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Ar­chiv: Ju­ni 2017

Un­zu­mut­bar­keit der Nach­bes­se­rung ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Neu­wa­gens

  1. Ein vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­ner Neu­wa­gen ist i. S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB man­gel­haft, oh­ne dass es dar­auf an­kommt, ob die in dem Fahr­zeug zum Ein­satz kom­men­de, sei­nen Schad­stoff­aus­stoß ma­ni­pu­lie­ren­de Soft­ware ei­ne (un­zu­läs­si­ge) Ab­schalt­ein­rich­tung i. S. von Art. 5 II i. V. mit Art. 3 Nr. 10 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 ist oder ob es sich da­bei – poin­tiert be­trach­tet – um ei­ne „Zu­schalt­ein­rich­tung“ han­delt.
  2. Ei­ne an­ge­mes­se­ne Frist zur Nach­bes­se­rung ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen – man­gel­haf­ten – Fahr­zeugs be­trägt zwei Wo­chen. Denn der Käu­fer ei­nes sol­chen Fahr­zeugs muss bei der Frist­set­zung nicht be­rück­sich­ti­gen, dass es au­ßer ihm noch zahl­rei­che an­de­re Käu­fer gibt, die eben­falls vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fen sind.
  3. Ei­ne Nach­bes­se­rung durch die In­stal­la­ti­on ei­nes von der Volks­wa­gen AG ent­wi­ckel­ten Soft­ware­up­dates ist dem Käu­fer ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Neu­wa­gens auch dann i. S. von § 440 Satz 1 Fall 3 BGB un­zu­mut­bar, wenn ihn zwar nicht der Ver­käu­fer, wohl aber die (am Kauf­ver­trag nicht be­tei­lig­te) Volks­wa­gen AG arg­lis­tig ge­täuscht hat. Für ei­ne Un­zu­mut­bar­keit ge­nügt es näm­lich, wenn der­je­ni­ge, der vor­sätz­lich ei­nen Man­gel ver­ur­sacht hat, auch maß­geb­lich den Ab­lauf und die Art der Nach­bes­se­rung be­stimmt. Denn auch in die­sem Fall kann der Käu­fer nicht mehr dar­auf ver­trau­en, dass die Nach­bes­se­rung ord­nungs­ge­mäß er­fol­gen wird.
  4. Der Man­gel, der ei­nem vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeug an­haf­tet, ist schon des­halb nicht ge­ring­fü­gig i. S. von § 323 V 2 BGB, weil er al­len­falls im An­schluss an um­fang­rei­che und zu­dem mit dem Kraft­fahrt-Bun­des­amt ab­ge­stimm­te Vor­be­rei­tungs­maß­nah­men – ins­be­son­de­re die Ent­wick­lung ei­nes Soft­ware­up­dates – be­sei­tigt wer­den kann.

LG Wup­per­tal, Ur­teil vom 20.06.2017 – 6 O 50/16

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Scha­dens­er­satz­pflicht der Volks­wa­gen AG im VW-Ab­gas­skan­dal – § 826 BGB

  1. Ein vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­ner Ge­braucht­wa­gen ist je­den­falls des­halb man­gel­haft, weil er nicht die Be­schaf­fen­heit auf­weist, die ein Käu­fer i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB er­war­ten kann. Denn bei ei­nem vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeug wird der Stick­oxid­aus­stoß nur re­du­ziert, wenn ei­ne Soft­ware er­kennt, dass das Fahr­zeug auf ei­nem Prüf­stand ei­nen Emis­si­ons­test ab­sol­viert. Ein durch­schnitt­li­cher Kfz-Käu­fer darf in­des er­war­ten, dass die Pro­zes­se, die in ei­ner Test­si­tua­ti­on die Stick­oxid­emis­sio­nen ver­rin­gern, auch beim re­gu­lä­ren Be­trieb des Fahr­zeugs im Stra­ßen­ver­kehr ak­tiv sind.
  2. Setzt der Käu­fer ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Ge­braucht­wa­gens dem Ver­käu­fer ge­mäß § 323 I BGB ei­ne Frist zur Nach­bes­se­rung, so muss er hin­sicht­lich der An­ge­mes­sen­heit die­ser Frist be­rück­sich­ti­gen, dass der VW-Ab­gas­skan­dal sehr vie­le Fahr­zeu­ge in ganz Deutsch­land be­trifft und die­se nur suk­zes­si­ve im Rah­men ei­nes – noch da­zu mit dem Kraft­fahrt-Bun­des­amt ab­zu­stim­men­den – Ge­samt­kon­zepts nach­ge­bes­sert wer­den kön­nen. Ei­ne an­ge­mes­se­ne Frist zur Nach­bes­se­rung muss des­halb deut­lich län­ger sein als die Nach­bes­se­rungs­frist bei ei­nem „nor­ma­len“ Fahr­zeug­man­gel. Das ist dem Käu­fer auch zu­zu­mu­ten, da er das man­gel­haf­te Fahr­zeug bis zur Nach­bes­se­rung un­ein­ge­schränkt nut­zen kann.
  3. Ei­ne Nach­bes­se­rung (§ 439 I Fall 1 BGB) durch die In­stal­la­ti­on ei­nes Soft­ware­up­dates ist dem Käu­fer ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Ge­braucht­wa­gens i. S. des § 440 Satz 1 Fall 3 BGB un­zu­mut­bar, wenn nicht aus­zu­schlie­ßen ist, dass das Up­date ne­ga­ti­ve Aus­wir­kun­gen et­wa auf die Schad­stoff­emis­sio­nen, den Kraft­stoff­ver­brauch und die Mo­tor­leis­tung ha­ben wird. Der Käu­fer muss we­der be­haup­ten, dass ei­ne Nach­bes­se­rung si­cher zu der­ar­ti­gen Fol­ge­män­geln füh­ren wer­de, noch muss er dies gar be­wei­sen; viel­mehr ge­nügt, dass aus Sicht ei­nes ver­stän­di­gen Käu­fers Fol­ge­män­gel auf­grund kon­kre­ter tat­säch­li­che An­halts­punk­te ernst­haft zu be­fürch­ten sind.
  4. In der Lie­fe­rung ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen – man­gel­haf­ten – Ge­braucht­wa­gens liegt dann kei­ne i. S. des § 323 V 2 BGB un­er­heb­li­che Pflicht­ver­let­zung des Ver­käu­fers, wenn im maß­geb­li­chen Zeit­punkt der Rück­tritts­er­klä­rung des Käu­fers nicht ab­zu­se­hen ist, wann das Fahr­zeug nach­ge­bes­sert wer­den kann, und au­ßer­dem zu be­fürch­ten ist, dass die Nach­bes­se­rung zu Fol­ge­män­geln füh­ren wird. Auf den mit ei­ner Nach­bes­se­rung ver­bun­de­nen Kos­ten- und Zeit­auf­wand kommt es dann nicht an.
  5. Die – am Kauf­ver­trag nicht be­tei­lig­te – Volks­wa­gen AG kann dem Käu­fer ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeugs ge­mäß § 826 BGB i. V. mit § 31 BGB Scha­dens­er­satz leis­ten müs­sen. In­so­weit ist der kla­gen­de Fahr­zeug­käu­fer zwar dar­le­gungs- und be­weis­be­las­tet da­für, dass ein i. S. des § 31 BGB ver­fas­sungs­mä­ßig be­ru­fe­ner Ver­tre­ter der Volks­wa­gen AG den ob­jek­ti­ven und sub­jek­ti­ven Tat­be­stand des § 826 BGB ver­wirk­licht hat. Der Volks­wa­gen AG ob­liegt als Be­klag­ten aber ei­ne se­kun­dä­re Dar­le­gungs­last. Die­ser ge­nügt sie durch den Vor­trag, wer die Ent­schei­dung, ei­ne Ma­ni­pu­la­ti­ons­soft­ware zu ent­wi­ckeln und ein­zu­set­zen, ge­trof­fen hat, wer von die­ser Ent­schei­dung Kennt­nis hat­te und wie die Soft­ware ge­ge­be­nen­falls oh­ne Kennt­nis des Vor­stands der Volks­wa­gen AG ent­wi­ckelt und ein­ge­setzt wur­de.

LG Arns­berg, Ur­teil vom 14.06.2017 – 1 O 25/17

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Be­frei­ung der in­ner­ge­mein­schaft­li­chen Lie­fe­rung ei­nes neu­en Fahr­zeugs von der Mehr­wert­steu­er

  1. Art. 138 II lit. a der Richt­li­nie 2006/112/EG des Ra­tes vom 28.11.2006 über das ge­mein­sa­me Mehr­wert­steu­er­sys­tem steht dem ent­ge­gen, dass na­tio­na­le Vor­schrif­ten den An­spruch auf Steu­er­be­frei­ung ei­ner in­ner­ge­mein­schaft­li­chen Lie­fe­rung ei­nes neu­en Fahr­zeugs von der Vor­aus­set­zung ab­hän­gig ma­chen, dass der Er­wer­ber die­ses Fahr­zeugs im Be­stim­mungs­mit­glied­staat des Fahr­zeugs nie­der­ge­las­sen oder wohn­haft ist.
  2. Art. 138 II lit. a der Richt­li­nie 2006/112 ist da­hin aus­zu­le­gen, dass die Be­frei­ung ei­ner Lie­fe­rung ei­nes neu­en Fahr­zeugs von der Steu­er im Lie­fer­mit­glied­staat nicht al­lein des­halb ver­wei­gert wer­den darf, weil die­ses Fahr­zeug Ge­gen­stand ei­ner nur vor­über­ge­hen­den Zu­las­sung im Be­stim­mungs­mit­glied­staat war.
  3. Art. 138 II lit. a der Richt­li­nie 2006/112 steht dem ent­ge­gen, dass der Ver­käu­fer ei­nes neu­en Fahr­zeugs, das vom Er­wer­ber in ei­nen an­de­ren Mit­glied­staat be­för­dert und in die­sem Mit­glied­staat zu­ge­las­sen wird, spä­ter ver­pflich­tet ist, die Mehr­wert­steu­er zu ent­rich­ten, wenn nicht be­wie­sen ist, dass die vor­über­ge­hen­de Zu­las­sung aus­ge­lau­fen ist und dass die Mehr­wert­steu­er im Be­stim­mungs­mit­glied­staat ent­rich­tet wur­de oder wird.
  4. Art. 138 II lit. a der Richt­li­nie 2006/112 so­wie die Grund­sät­ze der Rechts­si­cher­heit, der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit und des Ver­trau­ens­schut­zes ste­hen dem ent­ge­gen, dass der Ver­käu­fer ei­nes neu­en Fahr­zeugs, das vom Er­wer­ber in ei­nen an­de­ren Mit­glied­staat be­för­dert und in die­sem Mit­glied­staat vor­über­ge­hend zu­ge­las­sen wird, im Fall ei­nes vom Er­wer­ber be­gan­ge­nen Steu­er­be­trugs spä­ter ver­pflich­tet ist, die Mehr­wert­steu­er zu ent­rich­ten, so­fern nicht an­hand ob­jek­ti­ver Ele­men­te be­wie­sen ist, dass die­ser Ver­käu­fer wuss­te oder hät­te wis­sen müs­sen, dass der Um­satz mit ei­nem Steu­er­be­trug des Er­wer­bers ver­knüpft war, und dass er nicht al­le ihm zur Ver­fü­gung ste­hen­den zu­mut­ba­ren Maß­nah­men er­grif­fen hat, um sei­ne Be­tei­li­gung an die­sem Steu­er­be­trug zu ver­hin­dern. Es ist Sa­che des vor­le­gen­den Ge­richts zu prü­fen, ob dies auf der Grund­la­ge ei­ner um­fas­sen­den Be­ur­tei­lung al­ler Ge­sichts­punk­te und tat­säch­li­chen Um­stän­de des Aus­gangs­ver­fah­rens der Fall ist.

EuGH (Neun­te Kam­mer), Ur­teil vom 14.06.2017 – C-26/16 (San­to­gal M-Comércio e Re­pa­ração de Au­tomóveis Lda/Au­to­ri­da­de Tri­butária e Aduanei­ra)

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Nach­er­fül­lung durch Lie­fe­rung ei­nes „ak­tua­li­sier­ten“ Neu­wa­gens – VW-Ab­gas­skan­dal

  1. Ein vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­ner Neu­wa­gen – hier: ein Au­di A1 1.6 TDI Am­bi­ti­on – ist man­gel­haft. Denn ein durch­schnitt­li­cher Neu­wa­gen­käu­fer kann i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB er­war­ten, dass das Fahr­zeug die ein­schlä­gi­gen Emis­si­ons­grenz­wer­te nicht nur wäh­rend ei­nes Emis­si­ons­tests auf ei­nem Prüf­stand und dann auch nur des­halb ein­hält, weil ei­ne Soft­ware die Test­si­tua­ti­on er­kennt und da­für sorgt, dass ins­be­son­de­re we­ni­ger Stick­oxid aus­ge­sto­ßen wird als beim re­gu­lä­ren Be­trieb des Fahr­zeugs im Stra­ßen­ver­kehr.
  2. Ob der Käu­fer ei­nes man­gel­haf­ten Neu­wa­gens nach §§ 437 Nr. 1, 439 I Fall 2 BGB ei­nen An­spruch auf Lie­fe­rung ei­nes man­gel­frei­en Fahr­zeugs hat, ob­wohl der Her­stel­ler in­zwi­schen nur noch ein ver­än­der­tes Fahr­zeug­mo­dell pro­du­ziert, ist nach dem durch Aus­le­gung zu er­mit­teln­den Wil­len der Ver­trags­par­tei­en bei Ver­trags­schluss zu be­ur­tei­len (§§ 133, 157 BGB). Da­nach kommt ei­ne Er­satz­lie­fe­rung ei­nes „ak­tua­li­sier­ten“ Fahr­zeugs ins­be­son­de­re in Be­tracht, wenn sich der Ver­käu­fer im Kauf­ver­trag Än­de­run­gen wäh­rend der Lie­fer­zeit i. S. des § 308 Nr. 4 BGB vor­be­hal­ten hat und der Käu­fer es hät­te hin­neh­men müs­sen, wenn ihm ur­sprüng­lich statt des be­stell­ten ein „ak­tua­li­sier­tes“ Fahr­zeug ge­lie­fert wor­den wä­re.
  3. Rechts­an­walts­kos­ten, die ein mit ei­ner man­gel­haf­ten Kauf­sa­che be­lie­fer­ter Käu­fer auf­ge­wen­det hat, muss ihm der Ver­käu­fer nur dann ver­schul­dens­un­ab­hän­gig als zum Zwe­cke der Nach­er­fül­lung er­for­der­li­che Auf­wen­dun­gen er­set­zen (§ 439 II BGB), wenn der Käu­fer die Kos­ten auf­ge­wen­det hat, um die Ur­sa­che der Man­gel­er­schei­nun­gen des Kauf­ge­gen­stan­des auf­zu­fin­den (im An­schluss an BGH, Urt. v. 17.02.1999 – X ZR 40/96 [zu § 476a BGB a.F.]).

LG Land­au (Pfalz), Ur­teil vom 13.06.2017 – 2 O 259/16

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Auf­klä­rungs­pflicht über Vor­be­nut­zung ei­nes „jun­gen“ Ge­braucht­wa­gens als Miet­wa­gen

  1. Je­den­falls bei ei­nem Ver­brauchs­gü­ter­kauf (§ 474 I BGB) muss der Ver­käu­fer ei­nes noch kein Jahr al­ten Ge­braucht­wa­gens den Käu­fer un­ge­fragt dar­über auf­klä­ren, dass das Fahr­zeug in der Ver­gan­gen­heit als Miet­wa­gen ge­nutzt wur­de. Denn zu­min­dest bei ei­nem „jun­gen“ Ge­braucht­wa­gen wirkt sich ei­ne Vor­be­nut­zung als Miet­wa­gen ne­ga­tiv auf den Wert des Fahr­zeugs aus, weil po­ten­zi­el­le Käu­fer nicht be­reit sind, für ei­nen ehe­ma­li­gen Miet­wa­gen den glei­chen Preis zu zah­len wie für ein nicht als Miet­wa­gen ge­nutz­tes Fahr­zeug.
  2. Bei ei­nem als „Jah­res­wa­gen“ an­ge­bo­te­nen Ge­braucht­wa­gen wird und darf ein po­ten­zi­el­ler Käu­fer re­gel­mä­ßig er­war­ten, dass das Fahr­zeug nicht als Miet­wa­gen ge­nutzt wor­den ist.
  3. Der Käu­fer ei­nes ge­brauch­ten Pkw, der den Kauf­ver­trag wirk­sam we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung an­ge­foch­ten hat, hat auch dann An­spruch auf Rück­zah­lung des vol­len Kauf­prei­ses, wenn er den Pkw (hier: we­gen ei­nes Ha­gel­scha­dens) nur in ver­schlech­ter­tem Zu­stand her­aus­ge­ben kann, ihn in­so­weit aber kein Ver­schul­den trifft.

LG Lim­burg, Ur­teil vom 09.06.2017 – 2 O 197/16

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Un­zu­mut­bar­keit der Nach­bes­se­rung we­gen un­red­li­chen (Pro­zess-)Ver­hal­tens des Fahr­zeug­her­stel­lers – VW-Ab­gas­skan­dal

  1. Ein vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­ner Neu­wa­gen ist i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB man­gel­haft, weil er „un­ter nor­ma­len Be­triebs­be­din­gun­gen“ i. S. des § 5 I der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007, das heißt „bei nor­ma­lem Fahr­zeug­be­trieb“ i. S. des Art. 3 Nr. 10 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007, der ge­nann­ten Ver­ord­nung und ih­ren Durch­füh­rungs­maß­nah­men nicht ent­spricht. Viel­mehr ver­fügt das Fahr­zeug über ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung i. S der Art. 3 Nr. 10, Art. 5 II der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007.
  2. Ein Man­gel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB liegt dar­über hin­aus des­halb vor, weil dem Hal­ter ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Neu­wa­gens nach­tei­li­ge ver­wal­tungs­recht­li­che Maß­nah­men bis hin zu ei­nem Ent­zug der Be­triebs­er­laub­nis des Fahr­zeugs dro­hen, wenn das Fahr­zeug nicht durch In­stal­la­ti­on ei­nes von der Volks­wa­gen AG ent­wi­ckel­ten und vom Kraft­fahrt-Bun­des­amt frei­ge­ge­be­nen Soft­ware­up­dates tech­nisch über­ar­bei­tet wird.
  3. Ei­ne Nach­bes­se­rung ist dem Käu­fer ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Neu­wa­gens je­den­falls des­halb i. S. des § 440 Satz 1 Fall 3 BGB un­zu­mut­bar, weil sich die Volks­wa­gen AG im Um­gang mit den Käu­fern der vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeu­ge wi­der­sprüch­lich und un­red­lich ver­hält und so ein trotz ih­res bis­he­ri­gen Ver­hal­tens et­wa noch ver­blie­be­nes Ver­trau­en in ih­re Red­lich­keit zer­stört. Die­sen Ver­trau­ens­ver­lust muss ein VW-Ver­trags­händ­ler als Ver­käu­fer ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeugs ge­gen sich gel­ten las­sen, da ei­ne Nach­bes­se­rung des Fahr­zeugs in den Hän­den der Volks­wa­gen AG lä­ge. Dar­auf, ob die­se hin­sicht­lich der Nach­bes­se­rung Er­fül­lungs­ge­hil­fin (§ 278 BGB) des Ver­trags­händ­lers ist, kommt es nicht an.
  4. Es ist schlecht­hin un­mög­lich, dass die vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeu­ge – was die Volks­wa­gen AG im Ver­wal­tungs­ver­fah­ren ak­zep­tiert hat – nicht vor­schrifts­mä­ßig sind und des­halb ei­ner „tech­ni­schen Über­ar­bei­tung“ be­dür­fen, aber gleich­zei­tig kei­nen Man­gel im kauf­recht­li­chen Sin­ne auf­wei­sen. Gleich­wohl dik­tiert der VW-Kon­zern sei­nen Ver­trags­händ­lern als Ver­tei­di­gungs­stra­te­gie in Rechts­strei­ten, in de­nen es um Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che im Zu­sam­men­hang mit dem VW-Ab­gas­skan­dal geht, das Vor­lie­gen ei­nes Man­gels ex­pli­zit in Ab­re­de zu stel­len. An­ge­sichts des­sen sieht sich ein Käu­fer ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeugs in sei­ner Er­war­tung, die Volks­wa­gen AG ste­he zu ih­ren Feh­lern und Ver­säum­nis­sen und be­mü­he sich nach Kräf­ten, mehr als nur den Image­scha­den für das ei­ge­ne Un­ter­neh­men wie­der gut­zu­ma­chen, ent­täuscht. Dem Käu­fer muss sich viel­mehr der Ein­druck auf­drän­gen, die Volks­wa­gen AG neh­me ihn nicht ernst.
  5. Die Pflicht­ver­let­zung des Ver­käu­fers, die in der Lie­fe­rung ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Neu­wa­gens liegt, ist schon des­halb nicht un­er­heb­lich i. S. des § 323 V 2 BGB, weil das Fahr­zeug nicht vor­schrifts­mä­ßig ist, son­dern sein ord­nungs­ge­mä­ßer Zu­stand erst durch Ent­fer­nung der un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung her­ge­stellt wer­den und das Kraft­fahrt-Bun­des­amt die da­für er­for­der­li­chen tech­ni­schen Maß­nah­men frei­ge­ben muss.

LG Trier, Ur­teil vom 07.06.2017 – 5 O 298/16

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Haf­tung der Volks­wa­gen AG we­gen sit­ten­wid­ri­ger vor­sätz­li­cher Schä­di­gung – VW-Ab­gas­skan­dal

  1. Ein Ge­braucht­wa­gen ist zwar nicht schon des­halb man­gel­haft, weil sein (tat­säch­li­cher) Schad­stoff­aus­stoß hö­her ist als vom Fahr­zeug­her­stel­ler an­ge­ge­ben. Denn der Her­stel­ler kann nicht je­des denk­ba­re Fahr- und Nut­zungs­ver­hal­ten be­rück­sich­ti­gen, son­dern muss auf stan­dar­di­sier­te Emis­si­ons­tests zu­rück­grei­fen. Ein Man­gel liegt aber vor, wenn in ei­nem – vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­ne – Fahr­zeug ei­ne Soft­ware zum Ein­satz kommt, die er­kennt, ob das Fahr­zeug auf ei­nem Prüf­stand ei­nen Emis­si­ons­test ab­sol­viert, und in die­sem Fall ei­nen spe­zi­el­len Be­triebs­mo­dus ak­ti­viert, in dem ins­be­son­de­re der Stick­oxid­aus­stoß nied­ri­ger ist als beim Nor­mal­be­trieb des Fahr­zeugs. Das Vor­han­den­sein ei­ner sol­chen Soft­ware ist bei Ge­braucht­wa­gen näm­lich nicht üb­lich, so­dass ein Käu­fer i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB er­war­ten kann, ein Fahr­zeug oh­ne ei­ne die Schad­stoff­emis­sio­nen ma­ni­pu­lie­ren­de Soft­ware zu er­hal­ten.
  2. Ob die Pflicht­ver­let­zung des Ver­käu­fers, die in der Lie­fe­rung ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Ge­braucht­wa­gens liegt, i. S. des § 323 V 2 BGB un­er­heb­lich ist und des­halb ei­nem Rück­tritt des Käu­fers vom Kauf­ver­trag ent­ge­gen­steht, kann nicht nur mit Blick auf die (an­geb­li­chen) Man­gel­be­sei­ti­gungs­kos­ten be­ur­teilt wer­den. Er­for­der­lich ist viel­mehr ei­ne um­fas­sen­de In­ter­es­sen­ab­wä­gung, bei der zu fra­gen ist, ob ein Durch­schnitts­käu­fer in Kennt­nis des Man­gels vom Kauf des Fahr­zeug Ab­stand ge­nom­men hät­te oder ob er in Er­wä­gung ge­zo­gen hät­te, den Man­gel (z. B. ge­gen ei­nen Kauf­preis­nach­lass) hin­zu­neh­men. Da­bei darf nicht gänz­lich un­be­ach­tet blei­ben, dass der – am Kauf­ver­trag nicht be­tei­lig­ten – Volks­wa­gen AG ei­ne arg­lis­ti­ge Täu­schung zur Last fällt.
  3. In­dem Mit­ar­bei­ter der Volks­wa­gen AG für be­stimm­te Fahr­zeu­ge ei­ne Soft­ware ent­wi­ckelt und im­ple­men­tiert ha­ben, die er­kennt, ob das Fahr­zeug auf ei­nem Prüf­stand ei­nen Emis­si­ons­test ab­sol­viert, und die in die­sem Fall ei­nen ei­gens da­für vor­ge­se­he­nen Be­triebs­mo­dus ak­ti­viert, in dem die Schad­stoff­emis­sio­nen nied­ri­ger sind als beim re­gu­lä­ren Be­trieb des Fahr­zeugs, ha­ben sie die Käu­fer der be­trof­fe­nen Fahr­zeu­ge i. S. des § 826 BGB in ei­ner ge­gen die gu­ten Sit­ten ver­sto­ßen­den Wei­se vor­sätz­lich ge­schä­digt.
  4. Zwar muss der Käu­fer ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeugs, der die Volks­wa­gen AG we­gen ei­ner sit­ten­wid­ri­gen vor­sätz­li­chen Schä­di­gung (§ 826 BGB) auf Scha­dens­er­satz in An­spruch nimmt, dar­le­gen und be­wei­sen, dass ein ver­fas­sungs­mä­ßig be­ru­fe­ner Ver­tre­ter der Volks­wa­gen AG i. S. des § 31 BGB den ob­jek­ti­ven und sub­jek­ti­ven Tat­be­stand des § 826 BGB ver­wirk­licht hat. Die Volks­wa­gen AG trifft in­so­weit aber ei­ne se­kun­dä­re Dar­le­gungs­last. Ihr ge­nügt die Volks­wa­gen AG da­durch, dass sie vor­trägt, wer die Ent­schei­dung, die ma­ni­pu­lie­ren­de Soft­ware zu ent­wi­ckeln und ein­zu­set­zen, ge­trof­fen hat und war­um dies ge­ge­be­nen­falls oh­ne In­vol­vie­rung ei­nes ver­fas­sungs­mä­ßig be­ru­fe­nen Ver­tre­ters mög­lich ge­we­sen sein soll, ob­wohl es sich um ei­ne un­ter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dung von er­heb­li­cher Be­deu­tung ge­han­delt hat.

LG Dort­mund, Ur­teil vom 06.06.2017 – 12 O 228/16

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Kei­ne Er­satz­lie­fe­rung ei­nes VW Ti­gu­an II für ei­nen VW Ti­gu­an I im VW-Ab­gas­skan­dal

  1. Dass die Soft­ware, die in ei­nem vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Neu­wa­gen zum Ein­satz kommt, ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung i. S. von Art. 3 Nr. 10, 5 II der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 ist, steht auf­grund ei­nes an­de­re Be­hör­den und Ge­rich­te bin­den­den be­stands­kräf­ti­gen Be­scheids des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes vom 15.10.2015 fest. Das Vor­han­den­sein ei­ner un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung stellt ei­nen Sach­man­gel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB dar.
  2. Der Käu­fer ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen VW Ti­gu­an 2.0 TDI BMT Sport & Style der ers­ten Ge­ne­ra­ti­on hat schon des­halb kei­nen An­spruch auf Er­satz­lie­fe­rung (§§ 437 Nr. 1, 439 I Fall 2 BGB), weil Fahr­zeu­ge der ers­ten Ge­ne­ra­ti­on nicht mehr her­ge­stellt wer­den und des­halb ei­ne Er­satz­lie­fe­rung i. S. des § 275 I BGB un­mög­lich ist.
  3. Die Er­satz­lie­fe­rung (§ 439 I Fall 2 BGB) ei­nes VW Ti­gu­an II kann der Käu­fer ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen VW Ti­gu­an I auch dann nicht ver­lan­gen, wenn Be­stand­teil des Kauf­ver­tra­ges ein Än­de­rungs­vor­be­halt i. S. des § 308 Nr. 4 BGB ist. Ein sol­cher Vor­be­halt er­wei­tert näm­lich ein­sei­tig die Rech­te des Ver­käu­fers, wäh­rend er gleich­zei­tig die Rech­te des Käu­fers auf ei­ne Bil­lig­keits­kon­trol­le be­schränkt. Er kann des­halb bei ei­ner Aus­le­gung des Kauf­ver­tra­ges nicht zur Be­grün­dung ei­ner Be­nach­tei­li­gung des Ver­käu­fers bei gleich­zei­ti­ger Er­wei­te­rung der Rech­te des Käu­fers her­an­ge­zo­gen wer­den.
  4. Bei der ge­mäß § 439 III 3 BGB er­for­der­li­chen Prü­fung, ob auf ei­ne Nach­bes­se­rung (§ 439 I Fall 1 BGB) oh­ne er­heb­li­che Nach­tei­le für den Käu­fer ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Neu­wa­gens zu­rück­ge­grif­fen wer­den kann, ist zu be­rück­sich­ti­gen, dass der Käu­fer das Fahr­zeug oh­ne je­de Ein­schrän­kung nut­zen kann, mit­hin der dem Fahr­zeug an­haf­ten­de Man­gel nur ei­ne ge­rin­ge Be­deu­tung hat. Fer­ner steht auf­grund ei­nes ent­spre­chen­den Frei­ga­be­be­scheids des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes fest, dass ei­ne Nach­bes­se­rung durch In­stal­la­ti­on ei­nes Soft­ware­up­dates kei­ne tech­ni­schen Nach­tei­le (z. B. Er­hö­hung des Kraft­stoff­ver­brauchs, Er­hö­hung des CO2-Aus­sto­ßes, Ver­rin­ge­rung der Mo­tor­leis­tung) zur Fol­ge hat.
  5. Bei der Prü­fung, ob ei­ne Er­satz­lie­fe­rung (§ 439 I Fall 2 BGB) im Ver­gleich zu ei­ner Nach­bes­se­rung (§ 439 I Fall 1 BGB) ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Neu­wa­gens mit un­ver­hält­nis­mä­ßi­gen Kos­ten ver­bun­den ist, sind die Kos­ten für die Ent­wick­lung des zur Nach­bes­se­rung er­for­der­li­chen Soft­ware­up­dates nur an­tei­lig für das ein­zel­ne Fahr­zeug zu be­rück­sich­ti­gen.

LG Braun­schweig, Ur­teil vom 01.06.2017 – 3 O 1276/16

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Kei­ne scha­dens­er­satz­recht­li­che Haf­tung der Volks­wa­gen AG für ei­nen vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Ško­da Su­perb

  1. Ei­ne Kla­ge, mit der der Käu­fer ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeugs die Fest­stel­lung be­gehrt, dass die – am Kauf­ver­trag nicht be­tei­lig­te – Volks­wa­gen AG für Schä­den, die aus der Ma­ni­pu­la­ti­on des Fahr­zeugs re­sul­tier­ten, ein­ste­hen müs­se, ist un­zu­läs­sig, wenn der Käu­fer der Sa­che nach die Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­tra­ges be­gehrt. Dann näm­lich ist es dem Käu­fer mög­lich und zu­mut­bar, mit ei­ner ge­gen die Volks­wa­gen AG ge­rich­te­ten Leis­tungs­kla­ge die Rück­zah­lung des um ei­ne Nut­zungs­ent­schä­di­gung ver­min­der­ten Kauf­prei­ses zu ver­lan­gen.
  2. Die Volks­wa­gen AG ist dem Käu­fer ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Pkw, den nicht sie selbst, son­dern (hier) die Ško­da Au­to, a.s. her­ge­stellt hat, nicht ge­mäß § 823 II BGB i. V. mit § 263 StGB zum Scha­dens­er­satz ver­pflich­tet.
  3. In­dem die Volks­wa­gen AG be­stimm­te von ihr her­ge­stell­te Mo­to­ren mit ei­ner Soft­ware aus­ge­stat­tet hat, die (nur) wäh­rend ei­nes Emis­si­ons­tests ei­ne Ver­rin­ge­rung des Schad­stoff­aus­sto­ßes be­wirkt, hat den Käu­fern vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­ner Fahr­zeu­ge nicht in ei­ner ge­gen die gu­ten Sit­ten ver­sto­ßen­den Wei­se vor­sätz­lich Scha­den zu­fügt. Ins­be­son­de­re hat die Volks­wa­gen AG die Käu­fer die­ser Fahr­zeu­ge nicht arg­lis­tig über de­ren (tat­säch­li­chen) Schad­stoff­aus­stoß ge­täuscht. Denn Aus­sa­gen ei­nes Fahr­zeug­her­stel­lers zum Schad­stoff­aus­stoß be­zie­hen sich stets nur auf die un­ter La­bor­be­din­gun­gen ge­mes­se­nen Emis­sio­nen und nicht auf die Emis­sio­nen beim re­gu­lä­ren Be­trieb im Stra­ßen­ver­kehr.
  4. Die Typ­ge­neh­mi­gung ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeugs ist nicht ge­mäß § 19 II 2 Nr. 3, VII StV­ZO (ana­log) au­to­ma­tisch er­lo­schen. Das er­gibt sich (auch) aus § 25 III EG-FGV, wo­nach die Typ­ge­neh­mi­gung „ins­be­son­de­re“ un­ter den dort ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen ganz oder teil­wei­se wi­der­ru­fen oder zu­rück­ge­nom­men wer­den „kann“.

LG Braun­schweig, Ur­teil vom 01.06.2017 – 11 O 3683/16

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Un­zu­mut­bar­keit der Nach­bes­se­rung ei­nes von VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeugs

  1. Ein vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nes Fahr­zeug ist man­gel­haft, weil dar­in ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung i. S. der Art. 3 Nr. 10, Art. 5 II der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 zum Ein­satz kommt und des­halb das Ri­si­ko be­stand und be­steht, dass die EG-Typ­zu­las­sung und die Be­triebs­er­laub­nis des – nicht zu­las­sungs­fä­hi­gen – Fahr­zeugs kei­nen Be­stand ha­ben wer­den.
  2. Bei der Be­ur­tei­lung, ob dem Käu­fer ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dals be­trof­fe­nen Fahr­zeugs ei­ne Nach­bes­se­rung in zeit­li­cher Hin­sicht un­zu­mut­bar (§ 440 Satz 1 Fall 3 BGB) ist, muss au­ßer Be­tracht blei­ben, dass vom VW-Ab­gas­skan­dal ei­ne Viel­zahl von Fahr­zeu­gen be­trof­fen ist. Denn dies hat der Käu­fer eben­so we­nig zu ver­ant­wor­ten wie et­wa Schwie­rig­kei­ten bei der Ent­wick­lung des zur Nach­bes­se­rung er­for­der­li­chen Soft­ware­up­dates, so­dass er sich nicht mit dem Ver­weis auf die gro­ße Zahl der vom VW-Ab­gas­skan­dal Ge­schä­dig­ten ab­spei­sen las­sen muss.
  3. Ei­ne Nach­bes­se­rung ist dem Käu­fer ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeugs mit Blick dar­auf, dass ihn die Volks­wa­gen AG arg­lis­tig ge­täuscht hat, auch dann un­zu­mut­bar (§ 440 Satz 1 Fall 3 BGB), wenn die Volks­wa­gen AG nicht Par­tei des Kauf­ver­tra­ges ist. Denn der Ver­käu­fer des Fahr­zeugs kann ei­ne Nach­bes­se­rung schon des­halb nicht ei­gen­stän­dig durch­füh­ren, weil er da­für ein von der Volks­wa­gen AG ent­wi­ckel­tes Soft­ware­up­date be­nö­tigt, des­sen In­stal­la­ti­on ein bloß un­ter­ge­ord­ne­ter Akt der ge­sam­ten Nach­bes­se­rung ist. Hin­sicht­lich der Nach­bes­se­rung ist die Volks­wa­gen AG des­halb Er­fül­lungs­ge­hil­fin (§ 278 BGB) des Ver­käu­fers, und der Käu­fer müss­te sich auf sie ver­las­sen, ob­wohl sie sich als un­zu­ver­läs­sig er­wie­sen hat. Dies ist ihm nicht zu­zu­mu­ten.
  4. Dar­an, dass dem Käu­fer ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeugs ei­ne Nach­bes­se­rung i. S. des § 440 Satz 1 Fall 3 BGB un­zu­mut­bar ist, än­dert nichts, dass die Nach­bes­se­rung un­ter der be­hörd­li­chen Auf­sicht des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes statt­fän­de. Denn die Volks­wa­gen AG hat das Kraft­fahrt-Bun­des­amt schon ein­mal ge­täuscht, und es ist kei­nes­wegs aus­ge­schlos­sen, dass sie auch bei der Nach­bes­se­rung der be­trof­fe­nen Fahr­zeu­ge Maß­nah­men er­greift, mit de­nen das Kraft­fahrt-Bun­des­amt (wie­der­um) nicht rech­net und die des­halb eben­so un­ent­deckt blei­ben wie ur­sprüng­lich die „Schum­mel­soft­ware“.
  5. In Fäl­len, in de­nen dem Käu­fer ei­ne Nach­bes­se­rung i. S des § 440 Satz 1 Fall 3 BGB un­zu­mut­bar ist, kann bei der Prü­fung, ob ei­nem Rück­tritt vom Kauf­ver­trag § 323 V 2 BGB ent­ge­gen­steht, nicht auf die Män­gel­be­sei­ti­gungs­kos­ten und ihr Ver­hält­nis zum Kauf­preis ab­ge­stellt wer­den. An­dern­falls wür­de der Käu­fer fak­tisch zu ei­ner ihm un­zu­mut­ba­ren Nach­bes­se­rung ge­zwun­gen.
  6. Die – nicht Par­tei des Kauf­ver­tra­ges ge­wor­de­ne – Volks­wa­gen AG hat den Käu­fer ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeugs ge­mäß §§ 823 II, 31 BGB i. V. § 263 I StGB so zu stel­len, als hät­te er das Fahr­zeug nicht er­wor­ben. Das be­trü­ge­ri­sche Ver­hal­ten ih­rer Mit­ar­bei­ter im Zu­sam­men­hang mit dem Ab­gas­skan­dal muss sich die Volks­wa­gen AG je­den­falls dann zu­rech­nen las­sen, wenn sie trotz ei­ner sie tref­fen­den se­kun­dä­ren Dar­le­gungs­last nicht vor­trägt, wer die Ent­schei­dung, ei­ne „Schum­mel­soft­ware“ zu ent­wi­ckeln und in Mil­lio­nen von Fahr­zeu­gen zu in­stal­lie­ren, ge­trof­fen hat und wie die­se mit ho­hen Ri­si­ken ver­bun­de­ne Ent­schei­dung von enor­mer wirt­schaft­li­cher Reich­wei­te ih­rem Vor­stand un­be­kannt ge­blie­ben sein kann.

LG Mön­chen­glad­bach, Ur­teil vom 01.06.2017 – 10 O 84/16

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