Zur Bestimmung von Streitwert und Rechtsmittelbeschwer bei der Anrechnung von gezogenen Nutzungen im Rahmen des Vorteilsausgleichs nach § 249 BGB.

BGH, Beschluss vom 23.02.2021 – VI ZR 1191/20

Sachverhalt: Die Klägerin erwarb am 05.07.2017 einen gebrauchten VW Golf mit einem EA288-Dieselmotor zum Preis von 20.885 €. Mit der Behauptung, der Motor sei mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen, begehrte sie von dem beklagten Fahrzeughersteller Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises und Deliktszinsen (534,24 €) nebst Rechtshängigkeitszinsen abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 7.321,93 € für die bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht zurückgelegten Kilometer und einer weiteren – noch zu beziffernden – Nutzungsentschädigung für die seitdem zurückgelegten Kilometer, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs. Außerdem verlangte die Klägerin die Feststellung des Annahmeverzugs und den Ersatz vorgerichtlich angefallener Rechtsverfolgungskosten.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 21.428,24 € festgesetzt. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: [4]    II. Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer übersteigt 20.000 € nicht (§ 544 II Nr. 1 ZPO).

[5]    1. Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer bemisst sich nach dem Interesse des Rechtsmittelklägers an der Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichts. Dieses Interesse ist nach den sich aus den Vorschriften der §§ 3 ff. ZPO ergebenden allgemeinen Grundsätzen zu ermitteln. Über die Höhe der Beschwer hat das Revisionsgericht selbst zu befinden. Maßgeblich für die Bewertung der Beschwer ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht (vgl. Senat, Beschl. v. 26.01.2021 – VI ZR 281/20, juris Rn. 1; Beschl. v. 09.11.2018 – VI ZR 5/18, juris Rn. 3; jeweils m. w. Nachw.).

[6]    2. Nach diesen Grundsätzen ist für die Berechnung der Beschwer der Klägerin die von dieser selbst auf 7.321,93 € bezifferte Nutzungsentschädigung von der Zahlungsforderung in Höhe des Kaufpreises, wie von ihr auch beantragt, in Abzug zu bringen. Die Nutzungsentschädigung ist als Vorteil vom Ersatzanspruch nach § 249 BGB abzuziehen, ohne dass es einer Gestaltungserklärung oder Einrede des Schuldners bedürfte. Es handelt sich – anders als im Fall des Rückgewährschuldverhältnisses nach §§ 346 ff. BGB (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 25.04.2017 – XI ZR 108/16, NJW 2017, 2102 Rn. 19 f.) – um einen Fall der Anrechnung, nicht der Aufrechnung (vgl. BGH, Urt. v. 13.11.2012 – XI ZR 334/11, NJW 2013, 450 Rn. 20 f.; Urt. v. 23.06.2015 – XI ZR 536/14, NJW 2015, 3160 Rn. 22 f.; BAG Urt. v. 21.04.2016 – 8 AZR 753/14, NZA 2016, 1271 Rn. 49; Palandt/​Grüneberg, BGB, 80. Aufl., Vorb v § 249 Rn. 71; MünchKomm-BGB/​Oetker, 8. Aufl., § 249 Rn. 279; Staudinger/​Schiemann, BGB, Neubearb. 2017, § 249 Rn. 142), die auch im Rahmen der Streitwertberechnung vorzunehmen ist (vgl. OLG Bamberg, Beschl. v. 03.07.2019 – 4 W 46/19, juris Rn. 11; OLG Koblenz, Urt. v. 30.06.2020 – 3 U 1869/19, juris Rn. 63).

[7]   3. Die Beschwer der Klägerin hinsichtlich der Hauptforderung beträgt folglich (20.885 € − 7.321,93 € =) 13.563,07 € zuzüglich Deliktszinsen (4 % aus 7.321,93 € vom 06.07.2017 bis zum 26.12.2018, nämlich soweit keine entsprechende Hauptforderung mehr im Streit steht, sie also keine Nebenforderung sind) in Höhe von 432,49 €, somit 13.995,56 €. Den weiteren Anträgen der Klägerin kommt keine streitwerterhöhende Wirkung zu.

PDF erstellen