1. Zu den Pflichten einer Kfz-Werkstatt im Rahmen einer Inspektion gehört es, auf solche Maßnahmen (hier: Austausch des Zahnriemens) hinzuweisen, deren Notwendigkeit unmittelbar bevorsteht. Unmittelbar bevor stehen Arbeiten, die in einem Zeitraum von weniger als drei Monaten oder innerhalb einer Laufleistung von weiteren 5.000 km anfallen. Versäumt die Werkstatt diesen Hinweis, ist sie zum Ersatz des daraus resultierenden Schadens (hier: kapitaler Motorschaden) verpflichtet.
  2. Es besteht kein Beweis des ersten Anscheins dafür, dass das Unterlassen eines gebotenen Zahnriemenwechsels bei einer Inspektion die Ursache für einen einige Monate später eingetretenen Motorschaden ist.

OLG Schleswig, Urteil vom 17.12.2010 – 4 U 171/09

Sachverhalt: Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche wegen eines Motorschadens nach einer von der Beklagten durchgeführten Inspektion geltend.

Die Klägerin ist Eigentümerin eines am 18.03.2003 erstzugelassenen Pkw. Bei dem Fahrzeug ist nach den – auch der Beklagten bekannten – Herstellerangaben eine Überprüfung des Zahnriemens nach 60.000 km und ein Austausch nach spätestens 120.000 km bzw. nach fünf Jahren vorzunehmen.

Am 21.12.2007 – bei einem Kilometerstand von 58.393 – gab der Ehemann der Klägerin in deren Namen bei der Beklagten in N. eine sogenannte B-Inspektion in Auftrag. Dabei wurden unter anderem Leucht- und Kältemittel sowie Luft- und Ölfilter ausgetauscht. In dem Inspektionsbogen wurde unter dem Stichwort „Steuerriemen – Wechsel fällig“ das Feld „nein“ angekreuzt.

Am 06.07.2008 erlitt das Fahrzeug einen kapitalen Motorschaden. Es wurde ein gerissener Zahnriemen festgestellt. Für einen Austauschmotor nebst Riemenspanner, Riemen und Spanner wandte die Klägerin 6.120,84 € auf.

Die Klägerin hat gemeint, die Beklagte habe sie auf den erforderlichen baldigen Austausch des Zahnriemens hinweisen müssen. Sie hätte diesen dann austauschen lassen, und der Motorschaden wäre nicht eingetreten. Die Beklagte hat einen Fehler in Abrede gestellt. Gemäß ihrem Slogan „Nur das, was muss!“ werde nur das gemacht, was gemacht werden müsse. Das Auswechseln des Zahnriemens sei nicht fällig gewesen, ebenso wenig eine Überprüfung, die auch nicht beauftragt worden sei. Ohnedies handele es sich bei ihrer Inspektion nicht um eine Herstellerinspektion, die für einen deutlich höheren Preis lediglich eine sogenannte Vertragswerkstatt durchführen könne. Bei ihr, der Beklagten, würde für den vereinbarten Festpreis nur ihre Checkliste durchgeprüft. Außerdem hat die Beklagte bestritten, dass der Motorschaden auf einen Defekt des Zahnriemens zurückzuführen sei.

Das Landgericht hat der Klage nach Einholung eines mündlichen Gutachtens des Kfz-Sachverständigen M in Höhe von 4.770,84 € stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte sei ungeachtet des Unterschieds zwischen einer B-Inspektion und einer Inspektion in einer Vertragswerkstatt verpflichtet gewesen, die Klägerin auf unmittelbar bevorstehende Auswechslungen von Fahrzeugteilen hinzuweisen. Ein Wechselintervall stehe unmittelbar bevor, wenn es in weniger als drei Monaten oder 5.000 km ablaufe. Das sei hier der Fall gewesen, weil der Zahnriemen spätestens am 17.03.2008 habe ausgetauscht werden müssen. Es sei zu vermuten, dass sich die Klägerin bei entsprechender Beratung aufklärungsrichtig verhalten hätte. Außerdem spreche der Anschein dafür, dass das Unterlassen des Zahnriemenwechsels zu dem am 06.07.2008 aufgetretenen Riss des Zahnriemens geführt habe. Die Beklagte habe nicht hinreichend dargelegt, dass im vorliegenden Fall die ernsthafte Möglichkeit einer anderen Schadensursache bestanden habe. Bei der Schadenshöhe sei ein Abzug neu für alt von (geschätzten) 1.350 € vorzunehmen.

Hiergegen richtete sich die Berufung der Beklagten. Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: II. … Die Klägerin kann von der Beklagten wegen einer Pflichtverletzung im Rahmen der beauftragten Inspektion den Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens in Gestalt der Aufwendungen für den Ersatzmotor verlangen (§ 280 I BGB). Der Ersatzanspruch beläuft sich jedenfalls auf die vom Landgericht in der Hauptsache zuerkannten 4.770,84 €.

1. Zwischen den Parteien bestand in Gestalt des Inspektionsauftrags ein Vertragsverhältnis. Dass (entsprechend dem unbestrittenen Klägervortrag) der vom Ehemann geschlossene Vertrag für die Klägerin zustande gekommen ist, nimmt die Berufung hin.

2. Die Beklagte hat auch ihre Pflichten aus dem Inspektionsvertrag verletzt.

Inspektionen dienen, wie die Beklagte im Ansatz richtig ausführt, dazu, einen bestimmten Fahrzeugzustand festzustellen, um die danach erforderlichen, regelmäßig gesondert zu beauftragenden Maßnahmen durchzuführen. Bei einer Inspektion ist allemal auf die fälligen Austauschmaßnahmen hinzuweisen. Dazu zählen in der Regel das standardmäßige Auswechseln von Betriebsstoffen und Verschleißteilen wie Getriebeöl, Bremsflüssigkeit und Filter. Zu den Pflichten der Werkstatt gehört es darüber hinaus aber auch, auf solche Maßnahmen hinzuweisen, deren Notwendigkeit unmittelbar bevorsteht (so zutreffend AG Brandenburg, Urt. v. 08.01.2007 – 31 C 59/06, NJW 2007, 3072). Als unmittelbar bevorstehend hat das Landgericht zu Recht solche Arbeiten angesehen, die in einem Zeitraum von weniger als drei Monaten oder innerhalb einer Laufleistung von 5.000 km anfallen (ebenso AG Brandenburg, Urt. v. 08.01.2007 – 31 C 59/06, NJW 2007, 3072).

Nach dem Verständnis des Senats ergibt sich eine solche Verpflichtung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte aus dem Wesen des Inspektionsauftrags (§§ 157, 133 BGB). Es entspricht ganz einfach der Praxis, dass Werkstätten im Zuge von Inspektionen, die ja gerade zur Feststellung der erforderlicher Reparatur- und Wartungsarbeiten dienen, auf zeitnah fällig werdende Erfordernisse hinweisen; darauf kann der Kunde vertrauen. Regelmäßig entspricht es auch seinem Interesse, dass solche Wartungsarbeiten im Zuge der Erledigung der ohnedies fälligen Maßnahmen gleich mit erledigt werden können, damit er auf das Fahrzeug nicht noch einmal wenig später für eine weitere Reparatur verzichten muss. Derlei entspricht naturgemäß auch dem Interesse der Werkstätten, die, wie im Allgemeinen auch die Beklagte zugesteht, von den in diesem Zuge erteilten voluminöseren Aufträgen leben.

Nichts anderes gilt auch im vorliegenden Fall. Ganz unabhängig davon, dass der von der Beklagten aufgemachte Unterschied zwischen einer sogenannten B-Inspektion und einer Herstellerinspektion jedenfalls mit dem aus der eidesstattlichen Versicherung der Beklagtenvertreterin vom 14.09.2009 ersichtlichen Inhalt (dass bei der Herstellerinspektion der Kunde das Fahrzeug einfach abgibt und sodann ohne Weiteres alle notwendigen Teile von der Werkstatt ausgetauscht werden) als abwegig erscheint, war ausweislich der Checkliste der Beklagten eine Aussage zum Steuerriemen auch im vorliegenden Fall geschuldet. Richtigerweise hätte die Beklagte dabei darauf hinweisen müssen, dass binnen weniger als drei Monaten der Zahnriemenwechsel fällig würde, weil dann sein Höchstalter von fünf Jahren erreicht sein würde. Man wird davon ausgehen können, dass die Beklagte, der die Erforderlichkeit bei dem in Rede stehenden Fahrzeugtyp nach ihren eigenen Angaben bekannt war, eher versehentlich verabsäumt hat, das mit dem anstehenden Wechsel anfallende Zusatzgeschäft zu nutzen, als dass sie tatsächlich gemeint hätte, die Fälligkeit sei noch nicht wirklich gegeben. Gleichermaßen naheliegend und pflichtgemäß geboten war der Hinweis, dass bis zur der fälligen Überprüfung des Zahnriemens nur noch eine Fahrleistung von rund 1.600 km anstand.

3. Die Pflichtverletzung ist für den eingetretenen Motorschaden auch ursächlich geworden.

a) Der Senat vermag insoweit allerdings nicht schon mit dem Landgericht einen Beweis des ersten Anscheins anzunehmen. Dergleichen geben auch die vom Landgericht angeführten Urteile nicht her. Sowohl aus LG Duisburg (DAR 1995, 488) als auch AG Brandenburg (Urt. v. 08.01.2007 – 31 C 59/06, NJW 2007, 3072) ergibt sich lediglich, dass in Fachkreisen allgemein bekannt ist, dass ein schadhafter Zahnriemen zu einer Beschädigung des gesamten Motors führen kann. Das wird man – insoweit sogar weitergehend – fast als Allgemeingut ansehen können. Nichts ergibt sich aus den Urteilen jedoch für einen Anscheinsbeweis aus einem eingetretenen kapitalen Motorschaden auf einen schadhaften Zahnriemen als Ursache. Dass, wie man wird sagen können, auf erste Sicht eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für einen solchen Kausalzusammenhang besteht, reicht nicht hin. Bloße Wahrscheinlichkeiten genügen nicht; auch auf noch so aussagekräftige Indizien kann ein Anscheinsbeweis nicht gestützt werden (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl. vor § 284 Rn. 29). Der behauptete Vorgang muss vielmehr zu jenen gehören, die schon auf den ersten Blick nach einem durch Regelmäßigkeit, Üblichkeit und Häufigkeit geprägten „Muster“ abzulaufen pflegen, wobei der Sachverhalt in seiner gesamten Breite zu betrachten ist.

Nach diesen Maßgaben geht die Annahme eines Prima-facie-Beweises nicht an, wenn – wie hier – der Sachverständige erstinstanzlich zusammenfassend nur feststellt, dass durch das Reißen des Zahnriemens der Motor so hat beschädigt werden können, dass eine Erneuerung desselben erforderlich wurde, jedoch mit den vorhandenen Anknüpfungstatsachen nicht sicher zu beurteilen sei, was die tatsächliche Ursache für den Motorschaden gewesen sei, es auch andere Ursachen gebe, und nicht sicher ausgeschlossen werden könne, dass der Zahnriemenschaden ein sekundärer Schadensfall sei, also der primäre im Bereich des Motors eingetreten war.

b) Indes hat sich der Senat aufgrund der durchgeführten ergänzenden Beweisaufnahme eine Überzeugung dahin bilden können, dass der hier eingetretene Motorschaden auf der Hinweispflichtverletzung der Beklagten beruht und es dazu nicht gekommen wäre, wenn die Beklagte die Klägerin auf das anstehende Erfordernis des Zahnriementauschs hingewiesen hätte (§ 286 ZPO).

Der – hier der Klägerin obliegende – Beweis ist gemäß § 286 ZPO geführt, wenn das Gericht eine bestimmte Behauptung für wahr erachtet. Dazu bedarf keines Nachweises einer gleichsam naturgesetzlichen Sicherheit oder einer über jeden denkbaren Zweifel erhabenen Gewissheit. Erforderlich, aber auch ausreichend ist vielmehr eine persönliche Überzeugung des Gerichts vom Gegebensein der behaupteten Tatsache in einer Weise, die vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie ganz auszuschließen (vgl. nur BGH, NJW 1970, 946; st. Rspr.). Diesen Beweis hat die Klägerin vorliegend geführt.

Der Sachverständige M hat in Ergänzung seines bisherigen Gutachtens im Senatstermin vom 17.11.2010 ausgeführt, dass es drei Bereiche von Schadensursachen für den eingetretenen Motorschaden gebe. Es komme eine Materialermüdung an dem Zahnriemen selbst in Betracht oder ein Verschleiß an einem der Bauteile, die mit dem Zahnriemen in Kontakt kommen (Umlenk- und Spannrolle) oder schließlich ein Fehler am Motor selbst in Gestalt eines Bauteilversagens oder eines kapitalen Fressers. Fehler des ersten Bereichs wären bei einem Austausch des Zahnriemens vermieden worden. Mit höchster Wahrscheinlichkeit wären im Zuge der Erneuerung auch Defizite an Bauteilen der zweiten Ursachengruppe bemerkt und behoben worden. Einen sogenannten sekundären Zahnriemenschaden aufgrund eines Defekts im Motor hat der Sachverständige als bei dem Alter und der Laufleistung des in Rede stehenden Fahrzeugs „sehr, sehr unwahrscheinlich“ bezeichnet und zusätzlich angegeben, dass nach seiner Erfahrung in vergleichbarer Konstellation lediglich in einem von Hundert Fällen einmal ein Bauteilversagen im Motor als Ursache für einen Riss des Zahnriemens auftrete. Diese Bewertung reicht dem Senat am obigen Beweismaßstab für eine Überzeugungsbildung …

Steht hiernach fest, dass der Schadensfall bei einem Austausch des Zahnriemens nicht eingetreten wäre, ist von einer Ursächlichkeit des unterlassenen Hinweises für den eingetretenen Schaden auszugehen. Dass die Klägerin bei einem entsprechenden Hinweis der Beklagten den Wechsel des Zahnriemens beauftragt hätte, stellt auch die Beklagte nicht in Abrede. Es versteht sich im Übrigen schon in Anbetracht des bekannten Risikos eines Motorschadens von selbst, und schließlich hätte es andernfalls der Beklagten oblegen, die Klägerin eindringlich darauf hinzuweisen, dass – so der Sachverständige M – die Wechselintervalle genau zu beachten sind.

4. Der Ersatzanspruch ist auch allemal in der vom Landgericht zuerkannten Höhe begründet (§ 249 II BGB).

Die Klägerin kann die ihr für die Herstellung des status quo ante erforderlichen Kosten ersetzt verlangen. Die Ersatzpflicht umfasst die Aufwendungen, die der Geschädigte zur Schadensbeseitigung für erforderlich halten durfte (vgl. nur Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl., vor § 249 Rn. 44). Die Klägerin hat insgesamt 6.120,84 € aufgewandt, um das Fahrzeug in einer ihrem Wohnsitz nahegelegenen freien Werkstatt reparieren zu lassen. Anhaltspunkte dafür, dass die Rechnung überhöht wäre, sind ebenso wenig zu erkennen wie dafür, dass die Klägerin davon Kenntnis hätte oder hätte haben müssen. Der pauschale Hinweis der Beklagten auf angeblich überhöhte Kosten genügt nicht; sie hätte einen Verstoß der Klägerin gegen die Schadensminderungspflicht konkret darlegen müssen.

Entgegen der Darstellung der Berufung hat auch nicht etwa der Sachverständige die Berechtigung der Reparaturkosten in der Höhe infrage gestellt.

Ob der vom Landgericht vorgenommene Abzug neu für alt angemessen ist, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Es mag zweifelhaft erscheinen, ob sich durch den Austauschmotor die Lebensdauer des Fahrzeugs insgesamt erheblich erhöht; jedenfalls aber hat das Landgericht insoweit nicht zum Nachteil der Beklagten entschieden, die im Übrigen einen höheren Abzug auch nicht geltend gemacht hat …

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