1. Der blo­ße Um­stand, dass ein Pkw von ei­nem ver­pflich­ten­den Rück­ruf be­trof­fen ist, weil in dem Fahr­zeug nach Auf­fas­sung des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung (hier: in Ge­stalt ei­nes ge­re­gel­ten Kühl­mit­tel­ther­mo­stats) in­stal­liert ist, be­grün­det kei­ne de­lik­ti­sche Haf­tung des Fahr­zeug- bzw. Mo­tor­her­stel­lers.
  2. Zur – hier ver­nein­ten – de­lik­ti­schen Haf­tung der Daim­ler AG we­gen der Ver­wen­dung ei­nes ge­re­gel­ten Kühl­mit­tel­ther­mo­stats.

OLG Cel­le, Ur­teil vom 14.04.2021 – 7 U 1955/19

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin nimmt die be­klag­te Daim­ler AG, von der sie im März 2013 für 40.300 € ei­nen ge­brauch­ten Pkw Mer­ce­des-Benz GLK 220 mit ei­ner Lauf­leis­tung von 23.750 km er­wor­ben hat, als Ver­käu­fe­rin und Her­stel­le­rin des Fahr­zeugs auf Rück­gän­gig­ma­chung des Kauf­ver­trags in An­spruch.

Das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug ist mit ei­nem Mo­tor des Typs OM 651 aus­ge­stat­tet. Man­che Fahr­zeu­ge mit die­sem Mo­tor sind von vom Kraft­fahrt-Bun­des­amt an­ge­ord­ne­ten Rück­ru­fen be­trof­fen.

Die Klä­ge­rin be­haup­tet, in ih­rem Fahr­zeug kom­me ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung in Ge­stalt ei­nes Ther­mo­fens­ters zum Ein­satz, die den Stick­oxid(NOX)-Aus­stoß op­ti­mie­re, so­bald der Pkw auf ei­nem Prüf­stand be­trie­ben wer­de. Die­sen Vor­wurf stützt die Klä­ge­rin dar­auf, dass ihr Fahr­zeug aus­weis­lich der In­ter­net­sei­te der Be­klag­ten von ei­nem ver­pflich­ten­den Rück­ruf be­trof­fen sei. Die Be­klag­te – so macht die Klä­ge­rin gel­tend – ha­be dem Kraft­fahrt-Bun­des­amt die un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung nicht of­fen­ge­legt. Ihr sei des­halb ei­ne vor­sätz­li­che Täu­schung an­zu­las­ten, wo­bei zu ver­mu­ten sei, dass die Vor­stands­mit­glie­der der Be­klag­ten über den Ein­satz der un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung in­for­miert ge­we­sen sei­en.

Die Be­klag­te hat die Ein­re­de der Ver­jäh­rung er­ho­ben. Sie macht gel­tend, dass in dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug kei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung in­stal­liert sei. Ein Ther­mo­fens­ter sei ein „In­dus­trie­stan­dard“, des­sen Ein­satz sie, die Be­klag­te, ver­tret­ba­re für zu­läs­sig ha­be hal­ten dür­fen.

Nach­dem die Be­klag­te zu­nächst be­haup­tet hat­te, das Fahr­zeug der Klä­ge­rin sei nicht von ei­nem vom Kraft­fahrt-Bun­des­amt an­ge­ord­ne­ten Rück­ruf er­fasst, hat sie dies – auf Vor­halt des Land­ge­richts nach Ab­fra­ge der Fahr­zeug-Iden­ti­fi­zie­rungs­num­mer auf der In­ter­net­sei­te der Be­klag­ten – noch in ers­ter In­stanz kor­ri­giert und un­strei­tig ge­stellt, dass der Pkw von ei­nem ver­pflich­ten­den Rück­ruf be­trof­fen ist. Dar­aus folgt nach An­sicht der Be­klag­ten aber – un­ab­hän­gig da­von, dass der Be­scheid nicht be­stands­kräf­tig sei – kei­ne Haf­tung we­gen sit­ten­wid­ri­ger vor­sätz­li­cher Schä­di­gung.

Das Land­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Es hat aus­ge­führt, dass kauf­recht­li­che An­sprü­che der Klä­ge­rin ge­gen die Be­klag­te man­gels ei­nes arg­lis­ti­gen Ver­hal­tens der Be­klag­ten ver­jährt sei­en. De­lik­ti­sche An­sprü­che der Klä­ge­rin schei­ter­ten dar­an, dass ihr Pkw – an­ders als Fahr­zeu­ge mit ei­nem EA189-Mo­tor der Volks­wa­gen AG – nicht über ei­ne Prüf­stands­er­ken­nung ver­fü­ge, son­dern trotz des wo­mög­lich in­stal­lier­ten Ther­mo­fens­ters auf dem Prüf­stand grund­sätz­lich eben­so funk­tio­nie­re wie im Re­al­be­trieb.

Mit ih­rer da­ge­gen ge­rich­te­ten Be­ru­fung hat die Klä­ge­rin gel­tend ge­macht, das Land­ge­richt ha­be au­ßer Acht ge­las­sen, dass das Ther­mo­fens­ter ex­akt auf die stan­dar­di­sier­ten Be­din­gun­gen des „Neu­en Eu­ro­päi­schen Fahr­zy­klus“ (NEFZ), al­so auf den Be­trieb des Fahr­zeugs auf ei­nem Prüf­stand zu­ge­schnit­ten sei. Im Üb­ri­gen hät­te es der Be­klag­ten ob­le­gen, die Zu­läs­sig­keit des Ther­mo­fens­ters dar­zu­le­gen, was ihr nicht ge­lun­gen sei.

Die Be­klag­te hat die Zu­läs­sig­keit der Be­ru­fung in Ab­re­de ge­stellt, weil sie über­wie­gend aus Text­bau­stei­nen oh­ne kon­kre­ten Be­zug zum vor­lie­gen­den Ver­fah­ren be­ste­he. Je­den­falls aber sei die Be­ru­fung un­be­grün­det, zu­mal der – nicht be­stands­kräf­tig an­ge­ord­ne­te – Rück­ruf nicht we­gen des Ther­mo­fens­ters, son­dern des­halb an­ge­ord­net wor­den sei, weil nach Auf­fas­sung des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes das Kühl­mit­tel­ther­mo­stat im Pkw der Klä­ge­rin un­zu­läs­sig ka­li­briert sei.

Das Rechts­mit­tel hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: II. 1. Die Be­ru­fung ist zu­läs­sig. Trotz der von der Klä­ge­rin ex­ten­siv ver­wen­de­ten Text­bau­stei­ne ist noch ein aus­rei­chen­der Ein­zel­fall­be­zug vor­han­den, zu­mal ein An­spruch aus § 826 BGB vom Land­ge­richt letzt­lich mit dem Hin­weis auf ei­nen feh­len­den Man­gel so­wie feh­len­den Vor­satz der Be­klag­ten ver­neint wor­den ist und bei­des in der Be­ru­fungs­be­grün­dung an­grif­fen wird.

2. In der Sa­che bleibt das Rechts­mit­tel in­des oh­ne Er­folg. Der Klä­ge­rin ste­hen ge­gen die Be­klag­te we­der kauf­ver­trag­li­che (hier­zu so­gleich a) noch de­lik­ti­sche Scha­dens­er­satz­an­sprü­che (s. un­ten b) zu.

a) Mit Blick dar­auf, dass die Klä­ge­rin ih­ren Mer­ce­des-Benz GLK 220 un­strei­tig di­rekt bei der Be­klag­ten ge­kauft hat, kom­men zwar grund­sätz­lich auch Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che in Be­tracht, die al­lein ei­nen Man­gel und kei­ne sit­ten­wid­ri­ge vor­sätz­li­che Schä­di­gung vor­aus­setz­ten. Et­wai­ge An­sprü­che i. S. der §§ 434 ff. BGB wä­ren zum Zeit­punkt der – in der Kla­ge­schrift lie­gen­den – Rück­tritts­er­klä­rung im Jahr 2019 aber je­den­falls ver­jährt ge­we­sen, so­dass der Rück­tritt ge­mäß § 218 I 1 BGB un­wirk­sam war. Maß­geb­lich ist in­so­weit grund­sätz­lich die zwei­jäh­ri­ge Frist des § 438 I Nr. 3 BGB, die mit der Über­ga­be des Fahr­zeugs im Jahr 2013 be­gann, das heißt bei Er­he­bung der Kla­ge im Ja­nu­ar 2019 lan­ge ab­ge­lau­fen war.

Et­was an­de­res er­gä­be sich nur, wenn im Streit­fall ge­mäß § 438 III BGB die re­gel­mä­ßi­ge Ver­jäh­rung der §§ 195, 199 BGB zum Tra­gen kä­me, was aber ein arg­lis­ti­ges Ver­schwei­gen des Man­gels durch die Be­klag­te er­for­der­te. Da­mit gilt letzt­lich der­sel­be Maß­stab wie im Zu­sam­men­hang mit ei­ner For­de­rung we­gen sit­ten­wid­ri­ger vor­sätz­li­cher Schä­di­gung (s. hier­zu so­gleich).

b) Die Vor­aus­set­zun­gen ei­ner de­lik­ti­schen Haf­tung der Be­klag­ten ge­mäß §§ 826, 31 BGB hat die Klä­ge­rin nicht schlüs­sig vor­ge­tra­gen.

aa) In­so­fern sei zu­sam­men­fas­send vor­aus­ge­schickt, dass es auf Ba­sis der bis­he­ri­gen höchst­rich­ter­li­chen bzw. ober­ge­richt­li­chen Recht­spre­chung zu Fäl­len aus dem Kom­plex des so­ge­nann­ten Die­sel­ab­gas­skan­dals grund­sätz­lich zwei An­satz­mög­lich­kei­ten ge­ben dürf­te, um ei­nen Scha­dens­er­satz­an­spruch we­gen sit­ten­wid­ri­ger vor­sätz­li­cher Schä­di­gung zu be­ja­hen.

(1) Im Fal­le ei­ner Prüf­stan­der­ken­nung wie der so­ge­nann­ten Um­schalt­lo­gik des Mo­tors EA189 der Volks­wa­gen AG liegt die Täu­schung des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes, auf die es nach den ein­schlä­gi­gen Ur­tei­len des BGH an­kommt, in der un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung selbst, weil die emis­si­ons­min­dern­de Stra­te­gie von vorn­her­ein dar­auf aus­ge­legt ist, aus­schließ­lich im „Neu­en Eu­ro­päi­schen Fahr­zy­klus“ (NEFZ) zur An­wen­dung zu kom­men, und im Re­al­be­trieb kei­ne ent­spre­chen­de Ab­gas­rei­ni­gung er­folgt (vgl. ins­be­son­de­re BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 16 ff.).

Mit letzt­lich der­sel­ben Be­grün­dung nimmt ein Teil der ober­ge­richt­li­chen Recht­spre­chung ei­ne Haf­tung we­gen sit­ten­wid­ri­ger vor­sätz­li­cher Schä­di­gung auch dann an, wenn ei­ne be­stimm­te Stra­te­gie zur Emis­si­ons­min­de­rung zum Bei­spiel nur beim gleich­zei­ti­gen Vor­lie­gen von acht Schalt­kri­te­ri­en im Sin­ne ei­ner „UND-Ver­knüp­fung“ ak­tiv ist. In die­ser Kon­stel­la­ti­on lie­ße sich un­ter Um­stän­den von ei­ner mit­tel­ba­ren bzw. fak­ti­schen Prüf­stan­der­ken­nung spre­chen, die auf die Rah­men­be­din­gun­gen des Prüf­zy­klus re­agiert und (fast) nur dort die Emis­sio­nen min­dert, so­dass im Er­geb­nis ge­nau­so ge­täuscht wird wie durch die oben ge­nann­te „Um­schalt­lo­gik“ (vgl. bei­spiel­haft OLG Frank­furt a. M., Urt. v. 24.02.2021 – 4 U 257/19, ju­ris; OLG Naum­burg, Urt. v. 18.09.2020 – 8 U 39/20, BeckRS 2020, 35220).

(2) Wird da­ge­gen ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung be­haup­tet, die im Prüf­zy­klus und im Re­al­be­trieb grund­sätz­lich in glei­cher Wei­se ar­bei­tet und auch kei­ne spe­zi­fisch auf die Rah­men­be­din­gun­gen des „Neu­en Eu­ro­päi­schen Fahr­zy­klus“ (NEFZ) ab­ge­stimm­te Be­da­tung auf­weist, ist der Vor­wurf der Sit­ten­wid­rig­keit nur ge­recht­fer­tigt, wenn zu dem – un­ter­stell­ten – Ver­stoß ge­gen die Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 wei­te­re bzw. an­de­re Um­stän­de hin­zu­tre­ten, die das Ver­hal­ten der für die den Her­stel­ler han­deln­den Per­so­nen als be­son­ders ver­werf­lich er­schei­nen las­sen. Die An­nah­me von Sit­ten­wid­rig­keit setzt dann je­den­falls vor­aus,

„dass die­se Per­so­nen bei der Ent­wick­lung und/oder Ver­wen­dung der tem­pe­ra­tur­ab­hän­gi­gen Steue­rung des Emis­si­ons­kon­troll­sys­tems in dem Be­wusst­sein han­del­ten, ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung zu ver­wen­den, und den dar­in lie­gen­den Ge­set­zes­ver­stoß bil­li­gend in Kauf nah­men“ (BGH, Beschl. v. 19.01.2021 – VI ZR 433/19 Rn. 19 ff.).

Die Dar­le­gungs- und Be­weis­last hier­für trifft die An­spruch­stel­ler, die zu­nächst greif­ba­re An­halts­punk­te für ein der­ar­ti­ges Vor­stel­lungs­bild auf­zu­zei­gen ha­ben. Als ge­nü­gen­des In­diz hat der BGH et­wa un­zu­tref­fen­de An­ga­ben des Her­stel­lers über die Ar­beits­wei­se des Ab­gas­rück­füh­rungs­sys­tems im Typ­ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren an­er­kannt, zum Bei­spiel wenn die Ab­hän­gig­keit der Ab­gas­rück­füh­rungs­ra­te durch die Au­ßen­tem­pe­ra­tur ge­gen­über dem Kraft­fahrt-Bun­des­amt ver­schlei­ert wird (BGH, Beschl. v. 19.01.2021 – VI ZR 433/19 Rn. 23 ff.).

bb) In An­wen­dung die­ser Maß­stä­be trägt das Vor­brin­gen der Klä­ge­rin den von ihr gel­tend ge­mach­ten An­spruch nicht.

(1) Das gilt zu­nächst, so­weit sie auf ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung in Form ei­nes Ther­mo­fens­ters ab­stellt.

(a) Die Be­ru­fungs­be­grün­dung geht zwar da­von aus, dass das Ther­mo­fens­ter „ex­akt … auf die Prüf­be­din­gun­gen im NEFZ … ab­ge­stimmt“ sei (S. 2), was ei­ne fak­ti­sche bzw. mit­tel­ba­re Prüf­stan­der­ken­nung im oben dar­ge­stell­ten Sin­ne im­pli­zie­ren könn­te. Die­se Be­haup­tung steht aber schon im Wi­der­spruch zum üb­ri­gen (oh­ne­hin un­ein­heit­li­chen) Vor­trag der Klä­ge­rin, nach dem die Ab­gas­rück­füh­rung erst ab Tem­pe­ra­tu­ren un­ter 10 bzw. 17 °C re­du­ziert bzw. „bei La­de­luft-/​Au­ßen­tem­pe­ra­tu­ren von 14 °C und dar­un­ter um bis zu 40 % zu­rück­ge­fah­ren“ wird (S. 5). Da­nach ver­blie­ben ne­ben dem Tem­pe­ra­tur­be­reich des NEFZ zwi­schen 20 und 30 °C je­den­falls wei­te­re (und in Mit­tel­eu­ro­pa häu­fi­ge) Tem­pe­ra­tu­ren, bei de­nen die Ab­gas­rück­füh­rung voll­stän­dig ak­tiv wä­re, näm­lich zu­min­dest zwi­schen 17 und 19 °C. Von ei­ner ex­akt auf die NEFZ-Be­din­gun­gen ab­ge­stimm­ten Be­da­tung kann vor die­sem Hin­ter­grund schon nach dem Vor­trag der Klä­ge­rin kei­ne Re­de sein.

(b) Auch im Üb­ri­gen kann da­hin­ge­stellt blei­ben, ob das im Fahr­zeug vor­han­de­ne, nur in sei­nem Um­fang strei­ti­ge Ther­mo­fens­ter als un­zu­läs­sig ein­zu­stu­fen ist oder nicht. Denn die Klä­ge­rin hat zwar be­haup­tet, dass die Be­klag­te das Ther­mo­fens­ter ge­gen­über dem Kraft­fahrt-Bun­des­amt nicht of­fen­ge­legt ha­be, was nach dem oben Ge­sag­ten grund­sätz­lich auf ein be­wusst ge­set­zes­wid­ri­ges Ver­hal­ten hin­deu­ten könn­te. Die­sem Vor­trag ist die Be­klag­te durch ih­ren Vor­trag im Schrift­satz vom 25.02.2021 aber mit Sub­stanz ent­ge­gen­ge­tre­ten: Sie ha­be im Rah­men des Typ­ge­neh­mi­gungs­ver­fah­rens aus­drück­lich mit­ge­teilt, dass die AGR1„AGR“ steht für „Ab­gas­rück­füh­rung“.-Men­ge vom Pa­ra­me­ter „Luft­tem­pe­ra­tur“ ab­hän­gig sei. Hier­zu legt die Be­klag­te ei­nen Aus­zug aus dem EG-Typ­ge­neh­mi­gungs­bo­gen vor (An­la­ge BB 10), dem sich auf Sei­te 22 die Er­klä­rung ent­neh­men lässt, dass die AGR-Ra­te un­ter an­de­rem durch die Luft­tem­pe­ra­tur ge­steu­ert wer­de.

Die be­tref­fen­den Be­haup­tun­gen der Be­klag­ten legt der Se­nat sei­ner Ent­schei­dung zu­grun­de, nach­dem die Klä­ge­rin ih­nen – trotz Be­wil­li­gung ei­ner Er­klä­rungs­frist im Ter­min zur münd­li­chen Ver­hand­lung über die Be­ru­fung – nicht mehr ent­ge­gen­ge­tre­ten ist.

Kon­kre­te­re, über die vor­ge­nann­te Er­klä­rung hin­aus­ge­hen­de An­ga­ben zur tem­pe­ra­tur­ge­führ­ten AGR-Re­ge­lung durch die Be­klag­te ge­gen­über dem KBA wa­ren zum Zeit­punkt des Ty­pen­ge­neh­mi­gungs­ver­fah­rens nicht er­for­der­lich. Denn ei­ne ge­naue Be­schrei­bung der Emis­si­ons­stra­te­gi­en wur­de erst im Jahr 2016 mit der Ver­ord­nung (EU) 2016/6462Ver­ord­nung (EU) 2016/646 der Kom­mis­si­on vom 20.04.2016 zur Än­de­rung der Ver­ord­nung (EG) Nr. 692/2008 hin­sicht­lich der Emis­sio­nen von leich­ten Per­so­nen­kraft­wa­gen und Nutz­fahr­zeu­gen (Eu­ro 6); ABl. 2016 L 109, 1. ein­ge­führt bzw. ge­for­dert, das heißt nach der Er­tei­lung der Typ­ge­neh­mi­gung für das Fahr­zeug der Klä­ge­rin (vgl. in­so­fern auch die von der Be­klag­ten als An­la­ge B 11 vor­ge­leg­te Aus­kunft des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes im Ver­fah­ren des OLG Cel­le zum Ak­ten­zei­chen 7 O 90/20 vom 18.01.2021, die sich eben­falls auf ei­nen rück­ruf­be­trof­fe­nen Mer­ce­des-Benz GLK 220 mit ei­nem Mo­tor des Typs OM 651 be­zieht).

An­halts­punk­te für un­voll­stän­di­ge An­ga­ben der Be­klag­ten im Typ­ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren bzw. für ein Ver­schwei­gen des Ther­mo­fens­ters, die auf ei­nen be­wuss­ten Ge­set­zes­ver­stoß hin­deu­ten könn­ten (vgl. BGH, Beschl. v. 19.01.2021 – VI ZR 433/19 Rn. 23 ff.), ver­mag der Se­nat nach al­le­dem nicht zu er­ken­nen.

c) Schließ­lich hat die Be­ru­fung auch mit Blick auf den un­strei­ti­gen Rück­ruf des Fahr­zeugs auf­grund des „ge­re­gel­ten Kühl­mit­tel­ther­mo­stats“ kei­nen Er­folg.

aa) Un­ter Be­rück­sich­ti­gung des Par­tei­vor­brin­gens im vor­lie­gen­den Ein­zel­fall lässt sich nicht fest­stel­len, dass das „ge­re­gel­te Kühl­mit­tel­ther­mo­stat“ ei­ne Prüf­zy­kluser­ken­nung ent­hält, die der „Um­schalt­lo­gik“ aus dem Mo­tor EA189 der Volks­wa­gen AG gleich­steht.

In­so­fern hat die Be­klag­te mit Schrift­satz vom 25.02.2021 vor­ge­tra­gen, dass die Ak­ti­vie­rungs­be­din­gun­gen der be­tref­fen­den Stra­te­gie ge­ra­de nicht künst­lich an den Spe­zi­fi­ka des Prüf­stands ori­en­tiert sei­en, son­dern auch im Re­al­be­trieb vor­kä­men. Zwar sei das „ge­re­gel­te Kühl­mit­tel­ther­mo­stat“ nur bei be­stimm­ten Be­triebs­be­din­gun­gen ak­tiv, so et­wa nur in­ner­halb ei­nes ge­wis­sen Tem­pe­ra­tur­be­reichs, bis zu ei­ner ge­wis­sen Mo­toröl­tem­pe­ra­tur, ab ei­nem be­stimm­ten Um­ge­bungs­druck etc. Dem lie­ge aber zu­grun­de, dass es für die Stra­te­gie aus tech­ni­schen Grün­den nur ei­nen be­schränk­ten An­wen­dungs­be­reich ge­ben kön­ne, der auch Ri­si­ken für den Mo­tor zu be­rück­sich­ti­gen ha­be (nä­her S. 38 ff. des Schrift­sat­zes). Des­we­gen ge­he auch das Kraft­fahrt-Bun­des­amt nicht von ei­ner „Prüf­stan­der­ken­nung“ aus, wo­bei die Be­klag­te in­so­fern auf ei­ne Aus­kunft des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes vom 06.10.2020 ge­gen­über dem LG Stutt­gart (An­la­ge BB 20) so­wie er­neut auf die Aus­kunft in der hie­si­gen Sa­che 7 U 90/20 vom 18.01.2021 ver­weist (An­la­ge BB 11).

Die­ses Vor­brin­gen hat der Se­nat sei­ner Ent­schei­dung in tat­säch­li­cher Hin­sicht zu­grun­de zu le­gen, weil die Klä­ge­rin ihm – wie­der­um: trotz ei­nes ent­spre­chen­den Schrift­satz­nach­las­ses – nicht wi­der­spro­chen hat.

Ge­nü­gen­de An­knüp­fungs­tat­sa­chen für ei­ne arg­lis­ti­ge Täu­schung des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes im Rah­men des Typ­ge­neh­mi­gungs­ver­fah­rens sind dem­nach nicht er­sicht­lich. Zwar führt das Kraft­fahrt-Bun­des­amt in der von der Be­klag­ten zi­tier­ten Aus­kunft vom 18.01.2021 (An­la­ge BB 11) zu­nächst aus, dass die Schalt­pa­ra­me­ter der Funk­ti­on „an die Rand­be­din­gun­gen der Typ-I-Prü­fung an­ge­lehnt“ sei­en. Das ge­nügt für sich ge­nom­men aber noch nicht, um von ei­ner en­gen, ge­zielt auf den „Neu­en Eu­ro­päi­schen Fahr­zy­klus“ (NEFZ) zu­ge­schnit­te­nen Be­da­tung aus­zu­ge­hen, zu­mal das Kraft­fahrt-Bun­des­amt – wie die Be­klag­te zu Recht be­tont – in sei­ner wei­te­ren Aus­kunft vom 06.10.2020 (An­la­ge BB 20) ei­ne „Prüf­stands­er­ken­nung“ selbst aus­drück­lich ver­neint hat (vgl. hier­zu et­wa OLG Ko­blenz, Urt. v. 18.01.2021 – 12 U 1294/20, BeckRS 2021, 1168 Rn. 39).

(2) Zu­letzt bleibt nach dem un­be­strit­te­nen Vor­brin­gen der Be­klag­ten im Schrift­satz vom 25.02.2021 auch für un­voll­stän­di­ge An­ga­ben der Be­klag­ten im Rah­men des Typ­ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren kein Raum. Da­nach hat­te die Be­klag­te auf dem „Be­schrei­bungs­bo­gen“ (An­la­ge BB 10, dort S. 14, Zif­fer 3.2.7. und 3.​2.​7.​1.) kennt­lich ge­macht, dass die Mo­tor­tem­pe­ra­tur über das Kühl­sys­tem be­ein­flusst wird; das­sel­be folgt aus der Ver­knüp­fung des Tem­pe­ra­tur­sen­sors „Kühl­was­ser“ mit dem Steu­er­ge­rät (vgl. das Funk­ti­ons­sche­ma des Emis­si­ons­kon­troll­sys­tems, An­la­ge BB 10, S. 23). Wei­ter­ge­hen­de An­ga­ben zum Emis­si­ons­kon­troll­sys­tem wa­ren – wie oben zum Ther­mo­fens­ter aus­ge­führt – bei Be­an­tra­gung der Typ­ge­neh­mi­gung für das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug, dass heißt im Jahr 2012, noch nicht er­for­der­lich, son­dern wur­den erst ab 2016 ver­pflich­tend.

d) Steht der Klä­ge­rin nach al­le­dem schon kei­ne Haupt­for­de­rung zu, hat sie auch kei­ne An­sprü­che auf Zin­sen (An­trag zu 1), Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zugs (An­trag zu 2) oder die Er­stat­tung vor­ge­richt­li­cher An­walts­kos­ten (An­trag zu 3). Ih­re Be­ru­fung un­ter­liegt da­mit ins­ge­samt der Zu­rück­wei­sung.

III. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 97 I ZPO; …

Grün­de für die Zu­las­sung der Re­vi­si­on ge­mäß § 543 II 1 ZPO lie­gen nicht (mehr) vor, nach­dem die hier ent­schei­dungs­er­heb­li­chen, in der ober­ge­richt­li­chen Recht­spre­chung zu­vor strei­ti­gen Fra­gen aus dem Kom­plex des so­ge­nann­ten Die­sel­ab­gas­skan­dals auf­grund der vor­ste­hend zi­tier­ten höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung ge­klärt sind.

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