1. Die Volks­wa­gen AG schul­det dem Käu­fer ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Neu- oder Ge­braucht­wa­gens auch dann noch ge­mäß §§ 826, 31 BGB Scha­dens­er­satz, wenn die­ser An­spruch nach §§ 195, 199 I BGB ver­jährt ist. Das er­gibt sich aus § 852 Satz 1 BGB, der nicht zu­guns­ten der Volks­wa­gen AG te­leo­lo­gisch zu re­du­zie­ren ist (im An­schluss an OLG Ol­den­burg, Urt. v. 02.03.2021 – 12 U 161/20, BeckRS 2021, 3326 Rn. 32 ff.; OLG Stutt­gart, Urt. v. 09.03.2021 – 10 U 339/20, BeckRS 2021, 5075 Rn. 52).
  2. Nach § 852 Satz 1 BGB ist der Er­satz­pflich­ti­ge, der durch ei­ne un­er­laub­te Hand­lung auf Kos­ten des Ver­letz­ten et­was er­langt hat, auch nach Ein­tritt der Ver­jäh­rung des An­spruchs auf Er­satz des aus ei­ner un­er­laub­ten Hand­lung ent­stan­de­nen Scha­dens zur Her­aus­ga­be nach den Vor­schrif­ten über die Her­aus­ga­be ei­ner un­ge­recht­fer­tig­ten Be­rei­che­rung ver­pflich­tet. Die­ser An­spruch ver­jährt zehn Jah­re nach sei­ner Ent­ste­hung (§ 852 Satz 2 BGB).
  3. § 852 Satz 1 BGB lässt den de­lik­ti­schen Cha­rak­ter des An­spruchs (hier: aus § 826 BGB) un­be­rührt. Die Vor­schrift ent­hält kei­ne Rechts­grund­ver­wei­sung auf die §§ 812 ff. BGB, son­dern ei­ne blo­ße Rechts­fol­gen­ver­wei­sung auf die §§ 818 ff. BGB (vgl. BGH, Urt. v. 14.02.1978 – X ZR 19/76, BGHZ 71, 86 = NJW 1978, 1377, 1379 f. – Fahr­rad­ge­päck­trä­ger II).

LG Trier, Ur­teil vom 28.04.2021 – 5 O 545/20

Sach­ver­halt: Der Klä­ger nimmt die be­klag­te Volks­wa­gen AG im Zu­sam­men­hang mit dem VW-Ab­gas­skan­dal auf Scha­dens­er­satz in An­spruch.

Er er­warb für 20.700 € ei­nen ge­brauch­ten VW Golf mit ei­ner Lauf­leis­tung von 11.856 km. Die­ses Fahr­zeug, das dem Klä­ger am 10.07.2013 über­ge­ben wur­de, ist mit ei­nem 2,0-Li­ter-Die­sel­mo­tor des Typs EA189 aus­ge­stat­tet. Sei­ne Schad­stoff­emis­sio­nen sol­len die Grenz­wer­te der sei­ner­zeit gel­ten­den Eu­ro-5-Ab­gas­norm nicht über­schrei­ten, wenn sie – wie vor­ge­se­hen – un­ter den Be­din­gun­gen des „Neu­en Eu­ro­päi­schen Fahr­zy­klus“ (NEFZ) auf ei­nem Rol­len­prüf­stand er­mit­telt wer­den.

Bei ei­nem Fahr­zeug, das mit ei­nem EA189-Mo­tor aus­ge­stat­tet ist, er­kann­te ei­ne Soft­ware, ob das Fahr­zeug zur Er­mitt­lung sei­ner Schad­stoff­emis­sio­nen auf ei­nem Rol­len­prüf­stand den „Neu­en Eu­ro­päi­schen Fahr­zy­klus“ ab­sol­viert. In die­sem Fall wur­de ein be­son­de­rer Be­triebs­mo­dus („Mo­dus 1“) ak­ti­viert, in dem die Ab­gas­rück­füh­rungs­ra­te hö­her und in dem des­halb der Stick­oxid(NOX)-Aus­stoß deut­lich ge­rin­ger war als in dem Be­triebs­mo­dus, der au­ßer­halb des Rol­len­prüf­stands – beim ge­wöhn­li­chen Be­trieb des Fahr­zeugs im Stra­ßen­ver­kehr – ak­tiv war („Mo­dus 0“) .

Das Kraft­fahrt-Bun­des­amt wer­tet die­se Steue­rung als un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung i. S. von Art. 3 Nr. 10, Art. 5 II 1 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007. Es er­ließ ge­gen die Be­klag­te im Ok­to­ber 2015 ei­nen Be­scheid mit nach­träg­li­chen Ne­ben­be­stim­mun­gen zur Typ­ge­neh­mi­gung (§ 25 II EG-FGV), um die Vor­schrifts­mä­ßig­keit der be­reits im Ver­kehr be­find­li­chen, vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeu­ge zu ge­währ­leis­ten. In­fol­ge die­ses Be­scheids ru­fen die zum Volks­wa­gen-Kon­zern ge­hö­ren­den Un­ter­neh­men die Fahr­zeu­ge mit EA189-Mo­tor in die Werk­stät­ten zu­rück, um sie tech­nisch zu über­ar­bei­ten. Fahr­zeu­ge mit ei­nem 2,0-Li­ter-Mo­tor er­hal­ten ein Soft­ware­up­date, nach des­sen In­stal­la­ti­on nur noch ein (ver­än­der­ter) Be­triebs­mo­dus exis­tiert. Die­ses Up­date wur­de vom Kraft­fahrt-Bun­des­amt für den streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug­typ frei­ge­ge­ben.

Der Klä­ger las­tet der Be­klag­ten an, ihn be­tro­gen und in sit­ten­wid­ri­ger Wei­se vor­sätz­lich ge­schä­digt zu ha­ben. Er for­der­te die Be­klag­te mit Schrei­ben sei­ner spä­te­ren Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten vom 19.11.2020 – er­folg­los – auf, sei­ne Scha­dens­er­satz­an­sprü­che an­zu­er­ken­nen.

Mit sei­ner Kla­ge hat der Klä­ger die Be­klag­te auf Scha­dens­er­satz in Hö­he des Kauf­prei­ses (20.700 €) nebst Rechts­hän­gig­keits­zin­sen und ab­züg­lich ei­ner nach ei­ner vor­ge­ge­be­nen For­mel zu be­rech­nen­den Nut­zungs­ent­schä­di­gung, Zug um Zug ge­gen Über­ga­be und Über­eig­nung des streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw, in An­spruch ge­nom­men. Au­ßer­dem hat er die Fest­stel­lung be­gehrt, dass die Be­klag­te mit der An­nah­me des Fahr­zeugs in Ver­zug sei, und von der Be­klag­ten den Er­satz au­ßer­ge­richt­lich an­ge­fal­le­ner Rechts­an­walts­kos­ten (1.744,64 € nebst Zin­sen) ver­langt.

Der Klä­ger hat gel­tend ge­macht, er sei beim Er­werb des Pkw ge­täuscht wor­den. Hät­te er ge­wusst, dass dar­in ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung in­stal­liert sei, dann er vom Kauf des VW Golf Ab­stand ge­nom­men. Die Be­klag­te ha­be Kauf­in­ter­es­sen­ten in den Fahr­zeug­pro­spek­ten falsch in­for­miert; ins­be­son­de­re ha­be sie dort fälsch­lich be­haup­tet, dass das Fahr­zeug die ein­schlä­gi­gen Emis­si­ons­grenz­wer­te ein­hal­te. Tat­säch­lich sei das nicht der Fall ge­we­sen, so­dass für den Fahr­zeug­typ kei­ne Typ­ge­neh­mi­gung er­teilt wor­den wä­re, wenn die Be­hör­den sei­ner­zeit Kennt­nis von der un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung ge­habt hät­ten. Die er­teil­te Typ­ge­neh­mi­gung sei un­gül­tig bzw. er­lo­schen und kön­ne auch durch ei­ne tech­ni­sche Über­ar­bei­tung des Fahr­zeugs nicht wie­der­her­ge­stellt wer­den. Dies gel­te um­so mehr, als mit dem von der Be­klag­ten ent­wi­ckel­ten Soft­ware­up­date ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung in Ge­stalt ei­nes „Ther­mo­fens­ters“ in­stal­liert wer­de: Nach der In­stal­la­ti­on des Up­dates ar­bei­te die Ab­gas­rück­füh­rung nur ober- und un­ter­halb be­stimm­ter Au­ßen­tem­pe­ra­tu­ren un­ein­ge­schränkt. Auch die ihm, dem Klä­ger, aus­ge­hän­dig­te Über­ein­stim­mungs­be­schei­ni­gung sei in­halt­lich falsch und un­gül­tig.

Die Un­ter­neh­mens­lei­tung der Be­klag­ten – so hat der Klä­ger be­haup­tet –, ins­be­son­de­re Mit­glie­der ih­res Vor­stands, hät­ten von der in Re­de ste­hen­den Soft­ware und ih­rer Funk­ti­ons­wei­se ge­wusst.

Die Be­klag­te hat die Ein­re­de der Ver­jäh­rung er­ho­ben, der der Klä­ger ent­ge­gen­ge­tre­ten ist. Hilfs­wei­se hat sich der Klä­ger auf § 852 BGB be­ru­fen und be­haup­tet, der Be­klag­ten sei der vom Erst­käu­fer sei­nes Fahr­zeugs ge­zahl­te Kauf­preis ab­züg­lich ei­ner Händ­ler­mar­ge, die üb­li­cher­wei­se 15 % be­tra­ge, zu­ge­flos­sen.

Im Üb­ri­gen hat die Be­klag­te ei­ne Täu­schung des Klä­gers in Ab­re­de ge­stellt. Sie ha­be auch nicht sit­ten­wid­rig ge­han­delt, ins­be­son­de­re nicht zum Nach­teil des Klä­gers. Des­sen Fahr­zeug hal­te die Eu­ro-5-Emis­si­ons­grenz­wer­te nach wie vor ein. In­so­weit sei der Schad­stoff­aus­stoß des Pkw im nor­ma­len Fahr­be­trieb (Re­al­be­trieb) ir­re­le­vant, denn die Grenz­wer­te müss­ten aus­schließ­lich dann ein­ge­hal­ten wer­den, wenn der Schad­stoff­aus­stoß un­ter den be­son­de­ren Be­din­gun­gen des „Neu­en Eu­ro­päi­schen Fahr­zy­klus“ auf ei­nem Prüf­stand ge­mes­sen wer­de. In­so­fern ent­hiel­ten ih­re – der Be­klag­ten – Pro­dukt­be­schrei­bun­gen kei­ne ir­re­füh­ren­den An­ga­ben.

Die für den Fahr­zeug­typ er­teil­te EG-Typ­ge­neh­mi­gung – so hat die Be­klag­te gel­tend ge­macht – sei wirk­sam und blei­be dies auch.

Der Klä­ger sei auch kei­nem Irr­tum er­le­gen, weil er sich vor dem Er­werb des Fahr­zeugs nicht mit des­sen Ab­gas­ver­hal­ten und dem NOX-Aus­stoß aus­ein­an­der­ge­setzt ha­be. Der Klä­ger hät­te den Pkw al­ler­dings auch dann er­wor­ben, wenn er über die Funk­ti­ons­wei­se der „Um­schalt­lo­gik“ auf­ge­klärt wor­den wä­re. Ab­ge­se­hen da­von sei dem Klä­ger kein Scha­den ent­stan­den, weil er den Pkw un­ein­ge­schränkt nut­zen kön­ne und der Wert des Fahr­zeugs nicht ge­min­dert sei. Je­den­falls nach In­stal­la­ti­on des Soft­ware­up­dates, die ei­nen Kos­ten­auf­wand von deut­lich we­ni­ger als 100 € er­for­de­re, ha­be der Klä­ger für Be­an­stan­dun­gen kei­nen Grund mehr. Das Up­date ha­be kei­ne ne­ga­ti­ven Aus­wir­kun­gen auf den Be­trieb oder die Halt­bar­keit des Fahr­zeugs, und es ver­blei­be kein mer­kan­ti­ler Min­der­wert.

Die Kla­ge hat­te über­wie­gend Er­folg.

Aus den Grün­den: I. Die Kla­ge ist zu­läs­sig.

Das LG Trier ist ge­mäß § 32 ZPO (Ge­richts­stand der un­er­laub­ten Hand­lung) auch für die ge­gen die Be­klag­te ge­rich­te­te Kla­ge ört­lich zu­stän­dig. Da­zu reicht es aus, dass in der Kla­ge­schrift die be­son­de­ren Vor­aus­set­zun­gen da­für schlüs­sig vor­ge­tra­gen wur­den. Ob die Be­klag­te tat­säch­lich aus ei­ner un­er­laub­ten Hand­lung zum Scha­dens­er­satz ver­pflich­tet ist, hat die Kam­mer im Rah­men der Be­grün­det­heit der Kla­ge zu ent­schei­den (BGH, Urt. v. 25.11.1993 – IX ZR 32/93, BGHZ 124, 237, 240 f.).

Ge­mäß § 32 ZPO ist für Kla­gen aus un­er­laub­ten Hand­lun­gen (auch) das Ge­richt zu­stän­dig, in des­sen Be­zirk die Hand­lung be­gan­gen ist. Das ist je­der Ort, an dem nur ei­nes der we­sent­li­chen Tat­be­stands­merk­ma­le der un­er­laub­ten Hand­lung ver­wirk­licht wur­de, ins­be­son­de­re auch der Er­folgs­ort. Bei ei­nem Be­trug ist der Er­folgs­ort dort, wo die Täu­schungs­hand­lung ei­nen Irr­tum er­regt bzw. die schä­di­gen­de Ver­mö­gens­ver­fü­gung aus­ge­löst hat (BGH, Urt. v. 25.11.1993 – IX ZR 32/93, BGHZ 124, 237, 245). Ge­hört zum Tat­be­stand der un­er­laub­ten Hand­lung der Ein­tritt ei­nes Ver­mö­gens­scha­dens, ist Er­folgs­ort in­so­weit der Sitz des Ge­schä­dig­ten. Das ist re­gel­mä­ßig, so auch in die­sem Fall, der Wohn­sitz der kla­gen­den Par­tei.

II. Die Kla­ge ist über­wie­gend be­grün­det.

Die Be­klag­te ist ge­mäß §§ 826, 31, 831 BGB ver­pflich­tet, dem Klä­ger Scha­dens­er­satz zu leis­ten.

1. Die Be­klag­te hat die Per­so­nen, die sich für den Kauf ei­nes Pkw mit ei­nem von ihr ent­wi­ckel­ten Mo­tor der Bau­rei­he EA189 in­ter­es­sier­ten, durch ak­ti­ves Han­deln ge­täuscht, in­dem sie die da­mit aus­ge­rüs­te­ten Fahr­zeu­ge in den Ver­kehr brach­te oder durch ei­ne mit ihr im Kon­zern ver­bun­de­ne Ge­sell­schaft in den Ver­kehr brin­gen ließ.

Ein Her­stel­ler, der ein Kraft­fahr­zeug in Ver­kehr bringt, gibt kon­klu­dent die Er­klä­rung ab, dass der Ein­satz des Fahr­zeugs ent­spre­chend sei­nem Ver­wen­dungs­zweck im Stra­ßen­ver­kehr un­ein­ge­schränkt zu­läs­sig ist. Der Her­stel­ler bringt in­so­weit zum Aus­druck, dass das Fahr­zeug ent­spre­chend sei­nem ob­jek­ti­ven Ver­wen­dungs­zweck nicht nur im Stra­ßen­ver­kehr ein­ge­setzt wer­den kann, son­dern auch ein­ge­setzt wer­den darf, das heißt über ei­ne un­ein­ge­schränk­te Be­triebs­er­laub­nis ver­fügt, de­ren Fort­be­stand nicht auf­grund be­reits bei Aus­lie­fe­rung des Fahr­zeugs dem Her­stel­ler be­kann­ter kon­struk­ti­ver Ei­gen­schaf­ten ge­fähr­det ist. Das setzt vor­aus, das nicht nur die er­for­der­li­chen Zu­las­sungs- und Ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren for­mal er­folg­reich durch­lau­fen wur­den, son­dern auch, dass die für den Fahr­zeug­typ er­for­der­li­che EG-Ty­pen­ge­neh­mi­gung nicht durch ei­ne Täu­schung des zu­stän­di­gen Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes er­schli­chen wor­den ist und das Fahr­zeug den für de­ren Er­halt und Fort­dau­er ein­zu­hal­ten­den Vor­schrif­ten tat­säch­lich ent­spricht (OLG Ko­blenz, Urt. v. 12.06.2019 – 5 U 1318/18, NJW 2019, 2237 Rn. 18; be­stä­tigt durch BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316).

Die­sen An­for­de­run­gen ent­sprach das von dem Klä­ger er­wor­be­ne Fahr­zeug nicht. Tat­säch­lich war der Mo­tor nach § 434 I 2 Nr. 2 BGB man­gel­haft.

Aus­weis­lich des be­stands­kräf­ti­gen Be­scheids des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes liegt bei dem Mo­tor des Typs EA189 ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung nach Art. 3 Nr. 10 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2017 vor. Das ent­spricht auch der Rechts­auf­fas­sung des BGH (Hin­weis­be­schl. v. 08.01.2019 – VI­II ZR 225/17, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316).

Im vor­lie­gen­den Fall hat die Be­klag­te den Mo­tor der Bau­rei­he EA189 mit ei­ner Soft­ware zur Mo­tor­steue­rung aus­rüs­ten las­sen, die zwei Be­triebs­mo­di und dar­un­ter ei­nen im Sin­ne der Ab­gas­rück­füh­rung op­ti­mier­ten Be­triebs­mo­dus vor­sah. Bei der in dem Ab­gas­rück­füh­rungs­sys­tem ein­ge­bau­ten Soft­ware han­delt es sich um ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung mit der Fol­ge, dass den mit die­sen Mo­to­ren aus­ge­rüs­te­ten Fahr­zeu­gen die EG-Typ­ge­neh­mi­gung zu ver­sa­gen ge­we­sen wä­re. Im „Neu­en Eu­ro­päi­schen Fahr­zy­klus“ (NEFZ) wur­de in ei­nem „Mo­dus 1“ ei­ne hö­he­re Ab­gas­rück­füh­rung ein­ge­schal­tet, die be­wirk­te, dass dem ei­gent­li­chen Emis­si­ons­kon­troll­sys­tem Ab­ga­se mit ei­nem von vorn­her­ein nied­ri­ge­ren Ge­halt an Stick­oxi­den (NOX) zu­ge­führt wur­den. Es war nicht vor­ge­se­hen, dass die­ser schad­stoff­ar­me Mo­dus, mit dem al­lein die Wer­te der Eu­ro-5-Norm er­reicht wer­den konn­ten, un­ter ir­gend­wel­chen Be­din­gun­gen im prak­ti­schen Fahr­be­trieb zum Ein­satz kom­men soll­te. Viel­mehr soll­ten die Fahr­zeu­ge im öf­fent­li­chen Stra­ßen­ver­kehr aus­schließ­lich im stick­oxid­rei­che­ren (aber par­ti­kel­är­me­ren) „Mo­dus 0“ be­trie­ben wer­den. Auf die­ser Grund­la­ge wur­den die Typ­ge­neh­mi­gun­gen der so aus­ge­rüs­te­ten Fahr­zeu­ge er­wirkt, oh­ne die da­für zu­stän­di­ge Be­hör­de hier­von in Kennt­nis zu set­zen. Dar­in al­lein liegt mit Rück­sicht auf die dar­aus fol­gen­de Rechts­un­si­cher­heit für die Typ­ge­neh­mi­gung und die Be­triebs­zu­las­sung der ent­spre­chend aus­ge­rüs­te­ten Fahr­zeu­ge ein gra­vie­ren­der Man­gel (§ 434 I 2 BGB; OLG Köln, Beschl. v. 03.01.2019 – 18 U 70/18).

So­weit Art. 5 II 2 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 in be­stimm­ten Fäl­len die Ver­wen­dung von Ab­schalt­ein­rich­tun­gen ge­stat­tet, lie­gen die hier­für er­for­der­li­chen (en­gen) Vor­aus­set­zun­gen nicht vor. Die vor­ge­se­he­nen Aus­nah­men kom­men – nicht zu­letzt auf­grund des in Art. 5 I der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 aus­drück­lich be­nann­ten Re­ge­lungs­zwecks die­ser Vor­schrift – von vorn­her­ein nicht in Be­tracht, wenn die be­tref­fen­de Ab­schalt­ein­rich­tung ge­ra­de da­zu dient, bei er­kann­tem Prüf­be­trieb ein vom Echt­be­trieb ab­wei­chen­des Emis­si­ons­ver­hal­ten des Fahr­zeugs her­bei­zu­füh­ren, um auf die­se Wei­se die Ein­hal­tung der (an­dern­falls nicht er­reich­ten) Emis­si­ons­grenz­wer­te si­cher­zu­stel­len (OLG Ko­blenz, Urt. v. 12.06.2019 – 5 U 1318/18, NJW 2019, 2237 Rn. 25).

Ne­ben der Ge­neh­mi­gungs­be­hör­de und den un­mit­tel­ba­ren Ver­trags­part­nern der Be­klag­ten (Kraft­fahr­zeug­händ­lern) wur­den auch de­ren Kun­den ge­täuscht. Wer ein Fahr­zeug er­wirbt, um die­ses im Stra­ßen­ver­kehr zu ver­wen­den, ver­traut dar­auf, dass die ge­setz­li­chen Vor­ga­ben ein­ge­hal­ten wer­den, wo­von die er­teil­te Typ­ge­neh­mi­gung zeugt. Der Kun­de weiß, dass der Kon­struk­teur bzw. Her­stel­ler ei­nes Fahr­zeugs kraft sei­ner Fach­kennt­nis ihm ge­gen­über zwangs­läu­fig über ei­nen Wis­sens­vor­sprung ver­fügt. Da der Kun­de ei­nen Ein­blick in die tech­ni­schen Vor­gän­ge nicht ha­ben kann, bringt er den­je­ni­gen, die für die Ent­wick­lung und Zu­las­sung der Fahr­zeu­ge ver­ant­wort­lich sind, ein be­son­de­res Ver­trau­en ent­ge­gen, das sich auch in der Mar­ken­aus­wahl beim Er­werb ei­nes Fahr­zeugs nie­der­schlägt. Dies hat die Be­klag­te zu ih­rem wirt­schaft­li­chen Vor­teil aus­ge­nutzt (BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316; OLG Ko­blenz, Urt. v. 12.06.2019 – 5 U 1318/18, NJW 2019, 2237 Rn. 33).

2. Das Ver­hal­ten der Be­klag­ten ist sit­ten­wid­rig i. S. des § 826 BGB.

Da­für ge­nügt es im All­ge­mei­nen nicht, dass der Han­deln­de ver­trag­li­che Pflich­ten oder das Ge­setz ver­letzt oder bei ei­nem an­de­ren ei­nen Ver­mö­gens­scha­den her­vor­ruft. Viel­mehr muss ei­ne be­son­de­re Ver­werf­lich­keit sei­nes Ver­hal­tens hin­zu­tre­ten, die sich aus dem ver­folg­ten Ziel, den ein­ge­setz­ten Mit­teln, der zu­ta­ge tre­ten­den Ge­sin­nung oder den ein­ge­tre­te­nen Fol­gen er­ge­ben kann (st. Rspr.; BGH, Urt. v. 19.11.2013 – VI ZR 336/12, NJW 2014, 383 Rn. 9; Urt. v. 28.06.2016 – VI ZR 536/15, NJW 2017, 250 Rn. 16).

Die be­son­de­re Ver­werf­lich­keit liegt in der rück­sichts­los an­ge­streb­ten Pro­fit­ma­xi­mie­rung, der In­ten­si­tät und der Dau­er der Täu­schung ge­gen­über den staat­li­chen Ge­neh­mi­gungs­be­hör­den, Wett­be­wer­bern, un­mit­tel­ba­ren Ver­trags­part­nern und End­ver­brau­chern (BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316; OLG Ko­blenz, Urt. v. 12.06.2019 – 5 U 1318/18, NJW 2019, 2237 Rn. 35 ff.). Es ist auch be­son­ders ver­werf­lich, den Ein­zel­nen in dem Glau­ben zu las­sen, po­si­ti­ver als an­de­re ei­nen Bei­trag zum Um­welt­schutz zu leis­ten, wäh­rend ge­nau das Ge­gen­teil der Fall ist.

Die Be­klag­te hat die Be­hör­den und die Öf­fent­lich­keit auch nicht aus ei­ge­nem An­trieb auf­ge­klärt, son­dern erst zu ei­nem Zeit­punkt, als die Be­weis­la­ge er­drü­ckend wur­de.

Schließ­lich sind die Fol­gen für die End­käu­fer gra­vie­rend, weil ih­nen oh­ne die in ih­ren kon­kre­ten Fol­gen um­strit­te­ne Re­pa­ra­tur­maß­nah­me die be­hörd­li­che Still­le­gung ih­res Fahr­zeugs droht, wel­ches dann über­haupt nicht mehr be­stim­mungs­ge­mäß ein­ge­setzt wer­den darf. Die In­ves­ti­ti­on in ein Kraft­fahr­zeug ist für die meis­ten Käu­fer, gleich ob es sich um ein Un­ter­neh­men oder um ei­nen Ver­brau­cher han­delt, von gro­ßer wirt­schaft­li­cher Be­deu­tung. Die An­schaf­fungs­kos­ten wer­den re­gel­mä­ßig ent­we­der jah­re­lang an­ge­spart oder im We­ge ei­ner auf meh­re­re Jah­re an­ge­leg­ten Fi­nan­zie­rung auf­ge­bracht (oder durch ei­ne Mi­schung bei­der Mo­del­le).

Das an sich er­laub­te Ziel der Er­hö­hung des Ge­winns wird auch im Ver­hält­nis zu dem Käu­fer ei­nes der be­trof­fe­nen Fahr­zeu­ge dann ver­werf­lich, wenn es auf der Grund­la­ge ei­ner stra­te­gi­schen Un­ter­neh­mens­ent­schei­dung durch arg­lis­ti­ge Täu­schung der zu­stän­di­gen Typ­ge­neh­mi­gungs- und Markt­über­wa­chungs­be­hör­de – des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes (§ 2 I EG-FGV) – er­reicht wer­den soll und dies mit ei­ner Ge­sin­nung ver­bun­den ist, die sich so­wohl im Hin­blick auf die für den ein­zel­nen Käu­fer mög­li­cher­wei­se ein­tre­ten­den Fol­gen und Schä­den als auch im Hin­blick auf die in­so­weit gel­ten­den Rechts­vor­schrif­ten, ins­be­son­de­re zum Schutz der Ge­sund­heit der Be­völ­ke­rung und der Um­welt, gleich­gül­tig zeigt. Ein sol­ches Vor­ge­hen ver­stößt der­art ge­gen die Min­dest­an­for­de­run­gen im Rechts- und Ge­schäfts­ver­kehr auf dem hier be­trof­fe­nen Markt für Kraft­fahr­zeu­ge, dass ein Aus­gleich der bei den ein­zel­nen Käu­fern ver­ur­sach­ten Ver­mö­gens­schä­den ge­bo­ten er­scheint (vgl. auch BGH, Urt. v. 19.07.2004 – II ZR 402/02, BGHZ 160, 149, 157). Ge­ra­de wenn die Käu­fer sich kei­ne kon­kre­ten Vor­stel­lun­gen über die Rechts­be­stän­dig­keit der Typ­ge­neh­mi­gung und die Er­fül­lung der ge­setz­li­chen Ab­gas­grenz­wer­te mach­ten, war das In­ver­kehr­brin­gen der Fahr­zeu­ge un­ter die­sen Um­stän­den sit­ten­wid­rig und stand wer­tungs­mä­ßig ei­ner un­mit­tel­ba­ren arg­lis­ti­gen Täu­schung der Käu­fer gleich (BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 23; vgl. auch Heese, JZ 2020, 178, 179 f.).

Scha­dens­er­satz­an­sprü­che ste­hen auf der Grund­la­ge des § 826 BGB nicht nur Käu­fern ei­nes Neu-, son­dern eben­so sol­chen ei­nes Ge­braucht­wa­gens ge­gen die Be­klag­te zu, wenn das er­wor­be­ne Fahr­zeug mit ei­nem Die­sel­mo­tor der Bau­rei­he EA189 aus­ge­rüs­tet ist (BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 25, eben­so OLG Ko­blenz, Urt. v. 12.06.2019 – 5 U 1318/18, NJW 2019, 2237 Rn. 34; Urt. v. 16.09.2019 – 12 U 61/19, BeckRS 2019, 21606; Urt. v. 25.10.2019 – 3 U 819/19, BeckRS 2019, 30991 Rn. 68; OLG Karls­ru­he, Urt. v. 19.11.2019 – 17 U 146/19, BeckRS 2019, 28963 Rn 46; a. A. OLG Ko­blenz, Urt. v. 07.11.2019 – 1 U 688/19, BeckRS 2019, 27875 Rn. 59 ff.).

3. Die Be­klag­te hat­te den Vor­satz der sit­ten­wid­ri­gen Schä­di­gung. Die Soft­ware wur­de be­wusst in die Mo­tor­steue­rung ein­ge­baut, um die Ab­gas­rück­füh­rung be­ein­flus­sen zu kön­nen und so die Typ­ge­neh­mi­gung zu er­hal­ten. Ei­nen an­de­ren Zweck hat­te ih­re Ver­wen­dung nicht. Da­bei wur­de be­wusst in Kauf ge­nom­men, dass ei­ne Ent­de­ckung der ver­wen­de­ten Soft­ware da­zu füh­ren wür­de, dass die Be­triebs­er­laub­nis der be­trof­fe­nen Fahr­zeu­ge wür­de er­lö­schen kön­nen (BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 63). Die Be­klag­te hat da­bei das Ri­si­ko der dar­in lie­gen­den Schä­di­gung der Kun­den als mög­lich er­kannt und den­noch bil­li­gend in Kauf ge­nom­men. Das er­gibt sich auch aus dem Um­stand, dass der fest­stel­len­de Be­scheid des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes hin­ge­nom­men wur­de. Da die Be­klag­te wuss­te, dass sie die Typ­ge­neh­mi­gung er­hal­ten hat­te, ob­wohl de­ren Vor­aus­set­zun­gen nicht er­füllt wa­ren, muss­te sie ein Ent­de­ckungs­ri­si­ko fürch­ten. Da­bei ist nicht er­klär­lich, war­um die Be­klag­te die Vor­gän­ge über­haupt ge­heim ge­hal­ten hat, wenn sie ihr Vor­ge­hen als recht­mä­ßig ein­ge­ord­net hät­te. Im Ge­gen­teil be­grün­det ge­ra­de dies ei­ne Ver­mu­tung für ein vor­sätz­li­ches Vor­ge­hen. Die Be­klag­te hat auch die Fol­gen ih­res Han­delns je­den­falls bil­li­gend in Kauf ge­nom­men. Da die Be­hör­den bei der Er­tei­lung der Typ­ge­neh­mi­gung ge­täuscht wor­den wa­ren, konn­ten die Kun­den da­von aus­ge­hen ein Fahr­zeug zu er­hal­ten, das den ge­setz­li­chen Vor­ga­ben ent­spricht. Dass im Fal­le der Ent­de­ckung der Täu­schung sei­tens des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes Maß­nah­men er­grif­fen wer­den muss­ten, muss­te der Be­klag­ten klar sein, und es war ihr klar. An­ders ist ihr Ver­hal­ten nach der Ent­de­ckung nicht zu ver­ste­hen. Das Kraft­fahrt-Bun­des­amt als zu­stän­di­ge Be­hör­de konn­te ein ge­gen die ge­setz­li­chen Re­ge­lun­gen ver­sto­ßen­des Ver­hal­ten, das noch da­zu ei­nen Kern­be­reich sei­ner Auf­ga­be be­trifft, nicht ein­fach hin­neh­men. Die Be­klag­te muss­te da­von aus­ge­hen, dass das Kraft­fahrt-Bun­des­amt in die­sem Fall ent­we­der die Typ­ge­neh­mi­gung wi­der­ru­fen oder aber Maß­nah­men an­ord­nen wür­de, um ei­nen ge­setz­mä­ßi­gen Zu­stand der Fahr­zeu­ge zu er­rei­chen. Da­mit muss­te sie zwangs­läu­fig da­von aus­ge­hen, dass dem Fahr­zeug ei­ne Be­triebs­un­ter­sa­gung droh­te, wenn dem nicht nach­ge­kom­men wer­den wür­de (OLG Ko­blenz, Urt. v. 12.06.2019 – 5 U 1318/18, NJW 2019, 2237 Rn. 48, 49).

4. Der Be­klag­ten ist das Wis­sen und Wol­len der Per­son, die über den Ein­satz der un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung ent­schie­den hat, nach den Grund­sät­zen der Re­prä­sen­tan­ten­haf­tung ent­spre­chend § 31 BGB zu­zu­rech­nen (BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 29 ff.; OLG Ko­blenz, Urt. v. 12.06.2019 – 5 U 1318/18, NJW 2019, 2237 Rn. 50 ff.; OLG Hamm, Urt. v. 10.09.2019 – 13 U 149/18, ju­ris Rn. 67 ff.). Die kla­gen­de Par­tei hat schlüs­sig vor­ge­tra­gen, dass der Lei­ter der Ent­wick­lungs­ab­tei­lung der Be­klag­ten und de­ren Vor­stand Kennt­nis von dem Ein­bau der Steue­rung der Ab­gas­rück­füh­rung ge­habt ha­ben, de­ren ein­zi­ger Zweck dar­in be­stand, die Ge­neh­mi­gungs- und Zu­las­sungs­be­hör­den, den Kraft­fahr­zeug­han­del und die End­käu­fer über die tat­säch­li­chen, rechts­wid­ri­gen Emis­si­ons­ei­gen­schaf­ten der Fahr­zeu­ge zu täu­schen. Es han­delt sich da­bei um ei­ne stra­te­gi­sche un­ter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dung, die nicht oh­ne Wis­sen und Bil­li­gung der Lei­tungs- und Vor­stands­ebe­ne der Be­klag­ten ge­trof­fen wor­den sein kann (BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 39).

5. Der Scha­den des Klä­gers liegt im Ab­schluss des streit­ge­gen­ständ­li­chen Kauf­ver­trags und da­mit dem Ein­ge­hen ei­ner Ver­bind­lich­keit, die die kla­gen­de Par­tei bei Kennt­nis der Sach­la­ge nicht über­nom­men hät­te (BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 44 ff.; OLG Ko­blenz, Urt. v. 12.06.2019 – 5 U 1318/18, NJW 2019, 2237 Rn. 65 ff.). Da­für spricht zu­guns­ten der kla­gen­den Par­tei der Be­weis des ers­ten An­scheins. Kein ver­nünf­ti­ger Käu­fer er­wirbt ei­nen Pkw, der von ei­ner Still­le­gung be­droht ist. Die Maß­nah­men zur Nach­rüs­tung, mit der die Be­klag­te nun­mehr die re­gel­wid­ri­ge Steue­rung der Ab­gas­rück­füh­rung be­sei­tigt, wa­ren zum Zeit­punkt des Kaufs noch nicht ent­wi­ckelt wor­den.

6. Der An­spruch ist teil­wei­se ver­jährt.

Die re­gel­mä­ßi­ge Ver­jäh­rungs­frist be­trägt drei Jah­re (§ 195 BGB) und be­ginnt mit dem Schluss des Jah­res, in dem der An­spruch ent­stan­den ist und der Gläu­bi­ger von den den An­spruch be­grün­den­den Um­stän­den und der Per­son des Schuld­ners Kennt­nis er­langt oder oh­ne gro­be Fahr­läs­sig­keit er­lan­gen müss­te (§ 199 I Nr. 1 und Nr. 2 BGB). Die Be­weis­last der Kennt­nis bzw. grob fahr­läs­si­gen Un­kennt­nis des Gläu­bi­gers liegt beim Schuld­ner (Pa­landt/​El­len­ber­ger, BGB, 80. Aufl., § 199 Rn. 50).

Die Be­klag­te hat am 22.09.2015 in ei­ner Ad-hoc-Mit­tei­lung nach § 15 WpHG über Un­re­gel­mä­ßig­kei­ten der ver­wen­de­ten Soft­ware bei Die­sel­mo­to­ren des Typs EA189 in­for­miert. Am 15.10.2015 gab sie ei­ne Pres­se­mit­tei­lung ab, in der sie über den Zeit- und Maß­nah­men­plan des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes und über den be­vor­ste­hen­den Rück­ruf in­for­mier­te. An­fang Ok­to­ber 2015 schuf sie die Mög­lich­keit, auf ih­rer In­ter­net­sei­te ei­ne Fahr­zeug-Iden­ti­fi­zie­rungs­num­mer ein­zu­ge­ben und auf die­se Wei­se fest­zu­stel­len, ob ein kon­kre­tes Fahr­zeug mit der be­an­stan­de­ten Um­schalt­lo­gik aus­ge­stat­tet ist.

Es kann da­hin­ge­stellt blei­ben, ob der Klä­ger be­reits in die­sem Zu­sam­men­hang Kennt­nis da­von er­lang­te, dass das von ihm er­wor­be­ne Fahr­zeug von die­sen Vor­gän­gen be­trof­fen ist, oder ob ihm das in­fol­ge gro­ber Fahr­läs­sig­keit un­be­kannt ge­blie­ben ist (§ 199 I Nr. 2 BGB).

Die Be­klag­te und die in dem Kon­zern ver­bun­de­nen wei­te­ren Kraft­fahr­zeug­her­stel­ler ver­schick­ten im Lauf des Jah­res 2016 Mit­tei­lun­gen an die Hal­ter der mit ei­nem Mo­tor der Bau­rei­he EA189 aus­ge­rüs­te­ten Kraft­fahr­zeu­ge. Dar­in wur­den sie über die Ser­vice­maß­nah­me (in der Re­gel ein Soft­ware­up­date) in­for­miert und auf­ge­for­dert, die­se in ei­ner Fach­werk­statt der be­tref­fen­den Mar­ke aus­füh­ren zu las­sen. Spä­tes­tens mit dem Zu­gang die­ses Schrei­ben konn­te sich auch der Klä­ger nicht oh­ne gro­be Fahr­läs­sig­keit der Er­kennt­nis ver­schlie­ßen, dass das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug mit ei­ner Ein­rich­tung aus­ge­stat­tet war, die die Stick­oxid­emis­sio­nen spe­zi­ell auf dem Prüf­stand re­du­zier­te.

Da­mit be­gann die Ver­jäh­rung spä­tes­tens am 01.01.2017 und en­de­te am 31.12.2019. Die Kla­ge­schrift ist erst da­nach, näm­lich am 11.12.2020, beim Ge­richt ein­ge­gan­gen. Die Ver­jäh­rung konn­te da­durch nicht mehr ge­hemmt wer­den.

7. Ein Teil des der kla­gen­den Par­tei zu­ste­hen­den Scha­dens­er­satz­an­spruchs ist aber ge­mäß § 852 Satz 1 BGB noch nicht ver­jährt.

Hat der Er­satz­pflich­ti­ge durch ei­ne un­er­laub­te Hand­lung auf Kos­ten des Ver­letz­ten et­was er­langt, so ist er auch nach Ein­tritt der Ver­jäh­rung des An­spruchs auf Er­satz des aus ei­ner un­er­laub­ten Hand­lung ent­stan­de­nen Scha­dens zur Her­aus­ga­be nach den Vor­schrif­ten über die Her­aus­ga­be ei­ner un­ge­recht­fer­tig­ten Be­rei­che­rung ver­pflich­tet. Die­ser An­spruch ver­jährt erst nach Ab­lauf von zehn Jah­ren von sei­ner Ent­ste­hung an (§ 852 Satz 2 BGB). Auf die Fra­ge der Kennt­nis oder grob­fahr­läs­si­gen Un­kennt­nis der an­spruchs­be­grün­den­den Tat­sa­chen kommt es in die­sem Zu­sam­men­hang nicht an.

Die Be­klag­te hat die kla­gen­de Par­tei durch ei­ne un­er­laub­te Hand­lung ge­schä­digt. Sie hat da­durch auch et­was auf sei­ne Kos­ten er­langt.

Die Recht­spre­chung zu die­ser Fra­ge ist un­ein­heit­lich.

Der 19. Zi­vil­se­nat des OLG Frank­furt a. M. ist der Auf­fas­sung, dass die Be­klag­te im Er­geb­nis nichts auf Kos­ten des je­wei­li­gen Fahr­zeug­käu­fers er­langt ha­be. Zu­dem müs­se der An­wen­dungs­be­reich des § 852 BGB te­leo­lo­gisch re­du­ziert wer­den. Ge­schä­dig­te, die sich ei­ner Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge hät­ten an­schlie­ßen kön­nen, dürf­ten sich nicht auf die­se Vor­schrift be­ru­fen (OLG Frank­furt a. M., Beschl. v. 21.01.2021 – 19 U 170/20, ju­ris Rn. 15 ff.). Der Se­nat be­zieht sich da­bei auf ei­nen Auf­satz von Mar­ti­nek (jM 2021, 56), der den In­halt sei­nes von der Be­klag­ten in die­sem Rechts­streit vor­ge­leg­ten Rechts­gut­ach­tens in kom­pri­mier­ter Form wie­der­gibt.

Der 2. Zi­vil­se­nat des OLG Ol­den­burg ver­tritt die Auf­fas­sung, dass der Scha­den des Fahr­zeug­käu­fers nur dar­in lie­ge, ei­ne un­ge­woll­te Ver­bind­lich­keit ein­ge­gan­gen zu sein. Die Be­klag­te ha­be aber nichts auf sei­ne Kos­ten er­langt, weil ihm ein wirt­schaft­li­cher Scha­den nicht ent­stan­den sei (OLG Ol­den­burg, Hin­weis­be­schluss vom 05.01.2021 – 2 U 168/20, BeckRS 2021, 1641 Rn. 16 ff.). Der Vor­teil, den die Be­kla­ge aus dem Ge­schäft ge­zo­gen ha­be, kön­ne je­den­falls nur in ih­rer Ge­winn­mar­ge be­ste­hen. Die­ser Be­trag wer­de von der Ent­schä­di­gung für den Nut­zungs­wert auf­ge­zehrt, die sich die kla­gen­de Par­tei an­rech­nen las­sen müs­se (OLG Ol­den­burg, Beschl. v. 21.01.2021 – 2 U 168/20, BeckRS 2021, 1642 Rn. 9 ff.).

Das LG Os­na­brück hat Er­satz­an­sprü­che ei­nes Klä­gers ab­ge­lehnt, weil das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug als Ge­braucht­wa­gen er­wor­ben wur­de. Dann sei die Be­klag­te durch den Fahr­zeug­kauf nicht be­rei­chert (LG Os­na­brück, Urt. v. 03.07.2020 – 6 O 842/20, BeckRS 2020, 17605 Rn. 40 ff.).

Dem­ge­gen­über ver­tritt das LG Hil­des­heim die Auf­fas­sung, dass die Be­rei­che­rung des Schä­di­gers nicht auf ei­ner un­mit­tel­ba­ren Ver­mö­gens­ver­schie­bung zu sei­nen Guns­ten be­ru­hen müs­se. Der Ver­mö­gens­zu­wachs müs­se nur durch die un­er­laub­te Hand­lung ver­ur­sacht wor­den sein und auf den Ge­schä­dig­ten zu­rück­ge­hen. Beim Wei­ter­ver­kauf des Fahr­zeugs durch den Erst­erwer­ber an die wei­te­ren Käu­fer des Fahr­zeugs wer­de der Ver­mö­gens­scha­den des Erst­erwer­bers, dem der Ver­mö­gens­zu­fluss auf­sei­ten der Be­klag­ten un­mit­tel­bar ge­gen­über­ste­he, in der Ket­te der wei­te­ren Er­wer­ber wei­ter­ge­reicht. Bei wirt­schaft­li­cher Be­trach­tungs­wei­se kor­re­spon­die­re der dem Letzter­wer­ber ent­stan­de­ne Scha­den da­her mit dem Ver­mö­gens­zu­fluss beim Her­stel­ler (LG Hil­des­heim, Hin­weis­be­schl. v. 29.11.2020 – 5 O 183/20, BeckRS 2020, 35828).

Der 12. Zi­vil­se­nat des OLG Ol­den­burg hält den Scha­dens­er­satz­an­spruch ei­ner Fahr­zeug­käu­fe­rin ge­mäß § 852 BGB für un­ver­jährt (OLG Ol­den­burg, Urt. v. 02.03.2021 – 12 U 161/20, BeckRS 2021, 3326 Rn. 32 ff.). Er führt in Ab­gren­zung zu den vor­ge­nann­ten Ent­schei­dun­gen des 2. Zi­vil­se­nats aus, dass der ver­jähr­te An­spruch als sol­cher be­ste­hen blei­be und nur in sei­nem Um­fang auf die Hö­he der dem Schä­di­ger ver­blie­be­nen Be­rei­che­rung be­schränkt wer­de. Mit der Vor­schrift sol­le ver­hin­dert wer­den, dass der­je­ni­ge, der durch die un­er­laub­te Hand­lung et­was er­wor­ben ha­be, zu­las­ten des Ge­schä­dig­ten im Ge­nuss des Er­lang­ten blei­be (BGH, Urt. v. 27.05.1986 – III ZR 239/84, BGHZ 98, 77 = ju­ris Rn. 42). Da­mit kom­me es auch nicht dar­auf an, auf wel­chem Weg sich die durch die un­er­laub­te Hand­lung ver­an­lass­te Ver­mö­gens­ver­schie­bung voll­zo­gen ha­be, na­ment­lich nicht dar­auf, ob es sich um ei­ne un­mit­tel­ba­re Ver­schie­bung han­de­le. Der Se­nat be­zieht sich da­bei aus­drück­lich auf die Ma­te­ria­li­en zum Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­ren (BT-Drs. 14/6040, S. 270). Der Se­nat setzt sich auch mit dem Rechts­gut­ach­ten von Prof. Dr. Dr. Mar­ti­nek aus­ein­an­der, das die Be­kla­ge auch in dem hier von der Kam­mer zu ent­schei­den­den Rechts­streit vor­ge­legt hat. Er wen­det sich ge­gen ei­ne te­leo­lo­gi­sche Re­duk­ti­on im Hin­blick auf die jetzt für ge­schä­dig­te Ver­brau­cher be­ste­hen­de Mög­lich­keit, sich an ei­nem Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge­ver­fah­ren zu be­tei­li­gen. Da­mit wer­de der Ge­set­zes­zweck der Vor­schrift ver­fehlt, der an­er­kann­ter­ma­ßen dar­in be­ste­he, dem Tä­ter ei­ner un­er­laub­ten Hand­lung die Vor­tei­le sei­ner Tat auch noch nach ver­jähr­ter Scha­dens­er­satz­ver­pflich­tung zu ent­zie­hen.

Das OLG Stutt­gart spricht sich eben­falls ge­gen ei­ne te­leo­lo­gi­sche Re­duk­ti­on des § 852 BGB aus. We­der aus dem Wort­laut noch aus der Be­grün­dung des Ge­set­zes er­gä­ben sich An­halts­punk­te da­für, dass die Norm zu­guns­ten des durch ei­ne un­er­laub­te Hand­lung Ge­schä­dig­ten nur dann ein­grei­fen sol­le, wenn ei­ne Kla­ge in­ner­halb der Ver­jäh­rungs­frist für ihn mit Ri­si­ken ver­bun­den wä­re. Da so­mit nicht da­von aus­ge­gan­gen wer­den kön­ne, dass der Wort­laut zu weit ge­fasst sei, be­ste­he kein Raum für ei­ne ein­schrän­ken­de Aus­le­gung der Norm (OLG Stutt­gart, Urt. v. 09.03.2021 – 10 U 339/20, BeckRS 2021, 5075 Rn. 52).

Die Kam­mer schließt sich den in je­der Hin­sicht über­zeu­gen­den Ar­gu­men­ta­ti­on des 12. Zi­vil­se­nats des OLG Ol­den­burg und des OLG Stutt­gart an. Hin­zu­zu­fü­gen ist, dass nichts die An­nah­me recht­fer­tigt, der Ge­setz­ge­ber ha­be mit der Ein­füh­rung der Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge die Rech­te der Ver­brau­cher be­schrän­ken wol­len. Das wä­re aber mit der von Mar­ti­nek ge­for­der­ten „te­leo­lo­gi­schen Re­duk­ti­on“ in ein­schnei­den­dem Aus­maß der Fall.

Die Kam­mer be­han­delt das Rechts­gut­ach­ten von Mar­ti­nek als Rechts­vor­trag, des­sen Ab­sicht und Ziel dar­in liegt, der Ver­tei­di­gung der Be­klag­ten in den zahl­rei­chen ge­gen sie ge­führ­ten Rechts­strei­tig­kei­ten über EA189-Mo­to­ren zum Er­folg zu ver­hel­fen. Es han­delt sich um ei­ne wis­sen­schaft­li­che Ar­beit, aber mit­nich­ten um ei­ne ob­jek­ti­ve. Denn der Gut­ach­ter greift sehr na­he­lie­gen­de recht­li­che Ar­gu­men­te, die für den Stand­punkt der Fahr­zeug­käu­fer spre­chen und von ih­nen auch vor­ge­bracht wer­den, gar nicht erst auf.

Es be­steht der er­for­der­li­che Zu­sam­men­hang zwi­schen dem Ver­mö­gens­ab­fluss auf der Sei­te des Klä­gers („auf Kos­ten des Ver­let­zen“) und dem Ver­mö­gens­zu­wachs auf der Sei­te der Be­klag­ten („durch ei­ne un­er­laub­te Hand­lung … et­was er­langt“). Der BGH hat in sei­ner so­ge­nann­ten Fahr­rad­ge­päck­trä­ger-II-Ent­schei­dung klar­ge­stellt, dass § 852 BGB a.F. ei­ne un­mit­tel­ba­re Ver­mö­gens­ver­schie­bung von dem Ge­schä­dig­ten zum Schä­di­ger nicht vor­aus­setzt. Die Vor­schrift ver­weist auf die im Be­rei­che­rungs­recht nor­mier­ten Rechts­fol­gen und nicht auf die tat­be­stand­li­chen Merk­ma­le der §§ 812 ff. BGB (BGH, Urt. v. 14.02.1978 – X ZR 19/76, BGHZ 71, 86 = NJW 1978, 1377, 1379 f. – Fahr­rad­ge­päck­trä­ger II). Der Be­griff „auf … Kos­ten er­langt“ stellt nur auf die Hand­lung ab, durch die die Ver­mö­gens­ver­schie­bung be­wirkt wor­den ist. Da es ei­ne un­er­laub­te war, kommt es nicht dar­auf an, auf wel­chem Weg sich die da­durch ver­an­lass­te Ver­mö­gens­ver­schie­bung voll­zo­gen hat. Da­her ist für die An­spruchs­vor­aus­set­zung der §§ 812 ff. BGB in § 852 III BGB a.F. kein Raum. Je­ne Vor­schrif­ten ha­ben in­so­weit nur die Be­deu­tung ei­ner Be­gren­zung des Haf­tungs­um­fangs. Bei ei­ner kon­se­quen­ten An­wen­dung die­ser Recht­spre­chung ge­nügt es, dass ein ir­gend­wie ge­ar­te­ter wirt­schaft­li­cher Zu­sam­men­hang zwi­schen der Ver­mö­gens­meh­rung der be­klag­ten Her­stel­le­rin und der Ver­mö­gens­min­de­rung bei dem kla­gen­den Fahr­zeug­käu­fer be­steht. Zwi­schen­schrit­te auf bei­den Sei­ten las­sen die­sen Zu­sam­men­hang nicht ent­fal­len.

Die Be­klag­te hat die stra­te­gi­sche un­ter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dung ge­trof­fen, in gro­ßem Um­fang Fahr­zeu­ge auf den Markt zu brin­gen, die we­gen der zum Zweck der Täu­schung der Ge­neh­mi­gungs­be­hör­den ein­ge­bau­ten Ab­schalt­ein­rich­tung über­haupt nicht für den öf­fent­li­chen Stra­ßen­ver­kehr hät­ten zu­ge­las­sen wer­den dür­fen. Die Aus­wir­kun­gen die­ser un­er­laub­ten, weil vor­sätz­lich-sit­ten­wid­rig schä­di­gen­den Hand­lung en­den nicht bei dem Erst- oder Zweiter­wer­ber. Die Be­klag­te hat des­halb die Geld­mit­tel, die ihr durch den Ver­kauf des streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw zu­ge­flos­sen sind, sehr wohl i. S. des § 852 Satz 1 BGB auf Kos­ten des Klä­gers er­langt, der sei­ner­seits ei­nen Geld­be­trag in den Kauf ei­nes Fahr­zeugs in­ves­tier­te, das er bei Kennt­nis der Sach­la­ge we­gen des Ri­si­kos ei­ner be­hörd­li­chen Still­le­gungs­ver­fü­gung nicht er­wor­ben hät­te.

Dem steht nicht ent­ge­gen, dass die Be­klag­te den Zu­fluss an Geld durch den Ver­kauf des her­ge­stell­ten Fahr­zeugs an ei­nen Kraft­fahr­zeug­händ­ler er­zielt hat. Un­be­deu­tend ist, wie vie­le Zwi­schen­händ­ler es ge­ge­ben ha­ben mag, bis das Fahr­zeug schließ­lich von dem Klä­ger ge­kauft wur­de.

Es ist auch un­er­heb­lich, ob die kla­gen­de Par­tei den Pkw als Neu­fahr­zeug oder als Ge­braucht­wa­gen ge­kauft hat (a. A. OLG Stutt­gart, Urt. v. 02.02.2021 – 10 U 229/20, BeckRS 2021, 5076 Rn. 50 ff.). Al­le Fahr­zeug­her­stel­ler ha­ben beim Ab­satz ih­rer Pro­duk­te nicht nur den Neu-, son­dern auch den Ge­braucht­wa­gen­markt im Blick. Ei­ne be­kann­te Stra­te­gie be­steht dar­in, Fahr­zeu­ge mit ge­rin­ger oder auch gar kei­ner Lauf­leis­tung als so­ge­nann­te Ta­ges­zu­las­sun­gen mit gro­ßen Ab­schlä­gen ge­gen­über den Lis­ten­prei­sen auf den Markt zu brin­gen. Hier kann ei­ne schar­fe Gren­ze zwi­schen neu­en und ge­brauch­ten Fahr­zeu­gen gar nicht mehr ge­zo­gen wer­den.

Aber auch, wenn das Fahr­zeug im ur­sprüng­li­chen Sinn ei­nes Ge­braucht­wa­gen­ge­schäfts von ei­nem Be­sit­zer über ei­ne län­ge­re Zeit und Lauf­leis­tung ge­nutzt wird, spielt der Wie­der­ver­kaufs­wert für sei­ne Ent­schei­dung zum Er­werb ge­ra­de die­ses Fahr­zeug­mo­dells re­gel­mä­ßig ei­ne Rol­le. Ein Käu­fer wird um­so eher be­reit sein, et­was mehr für ei­nen Neu­wa­gen aus­zu­ge­ben, wenn er er­war­tet, dass er ihn spä­ter zu ei­nem ver­hält­nis­mä­ßig gu­ten Preis wie­der ver­kau­fen kann.

Die Ver­triebs­or­ga­ni­sa­ti­on der Be­klag­ten und der wei­te­ren mit ihr in ei­nem Kon­zern ver­bun­de­nen Her­stel­ler kon­zen­triert sich kei­nes­wegs nur auf den Ab­satz von Neu­wa­gen. Es ist of­fen­kun­dig, dass die Be­klag­te und die mit ihr in ei­nem Kon­zern ver­bun­de­nen Her­stel­ler in un­ter­schied­li­chen Me­di­en ge­ra­de auch den Ab­satz von Ge­braucht­fahr­zeu­gen be­wer­ben. Be­stimm­ten Käu­fer­grup­pen wer­den Neu­fahr­zeu­ge zu be­son­ders güns­ti­gen Kon­di­tio­nen an­ge­bo­ten, vor­zugs­wei­se zum Lea­sing, aber auch mit be­son­de­ren Ra­bat­ten beim Kauf („Flot­ten­ra­batt“, „Be­hör­den­ra­batt“). Da­bei wird die Er­war­tung ein­kal­ku­liert, dass mit dem Ver­trieb sol­cher „jun­gen Ge­brauch­ten“ noch wei­te­re gu­te Ren­di­ten er­zielt wer­den kön­nen. Die­se kom­men mit­tel­bar auch den Fahr­zeug­her­stel­lern zu­gu­te. Ein sol­cher mit­tel­ba­rer Zu­sam­men­hang reicht aus, um die An­sprü­che der kla­gen­den Par­tei von der kennt­nis­ab­hän­gi­gen Re­gel­ver­jäh­rung aus­zu­neh­men.

Die Be­klag­te hat of­fen­sicht­lich durch den Ver­kauf des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs an ei­nen Händ­ler ei­nen Geld­be­trag er­löst. Die­ser Be­trag ist das, was sie durch die un­er­laub­te Hand­lung er­langt hat. Die Mehr­wert­steu­er, die die Be­klag­te ge­son­dert ver­bucht und an das Fi­nanz­amt ab­ge­führt hat, bleibt da­bei au­ßer Be­tracht, weil die Be­klag­te dar­um nicht be­rei­chert ist.

Es ist dar­über hin­aus of­fen­kun­dig, dass das Er­lang­te nicht dem vol­len Kauf­preis ent­spricht, den der Erst­käu­fer be­zahlt hat. Selbst bei Ge­schäf­ten, bei de­nen die Be­klag­te selbst Ver­käu­fe­rin ist und der Händ­ler nur als Ver­mitt­ler auf­tritt, er­hält er ei­ne Pro­vi­si­on. Die Be­klag­te ist aber dem Vor­trag der kla­gen­den Par­tei zur Hö­he der so­ge­nann­ten Händ­ler­mar­ge nicht sub­stan­zi­iert ent­ge­gen­ge­tre­ten. Die Be­klag­te trägt nach den von der Recht­spre­chung ent­wi­ckel­ten Maß­stä­ben (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 36 f.) da­zu die se­kun­dä­re Dar­le­gungs­last, der sie nicht nach­ge­kom­men ist. Nur die Be­klag­te kann wis­sen, was sie durch den Ver­kauf des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs an ei­nen Erst­erwer­ber oder Zwi­schen­händ­ler er­hal­ten hat.

Of­fen­kun­dig ist auch, dass die bei der Be­klag­ten ver­blei­ben­de Be­rei­che­rung nicht den vol­len Kauf­preis um­fasst, den sie durch den Ver­kauf des Fahr­zeugs bzw. Mo­tors er­hal­ten hat. Für Ent­wick­lung, Pro­duk­ti­on und gge­ge­be­nen­falls Ver­trieb sind er­heb­li­che Kos­ten an­ge­fal­len. Die Kam­mer sieht sich aber nicht in der La­ge, die­se pau­schal zu be­wer­ten. Es ist viel­mehr an der Be­klag­ten, die Tat­sa­chen vor­zu­tra­gen, die ei­nen Weg­fall ih­rer Be­rei­che­rung i. S. des § 818 III BGB a.F. be­grün­den. Das hat sie nicht ge­tan. Die Be­klag­te meint im An­schluss an das von ihr selbst in Auf­trag ge­ge­be­ne Gut­ach­ten von Mar­ti­nek, es müs­se ge­mäß § 287 ZPO ei­ne pau­scha­lie­ren­de Be­trach­tungs­wei­se an­ge­wen­det wer­den. Das ist im An­satz nicht falsch. Die über­wie­gen­de Recht­spre­chung ar­bei­tet so zum Bei­spiel bei der Be­mes­sung des den Fahr­zeug­käu­fern an­zu­rech­nen­den Nut­zungs­wert­er­sat­zes. Es be­darf aber auch dann hin­rei­chen­der tat­säch­li­cher An­halts­punk­te, die die Be­klag­te nicht vor­legt. Der Ver­weis auf die Ver­öf­fent­li­chun­gen von For­schungs­er­geb­nis­sen ei­nes Drit­ten reicht nicht aus. Von ihr ist je­den­falls zu er­war­ten, dass sie ih­re ei­ge­nen Kal­ku­la­tio­nen of­fen­legt, was sie an ei­nem Fahr­zeug des Typs, den der Klä­ger ge­kauft hat, im Durch­schnitt nach Ab­zug von Ent­wick­lungs-, Pro­duk­ti­ons- und Ver­triebs­kos­ten ver­dient.

Die Kos­ten, die bei der Be­klag­ten durch die Ent­wick­lung und In­stal­la­ti­on der Maß­nah­men zur Ent­fer­nung der ver­bo­te­nen Ab­schalt­ein­rich­tung ent­stan­den sind, könn­te die Be­klag­te oh­ne­hin nicht als Min­de­rung ih­rer Be­rei­che­rung an­set­zen. Dem steht § 819 II BGB ent­ge­gen (auf die­se Vor­schrift geht Mar­ti­nek gar nicht ein). Die Be­klag­te hat durch den Emp­fang des Prei­ses aus dem Ver­kauf des Fahr­zeugs an den Erst­käu­fer ge­gen die gu­ten Sit­ten ver­sto­ßen. Denn die­ser Ver­kauf ist Teil der un­er­laub­ten Hand­lung ge­mäß § 826 BGB. Al­les, was die Be­klag­te nach dem sit­ten­wid­ri­gen Emp­fang der Leis­tung in­ves­tiert ha­ben mag, min­dert den un­ver­jähr­ten Teil des Scha­dens­er­satz­an­spruchs nicht.

Die ent­ge­gen­ste­hen­de Ar­gu­men­ta­ti­on von Mar­ti­nek, der ein­mal mehr ei­ne te­leo­lo­gi­sche Re­duk­ti­on der die Be­klag­ten be­las­ten­den Vor­schrif­ten for­dert, ist für die Kam­mer nicht ein­mal an­satz­wei­se nach­voll­zieh­bar. Es ist über­haupt kein Grund er­sicht­lich, war­um aus­ge­rech­net der­je­ni­ge, der ei­nen an­de­ren durch ei­ne un­er­laub­te Hand­lung schä­digt, nicht der ver­schärf­ten Haf­tung un­ter­lie­gen soll. Die Vor­stel­lung, die Be­klag­te kön­ne ih­ren Auf­wand für die Be­sei­ti­gung des von ihr selbst an­ge­rich­te­ten Scha­dens ab­zie­hen, weil sie dem „Be­rei­che­rungs­gläu­bi­ger“ die­nen und die­ser sie letzt­lich „wol­len muss“, ist ab­surd. Der Ge­dan­ke passt nicht. Die Be­klag­te ist nicht nur ein­fach un­ge­recht­fer­tigt be­rei­chert. Um es in Er­in­ne­rung zu ru­fen: sie hat das an sich er­laub­te Ziel der Er­hö­hung des Ge­winns auf der Grund­la­ge ei­ner stra­te­gi­schen Un­ter­neh­mens­ent­schei­dung durch arg­lis­ti­ge Täu­schung der zu­stän­di­gen Typ­ge­neh­mi­gungs- und Markt­über­wa­chungs­be­hör­de – des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes (§ 2 I EG-FGV) – er­reicht und dies mit ei­ner Ge­sin­nung ver­bun­den, die sich so­wohl im Hin­blick auf die für den ein­zel­nen Käu­fer mög­li­cher­wei­se ein­tre­ten­den Fol­gen und Schä­den als auch im Hin­blick auf die in­so­weit gel­ten­den Rechts­vor­schrif­ten, ins­be­son­de­re zum Schutz der Ge­sund­heit der Be­völ­ke­rung und der Um­welt, gleich­gül­tig zeigt. Ein sol­ches Vor­ge­hen ver­stößt der­art ge­gen die Min­dest­an­for­de­run­gen im Rechts- und Ge­schäfts­ver­kehr auf dem hier be­trof­fe­nen Markt für Kraft­fahr­zeu­ge, dass ein Aus­gleich der bei den ein­zel­nen Käu­fern ver­ur­sach­ten Ver­mö­gens­schä­den ge­bo­ten er­scheint (BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 23).

8. Als Rechts­fol­ge des der kla­gen­den Par­tei zu­ste­hen­den Scha­dens­er­satz­an­spruchs hat die Be­klag­te ge­mäß § 249 I BGB den Zu­stand her­zu­stel­len, der be­ste­hen wür­de, wenn das schä­di­gen­de Er­eig­nis nicht ein­ge­tre­ten wä­re.

Hät­te die Be­klag­te die Mo­to­ren nicht mit ei­ner un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung in den Ver­kehr ge­bracht, oh­ne dar­über auf­zu­klä­ren, so hät­te die kla­gen­de Par­tei das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug nicht er­wor­ben. Sie ist da­her be­rech­tigt, den Kauf­preis Zug um Zug ge­gen Über­ga­be und Über­eig­nung des Fahr­zeugs von der Be­klag­ten er­setzt zu ver­lan­gen. Sie muss sich dann aber die Vor­tei­le an­rech­nen las­sen, die sie zwi­schen­zeit­lich durch die Nut­zung des Pkw er­langt hat.

Es ist nicht ge­bo­ten, im Hin­blick auf die sich als nütz­li­che Fol­ge aus der Kom­pen­sa­ti­on er­ge­ben­de Prä­ven­ti­on die Vor­teils­aus­glei­chung grund­sätz­lich aus­zu­schlie­ßen; an­de­ren­falls wür­de der Er­satz­an­spruch in die Nä­he ei­nes dem deut­schen Recht frem­den Straf­scha­dens­er­sat­zes ge­rückt (BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 67).

Die An­rech­nung von Ge­brauchs­vor­tei­len ist der kla­gen­den Par­tei zu­zu­mu­ten. Sie hat den streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw über län­ge­re Zeit ge­nutzt und da­mit im Er­geb­nis über­wie­gend das be­kom­men, was sie bei dem Kauf er­war­tet hat. Die Aus­wir­kun­gen des Ein­baus der un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung in die Die­sel­mo­to­ren der Bau­rei­he EA189 tref­fen nicht die Käu­fer der Fahr­zeu­ge, son­dern die Per­so­nen, die in ent­spre­chend ex­po­nier­ten La­gen den Schad­stoff­emis­sio­nen aus­ge­setzt sind. Die erst mit ge­rau­mer Ver­zö­ge­rung von ei­ni­gen Ver­wal­tungs­be­hör­den an­ge­droh­te Still­le­gung kann durch die In­stal­la­ti­on des Soft­ware­up­dates ab­ge­wen­det wer­den. Die be­fürch­te­ten ne­ga­ti­ven Fol­gen der Nach­rüs­tung wer­den die kla­gen­de Par­tei nicht tref­fen, wenn sie das Fahr­zeug der Be­klag­ten ge­gen Zah­lung des aus­ge­ur­teil­ten Be­trags aus­hän­digt.

Der eu­ro­pa­recht­li­che Ef­fek­ti­vi­täts­grund­satz recht­fer­tigt es nicht, von ei­nem Er­satz des Nut­zungs­werts ab­zu­se­hen. Zi­vil­recht­li­che Scha­dens­er­satz­an­sprü­che ha­ben auch nach dem eu­ro­päi­schen Ge­mein­schafts­recht kei­nen Straf­cha­rak­ter. Ob der deut­sche Ge­setz­ge­ber die Ver­stö­ße ge­gen das eu­ro­päi­sche Typ­ge­neh­mi­gungs­recht mit här­te­ren Stra­fen hät­te be­weh­ren müs­sen, ist nicht Ge­gen­stand die­ses Rechts­streits. Es wi­der­spricht nicht dem Ge­dan­ken des ef­fek­ti­ven Rechts­schut­zes, wenn dem Ge­schä­dig­ten die Vor­tei­le, die er aus dem Kauf er­langt hat, scha­dens­min­dernd an­ge­rech­net wer­den. Das ist ein prä­gen­der Grund­satz des deut­schen Scha­dens­er­satz­rechts. Der Ge­schä­dig­te wird da­durch kei­nes­wegs recht­los ge­stellt.

Den Nut­zungs­wert hat die Kam­mer ge­mäß § 287 I ZPO zu schät­zen.

Sie wen­det da­zu die in der Recht­spre­chung weit ver­brei­te­te Me­tho­de ei­ner li­nea­ren Ab­schrei­bung nach Maß­ga­be der mit dem Pkw zu­rück­ge­leg­ten Ki­lo­me­ter an. Die Kam­mer schätzt die vor­aus­sicht­li­che Ge­samt­nut­zungs­dau­er des Pkw auf 200.000 bis 300.000 km. Dar­an än­dert es nichts, dass es durch­aus ei­ne be­trächt­li­che An­zahl von Fahr­zeu­gen ge­ben mag, die auch ei­ne be­deu­tend hö­he­re Lauf­leis­tung er­rei­chen. Maß­geb­lich ist nicht, wel­che Lauf­leis­tung ein sol­ches Fahr­zeug un­ter güns­ti­gen Be­din­gun­gen er­rei­chen könn­te. Es kommt dar­auf an, wann im Durch­schnitt da­mit zu rech­nen ist, dass ein sol­ches Fahr­zeug nicht mehr im öf­fent­li­chen Stra­ßen­ver­kehr in den Län­dern der Eu­ro­päi­schen Uni­on ge­nutzt wird. Da­bei sind durch­aus auch wirt­schaft­li­che Über­le­gun­gen maß­geb­lich, näm­lich die Fra­ge, ob ein Hal­ter noch be­reit ist, die Kos­ten für an­fal­len­de Re­pa­ra­tu­ren zu über­neh­men, oder ob er sich statt­des­sen für den Kauf ei­nes an­de­ren Fahr­zeugs ent­schei­det. Die Kam­mer be­rück­sich­tigt, dass ein Die­sel­mo­tor im Durch­schnitt ei­ne et­was län­ge­re Le­bens­dau­er hat als ein mit Ot­to­kraft­stoff be­trie­be­ner Mo­tor, ob­wohl auch das von den Ein­satz­be­din­gun­gen ab­hängt. Des­halb legt sie ih­rer Be­rech­nung den Wert von 300.000 km zu­grun­de.

Die Kam­mer nimmt die Schät­zung des Nut­zungs­werts ge­mäß § 287 I ZPO wie folgt vor:

Nut­zungwert (auf Ba­sis der Lauf­leis­tung)  
 
Kauf­preis 20.700,00 €
Ki­lo­me­ter­stand bei An­kauf 11.856 km
Le­bens­dau­er 300.000 km
Rest­li­che Lauf­leis­tung bei An­kauf 288.144 km
Ki­lo­me­ter­satz 0,07184 €
Ki­lo­me­ter­stand bei münd­li­cher Ver­hand­lung 184.516 km
Fahr­leis­tung von Kauf bis zur münd­li­chen Ver­hand­lung 172.660 km
Wert der Nut­zun­gen 12.403,74 €
Kauf­preis ab­züg­lich Nut­zungs­wert 8.296,26 €

Die­ser Be­trag liegt je­den­falls nied­ri­ger als das, was die Be­klag­te mit dem (Erst-)Ver­kauf des streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw auch nach Ab­zug der Mehr­wert­steu­er und ei­ner Händ­ler­mar­ge er­hal­ten ha­ben muss. Der An­spruch ist da­her nach den vor­aus­ge­hen­den Aus­füh­run­gen zu § 852 Satz 1 BGB nicht ver­jährt.

9. Die­se For­de­rung ist ge­mäß §§ 291, 288 I 2 BGB zu ver­zin­sen.

Da­bei ist zu be­rück­sich­ti­gen, dass die Scha­dens­er­satz­for­de­rung bei Kla­ge­er­he­bung noch hö­her ge­le­gen hat und sich erst im Lauf der Zeit bis zur münd­li­chen Ver­hand­lung durch die von der kla­gen­den Par­tei ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen er­mä­ßigt hat (vgl. BGH, Urt. v. 30.07.2020 – VI ZR 397/19, NJW 2020, 2806 Rn. 38). Die Kam­mer kennt den Ki­lo­me­ter­stand bei Kla­ge­er­he­bung al­ler­dings nicht. In der Kür­ze der Zeit bis zur münd­li­chen Ver­hand­lung kann sich der Nut­zungs­wert­er­satz oh­ne­hin nur ge­ring­fü­gig er­höht ha­ben. Der Zins­an­teil dar­auf be­trägt re­gel­mä­ßig nur we­ni­ge Eu­ro und kann des­halb ver­nach­läs­sigt wer­den.

Zin­sen ste­hen der kla­gen­den Par­tei erst ab Rechts­hän­gig­keit der Kla­ge zu. Die Be­klag­te ist nicht schon mit Zu­gang des Schrei­bens der Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten des Klä­gers in Ver­zug ge­ra­ten, mit dem sie zur Leis­tung von Scha­dens­er­satz auf­ge­for­dert wur­de. In Fäl­len der ge­gen­sei­ti­gen Leis­tungs­pflicht kann ein Schuld­ner nur dann in Ver­zug ge­ra­ten, wenn ihm der Gläu­bi­ger die ihm ob­lie­gen­de Ge­gen­leis­tung ord­nungs­ge­mäß an­bie­tet. Das war hier nicht der Fall.

10. Der Fest­stel­lungs­an­trag ist un­be­grün­det. Es fehlt an ei­nem wört­li­chen An­ge­bot der Rück­ga­be des Fahr­zeugs durch den Klä­ger i. S. des § 295 BGB, das Vor­aus­set­zung für die Be­grün­dung des An­nah­me­ver­zugs ist. Al­lein die Auf­for­de­rung zur Leis­tung von Scha­dens­er­satz be­grün­det den An­nah­me­ver­zug nicht.

11. Der Klä­ger kann als Teil des ihm ent­stan­de­nen Scha­dens auch die Er­stat­tung der Kos­ten der vor­ge­richt­li­chen Rechts­ver­fol­gung, ins­be­son­de­re der Ver­gü­tungs­for­de­rung der von ihm da­mit be­auf­trag­ten Rechts­an­wäl­te, ver­lan­gen.

Der Klä­ger schul­det sei­nen Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten für de­ren vor­ge­richt­li­che Tä­tig­keit ei­ne Ge­schäfts­ge­bühr ge­mäß Nr. 2300 VV RVG. Die­se ist je­doch ge­mäß Nr. 2300 VV RVG auf ei­nen Satz von 1,3 zu be­gren­zen. Ei­ne hö­he­re Ge­bühr kann nur ge­for­dert wer­den, wenn die Tä­tig­keit um­fang­reich oder schwie­rig war. Bei­des ist hier nicht der Fall, weil die Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten des Klä­gers ei­ne Viel­zahl gleich­ge­la­ger­ter Man­da­te be­ar­bei­tet ha­ben, die sämt­lich An­sprü­che von Fahr­zeug­käu­fern ge­gen die Be­klag­te zum Ge­gen­stand ha­ben. Auf­wand und Schwie­rig­keit der Be­ar­bei­tung des kon­kre­ten Man­dats lie­gen da­her nicht über dem Durch­schnitt. Die Kam­mer folgt da­mit der mitt­ler­wei­le ge­fes­tig­ten Recht­spre­chung der Zi­vil­se­na­te des OLG Ko­blenz.

Die Be­klag­te braucht ei­ne Ver­gü­tung auch nur auf der Grund­la­ge des Ge­gen­stands­werts zu er­set­zen, der der Hö­he des An­spruchs ent­spricht, der der kla­gen­den Par­tei ge­gen­über der Be­klag­ten noch zu­ste­hen konn­te. Es ist des­halb auch hier ein Nut­zungs­wert ab­zu­zie­hen (vgl. OLG Ko­blenz, Urt. v. 13.02.2020 – 2 U 671/19, BeckRS 2020, 7007 Rn. 35). Die Kam­mer schätzt den Ge­gen­stands­wert zu der Zeit, als die kla­gen­de Par­tei ih­re Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten mit der Ver­tre­tung ih­rer In­ter­es­sen be­auf­trag­te, auf bis zu 9.000 €.

Die Ver­gü­tungs­for­de­rung be­trägt:

Ge­gen­stands­wert: bis 9.000,00 €  
 
1,3-fa­che Ge­schäfts­ge­bühr (Nr. 2300 VV RVG) 659,10 €
Post- und Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­pau­scha­le (Nr. 7002 VV RVG) 20,00 €
Zwi­schen­sum­me 679,10 €
19 % Um­satz­steu­er (Nr. 7008 VV RVG) 129,03 €
Ver­gü­tungs­for­de­rung 808,13 €

Die­ser Be­trag ist ge­mäß §§ 291, 288 I 2 BGB zu ver­zin­sen.

III. Die Kos­ten­ent­schei­dung er­geht nach § 92 I ZPO. …

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