Der Streitwert einer Klage, mit der der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Neuwagens die Ersatzlieferung (§ 439 I Fall 2 BGB) eines gleichartigen und gleichwertigen mangelfreien Fahrzeugs aus der aktuellen Serienproduktion verlangt, bemisst sich nach dem gezahlten Kaufpreis und nicht nach dem Listenpreis des Fahrzeugs, dessen Lieferung der Kläger begehrt.
BGH, Beschluss vom 30.06.2020 – VIII ZR 167/19
Sachverhalt: Der Kläger kaufte von der beklagten Vertragshändlerin im März 2009 einen Neuwagen (VW Golf VI 2.0 TDI) mit einem von der Volkswagen AG als Fahrzeugherstellerin entwickelten EA189-Motor (Euro 5) zum Preis von 19.363,66 €. Die Übergabe des Fahrzeugs erfolgte am 19.05.2009.
Der Motor des VW Golf wies eine – vom Berufungsgericht als unzulässige Abschalteinrichtung angesehene – besondere Vorrichtung zur Steuerung der Abgasrückführung auf, die erkannte, wenn das Fahrzeug auf einem Rollenprüfstand hinsichtlich der dabei entstehenden Schadstoffemissionen getestet wurde. In diesem Fall schaltete das System in einen „Modus 1“, der eine höhere Abgasrückführungsrate und damit verbunden einen geringeren Ausstoß an Stickoxiden bewirkte. Im normalen Straßenverkehr hingegen wurde das Fahrzeug im „Modus 0“ betrieben, in dem die Abgasrückführung geringer und der Stickoxidausstoß höher ausfiel.
Mit Schreiben vom 28.09.2017 verlangte der Kläger von der Beklagten die Ersatzlieferung eines mangelfreien, fabrikneuen gleichartigen und gleichwertigen typengleichen Fahrzeugs aus der aktuellen Serienproduktion der Herstellerin, was die Beklagte ablehnte. Dieser Anspruch ist – neben einem Antrag auf Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten (1.789,76 €) und einem Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten – auch Gegenstand der vorliegenden Klage. Diese ist am 17.01.2018 eingereicht und der Beklagten am 15.02.2018 zugestellt worden. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.
Im Jahr 2018 ließ der Kläger an seinem Fahrzeug eine von der Herstellerin im Rahmen einer Rückrufaktion angebotene geänderte Software aufspielen, durch die der Motor nur noch in einem veränderten „Modus 1“ betrieben wird.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass sich die beklagte Vertragshändlerin ein arglistiges Verhalten der Herstellerin zurechnen lassen müsse und daher der geltend gemachte Anspruch nicht verjährt sei (§ 438 III BGB). Das Fahrzeug sei auch nach der durchgeführten Nachbesserung (Softwareupdate) unbehebbar mangelhaft.
Das Landgericht hat die Klage wegen Verjährung abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: [5] II. 1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, da der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer – wie die Beschwerdeerwiderung mit Recht rügt – den Betrag von 20.000 € nicht übersteigt (§ 544 II Nr. 1 ZPO).
[6] a) Mit der Revision, deren Zulassung der Kläger erstrebt, will er sein Klagebegehren in vollem Umfang weiterverfolgen. Der sich daraus ergebende Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer beträgt – entsprechend dem Kaufpreis des streitgegenständlichen Fahrzeugs – jedoch nur 19.363,66 € und nicht, wie die Nichtzulassungsbeschwerde unter Heranziehung des Neupreises für das von dem Kläger im Rahmen der Nachlieferung beanspruchte Ersatzfahrzeug meint, 29.320 € oder 30.475 €.
[7] b) Das Berufungsgericht hat den Streitwert für die Klage insgesamt entsprechend den Angaben des Klägers in der Klageschrift (19.393,66 € [richtig: 19.363,66 €]) und in Übereinstimmung mit der Streitwertfestsetzung des Landgerichts (19.393,66 €) auf den (gerundeten) Betrag von 19.394 € festgesetzt. Der Kläger hat die Wertfestsetzung in den Vorinstanzen nicht beanstandet.
[8] Soweit er nunmehr erstmals mit der Nichtzulassungsbeschwerde – um die Wertgrenze des § 544 II Nr. 1 ZPO zu erreichen – vorträgt, der Streitwert und demgemäß auch der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer übersteige den Betrag von 20.000 €, kann er damit im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nach der ständigen Rechtsprechung des BGH nicht mehr gehört werden (vgl. nur BGH, Beschl. v. 21.12.2011 – I ZR 83/11, juris Rn. 1; Beschl. v. 16.05.2013 – VII ZR 253/12, NJW-RR 2013, 1402 Rn. 3, 5; Beschl. v. 04.12.2013 – IV ZR 79/13, juris Rn. 1; Beschl. v. 29.07.2014 – II ZR 73/14, juris Rn. 10; Beschl. v. 29.09.2015 – VI ZR 498/15, juris Rn. 1; Beschl. v. 27.02.2018 – VIII ZR 147/17, RdE 2018, 251 Rn. 11; Beschl. v. 12.06.2018 – VI ZR 372/16, juris Rn. 1; Beschl. v. 28.11.2019 – I ZR 45/19, juris Rn. 2, 5; s. auch BGH, Beschl. v. 26.11.2009 – III ZR 116/09, NJW 2010, 681 Rn. 5).
[9] c) Die Streitwertfestsetzung der Vorinstanzen steht im Übrigen auch im Einklang mit der vom Senat in vergleichbaren Fällen der erstrebten Nachlieferung eines Kraftfahrzeugs vorgenommenen Bemessung des Streitwerts (vgl. nur Senat, Beschl. v. 09.06.2020 – VIII ZR 315/19, juris; Beschl. v. 05.03.2019 – VIII ZR 190/18, juris, insoweit in NJW 2019, 1950 nicht abgedruckt).
[10] 2. Die Nichtzulassungsbeschwerde wäre im Übrigen auch unbegründet, da die von ihr geltend gemachten Revisionszulassungsgründe nicht vorliegen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 543 II 1 Nr. 1 ZPO), noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts (§ 543 II 1 Nr. 2 Fall 1 ZPO) oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 II 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO) erforderlich.
[11] Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 544 VI 2 Halbsatz 2 ZPO ab.
[12] III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.