Das Festhalten des Käufers an einem wirksam erklärten mangelbedingten Rücktritt vom Kaufvertrag ist nur dann ein Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), wenn der Mangel nachträglich mit Zustimmung des Käufers beseitigt wird. Daran fehlt es, wenn ein gerichtlich bestellter Sachverständiger den Mangel beseitigen muss, um die Kaufsache ordnungsgemäß begutachten zu können, und der Käufer den Reparaturmaßnahmen des Sachverständigen – wozu er nach dem bereits wirksam erklärten Rücktritt auch keine Veranlassung hat – lediglich nicht entgegentritt (vgl. BGH, Urt. v. 05.11.2008 – VIII ZR 166/07, juris Rn. 23)
LG Osnabrück, Beschluss vom 31.07.2019 – 7 S 213/19
Sachverhalt: Die Klägerin, die von dem Beklagten ein Motorboot erworben hat, begehrt die Rückabwicklung des entsprechenden Kaufvertrags.
Das Amtsgericht hat ihrer Klage nach einer umfangreichen Beweisaufnahme vollumfänglich stattgegeben. Zur Begründung hat es hat ausgeführt, dass das Boot mangelhaft sei, weil es sich nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eigne (§ 434 I 2 Nr. 1 BGB). Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass Ablagerungen eines Salz-Aluminiumoxid-Gemischs im Kühlwassersystem zu einer Überhitzung des Motors führten, sodass sich dieser regelmäßig abschalte. Dass dieser Mangel schon bei Gefahrübergang (§ 446 Satz 1 BGB) vorhanden gewesen sei, werde gemäß § 477 BGB vermutet. Vor der Erklärung des Rücktritts habe die Klägerin dem Beklagten keine Frist zur Nacherfüllung setzen müssen; eine Fristsetzung sei vielmehr gemäß § 440 Satz 1 Fall 2, Satz 2 BGB entbehrlich gewesen, weil die Nachbesserung (§ 439 I Fall 1 BGB) fehlgeschlagen sei. Die Klägerin verstoße dadurch, dass sie an dem (wirksam) erklärten Rücktritt festhalte, auch nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB). Der Mangel habe bei der Begutachtung des Boots durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen zwangsläufig beseitigt werden müssen. Dies sei auch mit den Parteien erörtert worden, und die Klägerin habe eine Beseitigung des Mangels eigentlich nicht gewollt. Zwar habe der Sachverständige den Mangel schließlich im Einverständnis mit der Klägerin beseitigt; eine Zustimmung habe die Klägerin jedoch nicht erteilt.
Das Landgericht hat darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung des Beklagten gemäß § 522 II ZPO durch Beschluss zurückzuweisen, weil sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe.
Aus den Gründen: II. Das Amtsgericht hat den Beklagten zu Recht zur Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Motorboots verurteilt. Die von der Beklagtenseite aufgeführten Einwendungen gegen das Urteil vermögen zu keiner anderen Beurteilung zu führen.
Die Voraussetzung für einen Rücktritt vom Gesamtvertrag liegen nach den Feststellungen des Amtsgerichts, an die das Berufungsgericht gemäß § 529 I Nr. 1 ZPO grundsätzlich gebunden ist, vor. Insbesondere hat das Amtsgericht in rechtlich nicht angreifbarer Weise festgestellt, dass derselbe Mangel – wegen dem die Klägerin bereits zweimal erfolglos bei dem Beklagten vorstellig wurde – noch bei Begutachtung des Motorboots durch den Sachverständigen S vorgelegen hat. Soweit der Beklagte rügt, dass bei dem dritten Termin lediglich davon gesprochen worden sei, dass eine Verölung des Motors vorgelegen habe, so berücksichtigt das die beiden vorherigen Nacherfüllungversuche nicht. Der Beklagte hatte zweimal die Möglichkeit, den Mangel – wobei sich herausgestellt hat, dass dieser auf Ablagerungen eines Salz-Aluminiumoxid-Gemischs im Kühlwassersystem zurückzuführen ist – zu beseitigen, was ihm jedoch nicht gelungen ist.
Dann war jedoch die Klägerin auch nicht mehr verpflichtet, dem Beklagten eine weitereMöglichkeit zur Nacherfüllung zu gewähren. Da die Nacherfüllung nach der Regelung des § 440 Satz 2 BGB nach dem erfolglosen zweiten Versuch der Nachbesserung als fehlgeschlagen gilt, war eine Nachfristsetzung durch die Klägerin auch entbehrlich.
Auch ist das Festhalten am Rücktritt durch die Klägerin – wie das Amtsgericht zu Recht ausgeführt hat – nicht gemäß § 242 BGB treuwidrig.
Nach der Rechtsprechung des BGH zum alten Schuldrecht ist einer Wandelung dann der Boden entzogen, wenn eine im Einverständnis des Käufers durchgeführte Nachbesserung zur vollständigen Behebung des Mangels geführt hat (BGH, Urt. v. 19.06.1996 – VIII ZR 252/95, juris Rn. 13). Bereits da hat der BGH festgestellt, dass jedenfalls dann, wenn der Mangel durch eine – vertraglich nicht vereinbarte – Nachbesserung bis zum Vollzug der Wandelung zwar erfolgreich, aber ohne Zustimmung des Käufers, also eigenmächtig beseitigt worden ist, das Wandelungsrecht des Käufers unberührt bleibt. Diese Rechtsprechung hat der BGH auch für das neue Schuldrecht bestätigt (BGH, Urt. v. 05.11.2008 – VIII ZR 166/07, juris Rn. 23). In dieser Entscheidung hat der BGH ausgeführt, dass der Kläger, wenn er den Reparaturmaßnahmen des Sachverständigen lediglich nicht entgegengetreten ist, wozu er nach erklärtem Rücktritt auch keine Veranlassung hatte, nicht daran gehindert ist, an seinem Rücktritt festzuhalten (BGH, Urt. v. 05.11.2008 – VIII ZR 166/07, juris Rn. 23).
Vorliegend hat das Amtsgericht durch Nachfrage bei dem Sachverständigen S festgestellt, dass die Klägerin eine Reparatur eigentlich nicht gewollt habe. Jedoch habe der Gutachter den Mangel aufgrund der Begutachtung zwangsläufig beseitigen müssen. Die Klägerin ist vorliegend nach den Feststellungen des Amtsgerichts lediglich den Reparaturmaßnahmen nicht entgegengetreten. Eine von ihrem Willen getragene Zustimmung zu der Reparaturmaßnahme hat das Amtsgericht gerade nicht feststellen können. Dieses Ergebnis folgt auch aus dem folgenden Gedanken: Die Klägerin stand hier offenkundig vor der Herausforderung, dass, wenn sie sich gegen eine Beseitigung des Mangels sperrt, sie dann Gefahr laufen würde, dass der Mangel nicht festgestellt werden kann mit der Folge, dass die Klägerin dann womöglich beweisfällig geblieben wäre. Dies wäre zu ihren Lasten gegangen. Wenn sie jedoch der Reparatur zugestimmt hätte, wäre sie Gefahr gelaufen, dass sie sich auf ihren Rücktritt wegen Treuwidrigkeit nicht mehr berufen könnte. Es kann dann nach diesem Grundgedanken der Klägerin ein treuwidriges Verhalten nicht deswegen vorgeworfen werden, weil sie sich nicht gegen die Reparaturmaßnahmen gewehrt hat.
Soweit der Beklagte weiterhin rügt, dass lediglich eine Reinigung und keine Reparatur vorgenommen worden sei, so ändert dies nichts an dem Vorliegen eines Mangels. Durch die Ablagerungen eines Salz-Aluminiumoxid-Gemischs im Kühlwassersystem ist es zu einer Überhitzung des Motors gekommen. Dadurch hat der Motor selbstständig abgeschaltet, sodass der Motor nicht mehr genutzt werden konnte. Damit konnte der Motor nicht für seinen eigentlichen Zweck – die Fortbewegung des Boots ohne menschliche Kraftanstrengung – verwendet werden. Dies stellt – wie das Amtsgericht zu Recht festgestellt hat – einen Mangel nach § 434 I 2 Nr. 1 BGB dar.
Dieser Mangel ist auch nicht dadurch unerheblich i. S. des § 323 V 2 BGB, dass der Mangel durch eine Reinigung des Motors beseitigt werden konnte. Wie der Sachverständige unangegriffen festgestellt hat, bedurfte es für die Beseitigung des Mangels Kosten in Höhe von insgesamt 275 €. Die Erheblichkeit ist in der Regel dann zu bejahen, wenn die Kosten der Beseitigung mindestens 5 % der vereinbarten Gegenleistung ausmachen (BGH, Urt. v. 28.05.2014 – VIII ZR 94/13, BGHZ 201, 290 = NJW 2014, 3229 Rn. 12, 30). Die Mangelbeseitigungskosten betragen vorliegend rund 5,5 %, weshalb der Mangel als erheblich anzusehen ist.
Der Beklagte mag aus Kostengründen über eine Rücknahme der Berufung nachdenken.