Zum Umfang der Haftung eines Automobilherstellers nach §§ 826, 31 BGB gegenüber dem Käufer des Fahrzeugs in einem sogenannten Dieselfall (hier: Anrechnung von Nutzungsvorteilen).
BGH, Urteil vom 02.03.2021 – VI ZR 147/20
Sachverhalt: Der Kläger, der aufgrund einer Bestellung vom 14.03.2012 einen VW Caddy Life Maxi 2.0 TDI erworben hat, nimmt – soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung – die Beklagte als Herstellerin des Fahrzeugs wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung auf Schadensersatz in Anspruch.
Der streitgegenständliche Pkw ist mit einem Dieselmotor des Typs EA189 ausgestattet und wurde behindertengerecht ausgerüstet. Für den Fahrzeugtyp wurde die Typgenehmigung nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 mit der Schadstoffklasse Euro 5 erteilt. Die in dem Fahrzeug des Klägers installierte Motorsteuerungssoftware erkennt, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befindet und den Neuen „Europäischen Fahrzyklus“ (NEFZ) durchläuft. In diesem Fall läuft die Software in einem „Modus 1“, in dem die Grenzwerte für die Stickoxid(NOX)-Emission nach der Euro-5-Norm eingehalten werden. Im realen Fahrbetrieb arbeitet die Motorsteuerung im „Modus 0“. In diesem Modus werden die ausgestoßenen Stickoxide in einem geringeren Umfang in den Ansaugtrakt des Motors zurückgeführt als im Modus 0, und die Grenzwerte werden überschritten.
Nach Auffassung des Kraftfahrt-Bundesamtes ist die Software eine unzulässige Abschalteinrichtung i. S. von Art. 5 II 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007. Das Kraftfahrt-Bundesamt verpflichtete die Beklagte dazu, geeignete Maßnah-men zu ergreifen, um die Vorschriftsmäßigkeit der damit ausgestatteten Fahrzeuge mit EA189-Dieselmotoren sicherzustellen. Ein von der Beklagten daraufhin angebotenes Softwareupdate ließ der Kläger nach dem Abschluss des Kaufvertrags über das Fahrzeug installieren.
Mit seiner Klage hat der Kläger von der Beklagten zuletzt Schadensersatz in Höhe des gezahlten Kaufpreises (35.539,40 €) und der für den behindertengerechten Umbau des Fahrzeugs aufgewandten Kosten (2.668 €), mithin die Zahlung von 38.207,40 € nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit, Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs, verlangt. Das Landgericht hat die Beklagte – wegen Berücksichtigung gezogener Nutzungen unter Abweisung der Klage im Übrigen – verurteilt, an den Kläger 27.191,57 € nebst Prozesszinsen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereig-nung des Fahrzeugs, zu zahlen. Mit seiner Berufung hat sich der Kläger gegen die Anrechnung von Nutzungsvorteilen gewandt; die Beklagte hat mit ihrer Berufung ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Beide Rechtsmittel hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Dagegen haben zunächst beide Parteien Revision eingelegt; die Beklagte hat ihr Rechtsmittel jedoch später zurückgenommen. Der Kläger hat mit seiner Revision seine Berufungsanträge weiterverfolgt.
Damit hatte er keinen Erfolg.
Aus den Gründen: [5] I. Das Berufungsgericht, dessen Urteil unter BeckRS 2019, 41968 veröffentlicht ist, hat zur Begründung seiner Entscheidung – soweit für das Revisionsverfahren von Interesse – ausgeführt, dem Kläger stehe gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB zu. Der Kläger müsse sich jedoch im Wege des Vorteilsausgleichs Nutzungen anrechnen lassen. Die erwartete Gesamtlaufleistung hat es – dem Landgericht folgend – auf 300.000 km geschätzt. Der Gebrauchsvorteil errechne sich aus dem Bruttokaufpreis, multipliziert mit den von dem Kläger zurückgelegten Kilometern, geteilt durch die erwartete Restlaufleistung zum Erwerbszeitpunkt. Dabei hat das Berufungsgericht – jeweils dem Landgericht folgend – zum Bruttokaufpreis die Kosten des behindertengerechten Umbaus des Fahrzeugs hinzugerechnet und die bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zurückgelegten Kilometer in Ansatz gebracht. Somit ergebe sich die bereits vom Landgericht errechnete Nutzungsentschädigung in einer Höhe von 11.015,83 €, die von den Anschaffungskosten (38.207,40 €) abzuziehen sei.
[6] II. Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet.
[7] 1. Das Berufungsgericht hat frei von Rechtsfehlern angenommen, dass dem Kläger ein Schadensersatzanspruch gemäß § 826 BGB i. V. mit § 31 BGB analog auf Erstattung des Kaufpreises und der Umbaukosten Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs (vgl. hierzu Senat, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn 13 ff.) zusteht, im Wege der Vorteilsanrechnung aber der Kaufpreis um die von dem Kläger gezogenen Nutzungen zu reduzieren ist. Die insoweit von der Revision unter anderem erhobenen Einwände, mit der Vorteilsanrechnung würden die Präventionswirkung des Deliktsrechts verfehlt, das Gebot unionsrechtskonformer Rechtsanwendung verletzt, die Beklagte unangemessen entlastet und gesetzliche Wertungen missachtet, greifen nicht durch (vgl. Senat, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn 64 ff. m. w. Nachw.; Urt. v. 30.07.2020 – VI ZR 354/19, NJW 2020, 2796 Rn. 11).
[8] 2. Die vom Berufungsgericht bei der gemäß § 287 ZPO vorzunehmenden Bemessung der anzurechnenden Vorteile zugrunde gelegte Berechnungsmethode greift die Revision nicht an. Sie ist auch revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die vom Berufungsgericht zugrunde gelegte Gesamtlaufleistungserwartung von 300.000 km wird von der Revision ebenfalls nicht angegriffen und ist schon deshalb revisionsrechtlich hinzunehmen.
[9] Der Einwand der Revision, der errechnete Nutzungsvorteil sei zumindest erheblich herabzusetzen, weil die Fahrzeugnutzung rechtlich unzulässig (gewesen) sei, verfängt nicht, da es im Rahmen der Vorteilsausgleichung auf die tatsächlich gezogenen Vorteile ankommt (vgl. Senat, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn 78 ff.; Urt. v. 19.01.2021 – VI ZR 8/20, juris Rn. 14 m. w. Nachw.).