Hat der Verbraucher seine auf den Abschluss eines mit einem Kfz-Kaufvertrag verbundenen Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen, so ist dieser Vertrag nicht einheitlich dort rückabzuwickeln, wo sich das Fahrzeug vertragsgemäß befindet. Erfüllungsort der die Bank treffenden Rückgewährpflicht ist vielmehr der Sitz der Bank. Dieser steht ohnehin so lange ein Leistungsverweigerungsrecht zu, bis sie das finanzierte Fahrzeug von dem – vorleistungspflichtigen – Verbraucher zurückerhalten hat.
OLG Stuttgart, Urteil vom 04.05.2021 – 6 U 769/20
Sachverhalt: Die Klägerin, die ihren Wohnsitz im Bezirk des LG Hechingen hat, nimmt die – in Braunschweig ansässige – beklagte Bank auf Zahlung von 48.899,65 € nebst Zinsen in Anspruch, nachdem die Beklagte der Klägerin im Juli 2014 ein Darlehen gewährt hatte und die Klägerin ihre auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung am 15.06.2020 widerrufen hat. Das Darlehen diente der Finanzierung des Kaufpreises für einen Audi Q3.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Zahlung des genannten Betrags nach Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs verlangt. Außerdem hat sie die Feststellung begehrt, dass die Beklagte mit der Annahme des Pkw in Verzug ist, und die Freistellung von vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten beansprucht. Die Beklagte hat die örtliche Zuständigkeit des LG Hechingen gerügt, die Abweisung der Klage beantragt und im Wege der Hilfswiderklage Ersatz des Wertverlusts verlangt, den der Audi Q3 erlitten habe.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung, dass es örtlich nicht zuständig sei, als unzulässig abgewiesen. Insbesondere – so hat das Landgericht ausgeführt – ergebe sich seine örtliche Zuständigkeit nicht aus § 29 I ZPO. Zwar gebe es nach einem Rücktritt vom Kaufvertrag für die gegenseitigen Rückgewährpflichten einen einheitlichen Erfüllungsort im Sinne dieser Vorschrift. Ein widerrufener Darlehensvertrag sei aber nicht an einem gemeinsamen Erfüllungsort rückabzuwickeln. Dass der streitgegenständliche Darlehensvertrag mit einem Kfz-Kaufvertrag verbunden sei, ändere daran nichts.
Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin, die damit ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgte, hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: II. Die Berufung ist zulässig.
Insbesondere ist die Berufung i. S. des § 520 III 2 ZPO noch hinreichend mit einer das landgerichtliche Urteil anfechtenden Begründung versehen. Zwar hat das Landgericht die Klage als unzulässig mit der Begründung abgewiesen, dass für eine isolierte Leistungsklage ein Gerichtsstand in Hechingen nicht gegeben sei, während die Berufungsbegründung damit argumentiert, dass für einen negativen Feststellungsantrag, der hier nicht gestellt ist, die örtliche Zuständigkeit bestehe und sich daraus annex auch eine Zuständigkeit für den Leistungsantrag ergebe. Die Berufungsbegründung kann aber – dann zwar mit unzutreffender Begründung – auch so verstanden werden, dass die Klägerin meine, dass für eine isolierte Leistungsklage ein Gerichtsstand gemäß § 29 I ZPO an ihrem Wohnort bestehe. Eine Begründung, die tatsächlich oder rechtlich neben der Sache liegt, führt nicht zur Unzulässigkeit der Berufung, weil die Schlüssigkeit und die Vertretbarkeit der Begründung keine Zulässigkeitsvoraussetzungen sind (BGH, Beschl. v. 21.05.2003 – VIII ZB 133/02, NJW-RR 2003, 1580; Beschl. v. 06.12.2011 – II ZB 21/10, MDR 2012, 244 Rn. 7).
III. Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Das Landgericht hat nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden und hat dabei zu Recht seine örtliche Zuständigkeit für die Leistungsklage und die weiteren Klageanträge verneint.
Die Klägerin führt den Prozess, was sie ohne Weiteres hätte tun können, nicht beim gemäß §§ 12, 17 I ZPO zuständigen Gericht des allgemeinen Gerichtsstands der Beklagten. Und bei dem von ihr angerufenen Gericht besteht ein besonderer Gerichtsstand nicht, insbesondere nicht der des Erfüllungsortes nach § 29 I ZPO.
Das Landgericht, auf dessen Begründung Bezug genommen wird, hat zutreffend entschieden, dass der Erfüllungsort für die behauptete Geldschuld der Beklagten nach der für § 29 I ZPO maßgeblichen materiell-rechtlichen Regel der §§ 269, 270 IV BGB am Sitz der Beklagten in Braunschweig liegt. Die Umstände des Falls rechtfertigen kein Abweichen von der Regel des § 269 I, II BGB, auch wenn die Beklagte bei einem erfolgreichen Widerruf gemäß § 358 IV 5 BGB für die Rückabwicklung sowohl des Darlehensvertrags als auch des finanzierten Kaufvertrags einzustehen hätte und für die Rückabwicklung von Kaufverträgen vertreten wird, dass der Erfüllungsort für die Rückzahlungsansprüche des Käufers dort liegt, wo sich die Kaufsache vertragsgemäß befindet. Denn es geht vorliegend nicht um eine Leistungsstörung im Rahmen des Kaufvertrags; vielmehr liegt der die von der Klägerin angestrebte Rückabwicklung prägende Rechtsgrund im erklärten Widerruf des Darlehensvertrags, weshalb die Annahme eines einheitlichen Erfüllungsortes am Sitz des Käufers und Darlehensnehmers entgegen der Regel des § 269 I, II BGB nicht gerechtfertigt ist (so bereits angelegt in Senat, Urt. v. 28.04.2020 – 6 U 316/19, juris).
Der Leistungsort des § 269 BGB ist für jede einzelne vertragliche Verpflichtung gesondert zu bestimmen. Auch bei gegenseitigen Verträgen richtet er sich für die wechselseitigen Leistungen jeweils nach den unterschiedlichen Wohnsitzen der Vertragsparteien; er ist daher nicht notwendig einheitlich (ganz h. M., vgl. nur BGH, Urt. v. 24.01.2007 – XII ZR 168/04, juris Rn. 5, Palandt/Grüneberg, BGB, 80. Aufl., § 269 Rn. 5).
Die Parteien haben keinen einheitlichen Leistungsort vereinbart.
Ein solcher ist auch aus den Umständen des Vertrags oder der Natur des Schuldverhältnisses nicht zu entnehmen (zu den Voraussetzungen dafür vgl. BGH, Beschluss vom 11.11.2003 – X ARZ 91/03, BGHZ 157, 20 = juris Rn. 13 ff.). Soweit für die Rückabwicklung nach Widerruf im alten Recht Rücktrittsrecht nach § 346 BGB anzuwenden war und insoweit auch der Leistungsort an das Rücktrittsrecht angelehnt wurde (vgl. z. B. BGH, Urt. v. 13.04.2011 – VIII ZR 220/10, BGHZ 189, 196 = juris Rn. 28; Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 269 Rn. 14), ist das auf das hier geltende Recht und seine vom Rücktritt losgelösten Rechtsfolgenregelungen in §§ 357 ff. BGB nicht übertragbar. Vielmehr ist eigenständig zu bewerten, ob es bei der Rückzahlungspflicht des Darlehensgebers nach erfolgreichem Widerruf Anlass gibt, dafür den Leistungsort an den Ort zu verlegen, an dem sich die (im Verbund) finanzierte Sache befindet. Einen solchen Anlass gibt es bei der Rückabwicklung gemäß §§ 358 IV, 357 IV BGB nicht, weil die Leistungen nicht Zug um Zug zu erfüllen sind, sondern der Verbraucher vorleistungspflichtig ist (vgl. BGH, Urt. v. 27.10.2020 – XI ZR 498/19, juris Rn. 30 ff.). Wenn aber der vorleistungspflichtige Verbraucher vor der Geltendmachung seines Zahlungsanspruchs das finanzierte Fahrzeug immer schon an die finanzierende Bank herausgegeben haben muss, dann gibt es keinen Grund, seinen Wohnsitz zum Leistungsort für die Geldschuld zu bestimmen, nur, weil sich dort das Fahrzeug einmal befand.
Der ausführlich begründeten abweichenden Ansicht des OLG Hamm (Urt. vom 27.11.2019 – 31 U 114/18) sowie ähnlichen Entscheidungen anderer Gerichte vermag sich der Senat für den vorliegenden Fall deswegen nicht anzuschließen. Auch die gelegentlich bemühte Prozessökonomie spricht nicht dafür, übergesetzlich für alle Ansprüche aus widerrufenen Darlehensverträgen in beide Richtungen einen gemeinsamen besonderen Gerichtsstand zu begründen. Es ist zwar richtig, dass bei einer – hier nicht vorliegenden – Kombination von negativer Feststellungsklage und Leistungsklage des Darlehensnehmers die besonderen Gerichtsstände des Erfüllungsortes auseinanderfallen können. Dieses Problem hat aber der BGH – in einer insoweit vergleichbaren Konstellation dort – in seinem Urteil vom 07.12.2004 – XI ZR 366/03, juris Rn. 30 ff. – bereits gesehen: „Hier hätte es dem Kläger offengestanden, durch eine Klage am Wohnsitzgericht der Beklagten … den gesamten Streitstoff in einem Rechtsstreit zu erledigen.“ So liegt der Fall auch hier: Eine vom Gesetz eindeutig vorgegebene und in der Praxis gut handhabbare Rechtslage, nämlich die Möglichkeit der Klage am einheitlichen allgemeinen Gerichtsstand am Sitz der Beklagten, bedarf keiner Erweiterung der besonderen Gerichtsstände durch die Gerichte allein deswegen, weil eine Prozesspartei lieber am eigenen Wohnortgericht klagen will.
IV. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 I ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Revision wird wegen Divergenz gemäß § 543 II 1 ZPO zugelassen.