1. Art. 138 II lit. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem steht dem entgegen, dass nationale Vorschriften den Anspruch auf Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung eines neuen Fahrzeugs von der Voraussetzung abhängig machen, dass der Erwerber dieses Fahrzeugs im Bestimmungsmitgliedstaat des Fahrzeugs niedergelassen oder wohnhaft ist.
  2. Art. 138 II lit. a der Richtlinie 2006/112 ist dahin auszulegen, dass die Befreiung einer Lieferung eines neuen Fahrzeugs von der Steuer im Liefermitgliedstaat nicht allein deshalb verweigert werden darf, weil dieses Fahrzeug Gegenstand einer nur vorübergehenden Zulassung im Bestimmungsmitgliedstaat war.
  3. Art. 138 II lit. a der Richtlinie 2006/112 steht dem entgegen, dass der Verkäufer eines neuen Fahrzeugs, das vom Erwerber in einen anderen Mitgliedstaat befördert und in diesem Mitgliedstaat zugelassen wird, später verpflichtet ist, die Mehrwertsteuer zu entrichten, wenn nicht bewiesen ist, dass die vorübergehende Zulassung ausgelaufen ist und dass die Mehrwertsteuer im Bestimmungsmitgliedstaat entrichtet wurde oder wird.
  4. Art. 138 II lit. a der Richtlinie 2006/112 sowie die Grundsätze der Rechtssicherheit, der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes stehen dem entgegen, dass der Verkäufer eines neuen Fahrzeugs, das vom Erwerber in einen anderen Mitgliedstaat befördert und in diesem Mitgliedstaat vorübergehend zugelassen wird, im Fall eines vom Erwerber begangenen Steuerbetrugs später verpflichtet ist, die Mehrwertsteuer zu entrichten, sofern nicht anhand objektiver Elemente bewiesen ist, dass dieser Verkäufer wusste oder hätte wissen müssen, dass der Umsatz mit einem Steuerbetrug des Erwerbers verknüpft war, und dass er nicht alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um seine Beteiligung an diesem Steuerbetrug zu verhindern. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts zu prüfen, ob dies auf der Grundlage einer umfassenden Beurteilung aller Gesichtspunkte und tatsächlichen Umstände des Ausgangsverfahrens der Fall ist.

EuGH (Neunte Kammer), Urteil vom 14.06.2017 – C-26/16 (Santogal M-Comércio e Reparação de Automóveis Lda/Autoridade Tributária e Aduaneira)

Das vorliegende Urteil betrifft die Auslegung von Art. 138 II lit. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006 L 347, 1; im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie). Es erging im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Santogal M-Comércio e Reparação de Automóveis Lda (im Folgenden: Santogal) und der Autoridade Tributária e Aduaneira (Zoll- und Steuerverwaltung, Portugal), in dem es um die Weigerung der Behörde ging, einen Umsatz als innergemeinschaftliche Lieferung eines neuen Fahrzeugs von der Mehrwertsteuer zu befreien.

Sachverhalt: Santogal ist eine Handelsgesellschaft, die im Automobilhandel in Portugal tätig ist.

Mit einer auf den 26.01.2010 datierten Rechnung verkaufte Santogal zu einem Preis von 447.665 € ein Neufahrzeug, das sie zuvor von der Mercedes-Benz Portugal, S. A. erworben hatte und dessen Verbringung in das portugiesische Staatsgebiet durch eine Zollanmeldung vom 25.05.2009 festgestellt worden war.

Beim Verkauf teilte der Erwerber, ein angolanischer Staatsangehöriger, Santogal mit, er habe in Spanien einen Wohnsitz und wolle das Fahrzeug dort zu seinem persönlichen Gebrauch verwenden. Er werde den Wagen deshalb nach Spanien versenden und selbst die Beförderung übernehmen. In Spanien werde das Fahrzeug einer technischen Überprüfung unterzogen und anschließend zugelassen werden. Der Erwerber legte Santogal seine spanische Ausländeridentifikationsnummer (NIE), ein ihm am 02.05.2008 vom Ministério del Interior, Dirección General de la Policia y de la Guardia Civil – Comunidad Tui-Valencia (Innenministerium, Generaldirektion Polizei und Zivilgarde – Gemeinde Tui-Valencia, Spanien) erteiltes Dokument zur Bescheinigung seiner Eintragung in das zentrale Ausländerregister unter dieser Ausländeridentifikationsnummer und eine Kopie seines angolanischen Reisepasses vor. Die vom Erwerber beim Verkauf angegebene Anschrift stimmt nicht mit der im Dokument vom 02.05.2008 aufgeführten Anschrift überein.

Angesichts der genannten Dokumente ging Santogal davon aus, dass der Verkauf nach Art. 14 lit. b RITI von der Mehrwertsteuer befreit sei. Folglich wurde in Portugal keine Mehrwertsteuer entrichtet.

Das Fahrzeug wurde in einem komplett geschlossenen Anhänger nach Spanien transportiert.

Nachdem es dort eine technische Überprüfung durchlaufen hatte, übersandte der Erwerber Santogal auf deren Bitte zur Vervollständigung der Verkaufsunterlagen zwei Dokumente: zum einen eine am 11.02.2010 erteilte Bescheinigung über die technische Überprüfung und zum anderen eine am 18.02.2010 erteilte Bescheinigung der Zulassung in Spanien. Letztere Bescheinigung, in der eine Anschrift des Erwerbers angegeben war, die weder mit der von ihm beim Verkauf genannten Anschrift noch mit der Anschrift in dem Dokument vom 02.05.2008 übereinstimmte, bezog sich auf eine „touristische“ Zulassung, die am 17.02.2011 auslief. Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts ist die touristische Zulassung eine vorübergehende Zulassung, wobei die übliche Nutzungszeit sechs Monate innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten beträgt und von den Behörden verlängert werden kann. Sie kann nur Personen erteilt werden, deren gewöhnlicher Aufenthalt nicht in Spanien liegt.

Infolge der Informationen, die Santogal im Februar 2011 übermittelte, um die Zollanmeldung vom 25.05.2009 für ungültig erklären zu lassen, reichte die Mercedes-Benz Portugal, S. A. am 03.03.2011 eine ergänzende Zollanmeldung ein, mit der die besagte Zollanmeldung aufgrund der Versendung des Fahrzeugs für ungültig erklärt werden sollte. Die Zollanmeldung vom 25.05.2009 wurde von den zuständigen portugiesischen Behörden für ungültig erklärt.

Mit Schreiben vom 24.10.2013 empfahl die Direção de Serviços Antifraude Aduaneira (Direktion für Betrugsbekämpfung im Zollbereich, Portugal) der Direção de Finanças de Lisboa (Finanzdirektion Lissabon, Portugal), die Festsetzung der für den Verkauf des Fahrzeugs geschuldeten Mehrwertsteuer anzuordnen. Sie wies unter anderem darauf hin, dass der Erwerber in Portugal wohne und dort als Geschäftsführer einer Gesellschaft eingetragen sei. Ferner hätten die spanischen Behörden in Beantwortung eines Auskunftsersuchens erklärt, dass der Erwerber 2010 nicht als in Spanien wohnhaft anzusehen gewesen sei und in Spanien niemals eine Steuererklärung eingereicht habe.

In der Folgezeit wurde bei Santogal eine teilweise interne Kontrolle zur Mehrwertsteuer für Januar 2010 durchgeführt. In diesem Zusammenhang fertigte die Steuer- und Zollverwaltung einen Bericht, in dem sie feststellte, dass der Verkauf des Fahrzeugs nicht unter die in Art. 14 RITI vorgesehenen Befreiungen falle, da, was die Befreiung nach Buchstabe b dieser Bestimmung betreffe, der Erwerber nicht in Spanien wohnhaft sei und dort keiner Tätigkeit nachgehe. Überdies besitze der Erwerber nach den Informationen der Steuer- und Zollverwaltung eine portugiesische Steuernummer, die vor 2001 vergeben worden sei, und habe seinen Wohnsitz in Portugal.

Im Anschluss an diese Kontrolle setzte die Steuer- und Zollverwaltung am 14.10.2014 eine zusätzliche Mehrwertsteuerschuld in Höhe von 89.533 € sowie Ausgleichszinsen für den Zeitraum vom 12.03.2010 bis zum 20.08.2014 in Höhe von 15.914,80 € fest. Santogal beglich diese Beträge im Dezember 2014.

Santogal erhob beim vorlegenden Gericht Klage auf Aufhebung dieser Festsetzungen sowie auf Schadensersatz. Sie machte unter anderem geltend, die von der Steuer- und Zollverwaltung vertretene Auslegung von Art. 14 lit. b RITI sei mit Art. 138 II der Mehrwertsteuerrichtlinie, der unmittelbar anwendbar sei, nicht vereinbar. Auch könne ihr ein etwaiger Mehrwertsteuerbetrug des Erwerbers nicht entgegengehalten werden.

Im Vorabentscheidungsersuchen äußert das vorlegende Gericht zunächst Zweifel am Wohnort des Erwerbers zum Zeitpunkt des Verkaufs des fraglichen Fahrzeugs. Insbesondere weist das Gericht darauf hin, dass der gewöhnliche Aufenthaltsort des Erwerbers nicht in Spanien liege. Es sei jedoch nicht bewiesen, dass er zum Zeitpunkt des Verkaufs in Portugal gewohnt habe. Überdies enthielten die dem Gericht vorliegenden Akten keine Informationen zur Entrichtung der für das Fahrzeug geschuldeten Mehrwertsteuer in Spanien und keine Angaben dazu, was mit dem Fahrzeug nach der Erteilung der touristischen Zulassung geschehen sei. Ebenso wenig sei bewiesen, dass die touristische Zulassung nach den vom spanischen Recht vorgesehenen Modalitäten erloschen sei.

Sodann sei nicht nachgewiesen, dass Santogal mit dem Erwerber zusammengewirkt habe, um die Entrichtung der Mehrwertsteuer auf den Verkauf des Fahrzeugs zu umgehen. Vielmehr gehe aus den dem Gericht vorgelegten Beweisen hervor, dass Santogal auf die Einhaltung der Voraussetzungen für die Mehrwertsteuerbefreiung geachtet habe. Weder die Zollagenten noch die Zollbehörde hätten bezweifelt, dass die Dokumente ausreichend gewesen seien, um die Zollanmeldung vom 25. Mai 2009 für ungültig zu erklären, und dem Schreiben der Direktion für Betrugsbekämpfung im Zollbereich vom 24.10.2013 lägen ergänzende Informationen zugrunde, die Santogal nicht zugänglich gewesen seien.

Schließlich ist das vorlegende Gericht unter Bezugnahme auf das EuGH-Urteil vom 07.12.2010 (C-285/09, EU:C:2010:742 – R.), der Auffassung, dass die Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht eindeutig auf die Fragen antworte, die sich in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit stellten.

Unter diesen Umständen hat das Tribunal Arbitral Tributário (Centro de Arbitragem Administrativa – CAAD; Schiedsgericht für Steuerangelegenheiten, Zentralstelle für das Verwaltungsschiedsverfahren, Portugal) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Läuft es Art. 138 II lit. a der Mehrwertsteuerrichtlinie zuwider, wenn innerstaatliche Rechtsvorschriften wie Art. 1 lit. e und Art. 14 lit. b RITI für die Anerkennung der Mehrwertsteuerbefreiung bei einer entgeltlichen Lieferung neuer Fahrzeuge, die vom Erwerber aus dem Inland in einen anderen Mitgliedstaat befördert werden, verlangen, dass der Erwerber im Bestimmungsmitgliedstaat niedergelassen oder wohnhaft ist?

2. Steht Art. 138 II lit. a der Mehrwertsteuerrichtlinie einer Verweigerung der Steuerbefreiung im Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung in einer Situation entgegen, in der das erworbene Fahrzeug nach Spanien befördert wurde, wo es Gegenstand einer touristischen Zulassung war, die vorübergehender Natur ist und der spanischen Steuerregelung unterliegt?

3. Läuft es Art. 138 II lit. a der Mehrwertsteuerrichtlinie zuwider, wenn von dem Verkäufer des neuen Fahrzeugs die Entrichtung der Mehrwertsteuer in einer Situation verlangt wird, in der weder geklärt ist, ob die touristische Zulassung auf eine der vom spanischen Recht vorgesehenen Arten erloschen ist oder nicht, noch, ob infolge des Erlöschens dieser Zulassung Mehrwertsteuer entrichtet wurde oder noch entrichtet wird?

4. Läuft es Art. 138 II lit. a der Mehrwertsteuerrichtlinie sowie den Grundsätzen der Rechtssicherheit, der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes zuwider, wenn von dem Verkäufer eines neuen Fahrzeugs, das in einen anderen Mitgliedstaat versandt wird, die Entrichtung der Mehrwertsteuer in einer Situation verlangt wird, in der

  • der Erwerber dem Verkäufer vor der Versendung mitgeteilt hat, dass er im Bestimmungsmitgliedstaat wohne, und ihm ein Dokument vorgelegt hat, das nachweist, dass ihm in diesem Mitgliedstaat eine Ausländeridentifikationsnummer erteilt wurde, und in dem Dokument ein Wohnsitz in diesem Mitgliedstaat angegeben ist, der nicht mit dem vom Erwerber angegebenen übereinstimmt;
  • der Erwerber dem Verkäufer nachträglich Unterlagen vorgelegt hat, die belegen, dass das erworbene Fahrzeug im Bestimmungsmitgliedstaat einer technischen Überprüfung unterzogen wurde und ihm dort eine touristische Zulassung erteilt wurde;
  • nicht bewiesen ist, dass der Verkäufer mit dem Erwerber im Sinne einer Vermeidung der Mehrwertsteuerentrichtung zusammengewirkt hat;
  • die Zollbehörden auf der Grundlage der Unterlagen, über die der Verkäufer verfügte, der Aufhebung der das Fahrzeug betreffenden Zollanmeldung keine Hindernisse in den Weg gelegt haben?

Der EuGH hat diese Frage wie aus den Leitsätzen ersichtlich beantwortet.

Aus den Gründen: Zur Zulässigkeit

[26]   Die portugiesische Regierung macht geltend, dass die Vorlagefragen aus drei Gründen unzulässig seien.

[27]   Erstens macht diese Regierung geltend, dass die Vorlagefragen so, wie sie in der Vorlageentscheidung formuliert seien, Art. 138 II lit. b der Mehrwertsteuerrichtlinie beträfen, der im Rahmen des Ausgangsrechtsstreits nicht einschlägig sei. Der Umstand, dass eines der Mitglieder des vorlegenden Gerichts diesem eine E-Mail gesandt habe, in der ausgeführt werde, dass die einschlägige Bestimmung Art. 138 II lit. a der Mehrwertsteuerrichtlinie sei, und dass eine Kopie dieser E-Mail der Vorlageentscheidung beigefügt worden sei, könne angesichts der Verfahrensvorschriften des innerstaatlichen Rechts und der den Mitgliedstaaten zuerkannten Garantie, ihre Erklärungen abzugeben, keine Berichtigung des ursprünglichen Fehlers zur Folge haben.

[28]   Es ist darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass ein nationales Gericht eine Vorlagefrage ihrer Form nach unter Bezugnahme auf bestimmte Vorschriften des Unionsrechts formuliert hat, den Gerichtshof nicht daran hindert, diesem Gericht unabhängig davon, worauf es in seinen Fragen Bezug genommen hat, alle Auslegungshinweise zu geben, die ihm bei der Entscheidung der bei ihm anhängigen Rechtssache von Nutzen sein können. Der Gerichtshof hat insoweit aus dem gesamten vom einzelstaatlichen Gericht vorgelegten Material, insbesondere der Begründung der Vorlageentscheidung, diejenigen Elemente des Unionsrechts herauszuarbeiten, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Rechtsstreits einer Auslegung bedürfen (vgl. in diesem Sinne EuGH, Urt. v. 21.06.2016 – C-15/15, EU:C:2016:464 Rn. 29 – New Valmar, Urt. v. 29.09.2016 – C-492/14, EU:C:2016:732 Rn. 43 – Essent Belgium – und die dort angeführte Rechtsprechung).

[29]   Im vorliegenden Fall ergibt sich, wie der Generalanwalt in den Nrn. 21 bis 23 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, aus den Gründen der Vorlageentscheidung zweifelsfrei, dass sich die Fragen des nationalen Gerichts auf die Auslegung beziehen, die Art. 138 II lit. a der Mehrwertsteuerrichtlinie zu geben ist, auch wenn sich das Gericht in seiner Entscheidung irrtümlich auf Art. 138 II lit. b der Richtlinie bezogen hat. Außerdem hat das Gericht diesen Irrtum in einer der Entscheidung beigefügten E-Mail berichtigt.

[30]   Zweitens ist die portugiesische Regierung der Auffassung, dass die Darstellung des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens Ungenauigkeiten und Widersprüche aufweise und dass es dieser Darstellung an Klarheit fehle.

[31]   Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs spricht eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen des nationalen Gerichts, die es zur Auslegung des Unionsrechts in dem rechtlichen und sachlichen Rahmen stellt, den es in eigener Verantwortung festgelegt und dessen Richtigkeit der Gerichtshof nicht zu prüfen hat. Der Gerichtshof darf die Entscheidung über ein Ersuchen eines nationalen Gerichts nur dann verweigern, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (EuGH, Urt. v. 18.12.2014 – C-131/13, C-163/13 und C-164/13, EU:C:2014:2455 Rn. 31 – Schoenimport „Italmoda“ Mariano Previti u. a. – und die dort angeführte Rechtsprechung).

[32]   Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Beschreibung des Sachverhalts, den das vorlegende Gericht liefert, ausreichend ist, um den Gerichtshof in die Lage zu versetzen, auf die gestellten Fragen zweckdienlich zu antworten.

[33]   Drittens macht die portugiesische Regierung geltend, dass die Vorlagefragen hypothetisch seien, da das vorlegende Gericht bereits ausgeführt habe, ob zu Recht oder zu Unrecht, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Mehrwertsteuerfestsetzung an einem Begründungsmangel leide und dass sie deshalb unabhängig von der Antwort des Gerichtshofs auf diese Fragen aufzuheben sei.

[34]   Wie der Generalanwalt in Nr. 26 seiner Schlussanträge dargelegt hat, erlaubt nichts in der Vorlageentscheidung die sichere Annahme, dass diese Festsetzung unabhängig von der Antwort auf die Vorlagefragen aufgehoben wird. Es ist jedenfalls nicht zweifelhaft, dass Art. 138 II lit. a der Mehrwertsteuerrichtlinie einen Zusammenhang mit dem Gegenstand des Ausgangsverfahrens aufweist, der die Frage betrifft, ob die Weigerung, einen Umsatz in Bezug auf ein neues Fahrzeug von der Mehrwertsteuer zu befreien, mit dieser Bestimmung vereinbar ist.

[35]   Daher sind die Vorlagefragen zulässig.

Zur ersten Frage

[36]   Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 138 II lit. a der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass er dem entgegensteht, dass nationale Vorschriften den Anspruch auf Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung eines neuen Fahrzeugs von der Voraussetzung abhängig machen, dass der Erwerber dieses Fahrzeugs im Bestimmungsmitgliedstaat des Fahrzeugs niedergelassen oder wohnhaft ist.

[37]   Vorab ist darauf hinzuweisen, dass diese Frage im Rahmen der Mehrwertsteuerübergangsregelung für den innergemeinschaftlichen Handel gestellt wird, die durch die Richtlinie 91/680/EWG des Rates vom 16.12.1991 zur Ergänzung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG im Hinblick auf die Beseitigung der Steuergrenzen (ABl. 1991 L 376, 1) eingeführt worden ist. Diese Regelung beruht auf der Einführung eines neuen Steuertatbestands, des innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen, der es ermöglicht, die Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt, zu verlagern (EuGH, Urt. v. 18.11.2010 – C-84/09, EU:C:2010:693 Rn. 22 – X. – und die dort angeführte Rechtsprechung).

[38]   Auf diese Weise sollte dieser Mechanismus, bestehend aus zum einen einer Befreiung der Lieferung, die zu einer innergemeinschaftlichen Versendung oder Beförderung führt, durch den Mitgliedstaat des Beginns der Versendung oder Beförderung, ergänzt durch das Recht zum Abzug oder zur Erstattung der in diesem Mitgliedstaat entrichteten Vorsteuer, und zum anderen einer Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs durch den Ankunftsmitgliedstaat, eine klare Abgrenzung der Steuerhoheit der Mitgliedstaaten gewährleisten (EuGH, Urt. v. 18.11.2010 – C-84/09, EU:C:2010:693 Rn. 23 – X. – und die dort angeführte Rechtsprechung).

[39]   Was insbesondere die Regeln für die Besteuerung des Erwerbs von neuen Fahrzeugen betrifft, geht aus dem elften Erwägungsgrund der Mehrwertsteuerrichtlinie hervor, dass diese Regeln neben der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse außerdem noch das Ziel verfolgen, Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Mitgliedstaaten, die sich aus der Anwendung unterschiedlicher Steuersätze ergeben können, vorzubeugen (EuGH, Urt. v. 18.11.2010 – C-84/09, EU:C:2010:693 Rn. 24 – X.).

[40]   Vor diesem Hintergrund und im Licht dieser Zielsetzungen ist Art. 138 II lit. a der Mehrwertsteuerrichtlinie auszulegen.

[41]   Diese Bestimmung sieht vor, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, Lieferungen neuer Fahrzeuge, die die in ihr abschließend (vgl. entsprechend EuGH, Urt. v. 06.09.2012 – C-273/11, EU:C:2012:547 Rn. 59 – Mecsek-Gabona) aufgezählten materiellen Bedingungen erfüllen, von der Steuer befreit werden (vgl. entsprechend EuGH, Urt. v. 09.10.2014 – C-492/13, EU:C:2014:2267 Rn. 46 – Traum).

[42]   Nach dieser Vorschrift befreien die Mitgliedstaaten die Lieferungen neuer Fahrzeuge, die durch den Verkäufer, den Erwerber oder für ihre Rechnung an den Erwerber nach Orten außerhalb ihres jeweiligen Gebiets, aber innerhalb der Union versandt oder befördert werden, von der Steuer, wenn die Lieferungen an steuerpflichtige oder nicht steuerpflichtige juristische Personen, deren innergemeinschaftliche Erwerbe von Gegenständen gemäß Art. 3 I der Mehrwertsteuerrichtlinie nicht der Mehrwertsteuer unterliegen, oder an eine andere nicht steuerpflichtige Person bewirkt werden.

[43]   Daher ist, wie der Generalanwalt in den Nrn. 38 und 39 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die Befreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung eines neuen Fahrzeugs nur anwendbar, wenn das Recht, über dieses Fahrzeug wie ein Eigentümer zu verfügen, auf den Erwerber übertragen worden ist, wenn der Verkäufer nachweist, dass dieses Fahrzeug in einen anderen Mitgliedstaat versandt oder befördert worden ist, und wenn derselbe Gegenstand aufgrund dieses Versands oder dieser Beförderung das Gebiet des Liefermitgliedstaats physisch verlassen hat (vgl. entsprechend EuGH, Urt. v. 18.11.2010 – C-84/09, EU:C:2010:693 Rn. 27 – X.; Urt. v. 06.09.2012 – C-273/11, EU:C:2012:547 Rn. 31 – Mecsek-Gabonaund – die dort angeführte Rechtsprechung).

{44]   Hingegen unterliegt angesichts des Wortlauts von Art. 138 II lit. a der Mehrwertsteuerrichtlinie die Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung eines neuen Fahrzeugs nicht der Voraussetzung, dass der Erwerber im Bestimmungsmitgliedstaat niedergelassen oder wohnhaft ist.

{45]   Eine solche Voraussetzung vorzuschreiben, widerspräche außerdem der Systematik dieser Bestimmung sowie dem Hintergrund und den Zielsetzungen der Mehrwertsteuerübergangsregelung für den innergemeinschaftlichen Handel, wie sie in den Rn. 37 bis 39 des vorliegenden Urteils in Erinnerung gerufen wurden. Denn indem die Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung allein deshalb verweigert würde, weil der Erwerber des neuen Fahrzeugs nicht im Bestimmungsmitgliedstaat niedergelassen oder wohnhaft ist, unabhängig von der Erfüllung der materiellen Bedingungen für die Befreiung, würde der Liefermitgliedstaat veranlasst, einen Umsatz zu besteuern, der – vorbehaltlich der Erfüllung der genannten Bedingungen – als innergemeinschaftlicher Erwerb im Bestimmungsmitgliedstaat zu besteuern wäre. Die Folge wäre eine Doppelbesteuerung, die gegen den Grundsatz der Steuerneutralität verstieße.

[46]   Diese Auslegung wird auch durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Einstufung eines Umsatzes, der ein neues Fahrzeug betrifft, als innergemeinschaftlicher Erwerb gestützt.

[47]   Unter Berücksichtigung der Besonderheit eines solchen Umsatzes hat der Gerichtshof nämlich entschieden, dass für seine Einstufung als „innergemeinschaftlicher Erwerb“ eine umfassende Beurteilung aller objektiven tatsächlichen Umstände vorzunehmen ist, die für die Feststellung maßgebend sind, ob der erworbene Gegenstand das Gebiet des Liefermitgliedstaats tatsächlich verlassen hat und, wenn ja, in welchem Mitgliedstaat sein Endverbrauch stattfinden wird. Eine gewisse Bedeutung kann, neben dem zeitlichen Ablauf der Beförderung des Gegenstands, insoweit dem Ort seiner Registrierung und gewöhnlichen Verwendung, dem Wohnort des Erwerbers sowie dem Bestehen oder Fehlen von Verbindungen, die der Erwerber zum Liefermitgliedstaat oder einem anderen Mitgliedstaat unterhält, zukommen (vgl. in diesem Sinne EuGH, Urt. v. 18.11.2010 – C-84/09, EU:C:2010:693, Rn. 41–45 und 50 – X.).

{48]   Aus dieser Rechtsprechung geht hervor, dass der Wohnsitz des Erwerbers eines neuen Fahrzeugs zwar ein einschlägiges Element für die Zwecke der umfassenden Beurteilung darstellt, mit der der Ort des Endverbrauchs ermittelt werden soll, er allein kann jedoch nicht die Einstufung als „innergemeinschaftlichen Erwerb“ und seine Befreiung unter den in Art. 138 II lit. a der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehenen Voraussetzungen bedingen.

[49]   Zudem kann eine Voraussetzung der Niederlassung oder des Wohnsitzes des Erwerbers im Bestimmungsmitgliedstaat auch nicht auf Art. 131 der Mehrwertsteuerrichtlinie gestützt werden.

[50]   Es trifft zwar zu, dass die Mitgliedstaaten gemäß dieser Bestimmung die Bedingungen festlegen, unter denen sie innergemeinschaftliche Lieferungen befreien, um eine korrekte und einfache Anwendung dieser Befreiungen zu gewährleisten und Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaige Missbräuche zu verhüten, jedoch müssen die Mitgliedstaaten bei der Ausübung ihrer Befugnisse die allgemeinen Rechtsgrundsätze, die Teil der Unionsrechtsordnung sind und zu denen unter anderem die Grundsätze der Rechtssicherheit, der Verhältnismäßigkeit und der Steuerneutralität gehören, beachten (vgl. in diesem Sinne EuGH, Urt. v. 18.11.2010 – C-84/09, EU:C:2010:693 Rn. 35 und 37 – X.).

[51]   Die Verweigerung der in Art. 138 II lit. a der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehenen Steuerbefreiung allein deshalb, weil der Erwerber nicht im Bestimmungsmitgliedstaat wohnhaft ist, würde jedoch gegen die Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse verstoßen und könnte den Grundsatz der Steuerneutralität infrage stellen. Wie sich aus Rn. 45 des vorliegenden Urteils ergibt, könnte eine solche Weigerung darüber hinaus die Gefahr einer Doppelbesteuerung zur Folge haben.

[52]   Im Licht der vorstehenden Erwägungen ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 138 II lit. a der Mehrwertsteuerrichtlinie dem entgegensteht, dass nationale Vorschriften den Anspruch auf Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung eines neuen Fahrzeugs von der Voraussetzung abhängig machen, dass der Erwerber dieses Fahrzeugs im Bestimmungsmitgliedstaat des Fahrzeugs niedergelassen oder wohnhaft ist.

Zur zweiten Frage

[53]   Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 138 II lit. a der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass die Befreiung einer Lieferung eines neuen Fahrzeugs von der Steuer im Liefermitgliedstaat verweigert werden kann, wenn dieses Fahrzeug im Bestimmungsmitgliedstaat Gegenstand einer nur vorübergehenden Zulassung war.

[54]   Wie aus der Antwort auf die erste Frage hervorgeht, sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Lieferungen neuer Fahrzeuge von der Steuer zu befreien, wenn die materiellen Voraussetzungen, die in Art. 138 II lit. a der Mehrwertsteuerrichtlinie abschließend aufgezählt sind und die in den Rn. 42 und 43 des vorliegenden Urteils in Erinnerung gerufen wurden, erfüllt sind.

[55]   Die Zulassung des neuen Fahrzeugs im Bestimmungsmitgliedstaat gehört allerdings nicht zu diesen Voraussetzungen.

[56]   Mithin kann die Steuerbefreiung im Liefermitgliedstaat nicht allein deshalb verweigert werden, weil die im Bestimmungsmitgliedstaat erteilte Zulassung, wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende touristische Zulassung, eine vorübergehende, für einen Zeitraum von zwölf Monaten erteilte Zulassung ist.

[57]   Soweit die Kommission und die portugiesische Regierung vortragen, die Erteilung einer solchen Zulassung im Bestimmungsmitgliedstat erlaube es nicht, den Mitgliedstaat der endgültigen Verwendung festzustellen, ist, wie der Generalanwalt in Nr. 55 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, darauf hinzuweisen, dass die Erteilung einer solchen Zulassung nicht automatisch bedeutet, dass sich der Ort der endgültigen Verwendung nicht in diesem Bestimmungsmitgliedstaat befindet. Wie dem Vorabentscheidungsersuchen zu entnehmen ist, kann diese Zulassung nämlich für einen relativ langen Zeitraum, im vorliegenden Fall zwölf Monate, erteilt werden, der verlängert werden oder auf den eine ordentliche Zulassung folgen kann.

[58]   Aus Gründen, die den in Rn. 51 des vorliegenden Urteils dargestellten entsprechen, lässt sich die Schlussfolgerung in Rn. 56 des vorliegenden Urteils nicht dadurch infrage stellen, dass die Mitgliedstaaten gemäß Art. 131 der Mehrwertsteuerrichtlinie die Bedingungen für Befreiungen zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung dieser Befreiungen und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung oder Missbrauch festlegen.

[59]   Im Licht der vorstehenden Erwägungen ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 138 II lit. a der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass die Befreiung einer Lieferung eines neuen Fahrzeugs von der Steuer im Liefermitgliedstaat nicht allein deshalb verweigert werden darf, weil dieses Fahrzeug Gegenstand einer nur vorübergehenden Zulassung im Bestimmungsmitgliedstaat war.

Zur dritten Frage

[60]   Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 138 II lit. a der Mehrwertsteuerrichtlinie dem entgegensteht, dass der Verkäufer eines neuen Fahrzeugs, das vom Erwerber in einen anderen Mitgliedstaat befördert und in diesem Mitgliedstaat vorübergehend zugelassen wird, später verpflichtet ist, die Mehrwertsteuer zu entrichten, wenn nicht bewiesen ist, dass die vorübergehende Zulassung ausgelaufen ist und dass die Mehrwertsteuer im Bestimmungsmitgliedstaat entrichtet wurde oder wird.

[61]   Hierzu ist zunächst daran zu erinnern, dass, wie aus Rn. 50 des vorliegenden Urteils hervorgeht, die Mitgliedstaaten, wenn sie die Bedingungen festlegen, unter denen sie innergemeinschaftliche Lieferungen nach Art. 131 der Mehrwertsteuerrichtlinie von der Steuer befreien, unter anderem die Grundsätze der Rechtssicherheit, der Verhältnismäßigkeit und der Steuerneutralität beachten müssen.

[62]   Sodann hat der Gerichtshof entschieden, dass der Verkäufer den Beweis erbringen muss, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der Befreiung auf eine innergemeinschaftliche Lieferung, einschließlich der von den Mitgliedstaaten aufgestellten Bedingungen zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch, erfüllt sind (vgl. in diesem Sinne EuGH, Urt. v. 27.09.2012 – C-587/10, EU:C:2012:592 Rn. 43 – VSTR – und die dort angeführte Rechtsprechung).

[63]   Schließlich weisen innergemeinschaftliche Umsätze, die sich auf neue Fahrzeuge beziehen, eine Besonderheit dahin auf, dass insbesondere die auf diesen Umsatz entfallende Mehrwertsteuer auch von einer nicht steuerpflichtigen Privatperson zu entrichten ist, für die die Erklärungs- und Rechnungslegungspflichten nicht gelten, sodass sich eine spätere Überprüfung dieser Person als unmöglich erweist, sowie dahin, dass die Privatperson als Endverbraucher selbst dann keinen Vorsteuerabzug geltend machen kann, wenn ein erworbenes Fahrzeug weiterverkauft wird, und deshalb ein größeres Interesse daran hat, sich der Besteuerung zu entziehen, als ein Wirtschaftsteilnehmer (vgl. in diesem Sinne EuGH, Urt. v. 18.11.2010 – C-84/09, EU:C:2010:693 Rn. 42 und 43 – X.).

[64]   Daraus folgt, wie owrap">in Rn. 47 des vorliegenden Urteils in Erinnerung gerufen wurde, dass für die Frage, ob ein Umsatz, der sich auf ein neues Fahrzeug bezieht, als „innergemeinschaftlicher Erwerb“ einzustufen ist, eine umfassende Beurteilung aller objektiven tatsächlichen Umstände vorzunehmen ist, die für die Feststellung maßgebend sind, ob der erworbene Gegenstand das Gebiet des Liefermitgliedstaats tatsächlich verlassen hat und, wenn ja, in welchem Mitgliedstaat sein Endverbrauch stattfinden wird.

[65]   Legt der Verkäufer Unterlagen vor, mit denen die Beförderung oder der Versand des neuen Fahrzeugs durch den Erwerber in einen anderen Mitgliedstaat sowie die, wenn auch nur vorübergehende, Zulassung des Fahrzeugs und dessen Verwendung in diesem Mitgliedstaat nachgewiesen werden sollen, kann der Verkäufer nicht verpflichtet sein, den schlüssigen Beweis zu erbringen, dass dieses Fahrzeug im Bestimmungsmitgliedstaat einer endgültigen Verwendung zugeführt worden und die touristische Zulassung, gegebenenfalls nach Zahlung der Mehrwertsteuer in diesem letzteren Mitgliedstaat, ausgelaufen ist.

[66]   Zum einen hängt nämlich unter solchen Umständen der Nachweis der physischen Verbringung dieses neuen Fahrzeugs an den Ort seiner endgültigen Verwendung, den der Verkäufer den Steuerbehörden vorlegen kann, wesentlich von den Angaben ab, die er zu diesem Zweck vom Erwerber erhält (vgl. entsprechend EuGH, Urt. v. 16.12.2010 – C-430/09, EU:C:2010:786 Rn. 37 – Euro Tyre Holding).

[67]   Zum anderen kann nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs vom Verkäufer nicht verlangt werden, Beweise für die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs der in Rede stehenden Gegenstände vorzulegen, um in den Genuss der Steuerbefreiung der entsprechenden Lieferung zu gelangen (EuGH, Urt. v. 27.09.2012 – C-587/10, EU:C:2012:592 Rn. 55 – VSTR). Den Anspruch auf Steuerbefreiung davon abhängig zu machen, dass der Mitgliedstaat der endgültigen Verwendung des neuen Fahrzeugs im Vorhinein bestimmt ist, liefe indes genau auf die Auferlegung einer solchen Verpflichtung hinaus. Dies könnte nämlich die Beweislast für die Erteilung einer dauerhaften Zulassung, die, gegebenenfalls nach Zahlung der Mehrwertsteuer durch den Erwerber, erfolgen könnte, auf den Verkäufer verlagern.

[68]   Daher würde eine Verpflichtung wie die in Rn. 65 des vorliegenden Urteils nicht zu einer korrekten und einfachen Anwendung der Befreiungen führen.

[69]   Im Licht der vorstehenden Erwägungen ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 138 II lit. a der Mehrwertsteuerrichtlinie dem entgegensteht, dass der Verkäufer eines neuen Fahrzeugs, das vom Erwerber in einen anderen Mitgliedstaat befördert und in diesem Mitgliedstaat zugelassen wird, später verpflichtet ist, die Mehrwertsteuer zu entrichten, wenn nicht bewiesen ist, dass die vorübergehende Zulassung ausgelaufen ist und dass die Mehrwertsteuer im Bestimmungsmitgliedstaat entrichtet wurde oder wird.

Zur vierten Frage

[70]   Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 138 II lit. a der Mehrwertsteuerrichtlinie sowie die Grundsätze der Rechtssicherheit, der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes dem entgegenstehen, dass der Verkäufer eines neuen Fahrzeugs, das vom Erwerber in einen anderen Mitgliedstaat befördert und in diesem Mitgliedstaat vorübergehend zugelassen wird, später verpflichtet ist, die Mehrwertsteuer zu entrichten, wenn der Erwerber unter Berücksichtigung der Umstände des Verkaufs einen Steuerbetrug begangen haben könnte, ohne dass die Beteiligung des Verkäufers an diesem Steuerbetrug nachgewiesen ist.

[71]   Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es nicht gegen das Unionsrecht verstößt, von einem Wirtschaftsteilnehmer zu fordern, dass er in gutem Glauben handelt und alle Maßnahmen ergreift, die vernünftigerweise verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einem Steuerbetrug führt (EuGH, Urt. v. 06.09.2012 – C-273/11, EU:C:2012:547 Rn. 48 – Mecsek-Gabonaund – die dort angeführte Rechtsprechung). Sollte der betreffende Steuerpflichtige gewusst haben oder hätte er wissen müssen, dass der von ihm bewirkte Umsatz mit einem Steuerbetrug des Erwerbers verknüpft war, und hat er nicht alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um diesen zu verhindern, müsste ihm der Anspruch auf Steuerbefreiung versagt werden (EuGH, Urt. v. 06.09.2012 – C-273/11, EU:C:2012:547 Rn. 54 – Mecsek-Gabonaund).

[72]   Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, auf der Grundlage einer umfassenden Beurteilung aller Gesichtspunkte und tatsächlichen Umstände des Ausgangsverfahrens zu prüfen, ob Santogal in gutem Glauben gehandelt und alle Maßnahmen ergriffen hat, die von ihr vernünftigerweise verlangt werden konnten, um sicherzustellen, dass sie sich aufgrund des bewirkten Umsatzes nicht an einem Steuerbetrug beteiligt hat (vgl. in diesem Sinne EuGH, Urt. v. 06.09.2012 – C-273/11, EU:C:2012:547 Rn. 53 – Mecsek-Gabona). Nichtsdestotrotz kann der Gerichtshof dem Gericht alle Auslegungshinweise zum Unionsrecht geben, die ihm von Nutzen sein können.

[73]   Daher ist darauf hinzuweisen, dass sich der Verkäufer bei einem Geschäft, das mit der Bewirkung eines innergemeinschaftlichen Umsatzes, der sich auf ein neues Fahrzeug bezieht, verknüpft ist, nicht nur auf die vom Erwerber geäußerte Absicht verlassen darf, den Gegenstand in einen anderen Mitgliedstaat zu befördern, um ihn dort endgültig zu verbrauchen. Vielmehr muss sich der Verkäufer, wie der Generalanwalt in Nr. 63 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, vergewissern, dass die vom Erwerber geäußerte Absicht durch objektive Elemente gestützt wird (vgl. entsprechend EuGH, Urt. v. 18.11.2010 – C-84/09, EU:C:2010:693 Rn. 47 – X.).

[74]   Es ist festzustellen, dass unter Berücksichtigung der vom Erwerber zum Zeitpunkt des Verkaufs gemachten Angaben vernünftigerweise davon ausgegangen werden konnte, dass dieser Erwerber in Spanien wohnhaft war und dass er die notwendigen Schritte unternommen hatte, um das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Fahrzeug, wenn auch im Rahmen einer speziellen Zulassungsregelung, dort zu verwenden. Es ist jedoch Sache des Gerichts zu prüfen, ob Santogal die erforderliche Sorgfalt hat walten lassen, um sicherzustellen, dass sie sich aufgrund des bewirkten Umsatzes nicht an einem Steuerbetrug beteiligt hatte. Insoweit ist hinzuzufügen, dass Santogal eine erhöhte Sorgfalt walten lassen musste, zum einen angesichts des Wertes des fraglichen Fahrzeugs und zum anderen deshalb, weil eine Privatperson beim Erwerb eines neuen Fahrzeugs selbst dann keinen Vorsteuerabzug beanspruchen kann, wenn ein erworbenes Fahrzeug weiterverkauft wird, und daher ein größeres Interesse daran hat, sich der Besteuerung zu entziehen, als ein Wirtschaftsteilnehmer (EuGH, Urt. v. 18.11.2010 – C-84/09, EU:C:2010:693 Rn. 43 – X.). Darüber hinaus ist im Rahmen der Beurteilung, die durchzuführen Sache des vorlegenden Gerichts ist, insbesondere zu prüfen, ob Santogal angesichts der Angaben, über die sie verfügte oder verfügen konnte, wissen konnte, dass die vorübergehende Zulassung nur für nicht Ansässige bestimmt war und dass der Erwerber mehrere Anschriften in Spanien angegeben hatte, was Zweifel hinsichtlich seines tatsächlichen Wohnsitzes aufkommen lassen konnte.

[75]   Neben dem Verhalten des Verkäufers ist auch das der portugiesischen Behörden zu berücksichtigen. Für den Fall, dass Santogal die Unterlagen zwecks Inanspruchnahme der Steuerbefreiung des fraglichen Umsatzes vorgelegt hat und diese Unterlagen durch die zuständige Behörde geprüft und akzeptiert wurden – was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist –, ist darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Rechtssicherheit es verwehrt, dass ein Mitgliedstaat, der die vom Verkäufer als Nachweise für den Anspruch auf Steuerbefreiung vorgelegten Unterlagen zunächst akzeptiert hat, diesen Verkäufer später wegen eines vom Erwerber begangenen Steuerbetrugs, von dem der Verkäufer weder Kenntnis hatte noch haben konnte, zur Zahlung der auf diese Lieferung entfallenden Mehrwertsteuer verpflichten kann (vgl. entsprechend EuGH, Urt. v. 27.09.2007 – C-409/04, EU:C:2007:548 Rn. 50 – Teleos u. a.).

[76]   Soweit sich das vorlegende Gericht auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes bezieht, ist darauf hinzuweisen, dass sich nach ständiger Rechtsprechung jeder auf diesen Grundsatz berufen kann, bei dem eine Verwaltungsbehörde aufgrund bestimmter Zusicherungen, die sie ihm gegeben hat, begründete Erwartungen geweckt hat (EuGH, Urt. v. 09.07.2015 – C-183/14, EU:C:2015:454 Rn. 44 – Salomie und Oltean – und die dort angeführte Rechtsprechung). Ein Steuerpflichtiger kann sich jedoch nicht auf ein berechtigtes Vertrauen in die Aufrechterhaltung einer Situation berufen, die durch Steuerbetrug gekennzeichnet ist (vgl. entsprechend EuGH, Urt. v. 29.04.2004 – C-487/01 und C-7/02, EU:C:2004:263 Rn. 77 – Gemeente Leusden und Holin Groep).

[77]   Nach alledem ist auf die vierte Frage zu antworten, dass Art. 138 II lit. a der Mehrwertsteuerrichtlinie sowie die Grundsätze der Rechtssicherheit, der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes dem entgegenstehen, dass der Verkäufer eines neuen Fahrzeugs, das vom Erwerber in einen anderen Mitgliedstaat befördert und in diesem Mitgliedstaat vorübergehend zugelassen wird, im Fall eines vom Erwerber begangenen Steuerbetrugs später verpflichtet ist, die Mehrwertsteuer zu entrichten, sofern nicht anhand objektiver Elemente bewiesen ist, dass dieser Verkäufer wusste oder hätte wissen müssen, dass der Umsatz mit einem Steuerbetrug des Erwerbers verknüpft war, und dass er nicht alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um seine Beteiligung an diesem Steuerbetrug zu verhindern. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts zu prüfen, ob dies auf der Grundlage einer umfassenden Beurteilung aller Gesichtspunkte und tatsächlichen Umstände des Ausgangsverfahrens der Fall ist.

Hinweis zum portugiesischen Recht:

Mit dem Regime do IVA nas Transações Intracomunitárias (Mehrwertsteuerregelung für innergemeinschaftliche Umsätze, im Folgenden: RITI) werden die in der Mehrwertsteuerrichtlinie enthaltenen Bestimmungen über innergemeinschaftliche Umsätze in das portugiesische Recht umgesetzt. Gemäß Art. 14 lit. b i. V. mit Art. 1 lit. e RITI sind entgeltliche Lieferungen neuer Fahrzeuge durch jedwede Person, die durch den Verkäufer, den Erwerber oder für deren Rechnung aus dem Inland an einen Erwerber mit Sitz oder Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat versandt oder befördert werden, von der Mehrwertsteuer befreit.

PDF erstellen