Erkennen die Mitarbeiter einer Kfz-Werkstatt bei der auftragsgemäßen Inspektion eines Fahrzeugs, dass ein Zahnriemenwechsel überfällig ist, dann müssen sie den Kunden eindringlich darauf hinweisen, dass es „kurz vor 12“ ist und die Gefahr eines Motorschadens besteht. Der Hinweis, dass ein Zahnriemenwechsel erforderlich und der Zahnriemen „das Herz des Motors“ sei, genügt dem nicht; vielmehr muss der Kunde dringend davor gewarnt werden, sein Fahrzeug bis zu einem Wechsel des Zahnriemens weiter zu nutzen.
LG Hamburg, Urteil vom 22.06.2018 – 329 O 285/17
(nachfolgend: OLG Hamburg, Urteil vom 19.12.2018 – 1 U 107/18)
Sachverhalt: Die Klägerin begehrt Schadensersatz wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten.
Sie verbrachte ihren Pkw am 29.06.2017 in die Werkstatt der Beklagten, zu der sie eine langjährige Geschäftsbeziehung unterhielt, um bei einer Laufleistung von über 200.000 km eine Inspektion durchführen zu lassen. Die Klägerin unterschrieb einen entsprechenden Arbeitsauftrag, der unter anderem einen handschriftlichen Hinweis („Befund“) darauf enthält, dass ein Wechsel des Zahnriemens „fällig“ sei.
Unstreitig hätte der Zahnriemen bereits bei der letzten – bei einer Laufleistung von 180.000 km – von der Beklagten vorgenommenen Inspektion gewechselt werden müssten; dies hatte die Beklagte damals jedoch versäumt.
Auch bei der streitgegenständlichen Inspektion vom 29.06.2017 erfolgte ein Wechsel des Zahnriemens nicht. Zuständig für diese Inspektion und Ansprechpartner der Klägerin war der Mitarbeiter der Beklagten B. Was er und die Klägerin besprochen haben, ist zwischen den Parteien streitig. Jedenfalls holte die Klägerin ihr Fahrzeug am Nachmittag des 29.06.2017 bei der Beklagten ab und bezahlte die Inspektion.
Am 07.07.2017 erlitt der Pkw einen Motorschaden. Er wurde zur Beklagten verbracht, die am 10.07.2017 feststellte, dass der Zahnriemen übergesprungen sei.
Nachdem die Beklagte Ansprüche der Klägerin unter dem 19.07.2017 zurückgewiesen hatte, ließ die Klägerin ihr Fahrzeug schließlich in einer andern Kfz-Werkstatt reparieren. Dafür entstanden ihr Kosten in Höhe von 8.763,97 €, die sie mit Schreiben vom 15.08.2017 von der Beklagten – erfolglos – unter Fristsetzung ersetzt verlangte.
Die Klägerin hat behauptet, der Mitarbeiter der Beklagten B habe sie nicht hinreichend über die Folgen der Nichtdurchführung des Zahnriemenwechsels informiert. Sie als technischer Laie habe dem bloßen Hinweis, dass der Zahnriemen zu wechseln sei, nicht entnehmen können, dass ein nicht rechtzeitiger Wechsel des Zahnriemens einen Motorschaden zur Folge haben könne. Hätte B sie hinreichend über dieses Risiko informiert, so wäre sie nicht mehr mit dem Fahrzeug gefahren, sondern hätte es bis zu einem Wechsel des Zahnriemens bei der Beklagten stehen lassen. Indes habe B ihr – der Klägerin – dadurch, dass er sich in Ruhe nach Alternativprodukten habe umsehen wollen und sich anschließend nicht mehr gemeldet habe, das Gefühl gegeben, dass der Wechsel des Zahnriemens nicht dringlich sei. Der nicht durchgeführte Zahnriemenwechsel – so hat die Klägin schließlich behauptet – sei für den Motorschaden kausal gewesen.
Die Beklagte hat demgegenüber behauptet, B habe die Klägerin zum einen darauf hingewiesen, dass der Zahnriemenwechsel bereits seit circa 20 000 km überfällig sei. Zum anderen habe B der Klägerin erklärt, dass es sich bei dem Zahnriemen um das „Herz des Motors“ handele, sodass der Motor einen Totalschaden erleiden könne, wenn der Zahnriemen nicht gewechselt werde. Damit – so hat die Beklagte gemeint – habe B allen Aufklärungspflichten genügt, und die Klägerin sei aufgrund dessen in der Lage gewesen, eine eigenständige (wirtschaftliche) Entscheidung zu treffen. Dass sich die Klägerin schließlich dazu entschieden habe, den Zahnriemen nicht bei der Inspektion am 29.06.2017 wechseln zu lassen, sondern sich nach Alternativen umgesehen habe, könne ihr – der Beklagten – nicht angelastet werden. Darüber hinaus hat die Beklagte geltend gemacht, dass für den Motorschaden auch andere Ursachen als der unterbliebene Zahnriemenwechsel in Betracht kämen; so sei bei der streitgegenständlichen Inspektion ein Motorölverlust festgestellt worden. Jedenfalls sei hinsichtlich des Austauschmotors ein Abzug „neu für alt“ vorzunehmen.
Die auf Zahlung von 8.763,97 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage hatte Erfolg.
Aus den Gründen: Der Klägerin steht ein Anspruch auf Schadensersatz wegen der Verletzung vertragsbegleitender Hinweis- und Aufklärungspflichten gemäß §§ 280 I, 631, 241 II BGB gegen die Beklagte zu.
Zwischen den Parteien wurde ein wirksamer Werkvertrag gemäß § 631 BGB geschlossen. Gegenstand des Werkvertrags war die Inspektion des streitgegenständlichen Fahrzeugs aufgrund einer Fahrleistung von 200.000 km.
Aus diesem Vertrag ergeben sich für den Unternehmer bestimmte Aufklärungs- und Informationspflichten, die die Beklagte vorliegend verletzt hat.
Nach den allgemeinen Grundsätzen treffen den Unternehmer beim Werkvertrag nebenvertragliche Aufklärungs- und Beratungspflichten, deren Inhalt und Umfang sich nach den Umständen des Einzelfalls richtet, insbesondere nach dem Beratungsbedarf des Bestellers und dem Fachwissen des Unternehmers, von dessen Vorhandensein der Besteller ausgehen kann (Palandt/Sprau, BGB, 77. Aufl. [2018], § 631 Rn. 17). Bei Anwendung dieser Grundsätze ist eine Kfz-Werkstatt gehalten, ein ihr überlassenes Fahrzeug mit dem von ihr nach dem Gegenstand des Vertrags zu erwartenden Fachwissen zu überprüfen und ihre Kunden gegebenenfalls auf mögliche Bedenken hinzuweisen (OLG Saarbrücken, Urt. v. 18.02.2016 – 4 U 60/15, NJOZ 2016, 806, 808). Erkennt die Kfz-Werkstatt einen die Betriebssicherheit des Fahrzeugs beeinträchtigenden Umstand, dann begründet dies dem Kunden gegenüber eine Mitteilungspflicht, damit dieser eine Entschließung über Maßnahmen zu Beseitigung des Mangels herbeiführen kann (OLG Saarbrücken, Urt. v. 18.02.2016 – 4 U 60/15, NJOZ 2016, 806, 808; so auch LG Wiesbaden, Urt. v. 23.08.2012 – 9 O 196/11, gerade auch für den Fall des Zahnriemenwechsels).
Diesen Anforderungen wurde die Beklagte nicht gerecht.
Es ist zwar unstreitig, dass der Klägerin der Umstand bewusst war, dass der Zahnriemen hätte gewechselt werden müssen, und der Zeuge B die Klägerin während des Abschlusses des Werkvertrags darauf hingewiesen hatte. Dies wird nicht zuletzt durch den handschriftlichen Hinweis auf die Fälligkeit des Zahnriemenwechsels auf dem Arbeitsauftrag belegt. Auch geht das Gericht davon aus, dass B die Funktion des Zahnriemens für den Motor eines Kraftfahrzeugs mit den Worten „Herz des Motors“ umschrieben und so auf die grundsätzliche Wichtigkeit des Zahnriemens für den Motor allgemein hingewiesen hat. Insoweit bestehen keine Gründe, an der Glaubwürdigkeit des Zeugen B und der Glaubhaftigkeit seiner Aussagen zu zweifeln. Damit geht das Gericht davon aus, dass die Klägerin zum einen darüber aufgeklärt wurde, dass der Zahnriemen ihres Motors ausgetauscht werden musste, und zum anderen darüber, dass der Zahnriemen eine immanent wichtige Funktion für die Betriebsfähigkeit eines Motors eines Kraftfahrzeugs einnimmt.
Nach Auffassung des Gerichts reichen diese Hinweise jedoch vorliegend nicht aus, um eine Haftung der Beklagten auszuschließen. Unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des vorliegenden Falls hätte der Zeuge B noch eindringlicher vor den drohenden konkreten Gefahren der Nichtdurchführung des Wechsels des Zahnriemens warnen müssen. Sein Verhalten war nicht geeignet, der Klägerin die Dringlichkeit des Zahnriemenwechsels zu vermitteln.
Zunächst ist festzuhalten, dass der Hinweis, dass der Zahnriemen „das Herz des Motors“ darstelle zwar grundsätzlich die Klägerin darüber aufklärte, dass der Zahnriemen wichtig ist für das Funktionieren des Motors. Dieser allgemeine Hinweis sagt jedoch nichts über den konkreten Zustand des Zahnriemens des Pkw der Klägerin aus und auch nicht darüber, was mit dem Pkw der Klägerin passieren könnte, wenn der Wechsel des Zahnriemens nicht sofort durchgeführt würde. Zwar behauptet der Zeuge B, er habe die Klägerin auch darauf hingewiesen, dass ein erheblicher Motorschaden entstehen könne, falls der Wechsel nicht durchgeführt würde. Jedoch war aus dem Gesamtbild des Verhaltens des Zeugen B für die Klägerin nicht abzuleiten, dass ein Motorschaden möglicherweise unmittelbar bevorsteht. Im Zuge der Inspektion wurde über den Wechsel des Zahnriemens gesprochen und B bot der Klägerin an, sich nach Alternativprodukten umzusehen, ohne die Klägerin explizit darauf hinzuweisen, dass sie vom Gebrauch des Fahrzeuges bis zum Wechsel des Zahnriemens Abstand nehmen sollte. Im Nachgang zu der Inspektion meldete sich B dann nicht mehr bei der Klägerin. Dieses Verhalten kann für die Klägerin nur den Schluss nahegelegt haben, dass der Wechsel des Zahnriemens zwar erforderlich war, jedoch nicht derart dringlich gewesen ist, dass dieser sofort hätte erfolgen müssen, zumal der Zeuge B selbst ausgesagt hat, er habe der Klägerin nicht erklärt, welche Folgen ein solcher Motorschaden im Einzelnen hat. Auch bei der Abholung des Pkw durch die Klägerin am Abend des 29.06.2017 ist offenbar keinerlei Hinweis mehr auf die Gefährlichkeit der weiteren Nutzung des Pkw erfolgt, und die Klägerin konnte ohne eindringliche Warnung seitens der Beklagten vom Hof der Werkstatt fahren.
Es hätte hier von der Beklagten als langjähriger Vertragspartnerin der Klägerin erwartet werden können, die Gefahren des nicht durchgeführten Zahnriemenwechsels der Klägerin so aufzuzeigen, dass kein Zweifel daran bestehen kann, dass die Klägerin sich im Klaren über die Gefährlichkeit der fortgesetzten Nutzung ihres Pkws ist. In diesem Sinne kann auch erwartet werden, dass der Unternehmer versucht, Überzeugungsarbeit dahin gehend zu leisten, dass von einer weiteren Nutzung des Pkw abgeraten wird. Insbesondere auch aufgrund des Umstands, dass B den Wechsel des Zahnriemens bereits bei der letzten Inspektion versäumt hatte, oblag ihm eine gesteigerte Obhutspflicht dahin gehend, dass die Klägerin veranlasst wird, den Pkw bis zum Wechsel des Zahnriemens nicht mehr zu nutzen. Hier hätte der Zeuge krasser darauf hinweisen müssen, dass es „kurz vor 12“ ist, da der Wechsel des Zahnriemens schon rund 20.000 km überfällig war und gerade deshalb in Kürze mit einem totalen Motorschaden zu rechnen war. Letztlich muss der Unternehmer in derart krassen Fällen sich gegebenenfalls durch eine schriftliche Enthaftungserklärung, die er sich vom Kunden geben lassen kann, absichern. All dies ist hier nicht geschehen.
Soweit der Beklagtenvertreter im nachgelassenen Schriftsatz eine Entscheidung des OLG Schleswig vom 17.12.2010 erwähnt, wird diese nicht vorgelegt (das Original des Schriftsatzes vom 13.06.2018 war ohnehin bis zum 19.06.2018 noch nicht eingegangen), und es kann insoweit nicht überprüft werden, inwieweit sich daraus andere Rechtsgrundsätze ergeben. Die Kammer folgt aber ohnehin den bereits erwähnten Rechtsansichten des OLG Saarbrücken bzw. des LG Wiesbaden.
Die allgemeinen Hinweise auf die Wichtigkeit des Zahnriemens und die abstrakte Möglichkeit eines Motorschadens erfüllen mithin diese Anforderungen nicht.
Der nichtdurchgeführte Zahnriemenwechsel war auch kausal für den später eingetretenen Motorschaden. Dies ergibt sich zum einen aus der Rechnung der mit der Reparatur des Schadens beauftragten Werkstatt, zum anderen auch aus der eigenen Diagnostik der Beklagten, in deren Werkstatt der Wagen mit dem Motorschaden geschleppt wurde. Das pauschale Bestreiten der Kausalität mit dem allgemeinen Hinweis auf eine kleine Motorölleckage anlässlich der Inspektion reicht bei diesem deutlichen Anzeichensbeweis nicht aus. Denn selbst die Beklagte ging von einem Motorschaden aus, sodass der unstreitig von der Beklagten zuvor schon bei der 180.000-km-Inspektion versäumte Austausch des Zahnriemens als einzige wahrscheinliche Ursache in Betracht kommt.
An der geltend gemachten Schadenshöhe von 8.763,97 € besteht auch kein begründeter Zweifel; insoweit ist auf die Rechnung gemäß Anlage K 3 zu verweisen. Der Geschädigte ist nicht gehalten, die kostengünstigste Reparaturmöglichkeit zu suchen. Die Beklagte hat – obwohl es ihr als Fachunternehmen möglich sein müsste – nicht dargetan, dass die Reparaturkosten unangemessen überhöht sind. Der einzige konkrete Einwand, es sei ein Abzug „neu für alt“ vorzunehmen, greift nicht durch, denn nach dem unbestrittenen Hinweis der Klägerin wurde ein Austauschmotor ausgewählt, also kein neuer Motor, sodass dieser Kostenaspekt bereits hinreichend berücksichtigt wurde. …
Des Weiteren steht der Klägerin ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Kosten in Höhe von 415,96 € gemäß §§ 280 I, 631, 241 II, 249 BGB nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit zu. …
Hinweis: Die Berufung der Beklagten hatte zum Teil Erfolg. Das OLG Hamburg hat gemeint, die Beklagte müsse der Klägerin die geltend gemachten Reparaturkosten nicht vollständig ersetzen, und zur Begründung im Urteil vom 19.12.2018 – 1 U 107/18 – ausgeführt:
„Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht der Klägerin dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch wegen einer Aufklärungspflichtverletzung zuerkannt. Hinsichtlich der Höhe des Anspruchs sind allerdings Abzüge zu machen.
Die von der Beklagten zu vertretende und für den Schaden der Klägerin kausal gewordene Aufklärungspflichtverletzung liegt bereits darin, dass die Beklagte die Klägerin nicht schon anlässlich der Inspektion bei einer Laufleistung von 180.000 km auf die Erforderlichkeit eines Zahnriemenwechsels hingewiesen hat. Die Pflichtverletzung räumt die Beklagte ein (Schriftsatz vom 10.10.2017, S. 3) weshalb sich weitere Ausführungen insoweit erübrigen
Auch an der Kausalität der unterlassenen Aufklärung für den eingetretenen Motorschaden kann kein Zweifel bestehen. Dass der Motorschaden auf den unterlassenen Zahnriemenwechsel zurückzuführen ist, hat das Landgericht festgestellt und wird mit der Berufung der Beklagten auch nicht angegriffen. Ihr erstinstanzliches Bestreiten hat die Beklagte insoweit in der zweiten Instanz nicht weiterverfolgt, sodass hierauf nicht weiter einzugehen ist.
Weiter hat die Klägerin in ihrer persönlichen Anhörung vor dem Berufungsgericht angegeben, dass sie die von der Beklagten angeratenen erforderlichen Arbeiten stets – wenn auch teilweise anderenorts und billiger – hat durchführen lassen, weshalb hier davon auszugehen ist, dass die Klägerin bereits im Rahmen der Inspektion bei einer Laufleistung von 180.000 km oder in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang damit den Zahnriemenwechsel hätte durchführen lassen, wie sie es im Übrigen unstreitig auch nach dem tatsächlich dann bei der Inspektion bei einer Laufleistung von 200.000 km erteilten Hinweis vorgehabt hat. Aufgrund der in der Rechtsprechung anerkannten Beweislastumkehr hätte bei dieser Sachlage die Beklagte nachweisen müssen, dass die Klägerin auch nach Hinweis auf die Notwendigkeit des Zahnriemenwechsels einen solchen Hinweis unbeachtet gelassen hätte (BGH, Urt. v. 19.02.1975 – VIII ZR 144/73, BGHZ 64, 46 = juris Rn. 14). Auch auf den Hinweis des Gerichts vom 05.11.2018 hat die Beklagte einen derartigen Beweis jedoch nicht angetreten, weshalb aufgrund der ‚Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens‘ (BGH, Urt. v. 08.05.2012 – XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 28) davon auszugehen ist, dass die Klägerin den Zahnriemenwechsel bereits spätestens ein bis zwei Wochen nach der Inspektion bei einer Laufleistung von 180.000 km hätte durchführen lassen. Dann aber wäre es nicht zu dem Abspringen des alten Zahnriemens gekommen, weil dieser bereits zuvor ausgetauscht worden wäre.
Diese Kausalität im Sinne der ‚Sine-qua-non-Formel‘ ist der Beklagten auch zurechenbar. Insbesondere ist der Zurechnungszusammenhang nicht dadurch unterbrochen, dass der Zeuge B die Klägerin – verspätet – auf die Notwendigkeit des Zahnriemenwechsels hingewiesen hat und die Klägerin hierauf den Zahnriemenwechsel nicht sofort hat durchführen lassen. Zwar hätte die Klägerin den Schadenseintritt durch ihr Verhalten noch abwenden können, dies ist indes keine Frage des Zurechnungszusammenhangs, sondern allenfalls eine Frage des Mitverschuldens nach § 254 BGB, der gerade die Fälle der Mitursächlichkeit eines schuldhaften Verhaltens des Geschädigten bzw. der unterlassenen Schadensabwendung betrifft.
Ein Verschulden – für das die Beklagte beweispflichtig ist – ist der Klägerin nach dem zugrunde zu legenden Sachverhalt indes nicht vorzuwerfen. Unterstellt, die Gefahr eines Zahnriemenschadens war zum Zeitpunkt der Inspektion bei einer Laufleistung von 200.000 km so naheliegend, dass vernünftigerweise das Fahrzeug nicht mehr hätte bewegt werden sollen, hätte hierauf der Zeuge B ausdrücklich und eindeutig hinweisen müssen. Gerade vor dem Hintergrund, dass die Klägerin aufgrund des Versäumnisses der Beklagten mit dem eigentlich bereits auszuwechselnden Zahnriemen noch 20.000 km gefahren war, ohne dass es zu Beeinträchtigungen am Fahrzeug gekommen war, war es für den Laien nicht deutlich, dass damit die Gefahr eines Zahnriemenschadens nun so nahe lag, dass auch nicht mehr vergleichsweise wenige Kilometer mit dem Fahrzeug gefahren werden sollten. Ein Laie kann nicht einschätzen welche Sicherheitsmarge die Fahrzeughersteller bei dem Hinweis auf die Erforderlichkeit eines Zahnriemenwechsels einplanen. Der Hinweis des Zeugen B, ‚dass man das jetzt machen müsse‘ (Protokoll vom 25.04.2018, S. 3) ist nicht ausreichend deutlich. Vor allem deshalb nicht, weil dem Zeugen bekannt war, dass die Klägerin nicht beabsichtigte, den Zahnriemen sofort bei der Inspektion wechseln zu lassen, sondern das Fahrzeug zunächst wieder abholen und also auch damit weiter fahren würde. Dem Zeugen war damit klar, dass die Klägerin ihn nicht so verstanden hatte, dass das Fahrzeug nicht mehr bewegt werden sollte.
Nur wenn der Zeuge die Klägerin eindeutig darauf hingewiesen hätte, dass sie das Fahrzeug zur Vermeidung erheblicher Schäden sofort stehen lassen sollte, wäre der Klägerin ein schuldhaftes Verhalten vorzuwerfen, weil sie das Fahrzeug für etwa eine Woche weiter genutzt hat. Mangels eindeutigen Hinweises ist der Klägerin ein Mitverschulden nach § 254 BGB nicht anzulasten.
Anders als das Landgericht meint, sind der Klägerin die wegen des Zahnriemenschadens entstandenen Reparaturkosten jedoch nicht vollen Umfangs zu erstatten. Zunächst sind die Kosten eines Zahn- und Keilriemenwechsels als Sowiesokosten abzuziehen, weil die Klägerin bei rechtzeitiger und zutreffender Aufklärung durch die Beklagte einen solchen Zahn- und Keilriemenwechsel ohnehin bereits bei einem Kilometerstand von ca. 180.000 hätte durchführen lassen und diese Kosten aufgewandt hätte. Gemäß § 287 ZPO schätzt das Gericht die Kosten einer solchen Maßnahme auf 860 €. Dem liegt zugrunde, dass der Zeuge B ausgesagt hat, dass er die Kosten der Maßnahme auf diesen Betrag berechnet hat. Soweit die Klägerin einwendet, sie hätte die erforderlichen Arbeiten günstiger durchführen lassen, trägt sie weder vor, in welcher Höhe ihr ein bereits eingeholtes Angebot gemacht worden ist, noch trägt sie vor, welche Positionen der Reparaturrechnung (Anlage K 3) auf diese Arbeiten entfallen. Dem Gericht ist es allein anhand der genannten Anlage nicht möglich einzuschätzen, welche Materialien und wie viel Arbeitszeit auf die ohnehin erforderlichen Arbeiten entfallen, sodass sich hinreichend konkrete Anhaltspunkte für eine Reduzierung der vom Zeugen genannten Summe nicht ergeben.
Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist ferner ein moderater Abzug ‚neu für alt‘“ für den eingebauten Austauschmotor zu machen. Richtig ist zwar, dass es sich bei dem Austauschmotor nicht um ein Neuteil handelt. Austauschmotoren sind aber generalüberholt, und daher ist davon auszugehen, dass der eingebaute Austauschmotor eine längere Lebenszeit und weniger Reparaturbedarf haben wird, als sie der Motor im Fahrzeug der Klägerin, der bereits 200.000 km gelaufen war, ohne das Schadensereignis gehabt hätte. Andererseits bedeutet eine längere Lebenszeit des Motors nicht automatisch auch eine längere Nutzbarkeit des Fahrzeugs, denn auch Schäden an anderen Teilen können bei einem viel gefahrenen Fahrzeug wie dem der Klägerin schnell dazu führen, dass sich eine Reparatur nicht mehr lohnt und das Fahrzeug trotz noch intakten Motors ersetzt werden muss.
Der Markt bewertet den Umstand, dass ein Fahrzeug mit einem Austauschmotor ausgestattet ist, ambivalent. Einerseits wird der Umstand, dass der Austausch des Motors erforderlich geworden ist, als negativ bewertet, weil dies als Hinweis auf einen nicht sachgerechten Umgang mit dem Fahrzeug gedeutet werden kann, andererseits wird der Umstand, dass ein Austauschmotor generalüberholt ist, positiv gewertet. Insgesamt sind bei der Frage der Bewertung eines Austauschmotors als Wertverbesserung des Fahrzeuges viele Aspekte zu berücksichtigen, die auch ein Fahrzeugsachverständiger nicht alle beantworten kann, weil es insofern auch auf Wertungen ankommt. Vor diesem Hintergrund und angesichts der relativ geringen Höhe des von der Beklagten geltend gemachten Vorteilsausgleichs von etwa 4.380 € und dem Umstand, dass es sich nicht um eine zentrale Rechtsfrage des Rechtsstreites handelt, erscheint dem Gericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens und die Verursachung der damit verbundenen Kosten nicht geboten. Das Gericht schätzt daher die Wertverbesserung des Fahrzeugs der Klägerin durch den Einbau des Austauschmotors unter Berücksichtigung der oben genannten Aspekte gemäß § 287 ZPO und unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Austauschmotor selber lediglich 3.650 € gekostet hat (vgl. Anlage K 3) auf 1.000 €.
Als Schaden, der der Klägerin von der Beklagten zu erstatten ist, ergibt sich daher ein Betrag von 6.903,97 €. Nur dieser Betrag kann Grundlage der Berechnung der außergerichtlichen Kosten der Klägerin sein, sodass sich auch insoweit ein geringerer als der vom Landgericht zugesprochene Betrag ergibt. …“