Ansprüche eines Kraftfahrzeughändlers auf Ersatz von Schäden, die ein Kaufinteressent an einem ihm für eine Probefahrt überlassenen Fahrzeug verursacht, verjähren gemäß § 606 Satz 1 BGB in sechs Monaten. Die Verjährung beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Händler das beschädigte Fahrzeug zurückerhält (§ 606 Satz 2 BGB i. V. mit § 548 I 2 BGB).

LG Itzehoe, Urteil vom 24.04.2003 – 7 O 119/01

Sachverhalt: Der Kläger verlangt von dem Beklagten Schadensersatz wegen der Beschädigung eines Pkw während einer Probefahrt.

Er betrieb zum Schadenszeitpunkt einen Gebrauchtwagenhandel in E. Am 15.08.2000 kam der Beklagte auf den Kläger zu, da er sich für einen auf dessen Betriebsgelände stehenden Gebrauchtwagen (BMW 520) interessierte. Nachdem der Beklagte dieses Fahrzeug besichtigt hatte, wollte er eine Probefahrt damit unternehmen. Der Kläger brachte deshalb ein rotes Kennzeichen an dem Pkw an, hinsichtlich dessen – was der Kläger übersehen hatte – keine Vollkasskoversicherung bestand.

Der Beklagte fuhr den BMW 520 alleine Probe. Innerhalb einer geschlossenen Ortschaft verlor er die Kontrolle über das Fahrzeug und kam von der Straße ab. Der Wagen prallte gegen eine Mauer, durchbrach diese und kam in einem angrenzenden Vorgarten zum Stehen. Bei diesem Unfall erlitt der BMW 520 einen wirtschaftlichen Totalschaden. Der Wiederbeschaffungswert beträgt 5.368,56 € (= 10.500 DM). Streitig ist, ob das Fahrzeug, das nach dem Unfall abgeschleppt und dem Kläger übergeben wurde, bei dem Unfall technisch vollständig zerstört wurde.

Der Kläger behauptet dies und meint, die kurze Verjährungsfrist von sechs Monaten (§ 606 BGB) gelte deshalb nicht. Es sei – so hat der Kläger geltend gemacht – unerheblich, dass der BMW 520 während der Probefahrt nicht vollkaskoversichert gewesen sei, denn Versicherungsschutz hätte wegen grober Fahrlässigkeit des Beklagten ohnehin nicht bestanden. Der Beklagte habe die zulässige Höchstgeschwindigkeit übermäßig überschritten, statt sie mit Blick darauf, dass er ein ihm unbekanntes Fahrzeug benutzte, seinen Fähigkeiten anzupassen.

Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben und in Abrede gestellt, dass er sich grob fahrlässig verhalten habe. Er habe die Kontrolle über das Fahrzeug nur deshalb verloren, weil er kurzzeitig bewusstlos gewesen sei. Außerdem – so hat der Beklagte behauptet – sei der BMW 520 bei dem Unfall nicht vollständig zerstört worden, obwohl er einen wirtschaftlichen Totalschaden erlitten habe. Es seien immer noch unbeschädigte Fahrzeugteile vorhanden, die für sich betrachtet einen Wert von mindestens 800 DM hätten. Schon deshalb könne von einer völligen Zerstörung des Fahrzeugs, das der Kläger im Übrigen zurückerhalten habe, keine Rede sein.

Die auf Zahlung von 6.534,31 € (= 12.780 DM) nebst Zinsen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Die Klage ist unbegründet. Denn etwaige Ansprüche des Klägers sind gemäß § 606 BGB verjährt.

Nach allgemeiner Ansicht, der das Gericht folgt, handelt es sich bei der Vereinbarung einer Probefahrt und Herausgabe des Fahrzeugs zu diesem Zweck um Leihe mit der Folge, dass die sechsmonatige Verjährung des § 606 BGB anzuwenden ist (vgl. Palandt/Putzo, BGB, 62. Aufl., § 606 Rn. 2). Nach § 606 BGB verjähren ebenso wie nach der entsprechenden Regelung des § 558 BGB Ersatzansprüche des Verleihers bzw. Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Sache in sechs Monaten nach Rückgabe der Sache.

Entgegen der Ansicht des Klägers scheitert die Anwendbarkeit des § 606 BGB nicht daran, dass das Fahrzeug weitgehend zerstört ist. Allerdings kann von einer Veränderung oder Verschlechterung i. S. des § 606 BGB dann nicht mehr die Rede sein, wenn die Sache völlig zerstört ist. In diesem Fall greift die besondere Verjährungsvorschrift nicht ein (vgl. BGH, Urt. v. 21.06.1988 – VI ZR 150/87, NJW-RR 1988, 1358, 1359 m. w. Nachw.) Die Vorschrift greift deshalb nicht ein, weil eine untergegangene Sache nicht zurückgegeben werden kann. Deshalb kommt es für die Anwendung des § 606 BGB nicht auf den wirtschaftlichen Totalschaden, sondern auf die Möglichkeit der Rückgabe an. Liegt ein wirtschaftlicher Totalschaden vor, ist aber weiterhin Sachsubstanz vorhanden, die zurückgegeben werden muss und einen Beweiswert hat, so ist § 606 BGB anwendbar (vgl. MünchKomm-BGB/Heintzmann, 3. Aufl., § 558 Rn. 8 m. w. Nachw. zur gleichlautenden Vorschrift des § 558 BGB; BGH, Urt. v. 21.06.1988 – VI ZR 150/87, NJW-RR 1988, 1358, 1359; Urt. v. 07.02.1968 – VIII ZR 179/65, NJW 1968, 694 f.).

Von einer vollständigen Zerstörung kann demgemäß nur ausgegangen werden, wenn die Sache gerade gar nicht mehr vorhanden ist und die Rückgabe deshalb ausgeschlossen ist. So liegt es hier jedoch nicht. Denn das Fahrzeug hat zwar durch den vom Beklagten verursachten Unfall einen wirtschaftlichen Totalschaden erlitten, sodass die Wiederherstellung im hohen Maße den Zeitwert des Autos vor dem Unfall übersteigt. Das Fahrzeug als solches konnte jedoch noch zurückgegeben werden. Unerheblich ist dabei, ob das Fahrzeug als solches unter wirtschaftlicher Betrachtung wiederhergestellt werden kann oder nicht. Vielmehr ist es vorliegend zwar bis zum wirtschaftlichen Totalschaden in Mitleidenschaft gezogen worden, aber gerade nicht so, dass es nicht auch noch im (weitgehend) zerstörten Zustand dem Kläger zugeführt werden konnte. Vielmehr hat der Kläger es tatsächlich abschleppen und auf sein Gelände bringen lassen.

Der Annahme eines vollständigen Untergangs steht auch entgegen, dass der Sachverständige B bei dem Fahrzeug noch unbeschädigte Teile im Wert von jedenfalls 800 DM, die sich verwerten lassen, festgestellt hat.

Darauf, ob das Fahrzeug nur durch Verwendung einer sogenannten Rohkarosse wiederhergestellt werden könnte und damit Identität mit dem ursprünglichen Fahrzeug weitgehend nicht mehr gegeben wäre, wie der Kläger behauptet, kommt es danach nicht an.

Die sechsmonatige Verjährungsfrist des § 606 BGB war bei Klagerhebung auch verstrichen. Denn das Fahrzeug wurde unmittelbar nach dem Unfall vom 15.08.2000 von der Abschleppfirma auf das Grundstück des Klägers verbracht. Demgegenüber wurde die Klage erst mit Eingang am 26.03.2001 bei Gericht erhoben und somit nach Ablauf der sechsmonatigen Frist.

Die Klage war danach abzuweisen, ohne dass es darauf ankam, ob das Verhalten des Beklagten als grob fahrlässig anzusehen ist. …

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