1. Der Käufer eines älteren – hier zehn Jahre alten – Gebrauchtwagens kann zwar regelmäßig keine mangelfreie Lackierung des Fahrzeugs erwarten, sondern muss mit üblichen altersbedingten (Steinschlag-)Schäden rechnen. Ein Gebrauchtwagen, dessen Lackierung großflächige, nicht altersbedingte Flecken aufweist, die vermutlich von einem ätzendenb Reinigungsmittel (z. B. einem Felgenreiniger) verursacht wurden, ist aber i. S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft. Das gilt auch dann, wenn sich die Flecken durch Polieren des Lacks weitgehend entfernen lassen sollten.
  2. Weiß der Verkäufer eines – hier zehn Jahre alten – Gebrauchtwagens, dass das Fahrzeug nicht altersbedingte, einen Sachmangel begründende Lackschäden aufweist, die nur dann ohne Weiteres erkennbar sind, wenn das Fahrzeugäußere trocken ist, so muss er einen potenziellen Käufer auf diese Lackschäden jedenfalls dann hinweisen, wenn das Fahrzeug bei der Besichtigung durch den potenziellen Käufer nass ist.

OLG München, Urteil vom 21.03.2006 – 18 U 1936/05

Sachverhalt: Der Kläger erwarb von dem Beklagten am 10.07.2004 einen gebrauchten, am 02.08.1994 erstzugelassenen Pkw Audi A6 C4 zum Preis von 4.900 €. Im schriftlichen Kaufvertrag bestätigte der Beklagte dem Kläger die Unfallfreiheit des Fahrzeugs; im Übrigen schloss er seine Haftung für Sachmängel des Pkw aus.

Vor Abschluss des Kaufvertrags hatte der Kläger das Fahrzeug zusammen mit seinem Sohn am Wohnsitz des Beklagten besichtigt und Probe gefahren. Bei der Besichtigung war außer einer Delle an der linken Fahrzeugseite auch eine Roststelle im Bereich der Motorhaube betrachtet worden, auf die der Beklagte zuvor hingewiesen hatte.

Nachdem dem Kläger das Fahrzeug übergeben worden war, fuhr er damit nach Hause und stellte den Pkw vor seiner Garage ab. Kurze Zeit später machte ein im Nachbarhaus wohnender anderer Sohn des Klägers diesen darauf aufmerksam, dass der Lack des Fahrzeugs erhebliche Schäden aufweise. Der Kläger behauptet, er habe bei erneuter Betrachtung des Wagens festgestellt, dass dessen Lackschicht großflächige Beschädigungen aufweise, die ihm zuvor – bei der ersten Besichtigung des Fahrzeugs – nicht aufgefallen seien. Seinerzeit hätten ihm die Beschädigungen auch gar nicht auffallen können, weil das Fahrzeug, was sein Sohn bezeugen könne, nass gewesen sei. In diesem Zustand seien die Lackschäden, was ein von ihm – dem Kläger – eingeholtes Sachverständigengutachten beweise, nicht zu erkennen (gewesen). Die Lackschäden führt der Kläger darauf zurück, dass der Lack mit einem stark ätzenden Reiniger oder einer Säure behandelt worden sei. Die Lackschäden seien, was ein Sachverständiger bestätigen könne, nicht altersbedingt.

Der Kläger ist der Auffassung, der Beklagte habe ihn hinsichtlich der Beschaffenheit des Lacks arglistig getäuscht, sodass er die Rückabwicklung des Kaufvertrags verlangen dürfe. Mit seiner Klage hat der Kläger demenstprechend die Rückzahlung des Kaufpreises (4.900 €) sowie den Ersatz der für das Sachverständigengutachten aufgewendeten Kosten (307,96 €), insgesamt also 5.207,96 € nebst Zinsen, verlangt, und zwar Zug um Zug gegen Rückgewähr des streitgegenständlichen Pkw.

Der Beklagte hat sich auf den vertraglich vereinbarten Gewährleistungsausschluss berufen und eine arglistige Täuschung des Klägers in Abrede gestellt. Die von dem Kläger beanstandeten Flecken auf der Lackschicht seien ihm – dem Beklagten – und seiner Ehefrau nicht aufgefallen; zu möglichen Ursachen könne er nichts sagen. Abgesehen davon sei bei einem zehn Jahre alten Pkw eine entsprechende Abnutzung des Lacks kein Mangel. Er, der Beklagte, habe das überwiegend im Freien abgestellte Fahrzeug jedenfalls nicht selbst gereinigt und auch nicht mit scharfen Reinigungsmitteln behandelt. Vielmehr habe er den Pkw überwiegend im Rahmen von Inspektionen reinigen lasse. Zuletzt sei der Pkw am Tag der Übergabe an den Kläger von den Mitarbeitern einer Shell-Tankstelle innen und außen gereinigt worden. Auch der Pächter dieser Tankstelle habe ihm, dem Beklagten, erklärt, dass es bei Me­tal­lic­la­ckie­rungen zu altersbedingten Flecken auf dem Lack kommen könne. Er habe das Fahrzeug auch nicht bewusst nass gespritzt, um vorhandene Lackschäden zu verbergen. Vielmehr sei am Tag der Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger schlechtes Wetter gewesen. Daran könne er, der Beklagte, sich insbesondere deshalb erinnern, weil der Kläger bei der Probefahrt auf die schlecht funktionierenden Scheibenwischer hingewiesen habe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Rechte wegen eines Mangels des Fahrzeugs stünden dem Kläger nicht zu, weil die Haftung des Beklagten für Sachmängel im Kaufvertrag vom 10.07.2004 wirksam ausgeschlossen worden sei. Dieser Gewährleistungsausschluss sei zwar gemäß § 444 BGB unwirksam, wenn der Beklagte den Mangel, auf den der Kläger sein Rückabwicklungsbegehren stütze, arglistig verschwiegen oder insoweit eine Beschaffenheitsgarantie übernommen hätte. Der Beklagte habe indes weder einen bestimmten Zustand des Lacks garantiert, noch falle dem Beklagten eine arglistige Täuschung des Klägers zur Last. Eine Arglist des Beklagten lasse sich insbesondere nicht daraus ableiten, dass es an dem Tag, an dem der Kaufvertrag geschlossen worden sei, geregnet habe bzw. das Fahrzeug nass gewesen sei und der Kläger daher ein erhöhtes Maß an Aufklärung habe erwarten dürfen. Denn beim Kauf eines gebrauchten – hier zehn Jahre alten – Fahrzeugs mit einer Laufleistung von rund 130.000 km müsse der Käufer mit einer mangelhaften Lackschicht rechnen. Darüber müsse jedenfalls ein privater Verkäufer den Käufer nicht von sich aus umfassend aufklären. Vielmehr gelte insoweit der Grundsatz, dass derjenige, der einen Vertrag schließt, sich selbst über die für ihn bedeutenden Umstände zu vergewissern habe. Der Kläger habe deshalb, wenn er auf eine unversehrte Lacksicht Wert gelegt habe, nachfragen und gegebenenfalls eine Untersuchung des Pkw verlangen müssen. Dran ändere nichts, dass Lackschäden bei Nässe möglicherweise nicht oder nur schwer erkennbar seien; insbesondere resultiere daraus keine besondere Aufklärungspflicht des Verkäufers. Dem Gericht erscheine es im Übrigen gänzlich unwahrscheinlich, dass der Beklagte, um über die Lackschäden zu täuschen, mit Absicht dafür gesorgt habe, dass das Fahrzeug dem Kläger nass präsentiert worden sei. Insoweit äußere der Kläger lediglich eine durch nichts belegte und nicht zu belegende Vermutung. Auf die von dem Kläger angebotenen Beweise komme es daher nicht an.

Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hatte Erfolg.

Aus den Gründen: Der Kläger konnte gemäß § 437 Nr. 2 Fall 1, § 434 I 2 Nr. 2, §§ 323 I, 440 Satz 1 BGB von dem am 10.07.2004 geschlossenen Kaufvertrag zurücktreten und darüber hinaus gemäß § 437 Nr. 3 Fall 1, § 434 I 2 Nr. 2, §§ 280 I, 249, 325, 440 Satz 1 BGB Ersatz für die Kosten des vorprozessual eingeholten Gutachtens in Höhe von 307,96 € verlangen.

Das streitgegenständliche Kraftfahrzeug war mangelhaft; der Beklagte konnte nicht beweisen, dass der Kläger den Mangel bei Vertragsschluss gekannt hat bzw. dass er ihm infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist. Der Beklagte kann sich auch nicht auf den zwischen den Parteien vereinbarten Haftungsausschluss berufen, da er den Mangel arglistig verschwiegen hat. Eine eventuelle Nacherfüllung hat der Beklagte verweigert, sodass der Kläger sich auf den erklärten Rücktritt berufen kann.

1. Das streitgegenständliche Kraftfahrzeug weist, wie sich aus den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen S ergeben hat, einen Sachmangel gemäß § 434 I 2 Nr. 2 BGB auf, da der Lack des streitgegenständlichen Fahrzeugs eine Beschaffenheit aufweist, die von der eines vergleichbaren Gebrauchtwagens abweicht. Der Sachverständige hat überzeugend dargelegt, dass sich auf großen Teilen der Lackierung des Fahrzeugs Flecken befinden, die nicht altersbedingt sind. Zwar kann der Käufer eines etwa zehn Jahre alten Kraftfahrzeugs auch ohne besonderen Hinweis keine mangelfreie Lackierung erwarten. So sind insbesondere kleinere Dellen und Steinschlagschäden an der Karosserie eines solchen Fahrzeugs üblich und nach der Art der Sache zu erwarten. Die vom Sachverständigen festgestellte Fleckenbildung ist jedoch nicht altersbedingt, sondern auf die Auftragung eines ätzenden Stoffs – vermutlich eines ätzenden Reinigungsmittels wie eines Felgenreinigers – zurückzuführen. Darin ist auch dann ein Sachmangel zu sehen, wenn sich die Flecken durch eine Politur des Lacks weitgehend entfernen lassen sollten. Durch eine solche Maßnahme könnte der bestehende Mangel nur beseitigt werden.

2. Der Beklagte hat nicht bewiesen, dass der Kläger diesen Mangel zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gekannt hat bzw. dass ihm der Mangel infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist (§ 442 I BGB). Der Beklagte trägt die Beweislast für die Kenntnis des Klägers von dem Mangel bzw. dafür, dass ihm der Mangel aus grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist (vgl. Palandt/​Putzo, BGB, 65. Aufl., § 442 Rn. 6).

Unstreitig war das Fahrzeug in dem Zeitraum, in dem der Kläger dieses untersuchte und eine Probefahrt durchführte, nass. Der Sachverständige hat bestätigt, dass die Flecken bei Nässe nur schwer zu erkennen sind, da das auf der Karosserie befindliche Wasser ein ähnliches Erscheinungsbild wie die Flecken hat. Der Beklagte hat unstreitig nur auf kleinere Mängel des Lacks hingewiesen, sodass der Kläger keine positive Kenntnis hatte. Auch wenn, wie der Sachverständige dargelegt hat, die Flecken bei nasser Karosserie erkennbar sind, ist ein grob fahrlässiges Übersehen nicht bewiesen, da die Flecken insbesondere von einem Beobachter, der nicht mit ihnen rechnet, auch bei einer genaueren Untersuchung des Fahrzeugs nicht unbedingt gesehen werden mussten, sondern bei nasser Karosserie übersehen werden konnten.

3. Der Beklagte kann sich gemäß § 444 Fall 1 BGB nicht auf den Ausschluss der Sachmängelhaftung berufen, den die Parteien in dem zwischen ihnen geschlossenen Kaufvertrag (Anlage K 1) vereinbart haben, da der Beklagte den Mangel an dem streitgegenständlichen Kraftfahrzeug arglistig verschwiegen hat. Dass die Flecken dem Beklagten bekannt waren, ergibt sich aus den Angaben des Sachverständigen, der dargelegt hat, dass dann, wenn die Karosserie des streitgegenständlichen Fahrzeugs trocken ist, die Flecken gut sichtbar und nicht zu übersehen sind.

Selbst wenn das Fahrzeug erst bei der letzten vom Beklagten durchgeführten Reinigung am Vormittag des 10.07.2004 beschädigt worden sein sollte, hätte der Beklagte sie bemerkt, da er das Fahrzeug in trockenem Zustand gesehen hat. Der Beklagte selbst hat in der Klageerwiderung vom 30.08.2004 vorgetragen, dass das Fahrzeug zunächst vormittags gereinigt worden sei und der Regen erst begonnen habe, als der Kläger gegen 14.00 Uhr zur Besichtigung des Fahrzeugs gekommen sei.

Der Beklagte wäre auch verpflichtet gewesen, den Kläger über die Lackschäden aufzuklären, da dieser Mangel bei nasser Karosserie nur schwer erkennbar war.

4. Zwar ist aufgrund der Angaben des Sachverständigen davon auszugehen, dass die Flecken weitgehend durch eine intensive Politur der Karosserie des streitgegenständlichen Fahrzeugs zu entfernen sind, sodass eine Nacherfüllung gemäß § 439 I BGB möglich gewesen wäre. Diese hat der Beklagte jedoch spätestens in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 15.12.2004 verweigert, sodass gemäß §§ 323 I, 440 Satz 1 BGB die Voraussetzungen für einen Rücktritt vom Kaufvertrag vorlagen.

5. Gemäß § 322 I BGB war der Beklagte daher zur Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 4.900 € Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs zu verurteilen. Darüber hinaus war festzustellen, dass sich der Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeuges in Verzug befindet (§ 293 BGB; § 256 I, § 756 I, § 765 Nr. 1 ZPO).

6. Außerdem hat der Kläger gemäß §§ 437 Nr. 3 Fall 1, §§ 280 I, 249, 325 BGB Anspruch auf die Kosten des vom Kläger vorprozessual eingeholten Sachverständigengutachtens in Höhe von 307,96 € (vgl. Palandt/​Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 249 Rn.40). …

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