständige den offenbar kaschierten Unfallschaden im Heckbereich zunächst übersehen, was dafür spreche, dass auch ihr – der Klägerin – dieser Schaden bei einer Sichtprüfung nicht aufgefallen wäre. Dass das Landgericht zum Umfang des Schadens kein Sachverständigengutachten eingeholt habe, sei verfahrensfehlerhaft.

Die Berufung hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: II. Die Berufung der Klägerin ist gemäß § 511 II Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen nach den §§ 517, 519, 520 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das Rechtsmittel ist im Ergebnis nicht begründet.

1. Der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs, gemäß § 346 I BGB i. V. mit § 437 Nr. 2, §§ 440, 323 BGB steht der Klägerin nicht zu. Daher kommt auch die Feststellung des Annahmeverzugs des Beklagten nicht in Betracht.

Das Landgericht hat zu Recht erkannt, dass die Klägerin gemäß § 442 I 2 BGB wegen grob fahrlässiger Unkenntnis von den behaupteten Mängeln mit der Geltendmachung von Mängelgewährleistungsrechten jedenfalls deshalb ausgeschlossen ist, weil sie das Fahrzeug ohne eigene eingehende Untersuchung auf wegen des Unfalls noch eventuell vorhandene Mängel ankaufte. Dabei kann dahinstehen, inwieweit überhaupt – unter Berücksichtigung der Angaben des Beklagten bei dem Verkauf des Fahrzeugs – Sachmängel bei Übergabe vorlagen oder diese nach Übergabe erst entstanden sind, weil das Fahrzeug seitdem jedenfalls 500 km gefahren wurde.

Gemäß § 442 I BGB sind die Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen, wenn er bei Vertragsschluss den Mangel kennt; ist ihm ein Mangel wegen grob fahrlässiger Unkenntnis unbekannt geblieben, kann er Rechte wegen dieses Mangels nur geltend machen, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Kaufsache übernommen hat.

a) Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schwerwiegenden und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Grob fahrlässige Unkenntnis liegt nur vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis deshalb fehlt, weil er ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Ihm muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung („Verschulden gegen sich selbst“) vorgeworfen werden können, weil sich ihm die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufgedrängt haben, er davor aber letztlich die Augen verschlossen hat (BGH, Urt. v. 22.11.2011 – III ZR 186/10, juris Rn. 8). Dem Käufer kann es im Allgemeinen nicht als Sorgfaltsverstoß angelastet werden, wenn er sich auf die Angaben des Verkäufers zum Kaufgegenstand verlässt und deshalb keine eigenen Nachforschungen anstellt (BGH, Urt. v. 20.02.2013 – VIII ZR 40/12, juris Rn. 15). Eine allgemeine Obliegenheit des Käufers, den Kaufgegenstand vor dem Abschluss des Kaufvertrags auf etwaige Mängel zu untersuchen, um sich seine Gewährleistungsrechte zu erhalten, wird durch § 442 I 2 BGB nicht begründet (BeckOGK/​Stöber, Stand: 01.02.2024, § 442 BGB Rn. 35; Staudinger/​Matusche-Beckmann, BGB, Neubearb. 2023, § 442 Rn. 28). Etwas anderes gilt jedoch ausnahmsweise, wenn besondere Anhaltspunkte Anlass zu Zweifeln an der Vertragsmäßigkeit des Kaufgegenstands beziehungsweise an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der diesbezüglichen Angaben des Verkäufers geben müsse, sodass es als nicht verständlich erscheinen würde, diesen nicht nachzugehen (OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.03.2016 – 3 U 12/15, juris Rn. 12; OLG Hamm, Urt. v. 30.04.2019 – 34 U 91/18, juris Rn. 27; BeckOGK/​Stöber, a. a. O., § 442 BGB Rn. 35; Staudinger/​Matusche-Beckmann, a. a. O., § 442 Rn. 32).

b) Die Voraussetzungen für die Annahme der groben Fahrlässigkeit der Klägerin im Sinne eines Verschuldens gegen sich selbst liegen hier vor.

aa) Zwar kann von einem gewerblichen Autohändler wie der Klägerin nicht in jedem Fall erwartet werden, beim Ankauf eines gebrauchten Kraftfahrzeugs dieses zunächst auf mögliche Unfallschäden zu untersuchen. Hierzu ist er auch bei einem anschließenden Weiterverkauf des Fahrzeugs, vor dem er grundsätzlich nur eine fachmännische äußere Besichtigung („Sichtprüfung“) vorzunehmen hat, damit er seiner Aufklärungspflicht gegenüber einem nachfolgenden Käufer hinsichtlich etwaiger Unfallschäden nachkommen kann, nicht von vornherein verpflichtet (BGH, Urt. v. 19.06.2013 – VIII ZR 183/12, juris Rn. 24 m. w. Nachw.). Der Händler kann sich daher regelmäßig darauf beschränken, das Fahrzeug einer – im Kraftfahrzeughandel bei der Hereinnahme eines Fahrzeugs zudem allgemein üblichen – Sichtprüfung zu unterziehen, die sich an den Angaben des Verkäufers zum Zustand des Fahrzeugs zu orientieren hat (BGH, Urt. v. 19.06.2013 – VIII ZR 183/12, juris Rn. 24; Jaensch, in: Reinking/​Eggert, Der Autokauf, 15. Aufl., Kap. 29 Rn. 245, Kap. 30 Rn. 24). Eine weitergehende Untersuchungsobliegenheit trifft den Händler dagegen nur ausnahmsweise, wenn die Sichtprüfung einen Unfallvorschaden nahelegt und/​oder der Händler aufgrund sonstiger Erkenntnisse konkrete Anhaltspunkte dafür besitzt, dass die Angaben des Verkäufers falsch oder zumindest fragwürdig sind (BGH, Urt. v. 19.06.2013 – VIII ZR 183/12, juris Rn. 25; OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.03.2016 – 3 U 12/15, juris Rn. 13; OLG Saarbrücken, Urt. v. 06.07.2016 – 2 U 54/15, juris Rn. 25; Jaensch, in: Reinking/​Eggert, a. a. O., Kap. 29 Rn. 257; Staudinger/​Matusche-Beckmann, a. a. O., § 442 Rn. 34). Einen Gebrauchtwagenhändler, der – wie hier – die Vorschädigung eines zu veräußernden Fahrzeugs kennt, trifft jedoch eine Untersuchungspflicht (vgl. etwa BGH, Urt. v. 11.06.1979 – VIII ZR 224/78, BGHZ 74, 383 = juris Rn. 15; Urt. v. 14.04.2010 – VIII ZR 145/09, juris Rn. 29; KG, Urt. v. 01.09.2011 – 8 U 42/10, juris Rn. 14; offengelassen von BGH, Urt. v. 21.04.1982 – VIII ZR 26/81, BGHZ 83, 334 = juris Rn. 14, der in diesem Fall stillschweigenden Gewährleistungsausschluss annimmt).

bb) Hier lieferte schon der äußere Anschein des Fahrzeugs deutliche Hinweise auf einen nicht fachgerecht beseitigten Unfallschaden.

Die Klägerin wusste bei Ankauf, dass es sich bei dem Fahrzeug um ein Unfallfahrzeug handelte. Hierauf hatte der Beklagte bei Kaufvertragsabschluss ausdrücklich hingewiesen und ein Foto übersandt, aus dem sich Schäden auf der Fahrerseite ergaben (Anlage B 5). Darüber hinaus ergab sich aus der überreichten GTÜ-Prüfbescheinigung, dass das Fahrzeug – wie sich aus den unterschiedlichen Schichtdicken der Lackierung im Front- und Heckbereich entnehmen ließ – in diesen Bereichen nachlackiert worden war, was darauf schließen ließ, dass sich der Unfallschaden auf diese Bereiche bezogen hatte. Außerdem wies der Bericht der GTÜ-Prüfstelle ausdrücklich darauf hin, dass lediglich eine Sichtprüfung ohne Demontage und Zerlegung stattgefunden habe und jedenfalls im elektronischen System versteckte Mängel nicht ausgeschlossen werden könnten.

c) Angesichts dieser Gesamtumstände (Hinweis auf Unfall, Hinweis auf Reparatur, Hinweis der Prüfstelle, dass lediglich Sichtprüfung, Hinweis auf Ausmaß der Unfallschäden durch unterschiedliche Schichtdicken der Lackierung, kein Ausschluss von Schäden im elektronischen System, Kauf von Privatperson) traf die Klägerin eine weitergehende Untersuchungsobliegenheit. Denn diese Umstände legten für die Klägerin, eine gewerbliche Händlerin mit angeschlossener Werkstatt, den Schluss nahe, dass der Unfallschaden womöglich nicht in der Art und Weise beseitigt gewesen sein könnte, wie es ihrem Standard oder den Ansprüchen an eine fachgerechte Reparatur entsprochen hätte.

So ist es ohnehin im Kraftfahrzeughandel heute allgemein üblich, einen Gebrauchtwagen vor der Hereinnahme jedenfalls einer Sicht- und Funktionsprüfung zu unterziehen. Dabei hat sich die Sicht- und Funktionsprüfung an den Angaben des Verkäufers zum Zustand des Fahrzeugs zu orientieren, will sich der Aufkäufer nicht dem Vorwurf grober Fahrlässigkeit ausgesetzt sehen. Erfährt die aufkaufende Fachwerkstatt von einem Unfallschaden und davon, dass der Schaden repariert worden sein soll, muss ihre Sicht- und Funktionsprüfung gerade auch dies mit einbeziehen. Sie darf das Fahrzeug nicht nur oberflächlich – oder wie hier gar nicht – untersuchen (OLG Saarbrücken, Urt. v. 06.07.2016 – 2 U 54/15, juris Rn. 25; LG Bielefeld, Urt. v. 03.02.2010 – 3 O 222/09, juris Rn. 25; LG Dortmund, Beschl. v. 30.11.2007 – 3 O 220/07, juris Rn. 22; BeckOK-StVR/​Andreae, Stand: 15.01.2024, § 442 BGB Rn. 6; Jaensch, in: Reinking/​Eggert, a. a. O., Kap. 30 Rn. 24; jurisPK-BGB/​Pammler, 10. Aufl., § 442 Rn. 46, Stand: 01.02.2023).

Gerade aufgrund ihrer Fachkenntnis war die Klägerin in Anbetracht des Unfallschadens verpflichtet, das gekaufte Fahrzeug genauer zu untersuchen als ein Fahrzeug ohne Unfallschaden. Es handelt sich nach den Behauptungen der Klägerin um einen offensichtlichen Schaden, der so schwerwiegend ist, dass er auch dem Beklagten als Laien nicht verborgen geblieben sein konnte. Angesichts der nach dem Vortrag der Klägerin leichten Erkennbarkeit des schweren Unfallschadens stellt sich ihr Verhalten als gewerbliche Händlerin mit angeschlossener Werkstatt jedenfalls mindestens als grobe Fahrlässigkeit im Sinne von § 442 BGB dar (vgl. dazu OLG Schleswig, Urt. v. 04.11.2005 – 4 U 46/05, juris Rn. 6; Jaensch, in: Reinking/​Eggert, a. a. O., Kap. 30 Rn. 24). Anders ist es nicht zu erklären, dass eine gewerbliche Händlerin einen als Unfallfahrzeug gekauften Wagen trotz offensichtlicher Unfallspuren und behaupteter leichter Erkennbarkeit schwerer Schäden nicht selbst einer erweiterten Sicht- und Funktionsprüfung unter Einbeziehung einer Prüfung auf der Hebebühne unterzieht (zur Frage der Arglist bei konkreten Anhaltspunkten für einen Unfallschaden: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.05.2020 – 9 W 10/20, juris Rn. 18). Aufgrund ihrer Fachkenntnis ist sie gerade in Anbetracht der vom Beklagten offenbarten Unfallschäden verpflichtet, dieses genauer zu untersuchen als ein Fahrzeug ohne Unfallschaden. Ein Händler, der auf diese selbstverständliche Vorsichtsmaßnahme verzichtet und damit seine Sachkunde und seine gegenüber einem Laien überlegene technische Ausrüstung bewusst ungenutzt lässt, kauft das Fahrzeug so, wie es ist (vgl. OLG Schleswig, Urt. v. 04.11.2005 – 4 U 46/05, juris Rn. 6). Dabei entlastet es die Klägerin nicht, dass es sich um einen online angebahnten Kaufvertrag handelt, bei dem sie das Fahrzeug zuvor nicht besichtigt hat. Angesichts dessen, dass die Klägerin ihren Geschäftssitz in Dessau hat und der Beklagte seinen Wohnsitz in Berlin, ist es aufgrund der geringen Entfernung nicht erklärlich, dass die Klägerin sich das Fahrzeug angesichts der gegebenen Umstände nicht vor Vertragsschluss angeschaut hat.

2. Dem Vorwurf der groben Fahrlässigkeit seitens der Klägerin steht auch nicht – wie das Landgericht zutreffend ausführt – der Arglisteinwand gegenüber dem Beklagten entgegen (§ 442 I 2 BGB). Die Klägerin hat nicht bewiesen, dass der Beklagte sie bei Übergabe seines Fahrzeugs arglistig getäuscht hat.

a) Zwar hat der Verkäufer den Käufer richtig und vollständig über Mängel aufzuklären, die ihm bekannt sind; die Offenbarungspflicht geht umso weiter, je unkundiger der Käufer ist (BGH, Urt. v. 21.01.1981 – VIII ZR 10/80, juris Rn. 28). Der Beklagte hat die Klägerin hier jedoch über alle Tatsachen informiert, deren Mitteilung von ihm nach der Verkehrsauffassung zu erwarten war. Er hat die Klägerin unstreitig auf den Unfallschaden hingewiesen; die Klägerin hat den ursprünglich mit 29.000 € vereinbarten Kaufpreis wegen der Unfallwageneigenschaft noch auf 28.000 € gesenkt. Außerdem hat er die GTÜ-Bescheinigung und nach den Feststellungen des Landgerichts auch die Reparaturrechnung vorgelegt.

Einer weitergehenden Aufklärung bedurfte es seitens des Beklagten zunächst nicht, denn der Umfang der Aufklärungspflicht ist stets auch von den Erkenntnismöglichkeiten und -fähigkeiten des Kraftfahrzeughändlers abhängig. Der Beklagte konnte, da es sich bei der Klägerin um eine Fachhändlerin und Fachwerkstatt handelt, davon ausgehen, dass sie durch gezielte Nachfrage die genaue Art und Weise der Reparatur abklären oder aber das Fahrzeug vor Ankauf selbst eingehend untersuchen würde. Denn die Mitteilung des Beklagten, den Schaden repariert haben zu lassen, ließ in jedem Fall für die Klägerin die Frage offen, ob diese Reparatur sowohl in Umfang als auch in Qualität dem Standard einer Fachfirma entsprach, den sie nunmehr – unter Bezugnahme auf das Gutachten des Sachverständigen S vom 08.06.2023 – ihrer Klagforderung zugrunde legt. Im Gegenteil warf nach der Einschätzung der Klägerin die Mitteilung des Beklagten im Zusammenhang mit dem GTÜ-Bericht und der Reparaturrechnung auch für sie gerade erhebliche Zweifel auf, ob der Unfallschaden tatsächlich fachgerecht repariert worden war. Daher hat sich die Klägerin auch vor Vertragsschluss das Foto (Anlage B 5) übersenden lassen. Wenn sie aber bereits Zweifel am Zustand des Fahrzeugs hatte, lag es nahe, dieses auch einer intensiven Prüfung zu unterziehen. Darauf, dass hier eine fachgerechte Reparatur vorgenommen worden war, konnte sie sich nach Kenntnis der geschilderten Umstände nicht mehr verlassen.

Eine Arglist kann schließlich auch nicht damit begründet werden, der Beklagte habe mit der Bestätigung der Reparatur eine vollständige, den Anforderungen der Klägerin als Fachwerkstatt genügende Reparatur des Fahrzeugs mit der Folge völliger Mangelfreiheit ohne hinreichende Tatsachengrundlage „ins Blaue hinein“ behauptet (dazu allgemein BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 209/05, BGHZ 168, 64 = juris Rn. 13; Grüneberg/​Ellenberger, BGB, 83. Aufl., § 123 Rn. 11 m. w. Nachw.). Dem steht entgegen, dass sich seine diesbezügliche vertragliche Erklärung nach dem objektiven Empfängerhorizont nur auf die von ihm durchgeführte Reparatur bezog. Anhaltspunkte dafür, dass er davon ausgehen musste, dass diese Reparatur nicht zur vollständigen Beseitigung des Unfallschadens geführt haben könnte, bestehen nicht. Denn der Beklagte ist mit dem Fahrzeug noch im Sommer 2022 mit seiner Familie in den Urlaub gefahren.

Daraus, dass die Reparatur den Kriterien der Klägerin als Fachhändlerin möglicherweise nicht gerecht wird, lässt nicht auf eine Arglist des Beklagten schließen. Dass der private Verkäufer das volle Ausmaß des Unfallschadens und die zur Instandsetzung erforderlichen Arbeiten selbst bewerten müsste, hält der Senat für zu weitgehend. Die Reparatur eines Unfallschadens hat wirtschaftliche und technische Komponenten, deren gesamte Reichweite von einem Laien kaum einzuschätzen ist. In Anbetracht der Fachkenntnis auf Klägerseite hieße es die Aufklärungspflicht des Beklagten als privatem Verkäufer überzustrapazieren, wenn der Beklagte von sich aus von vornherein hätte darlegen müssen, wie er im Einzelnen – und mit welchen gegebenenfalls verbliebenen Restschäden – den Unfallschaden von einer Werkstatt hat beseitigen lassen. Hier veräußerte der Beklagte das Fahrzeug nicht an einen Privatkäufer, sondern an einen Käufer, der als Händler und Fachwerkstatt über außerordentliche Fachkenntnis und alle technischen Möglichkeite zur Überprüfung verfügte und bei dem deshalb auch im Hinblick auf die Mitteilungen des Beklagten von einem entsprechenden Problembewusstsein auszugehen war. Eine eigene Untersuchung seitens der Klägerin wäre deshalb auch zu erwarten gewesen, ebenso wie weitere diesbezügliche Fragen (ebenso OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 03.11.2010 – 15 U 116/10, juris Rn. 7).

Soweit die Klägerin mit der Berufungsbegründung für ihre Behauptung, der Beklagte habe versichert, den Unfallschaden ordnungsgemäß und fachgerecht repariert zu haben, nunmehr das Zeugnis des Z anbietet, ist dieses Beweisangebot nicht gemäß § 531 II 1 ZPO zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen. Die Klägerin hatte sich in erster Instanz für diese Behauptung lediglich auf den Inhalt des Kaufvertrags, nicht aber auf einen Zeugen berufen.

b) Die Klägerin hat auch nicht die weitere – subjektive – Voraussetzung der Arglisthaftung, der Beklagte habe gewusst oder damit gerechnet, dass die Klägerin den Mangel nicht kenne, hinreichend dargelegt. Die Tatsache, dass der Beklagte die Klägerin auf den Umstand des Unfalls und auf die Reparatur unter Vorlage der GTÜ-Bescheinigung hinwies, lässt nicht den Schluss zu, dass er damit rechnete, Art und Umfang der Reparatur sowie etwa verbliebene Restmängel würden der Klägerin, einer Fachwerkstatt, verborgen bleiben, zumal auch nicht festgestellt werden kann, dass der Beklagte von den klägerseits behaupteten Restmängeln wusste.

3. Dem Landgericht ist auch darin zuzustimmen, dass der Beklagte keine Beschaffenheitsgarantie nach § 443 I BGB übernommen hat, da es an Hinweisen darauf fehlt, dass der Beklagte in jedem Fall für alle Folgen des Fehlens der Beschaffenheit, der Unfall sei fachgerecht repariert, habe einstehen wollen. Die im Kaufvertrag erfolgte Bezeichnung des Pkw als „repariert“ stellt nur eine Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 I 1 BGB a.F. [= § 434 II 1 Nr. 1, Satz 2 BGB n.F.] dar, deren Fehlen allein zur Mangelhaftigkeit führt.

Die Übernahme einer Garantie setzt voraus, dass der Verkäufer in vertragsmäßig bindender Weise die Gewähr für das Vorhandensein der vereinbarten Beschaffenheit der Kaufsache übernimmt und damit seine Bereitschaft zu erkennen gibt, für alle Folgen des Fehlens dieser Beschaffenheit einzustehen (BGH, Urt. v. 29.11.2006 – VIII ZR 92/06, BGHZ 170, 86 = juris Rn. 25). Ob eine bestimmte Angabe des Käufers eine Beschaffenheitsgarantie (§ 444 Fall 2 BGB) darstellt, ist unter Berücksichtigung der beim Abschluss eines Kaufvertrags typischerweise gegebenen Interessenlage zu beantworten. Dabei ist grundsätzlich danach zu unterscheiden, ob der Verkäufer ein Gebrauchtwagenhändler oder eine Privatperson ist. Handelt es sich bei dem Verkäufer um einen Gebrauchtwagenhändler, so ist die Interessenlage typischerweise dadurch gekennzeichnet, dass der Käufer sich auf die besondere, ihm in aller Regel fehlende Erfahrung und Sachkunde des Händlers verlässt. Er darf daher darauf vertrauen, dass der Händler für Erklärungen zur Beschaffenheit des Fahrzeugs, die er in Kenntnis dieses Umstands abgibt, die Richtigkeitsgewähr übernimmt. Diese Erwägung trifft auf den privaten Verkauf in der Regel nicht zu. Hier steht vielmehr dem Interesse des Käufers gleichgewichtig das Interesse des Verkäufers gegenüber, für nicht mehr als dasjenige einstehen zu müssen, was er nach seiner laienhaften Kenntnis zu beurteilen vermag (BGH, Urt. v. 29.11.2006 – VIII ZR 92/06, BGHZ 170, 86 = juris Rn. 25 [zur Angabe der Laufleistung eines Gebrauchtfahrzeugs]).

4. Mangels Pflichtverletzung des Beklagten ist auch der weiter geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Gutachter- und Anwaltskosten nicht begründet. Ebenso wenig kommt die Feststellung in Betracht, dass sich der Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet. …

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