Ansprüche eines Kraftfahrzeughändlers auf Ersatz von Schäden, die ein Kaufinteressent an einem ihm zu einer Probefahrt überlassenen Kraftfahrzeug verursacht, verjähren in sechs Monaten von der Rückgabe des Wagens an.

BGH, Urteil vom 18.02.1964 – VI ZR 260/62

Sachverhalt: Der Beklagte erwog im Sommer 1959, bei der Firma S in O. einen DKW-Pkw zu kaufen. Mit einem Firmenwagen des viersitzigen Modells DKW 1000 S unternahm er zunächst eine Probefahrt nach H. Auf einer gemeinsamen Probefahrt führte ihm der Firmeninhaber dann auch einen Wagen des zweisitzigen Modells DKW 1000 Sp vor; für eine zweiten Fahrt wurde dieser Wagen dem Beklagten danach kostenlos zur Verfügung gestellt.

Der Beklagte unternahm die Fahrt am Sonnabend, dem 19.07.1959, in Begleitung einer Bekannten. Es kam zu einem Unfall, bei dem der Wagen schwer beschädigt wurde. Auf der Straße zwischen P. und A. überholte der Beklagte vor Beginn einer Linkskurve einen VW-Bus, der mit einer Geschwindigkeit von 40–50 km/h einem Kleinwagen hinterherfuhr. Erst während des Überholens sah der Beklagte diesen Kleinwagen; in diesem Augenblick kam ihm ein Linienbus der Braunschweiger Verkehrsgesellschaft entgegen. Da es dem Beklagten nicht mehr möglich schien, hinter dem VW-Bus zurückzubleiben, erhöhte er seine Geschwindigkeit, überholte auch noch den Kleinwagen und fuhr danach scharf rechts heran, um dem entgegenkommenden Omnibus auszuweichen. Dabei kam sein Wagen ins Schleudern, er stürzte eine drei Meter tiefe Böschung hinunter und prallte gegen einen Baum. Der Beklagte und seine Begleiterin wurden verletzt.

Durch Urteil des Schöffengerichts Clausthal-Zellerfeld vom 02.02.1960 wurde der Beklagte wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt.

Der Wagen war bei der Klägerin kaskoversichert. Die Klägerin hat der Firma S den Schaden in Höhe von 7.750 DM ersetzt. Mit dem am 07.03.1961 erwirkten Zahlungsbefehl hat sie gemäß § 67 VVG zunächst 1.100 DM, mit der am 07.10.1961 eingelegten Berufung gegen das klageabweisende landgerichtliche Urteil alsdann den vollen Betrag nebst 6 % Zinsen seit dem 01.06.1960 vom Beklagten ersetzt verlangt. Sie ist der Ansicht, dass der Beklagte durch verkehrswidrige Fahrweise den Schaden verschuldet habe.

Der Beklagte hat ein Verschulden bestritten und behauptet, Unfallursache sei der Rollsplitt am rechten Straßenrand gewesen, auf den der Wagen nach dem Überholen des Kleinwagens geraten sei und mit dem er nicht habe zu rechnen, brauchen. Weiter hat er eingewendet, der Inhaber der Firma S habe ihm bei der Überlassung des Wagens erklärt, der Wagen sei kaskoversichert, wegen etwaiger Schäden könne er daher unbesorgt sein; so habe er sich auch nach dem Unfall bei der Rückgabe des Wagens geäußert. Der Beklagte hat endlich geltend gemacht, Ersatzansprüche seien verjährt; bei der Überlassung des Wagens habe es sieh nämlich um ein Leihverhältnis zwischen ihm und der Firma S gehandelt, auf das die Verjährungsvorschrift des § 606 BGB anwendbar sei. Der Firma S sei der Wagen noch am 18.07.1959 zurückgegeben worden.

Die Klägerin ist dem Vorbringen des Beklagten entgegengetreten.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin (durch das in NJW 1962, 2302 veröffentlichte und bei Palandt, BGB, 23. Aufl., § 558 Anm. 1 a angeführte Urteil) zurückgewiesen. Die Revision der Klägerin, die damit ihr Zahlungsbegehren weiterverfolgte, hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob der Beklagte den Unfall und die Beschädigung des Kraftwagens der Firma S verschuldet hat; es hat auch nicht geprüft, ob der Inhaber der Firma S durch Hinweis auf das Bestehen der Kaskoversicherung dem Beklagten gegenüber auf den Ersatz etwaiger – von der Versicherung zu tragender – Schäden verzichtet hat. Zugunsten der Klägerin hat das Berufungsgericht unterstellt, dass der Firma S ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten nach § 823 BGB entstanden und gemäß § 67 VVG auf die Klägerin übergegangen ist. Es ist aber mit dem Landgericht der Ansicht, dass der Schadensersatzanspruch verjährt ist.

Hiergegen wendet sich die Revision. Der Beurteilung des Berufungsgerichts ist jedoch im Ergebnis beizutreten.

Wenn auch Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung in der Regel erst in drei Jahren von dem Zeitpunkte an verjähren, in dem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt hat (§ 852 BGB), so ist es doch anerkannten Rechts, dass die besonders kurzen Verjährungsfristen, die für Schadensersatzansprüche aus bestimmten Vertragsverhältnissen gesetzt sind, auch gegenüber Schadensersatzansprüchen aus unerlaubter Handlung durchgreifen können, wenn der gleiche Sachverhalt zu Schadensersatzansprüchen aus beiderlei rechtlichen Gesichtspunkten führt. Das gilt namentlich hinsichtlich der sechsmonatigen Verjährungsfrist der §§ 558, 581 II, 606 BGB für die Schadensersatzansprüche des Vermieters oder Verpächters und Verleihers wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der vermieteten, verpachteten bzw. verliehenen Sache (RG, Urt. v. 08.10.1907 – III 86/07, RGZ 66, 363, 364; Urt. v. 10.01.1911 – III 627/09, RGZ 75, 116, 117; Urt. v. 20.11.1933 – IV 255/33, RGZ 142, 258, 262; JW 1906, 137; BGH, Urt. v. 28.05.1957 – VIII ZR 205/56, LM Nr. 1 zu § 558 BGB; Urt. v. 18.12.1963 – VIlI ZR 193/62). Bei den Beratungen, die zum Erlass dieser Bestimmungen geführt haben, ist ausdrücklich ausgesprochen worden, dass die kurze Verjährung für alle Ersatzansprüche gelten müsse, also auch für die auf Eigentum oder unerlaubte Handlung gegründeten (Prot. II, S. 177, 194). Da Miete und Leihe vielfach häufig wechselnde Interessen berühren, verfolgt die Festsetzung dieser besonderen kurzen Verjährungsfristen im Interesse des Verpflichteten den Zweck, den Berechtigten zur alsbaldigen Entscheidung darüber zu veranlassen, ob er Ansprüche aus der Vertragsverletzung ableiten will. Dieser Zweck würde vereitelt, wenn nach dem Ablauf der kurzen Verjährungsfrist für den vertraglichen Anspruch der Verpflichtete weiter der Gefahr ausgesetzt bliebe, aus dem gleichen Sachverhalt – wenn auch mit einer anderen rechtlichen Begründung – in Anspruch genommen zu werden (RG, JW 1937, 2654). Der Lauf der Verjährungsfrist beginnt In dem Zeitpunkt , in dem der Vermieter bzw. Verpächter oder Verleiher den hingegebenen Gegenstand zurückerhält und von den eingetretenen Veränderungen oder Verschlechterungen daher sichere Kenntnis erlangt oder doch erlangen kann.

Das Berufungsgericht hat nun allerdings abweichend vom Landgericht nicht für dargetan gehalten, dass über den Wagen ein besonderer selbstständiger Leihvertrag zustande gekommen ist. Gegen eine solche Annahme spricht nach Ansicht des Berufungsgerichts, dass der Wagen dem Beklagten im Rahmen der eingeleiteten Kaufverhandlungen zur Erprobung überlassen worden ist. Es meint daher, die Haftung des Beklagten bestimme sich nach den Grundsätzen, die von der Rechtsprechung für das Verschulden bei Vertragsschluss entwickelt worden seien und im Allgemeinen die Regeln desjenigen Vertrags maßgebend sein ließen, bei dessen Anbahnung die schuldhafte Verletzung vorvertraglicher Pflichten begangen worden sei. Indessen hat das Berufungsgericht betont, dass die Überlassung des Wagens für eine Probefahrt nicht die Übergabe als einleitende Erfüllung eines noch abzuschließenden Kaufvertrags bedeutet habe, sondern beschränkt gewesen sei auf die Gewährung eines vorübergehenden Gebrauchs, wie er – fern von einem vergleichbaren Sachverhalt des Kaufvertragsrechts – eine Entsprechung in den gesetzlich geregelten Fällen entgeltlicher oder unentgeltlicher Gebrauchsüberlassung wie Miete, Pacht, Leihe und Nießbrauch (§ 1057 BGB) finde. Wie hier als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen Beschädigung der überlassenen Sache die kurze Verjährungsfrist von sechs Monaten bestimmt worden sei, so müsse dies auch in einem Falle der vorliegenden Art gelten. Eine rasche Abwicklung etwaiger Schadensersatzansprüche sei auch da sinnvoll und geboten, wo bei Gebrauchsüberlassungen im Rahmen sich anbahnender Verträge Gegenstände in schneller Folge wechselnden Interessenten zugänglich gemacht würden, sodass Schaden und Schädiger häufig nach längerer Zeitdauer nicht mehr festzustellen seien. Im Übrigen entspreche es auch dem durch die Vertragsanbahnung erzeugten Vertrauensverhältnis der Beteiligten, dass der zukünftige Verkäufer seine Ansprüche wegen Schilden an der als Probe übergebenen Sache kurzfristig geltend zu machen gezwungen sei, damit die schwebenden Vertragsverhandlungen nicht durch die Ungewissheit über etwa nachfolgende Ansprüche aus der Überlassung belastet würden. Es sei kein Grund ersichtlich, warum hinsichtlich der Verjährung seiner Ansprüche derjenige besser gestellt sein solle, der im Rahmen von Kaufverhandlungen und mit Erwartung des Abschlusses eines Kaufvertrags einem anderen eine Sache zum Gebrauch überlasse, als derjenige, der sich nicht von wirtschaftlichen Interessen leiten lasse.

Gegen diese Erwägungen lassen sich rechtlich begründete Bedenken nicht erheben.

Da der Wagen dem Beklagten von einem. Kraftwagenhändler überlassen worden ist, damit er ihn sollte ausprobieren können, um sich über den Ankauf eines Wagens bei dem Händler schlüssig zu werden, konnte das Berufungsgericht sehr wohl davon ausgehen, dass die Überlassung des Wagens nicht lediglich im Interesse des Beklagten, sondern auch in dem des Händlers, der Firma S, gelegen hat. Danach lässt es sich aber entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung rechtlich nicht beanstanden, dass das Berufungsgericht einen echten Leihvertrag verneint hat (vgl. RG, HRR 1933 Nr. 724; Planck/Strohal, BGB, 4. Aufl., Vorbem. III vor § 598; Esser, Schuldrecht, 2. Aufl., S. 572). Auf der anderen Seite stand die Überlassung des Wagens mit dem in Aussicht genommenen Abschluss eines Kaufvertrags aber nicht in solchem rechtlichen Zusammenhang, dass für die beiderseitigen Rechte und Pflichten kaufrechtliche Grundsätze maßgebend gewesen wären. Es trifft insbesondere nicht zu, dass sich der Vorgang, wie die Revision meint, von einem Kauf nach oder auf Probe im Grunde in nichts unterschieden hätte. Sollte sich der Beklagte auch durch die Probefahrt mit des BMW 1000 Sp ein Bild von den Eigenschaft dieses Wagenmodells verschaffen können, so stand doch völlig offen, ob es zum Kauf eines solchen Wagens kommen würde, und sollte der Wagen bejahendenfalls ganz offenbar auch gar nicht als Beweismittel für die Mustermäßigkeit des etwa zu liefernden Wagens dienen. Nur zur allgemeinen Orientierung und zur Erregung der Kauflust war dem Beklagten den Wagen für die Probefahrt ausgehändigt worden, nicht aber, um für den möglicherweise abzuschließenden Kauf die Probe oder das Muster zu bilden. Ebenso wenig sollte der Wagen Gegenstand eines etwaigen Kaufs auf Probe sein. Unstreitig handelte es sich um einen Vorführwagen; dass eben dieser Wagen zur käuflichen Übernahme gestellt worden wäre, scheidet bei dem vorgetragenen Sachverhalt ersichtlich aus. In Rechtssätzen des Kaufrechts hat das Berufungsgericht hiernach mit Recht keine Maßstäbe für die Beurteilung des Streitfalls der Parteien gesehen. Dass der Abschluss eines Kaufvertrags in Aussicht stand, hindert nur, die Überlassung des Wagens als echte Leihe zu werten, unterstellt sie aber nicht den Grundsätzen des eigentlichen Kaufrechts. Kommt es nach der Gewährung von Probefahrten zum Kaufabschluss über einen Wagen – unstreitig hat hier der Beklagte hernach einen Kraftwagen DKW 1000 von der Firma S gekauft –, so könnte mit der Revisionserwiderung eher davon gesprochen werden, dass mit dem Kaufpreis die Veranstaltung der vorherigen Probefahrten mit abgegolten wird, sodass sich für die Gebrauchsüberlassung zu den Probefahrten die Heranziehung mietvertraglicher Vorschriften rechtfertigte. Doch braucht es nicht darauf anzukommen, ob die Gebrauchsüberlassung einen Kaufabschluss nach sich zieht. Sie stellt einen Vorgang dar, der in sich selbst seine Bedeutung hat. Für die praktisch die Regel bildenden Fälle unentgeltlicher oder entgeltlicher Gebrauchsüberlassung durch Leihe, Miete, Pacht oder Nießbrauch hat das Gesetz in den oben erwähnten §§ 558, 581 II, 606, 1057 BGB bestimmt, dass Schadensersatzansprüche wegen Veränderung oder Verschlechterung der Sache binnen sechs Monaten von der Rückgabe an verjähren. Es hat damit einen allgemeinen Rechtsgedanken zur Geltung gebracht, der, wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, nach seinem Sinn und Zweck auch Fälle der vorliegenden Art umgreift. Mit Recht hat das Berufungsgericht daher die entsprechende Anwendung für geboten gehalten. Der eingeklagte Schadensersatzanspruch verjährte hiernach in sechs Monaten von der Rückgabe des beschädigten Kraftwagens an.

Die Frist war abgelaufen, als die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der Firma S (§ 67 VVG) den auf sie übergegangenen Schadensersatzanspruch gerichtlich geltend machte.

Nach §§ 404, 412 BGB muss sie die eingetreten Verjährung gegen sich gelten lassen.

Die Revision tritt der Verjährungseinrede mit dem Einwand der Arglist entgegen. Dieser ist unbegründet. Es ist unerheblich, ob die Klägerin, wie die Revision neu vorträgt, erst am 05.03.1960 von dem Strafurteil Kenntnis erlangt hat, das am 02.02.1960 gegen den Beklagten ergangen ist. Die Klägerin ist hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs in die Rechtsstellung der Firma S eingetreten, die von dem Unfallgeschehen mit der Rückgabe des beschädigten Wagens noch am Unfalltag selbst Kenntnis erlangt hat. Die Erhebung der Verjährungseinrede verstößt nicht darum gegen Treu und Glauben, weil der Beklagte ein Unfallverschulden bestritten hat.

Die Revision muss hiernach mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO als unbegründet zurückgewiesen werden.

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