- Erfüllungsort für Ansprüche eines Neuwagenkäufers aus einer Herstellergarantie ist mangels abweichender Vereinbarung jedenfalls nicht der (Wohn-)Sitz des Käufers.
- Erfüllungsort für Ansprüche aus einer Mobilitätsgarantie ist regelmäßig – wenn eine abweichende Vereinbarung fehlt – der Sitz des Garantiegebers. Denn der Inhalt einer Mobilitätsgarantie beschränkt sich letztlich darauf, dem Garantienehmer (Fahrzeugkäufer) Aufwendungen für die Pannenhilfe, das Abschleppen seines Fahrzeugs und einen Mietwagen zu erstatten oder dafür zu sorgen, dass Dritte Leistungen für den Garantienehmer (z. B. Überlassung eines Mietwagens) auf Kosten des Garantiegebers erbringen.
- Wird eine Klage zunächst nur gegen einen Beklagten erhoben und erst nach formloser Abgabe der Sache an ein anderes Gericht auf einen Streitgenossen des Beklagten erweitert, ist für eine infolgedessen erforderlich werdende Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 I Nr. 3 ZPO das Gericht, bei dem der parteierweiternde Schriftsatz eingereicht wurde, als das „zuerst mit der Sache befasste Gericht“ i. S. des § 36 II ZPO anzusehen.
BayObLG, Beschluss vom 23.06.2023 – 102 AR 9/23
Sachverhalt: Die in B. ansässige Antragstellerin ist Halterin eines Pkw Fiat Talento, für den die in Rüsselsheim ansässige Antragsgegnerin zu 2 ein Neuwagengarantie gewährt hat. Dieses Fahrzeug wurde nach Eintritt eines Motorschadens am 13.09.2021 in eine Kfz-Werkstatt in Hamburg verbracht, wo es sich noch immer befindet. In einem bereits eingeleiteten selbstständigen Beweisverfahren möchte die Antragstellerin unter anderem die Ursache des Motorschadens klären lassen.
Sie behauptet, der Motorschaden beruhe auf einem Herstellungsmangel und sei im Rahmen der Garantie durch Reparatur oder Austausch der betroffenen Teile zu beseitigen. Nicht auszuschließen sei aber auch, dass ihre Streithelferin bei der Wartung des Pkw minderwertiges Öl verwendet habe, was alleine oder mit zu dem Motorschaden geführt haben könne. Die Antragsgegnerin zu 2 gewähre für die Laufzeit der Neuwagengarantie eine Mobilitätsgarantie, deren Leistungen durch die Antragsgegnerin zu 1 erbracht würden. Im noch nicht anhängigen Hauptsacheverfahren beabsichtige sie, die Antragstellerin, daher, Garantieansprüche gegen die Antragsgegnerin zu 2 geltend zu machen und die Antragsgegnerin zu 1 auf Kostenübernahme beziehungsweise Auslagenerstattung in Anspruch zu nehmen. Der mit einer Beseitigung des Motorschadens verbundene Kostenaufwand betrage nicht mehr als 5.000 €.
Im selbstständigen Beweisverfahren beantragt die Antragstellerin, ein Sachverständigengutachten unter anderem dazu einzuholen, dass bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug ein Motorschaden vorliege, ob der Hersteller für diesen Schaden verantwortlich sei, welcher Maßnahmen es zur Beseitigung des Motorschadens bedürfe, welche Kosten dafür entstünden und ob eine fehlende Schmierung zu dem Motorschaden geführt habe.
Die dem selbstständigen Beweisverfahren aufseiten der Antragstellerin beigetretene Nebenintervenientin will geklärt wissen, welches Öl sich im Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs befindet, und behauptet, sie habe den Pkw nur einmal, nämlich im Juni 2020 einer Wartung unterzogen und dabei fachgerecht das richtige Öl verwendet. Möglich sei aber, dass der Pkw danach durch einen Dritten gewartet worden sei.
Die Antragsgegnerin zu 1 macht geltend, sie sei nicht passivlegitimiert, weil sie nur Mobilitätsdienstleistungen für die Antragsgegnerin zu 2 erbringe. Dazu gehörten zum Beispiel die Pannenhilfe, das Abschleppen von Fahrzeugen und die Überlassung von Mietwagen. Die Begutachtung eines Fahrzeugs und die Beseitigung von Mängeln gehörten nicht zur Mobilitäts-, sondern zur Fahrzeuggarantie. Eine solche habe sie, die Antragsgegnerin zu 1, der Antragstellerin nicht gewährt.
Die Antragsgegnerin zu 2 behauptet, der Motorschaden sei dadurch entstanden, dass das streitgegenständliche Fahrzeug unzureichend oder fehlerhaft gewartet worden sei. Sie meint, Ansprüche gegen sie kämen daher nicht in Betracht.
Den Antrag auf Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens hat die Antragstellerin zunächst nur gegen die Antragsgegnerin zu 1 gerichtet und beim AG Hamburg-Barmbek eingereicht. Dieses hat mit Verfügung vom 11.03.2022 darauf hingewiesen, dass seine Zuständigkeit nicht erkennbar sei, da die Antragsgegnerin zu 1 ihren Sitz in München habe, das Fahrzeug sich im Bezirk des AG Hamburg-Altona befinde und Vortrag zu einer dringenden Gefahr i. S. von § 486 III ZPO fehle.
Die Antragstellerin hat daraufhin beantragt, die Sache an das „örtlich und sachlich zuständige AG Hamburg-Altona zu verweisen“. Eine dringende Gefahr liege vor, da ihr Fahrzeug nach wie vor mit zerlegtem Motor in der Hamburger Kfz-Werkstatt stehe. Sie wolle den Pkw reparieren lassen, sei dazu aber nicht „gehalten“, solange keine Beweise gesichert worden seien. Es bestehe die dringende Gefahr, dass Beweismittel verlorengingen oder deren Benutzung erschwert werde.
Auf den Hinweis des AG Hamburg-Barmbek, eine Eilzuständigkeit des AG Hamburg-Altona sei nach wie vor nicht erkennbar, hat die Antragstellerin die formlose Abgabe des Verfahrens an das AG München beantragt. Dem ist das AG Hamburg-Barmbek mit Verfügung vom 22.04.2022 nachgekommen, ohne zuvor den Antrag auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens der Antragsgegnerin zu 1 zuzustellen.
Nachdem die Akte beim AG München eingegangen und der Antrag auf Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens der Antragsgegnerin zu 1 zugestellt worden war, hat die Antragstellerin den Antrag mit Schriftsatz vom 08.06.2022 auf die Antragsgegnerin zu 2 erweitert. Die Antragsgegnerinnen würden ersucht, sich mit einer örtlichen Zuständigkeit des AG Hamburg-Altona als Gericht der belegenen Sache einverstanden zu erklären. Andernfalls werde um Gerichtsstandsbestimmung gemäß § 36 I Nr. 3 ZPO „durch das angerufene Gericht“ gebeten.
Die Antragsgegnerin zu 2 hat geltend gemacht, örtlich und sachlich sei das LG Hamburg zuständig. Denn die im Raum stehenden Ansprüche der Antragstellerin seien jedenfalls teilweise auf Beseitigung des Motorschadens gerichtet. Eine entsprechende Garantieleistung sei in der Hamburger Kfz-Werkstattzu erbringen. Der Streitwert betrage mindestens 8.000 €, weil dies der Listenpreis für einen Austauschmotor sei. Mit einer Verweisung an das LG Hamburg sei sie, die Antragsgegnerin zu 2, einverstanden. Die Antragsgegnerin zu 1 hat sich einer Verweisung widersetzt. Soweit der Antrag auf Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens gegen sie gerichtet sei, habe das AG München ihn als unzulässig zurückzuweisen. Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 23.09.2022 beantragt, das Verfahren an das „örtlich und sachlich zuständige LG Hamburg zu verweisen“.
Das AG München hat die Akte mit Verfügung vom 31.01.2023 dem Bayerischen Obersten Landesgericht übersandt, und zwar „mit dem Antrag, das zuständige Gericht nach § 36 I Nr. 3 ZPO zu bestimmen (gemäß dem Antrag der Antragstellerin auf Bl. 29 d. A.)“. Zur Begründung hat das AG München auf seine Verfügung vom 25.10.2022 verwiesen. Die Antragsgegnerinnen hätten ihren allgemeinen Gerichtsstand jeweils bei unterschiedlichen Gerichten. Ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand bestehe nicht. Die Antragstellerin beabsichtige, in der Hauptsache gegen die Antragsgegnerin zu 1 einen Zahlungsanspruch (Kostenübernahme bzw. Auslagenerstattung) geltend zu machen. Für diesen Anspruch sei Erfüllungsort der Sitz der Antragsgegnerin zu 1. Hinsichtlich der gegen die Antragsgegnerin zu 2 in der Hauptsache geltend zu machenden Ansprüche sei ein Gerichtsstand des Erfüllungsorts in München nicht ersichtlich. Die Antragsgegnerin zu 2 habe den Sitz in Rüsselsheim, das Fahrzeug befinde sich in Hamburg und die Antragstellerin habe ihren Sitz in B.
Die Antragsgegnerin zu 1 hat im Zuständigkeitsbestimmungsverfahren ausgeführt, sie sei eine Versicherungsgesellschaft mit Sitz in München. Ein Anspruch der Antragstellerin gegen sie könne sich nur auf die Erbringung einer Versicherungsleistung beziehen. Erfüllungsort sei insoweit München. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage habe die Antragstellerin indes keinen Anspruch auf Erbringung einer Versicherungsleistung gegen sie, sodass der gegen sie gerichtete Antrag auf Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens von einem Münchener Gericht durch Beschluss abzulehnen sei.
Als für das selbstständige Beweisverfahren örtlich zuständige Gericht wurde das AG München bestimmt.
Aus den Gründen: II. … 1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist gemäß § 36 II ZPO i. V. mit § 9 EGZPO für die Bestimmung des gemeinsam örtlich zuständigen Gerichts zuständig. Die Antragsgegnerin zu 1 und die Antragsgegnerin zu 2 haben ihren jeweiligen allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12, 17 ZPO) in verschiedenen Landgerichtsbezirken, nämlich München und Darmstadt, sodass das gemeinschaftliche im Rechtszug zunächst höhere Gericht gemäß § 36 I ZPO der BGH ist. An dessen Stelle befindet gemäß § 36 II ZPO i. V. mit § 9 EGZPO das Bayerische Oberste Landesgericht über das Bestimmungsgesuch, weil das mit der Sache bereits befasste Gericht in Bayern liegt. Auf die Einreichung des Antrags zunächst beim AG Hamburg-Barmbek kommt es nicht an. Dieses hat das Verfahren an das AG München abgegeben, bevor die Antragstellerin ihren Antrag auf die Antragsgegnerin zu 2 erweitert hat (vgl. BayObLG, Beschl. v. 10.06.2020 – 1 AR 45/20, juris Rn. 17).
2. Die Voraussetzungen für eine Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts gemäß § 36 I Nr. 3 ZPO sind gegeben.
a) Ein Gesuch der Antragstellerin auf Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts nach § 37 I ZPO liegt vor. Mit Schriftsatz vom 08.06.2022 hat die Antragstellerin die beiden Antragsgegnerinnen „ersucht, sich mit dem AG Hamburg-Altona als Gericht der belegenen Sache als örtlich zuständigen Gericht einverstanden zu erklären“. „Anderenfalls“ werde „um Gerichtsstandbestimmung gemäß § 36 I Nr. 3 ZPO durch das angerufene Gericht gebeten“. Die Antragsgegnerin zu 1 begehrt eine Antragsabweisung durch das AG München als unzulässig oder zumindest unbegründet und ist mithin mit einer etwaigen Entscheidung durch das AG Hamburg-Altona gerade nicht einverstanden.
Unschädlich ist ferner, dass der Antrag nach seinem Wortlaut auf eine Bestimmungsentscheidung „durch das angerufene Gericht“, also das AG München, gerichtet ist. Prozessuale Anträge sind der Auslegung zugänglich. Im Zweifel ist dasjenige gewollt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (BGH, Urt. v. 16.05.2017 – XI ZR 586/15, NJW 2017, 2340 Rn. 11; BayObLG, Beschl. v. 19.08.2022 – 102 AR 77/22, juris Rn. 8). Mithin kann der Antrag dahin ausgelegt werden, dass die Zuständigkeitsbestimmung durch das hierfür zuständige Gericht begehrt wird und das angerufene Gericht nur diesem die Akten vorlegen solle, um die Zuständigkeitsbestimmung zu ermöglichen. Gegen die der Antragstellerin mitgeteilte Aktenübermittlung an das Bayerische Oberste Landesgericht hat diese auch keine Einwendungen erhoben.
Schließlich ist nicht davon auszugehen, dass die Antragstellerin mit der im Schriftsatz vom 23.09.2022 begehrten Verweisung an das örtlich (und sachlich) zuständige LG Hamburg ihren früheren Antrag auf Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts zurücknehmen wollte. Das Bayerische Oberste Landesgericht hat mit Verfügung vom 08.02.2023 mitgeteilt, dass die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 08.06.2022 einen Antrag auf Zuständigkeitsbestimmung gestellt und das Amtsgericht die Akten zur Entscheidung über diesen Antrag dem Bayerischen Obersten Landesgericht vorgelegt habe. Einwendungen hiergegen hat die Antragstellerin nicht erhoben.
Nur ergänzend sei darauf verwiesen, dass sich der Antrag vom 08.06.2022 ausschließlich auf die Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts bezieht. Der Antrag wird gerade für den Fall gestellt, dass sich die Antragsgegnerinnen nicht mit dem AG Hamburg-Altona als „das Gericht der belegenen Sache als örtlich“ zuständiges Gericht einverstanden erklären. Im Anschluss an die Rüge auch der sachlichen Unzuständigkeit durch die Antragsgegnerin zu 2 begehrt die Antragstellerin zwar eine Verweisung an das LG Hamburg als das sachlich (und örtlich) zuständige Gericht, aber keine Gerichtsstandsbestimmung nach § 36I Nr. 3 ZPO in Bezug auf die sachliche Zuständigkeit. Dementsprechend geht auch das vorlegende AG München, wie aus den Verfügungen vom 25.10.2022 und vom 31.01.2023 ersichtlich, davon aus, dass sich die Zuständigkeitsbestimmung nur auf die örtliche Zuständigkeit beziehen solle.
b) Eine Bestimmung des zuständigen Gerichts kann in entsprechender Anwendung des § 36 I Nr. 3 ZPO auch für ein selbstständiges Beweisverfahren vorgenommen werden (BayObLG, Beschl. v. 23.01.2023 – 101 AR 64/22, juris Rn. 29; Beschl. v. 05.08.2022 – 101 AR 54/22, juris Rn. 15 – jeweils m. w. Nachw.). Dass dieses bereits anhängig ist, schließt die Gerichtsstandsbestimmung nicht aus, denn über den Wortlaut des § 36 I Nr. 3 ZPO hinaus kann eine Bestimmung regelmäßig auch noch nach Rechtshängigkeit erfolgen (BGH, Beschl. v. 27.11.2018 – X ARZ 321/18, juris Rn. 10; Beschl. v. 23.02.2011 – X ARZ 388/10, NJW-RR 2011, 929 Rn. 6 f.; BayObLG, Beschl. v. 23.01.2023 – 101 AR 64/22, juris Rn. 31 m. w. Nachw.). Der Verfahrensstand steht einer Zuständigkeitsbestimmung vorliegend nicht entgegen.
Ob der Antrag auf Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens zulässig ist, bedarf im Bestimmungsverfahren keiner Prüfung (BayObLG, Beschl. v. 10.06.2020 – 1 AR 39/20, juris Rn. 27; Beschl. v. 19.12.2019 – 1 AR 110/19, juris Rn. 12).
c) Die Antragsgegnerinnen werden nach dem maßgeblichen (vgl. Zöller/Schultzky, ZPO, § 36 Rn. 28) und insoweit schlüssigen Vorbringen der Antragstellerin als Streitgenossen i. S. von §§ 59, 60 ZPO in Anspruch genommen.
aa) Streitgenossenschaft nach § 60 ZPO setzt voraus, dass gleichartige und auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhende Ansprüche oder Verpflichtungen den Gegenstand des Rechtsstreits bilden. Der Anwendungsbereich der grundsätzlich weit auszulegenden Vorschrift ist bereits dann eröffnet, wenn die Ansprüche in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehen, der sie ihrem Wesen nach als gleichartig erscheinen lässt (BGH, Beschl. v. 20.10.2020 – X ARZ 124/20, juris Rn. 12; Beschl. v. 06.06.2018 – X ARZ 303/18, NJW 2018, 2200 Rn. 12; BayObLG, Beschl. v. 22.02.2023 – 102 AR 73/22, juris Rn. 39).
Das ist hier der Fall. Im Rahmen des selbstständigen Beweisverfahrens soll insbesondere festgestellt werden, ob der Motorschaden des streitgegenständlichen Fahrzeugs auf einem Herstellungsmangel beruht oder durch eine fehlerhafte Wartung, insbesondere die Verwendung eines falschen Öls, (mit-)verursacht wurde. Die Antragstellerin will ausgehend hiervon gemäß § 443 I BGB Ansprüche gegen die Antragsgegnerin zu 2 als Garantiegeberin der Neuwagen-Fahrzeuggarantie erheben. Im Rahmen dieser Garantie sei der Verkäufer verpflichtet, Herstellungsmängel kostenlos durch Reparatur oder Austausch der betroffenen Teile zu beseitigen. Die Garantieansprüche sollen gegen die Antragsgegnerin zu 2) nach dem Vortrag der Antragstellerin „als Modifizierung der Nachbesserungspflicht des Verkäufers“ geltend gemacht werden. Wesentliche Voraussetzung für derartige Ansprüche auf Reparatur oder Austausch des Motors ist nach dem Vortrag der Antragstellerin, dass es sich um einen Herstellungsmangel handelt und der Schaden nicht nur durch eine mangelnde Wartung durch Dritte (etwa durch die Streithelferin) verursacht wurde. Gegen die Antragsgegnerin zu 1 will die Antragstellerin nach ihrem letzten Vortrag zwar nur Ansprüche auf Kostenübernahme oder Auslagenerstattung als Leistungserbringerin der Neuwagen-Mobilitätsgarantie geltend machen. Ob der Antragstellerin ein derartiger Anspruch tatsächlich zusteht und insbesondere, ob die Antragsgegnerin zu 1 passivlegitimiert ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung (vgl. BayObLG, Beschl. v. 10.06.2020 – 1 AR 39/20, juris Rn. 24; Zöller/Schultzky, a. .a. O., § 36 Rn. 28). Ansprüche aus einer „Neuwagen-Mobilitätsgarantie“ kommen aber offensichtlich ebenfalls nur in Betracht, wenn die Ursache der fehlenden Mobilität des Fahrzeugs, vorliegend also der Motorschaden, auf einem Herstellungsmangel und nicht lediglich auf einer fehlerhaften Wartung durch die Antragstellerin beziehungsweise durch einen von ihr beauftragten Dritten beruht. Der wesentliche, für die behaupteten Ansprüche gegen die Antragsgegnerin zu 1 und gegen die Antragsgegnerin zu 2 maßgebliche Sachverhalt ist mithin identisch. Auf demselben Rechtsverhältnis oder derselben Anspruchsgrundlage müssen die Ansprüche nicht beruhen (BGH, Beschl. v. 20.10.2020 – X ARZ 124/20, juris Rn. 14; BayObLG, Beschl. v. 19.08.2022 – 102 AR 77/22, juris Rn. 13). Ferner ist unschädlich, dass einzelne Sachverhaltselemente nur im Verhältnis zu einzelnen Antragsgegnern von Bedeutung sein mögen (BGH, Beschl. v. 06.06.2018 – X ARZ 303/18, NJW 2018, 2200 Rn. 13; BayObLG, Beschl. v. 19.08.2022 – 102 AR 77/22, juris Rn. 13).
Schließlich steht einer Gleichartigkeit der Ansprüche i. S. des § 60 ZPO auch nicht entgegen, dass die Ansprüche in der Hauptsache gegen die Antragsgegnerin zu 1 auf Zahlung oder Kostenübernahme, gegen die Antragsgegnerin zu 2 dagegen nach Vortrag der Antragstellerin auf Reparatur oder Austausch des Motors gerichtet sind. Dass die Ansprüche jeweils zur gleichen Rechtsfolge führen, erfordert § 60 ZPO nicht (vgl. BayObLG, Beschl. v. 05.08.2022 – 101 AR 54/22, juris Rn. 18; OLG Köln, Beschl. v. 29.01.2020 – 8 AR 10/20, juris Rn. 13; jeweils für Ansprüche auf Feststellung zur Tabelle einerseits und Zahlung andererseits). Ausreichend erscheint vielmehr, dass die Antragstellerin vorliegend von beiden Antragsgegnerinnen die Beseitigung der Folgen des behaupteten Herstellungsmangels begehrt.
d) Ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand, der einer Bestimmung grundsätzlich entgegenstünde, lässt sich aus dem Vortrag der Beteiligten nicht erkennen.
Eine gerichtliche Bestimmung des zuständigen Gerichts setzt nach § 36 I Nr. 3 ZPO voraus, dass für den Rechtsstreit kein gemeinschaftlicher allgemeiner oder besonderer Gerichtsstand im Inland eröffnet ist. Die der Gerichtsstandsbestimmung gezogene Grenze gilt grundsätzlich auch, wenn die zunächst nur gegen einen Beklagten erhobene Klage gegen weitere Beklagte als Streitgenossen erweitert werden soll oder worden ist. Eine Bestimmung des zuständigen Gerichts scheidet deshalb grundsätzlich aus, wenn ein gemeinschaftlicher Gerichtsstand bestanden hat, dieser durch die bindende Wahl (§ 35 ZPO) eines anderen Gerichts aber verlorengegangen ist (vgl. BayObLG, Beschl. v. 10.02.2021 – 101 AR 161/20, juris Rn. 14 f. m. w. Nachw.).
aa) Mangels Anhängigkeit der Hauptsache ist kein gemeinschaftlicher Gerichtsstand nach § 486 I ZPO eröffnet.
bb) Die Voraussetzungen des § 486 III ZPO liegen ebenfalls nicht vor. Ein gemeinschaftlicher Gerichtsstand beim AG Hamburg-Altona, in dessen Bezirk sich das streitgegenständliche Fahrzeug befindet, scheidet daher ebenfalls aus. Eine dringende Gefahr nach § 486 III ZPO kann nur angenommen werden, wenn die verlangte und sofort notwendige Beweiserhebung vor dem an sich zuständigen Hauptsachegericht nicht mehr rechtzeitig durchführbar wäre (BayObLG, Beschl. v. 10.06.2020 – 1 AR 39/20, juris Rn. 36; Huber, in: Musielak/Voit, ZPO, 20. Aufl. [2023], § 486 Rn. 5; Zöller/Schultzky, ZPO, § 486 Rn. 5). Die bloße Besorgnis, dass der Verlust des Beweismittels drohe, genügt hingegen nicht, da dies schon in § 485 I Fall 2 ZPO für die Zulässigkeit des selbstständigen Beweisverfahrens vorausgesetzt wird (BayObLG, Beschl. v. 10.06.2020 – 1 AR 39/20, juris Rn. 36).
Nach diesen Grundsätzen fehlt es vorliegend an den Voraussetzungen des § 486 III ZPO. Die Antragstellerin trägt lediglich vor, das Fahrzeug stehe mit zerlegtem Motor in der Werkstatt in Hamburg. Sie wolle das Auto reparieren lassen, sehe sich daran aber gehindert, solange die Beweismittel nicht gesichert seien. Es sei daher zu besorgen, dass das Beweismittel verlorengehe beziehungsweise dessen Benutzung erschwert werde. Eine dringende Gefahr lässt sich hieraus nicht ableiten. Eine Reparatur des Fahrzeugs durch die Werkstatt kann offensichtlich nur mit Zustimmung der Antragstellerin erfolgen. Ohne Zutun der Antragstellerin verbleibt es daher beim bisherigen Zustand. Dass – abgesehen von einer Reparatur – eine anderweitige Veränderung des Fahrzeugs oder des Motors unmittelbar drohte, behauptet auch die Antragstellerin nicht.
cc) Ein gemeinsamer Gerichtsstand am Erfüllungsort für die Ansprüche aus der Neuwagen-Mobilitätsgarantie gegen die Antragsgegnerin zu 1 sowie aus der Fahrzeug-Neuwagengarantie gegen die Antragsgegnerin zu 2 gemäß § 486 II 1, § 29 I ZPO ergibt sich aus dem Vortrag der Antragstellerin nicht.
(1) Ansprüche gegen den Garantiegeber sind trotz des Wortlauts des § 443 I BGB nicht als gesetzliche, sondern als Ansprüche aus einem selbstständigen Garantievertrag zwischen Käufer und Garantiegeber zu qualifizieren (BGH, Beschl. v. 10.02.2022 – I ZR 38/21, GRUR 2022, 500 Rn. 33 – Zufriedenheitsgarantie; BeckOGK/Stöber, Stand: 01.08.2022, § 443 Rn. 51 m. w. Nachw. auch zur im Schrifttum teilweise vertretenen a. A.) und daher vertragliche Ansprüche gemäß § 29 I ZPO.
(2) Für die Ansprüche gegen die Antragsgegnerin zu 1) kommt als Erfüllungsort lediglich München, der Sitz der Antragsgegnerin zu 1, in Betracht.
Maßgeblich für die Bestimmung des Leistungs- und damit auch des Erfüllungsorts nach § 29 I ZPO sind gemäß § 269 I BGB (ggf. in Verbindung mit § 270 IV BGB), wenn nichts anderes vereinbart ist, die Gesamtumstände, insbesondere die Natur des Schuldverhältnisses. Sofern sich daraus kein Erfüllungsort ableiten lässt, ist der Sitz des Schuldners bei Entstehung des Schuldverhältnisses maßgeblich.
Die Antragstellerin will nach ihrem Vortrag gegen die Antragsgegnerin zu 1 Ansprüche auf Kostenübernahme und Auslagenerstattung aus der Neuwagen-Mobilitätsgarantie geltend machen. Dass es hierfür eine Vereinbarung zum Leistungs- bzw. Erfüllungsort gebe, trägt keiner der Beteiligten vor. Nach den daher maßgeblichen Gesamtumständen des vorliegenden Einzelfalls ist der Erfüllungsort dieser Ansprüche der Sitz der Antragsgegnerin zu 1. Die Antragsgegnerin zu 1 betreibt weder ein Abschleppunternehmen noch eine Fahrzeugvermietung, sondern ist nach unstreitigem eigenen Vortrag eine Versicherung. Damit erscheint es naheliegend, dass eine von ihr gegebene Mobilitätsgarantie sich letztlich darauf beschränkt, das Abschleppen, die Pannenhilfe oder die Zurverfügungstellung von Mietwagen entweder über Drittfirmen unter Kostenübernahme zu organisieren oder gegebenenfalls die dem Käufer hierfür angefallenen Aufwendungen zu ersetzen. Als Erfüllungsort dieser Pflichten kommt nur der Sitz der Antragsgegnerin zu 1 in Betracht. Der aktuelle Standort des Fahrzeugs oder die Annahme eines bestimmungsgemäßen Standorts am Sitz der Antragstellerin erscheinen als Anknüpfungspunkt ungeeignet, da der Zweck eines Fahrzeugs gerade nicht im stationären Aufenthalt an einem Ort besteht (so für den Nacherfüllungsanspruch gegen einen Verkäufer auch BGH, Urt. v. 13.04.2011 – VIII ZR 220/10, BGHZ 189, 196 = NJW 2011, 2278 Rn. 33) und die Mobilitätsgarantie gerade die Möglichkeit der Fortbewegung zu den verschiedensten Orten sicherstellen soll. Vor allem aber handelt es sich letztlich um eine bloße Organisations- und/oder Zahlungspflicht der Antragsgegnerin zu 1, die naturgemäß von ihrem Sitz aus zu erbringen ist. Hierfür spricht ferner die Regelung in § 269 I BGB, wonach sich der Erfüllungsort am Sitz des Schuldners bei Entstehen des Schuldverhältnisses befindet, wenn sich aus den Umständen nichts anderes ableiten lässt. Auch danach ist Erfüllungsort vorliegend München.
(2) Gegen die Antragsgegnerin zu 2 will die Antragstellerin Ansprüche aus einer Neuwagen-Fahrzeuggarantie geltend machen. Dabei begehrt die Antragstellerin die Reparatur oder den Austausch des defekten Motors.
Nicht abschließend geklärt ist bislang, wie im Rahmen einer Neuwagen-Herstellergarantie der Erfüllungsort zu bestimmen ist. Teils wird pauschal ausgeführt, bei einer Herstellergarantie sei Erfüllungsort der Wohnsitz des Schuldners (Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. [2014], § 29 Rn. 21). Teils wird danach differenziert, ob sich die Garantieansprüche auf Zahlungspflichten beschränken. Dann sei Erfüllungsort jedenfalls mangels besonderer Umstände der Sitz des Schuldners (OLG Brandenburg, Beschl. v. 08.06.2010 – 3 W 58/09, juris Rn. 13; Smid/Hartmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Aufl. [2020], § 29 Rn. 51). Wenn der Garantieanspruch sich nicht auf eine Geldleistung bezieht, wird zum Teil für maßgeblich erachtet, wo sich das Fahrzeug bestimmungsgemäß befinde, nämlich am Wohnsitz des Käufers (LG Saarbrücken, Beschl. v. 30.11.2010 – 5 T 517/10, juris Rn. 24). Im Unterschied dazu nimmt der BGH allerdings für Nacherfüllungsansprüche gegen den Verkäufer an, Erfüllungsort sei in der Regel der Sitz des Verkäufers, da der Belegenheitsort bei verkauften Fahrzeugen variabel sei. Fahrzeuge befänden sich typischerweise und bestimmungsgemäß nicht nur am Wohnsitz des Käufers, sondern seien unterwegs zu den verschiedensten Zielen wie etwa der Arbeitsstätte, dem Urlaubsort oder sonstigen Reisezielen (BGH, Urt. v. 13.04.2011 – VIII ZR 220/10, BGHZ 189, 196 = NJW 2011, 2278 Rn. 33; ebenso i. E. BGH, Urt. v. 19.07.2017 – VIII ZR 278/16, NJW 2017, 2758 Rn. 27 ff.). In Fällen mit internationalem Bezug wird schließlich vertreten, der Erfüllungsort der vom ausländischen Hersteller gegebenen Garantie liege am Sitz seiner mit der Garantieabwicklung betrauten Vertragshändler (BayObLG, Beschl. v. 12.08.2003 – 1Z AR 88/03, juris Rn. 5; OLG Karlsruhe, Urt. v. 09.08.2011 – 17 U 68/10, BeckRS 2012, 20670).
Ein Erfüllungsort am (Wohn-) Sitz des Käufers, vorliegend also in B., ist aus den dargestellten Erwägungen bei einer Herstellergarantie für ein Kraftfahrzeug nicht anzunehmen. Im Übrigen kann dahingestellt bleiben, welcher der angeführten Ansichten zu folgen ist. Ein Erfüllungsort in München kommt jedenfalls nicht in Betracht. Der Sitz der Antragsgegnerin zu 2 ist in Rüsselsheim. Das Fahrzeug befindet sich derzeit in einer Werkstatt in Hamburg, in der es nach den Vorstellungen sowohl der Antragstellerin als auch der Antragsgegnerin zu 2 auch repariert werden soll. Mithin lässt sich ein gemeinsamer Erfüllungsort für die Ansprüche gegen die Antragsgegnerin zu 1 einerseits und gegen die Antragsgegnerin zu 2 andererseits nicht feststellen.
(3) Nur ergänzend sei darauf verwiesen, dass ein gemeinsamer Gerichtsstand am Sitz der Antragstellerin in B. nach § 486 II 1 ZPO, § 215 I 1 VVG ebenfalls nicht in Betracht kommt. Zwar trägt die Antragsgegnerin zu 1 selbst vor, sie sei eine Versicherung. Allerdings ist die Antragsgegnerin zu 2 offensichtlich keine Versicherung, sodass für die Ansprüche gegen sie § 215 I 1 VVG keine Anwendung findet. Ein Gerichtsstand nach § 486 II 1, § 29 I ZPO für die Ansprüche gegen die Antragsgegnerin zu 2 besteht jedenfalls nicht in B., wie oben unter (2) ausgeführt.
3. Die Auswahl unter den in Betracht kommenden Gerichten erfolgt nach den Grundsätzen der Zweckmäßigkeit und der Prozessökonomie. Auszuwählen ist grundsätzlich eines der Gerichte, an dem die Antragsgegnerinnen ihren allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12, 17 ZPO) haben (BeckOK-ZPO/Toussaint, Stand: 01.03.2023, § 36 Rn. 24).
Da das AG Hamburg-Barmbek das Verfahren gegen die Antragsgegnerin zu 1 an das AG München formlos abgegeben, aber nicht verwiesen hat, ist insoweit das Auswahlermessen des Senats auch nicht eingeschränkt (vgl. BayObLG, Beschl. v. 10.06.2020 – 1 AR 45/20, juris Rn. 28).
Der Senat wählt unter den in Betracht kommenden Gerichten das AG München. Hier hat die Antragsgegnerin zu 1 ihren allgemeinen Gerichtsstand. Es sprechen Erwägungen der Prozesswirtschaftlichkeit für dieses Gericht, da das selbstständige Beweisverfahren dort bereits anhängig ist und gewissen Fortgang genommen hat (vgl. BGH, Beschl. v. 06.06.2018 – X ARZ 303/18, NJW 2018, 2200 Rn. 16). Für die bundesweit am Markt auftretende Antragsgegnerin zu 2 bedeutet eine Prozessführung am Sitz der Antragsgegnerin zu 1 auch keine unzumutbare Belastung. Eine Bestimmung des AG Hamburg-Altona, an dem sich das Fahrzeug derzeit befindet, kommt nicht in Betracht. Ein Gericht, bei dem keiner der Streitgenossen seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, kann nicht schon deswegen im Verfahren nach § 36 I Nr. 3 ZPO als zuständiges Gericht bestimmt werden, weil für einen der Antragsgegner dort der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsorts eröffnet ist (BayObLG, Beschl. v. 10.06.2020 – 1 AR 39/20, juris Rn. 41) oder eröffnet sein könnte. Mögliche Erleichterungen bei der Beweisaufnahme betreffen keine spezifischen Aspekte dieses Verfahrens, sondern gelten allgemein, wenn über die behauptete Mangelhaftigkeit einer sich nicht am Gerichtsort befindlichen Sache Beweis zu erheben ist (BayObLG, Beschl. v. 10.06.2020 – 1 AR 39/20, juris Rn. 41; Beschl. v. 20.03.2019 – 1 AR 19/19, juris Rn. 29). Sie fallen ferner bei Mängeln eines Fahrzeugs nicht in derselben Weise ins Gewicht wie bei einem unbeweglichen Bauwerk (BayObLG, Beschl. v. 10.06.2020 – 1 AR 39/20, juris Rn. 41). Ob etwas anderes gelten könnte, wenn sämtliche Parteien mit einer Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens in Hamburg einverstanden wären, bedarf keiner Entscheidung. Die Antragsgegnerin zu 1 hat sich dem ausdrücklich widersetzt.