1. Ein vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­ner Ge­braucht­wa­gen ist i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB man­gel­haft, weil er nicht die bei ei­nem Ge­braucht­wa­gen üb­li­che und des­halb von ei­nem durch­schnitt­li­chen Käu­fer zu er­war­ten­de Be­schaf­fen­heit auf­weist. Das er­gibt sich schon dar­aus, dass das Fahr­zeug – wie vom Kraft­fahrt-Bun­des­amt an­ge­ord­net – tech­nisch über­ar­bei­tet wer­den muss und ein Ver­lust der Be­triebs­er­laub­nis droht, wenn die tech­ni­sche Über­ar­bei­tung (durch In­stal­la­ti­on ei­nes Soft­ware­up­dates) un­ter­bleibt.
  2. Bei ei­nem Ver­brauchs­gü­ter­kauf reicht es mit Blick auf Art. 3 V Spie­gel­strich 2 der Ver­brauchs­gü­ter­kauf-Richt­li­nie für ei­nen man­gel­be­ding­ten Rück­tritt des Käu­fers vom Kauf­ver­trag aus, dass „der Ver­käu­fer nicht in­ner­halb ei­ner an­ge­mes­se­nen Frist Ab­hil­fe ge­schaf­fen hat“. Ei­ne Frist zur Man­gel­be­sei­ti­gung muss der Käu­fer (Ve­brau­cher) dem Ver­käu­fer (Un­ter­neh­mer) nicht ge­setzt ha­ben.
  3. Ei­ne Frist zur Nach­bes­se­rung ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen – man­gel­haf­ten – Ge­braucht­wa­gens von mehr als ei­nem hal­ben Jahr ist nicht mehr an­ge­mes­sen i. S. des § 323 I BGB, son­dern un­an­ge­mes­sen lang. In­so­weit ist zwar zu be­rück­sich­ti­gen, dass der VW-Ab­gas­skan­dal ei­ne Viel­zahl von Fahr­zeu­gen be­trifft und des­halb ein ko­or­di­nier­tes Vor­ge­hen er­for­der­lich ist, um sämt­li­che Nach­bes­se­run­gen zu be­wäl­ti­gen. Zu be­rück­sich­ti­gen ist aber auch, dass die­ser Um­stand nicht in die Ri­si­ko­sphä­re ei­nes mit mei­nem man­gel­haf­ten Fahr­zeug be­lie­fer­ten Käu­fers fällt und die­sem des­halb nicht zum Nach­teil ge­rei­chen darf.
  4. Dass der Käu­fer ein vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nes Fahr­zeug trotz des ihm an­haf­ten­den Man­gels un­ein­ge­schränkt nut­zen kann, än­dert nichts dar­an, dass ei­ne Nach­bes­se­rungs­frist von mehr als sechs Mo­na­ten un­an­ge­mes­sen lang ist. Denn dem Käu­fer ist es mit Blick auf die Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007, die ei­ne Ver­bes­se­rung der Luft­qua­li­tät zum Ziel hat, nicht zu­zu­mu­ten, län­ger mit ei­nem Fahr­zeug zu fah­ren, des­sen Schad­stoff­aus­stoß weit über den in der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 fest­ge­leg­ten Grenz­wer­ten liegt.
  5. Die Pflicht­ver­let­zung des Ver­käu­fers, die in der Lie­fe­rung ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen – man­gel­haf­ten – Ge­braucht­wa­gens liegt, ist schon des­halb nicht i. S. des § 323 V 2 BGB un­er­heb­lich, weil ein Man­gel, des­sen Be­sei­ti­gung das Kraft­fahrt-Bun­des­amt an­ge­ord­net hat und in die es in­vol­viert ist, nicht ge­ring­fü­gig sein kann.

LG Bie­le­feld, Ur­teil vom 30.06.2017 – 7 O 201/16

Sach­ver­halt: Der Klä­ger nimmt den be­klag­ten Kfz-Händ­ler auf Rück­ab­wick­lung ei­nes Kauf­ver­trags über ei­nen vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Pkw in An­spruch. Ei­ne ge­gen die Her­stel­le­rin des Fahr­zeugs, die Volks­wa­gen AG, er­ho­be­ne Kla­ge hat er un­ter dem 01.09.2016 zu­rück­ge­nom­men.

Der Klä­ger kauf­te von dem Be­klag­ten mit Ver­trag vom 15.11.2013 ei­nen ge­brauch­ten VW Tou­ran Style 1.6 TDI (77 kW) zum Preis von 20.900 €. Das am 23.09.2011 erst­zu­ge­las­se­ne Fahr­zeug wies zu die­sem Zeit­punkt ei­ne Lauf­leis­tung von 10.200 km auf. Es wur­de dem Klä­ger am 20.12.2013 über­ge­ben. Un­ter der Über­schrift „Son­der­ver­ein­ba­run­gen“ ent­hält der Kauf­ver­trag ober­halb der Un­ter­schrift des Käu­fers fol­gen­den Pas­sus:

„Sämt­li­che Ver­ein­ba­run­gen, z. B Ne­ben­ab­re­den, Zu­si­che­run­gen, nach­träg­li­che Ver­trags­än­de­run­gen, sind schrift­lich nie­der­zu­le­gen. 1 Jahr Ge­währ­leis­tung nach neu­er Schuld­rechts­re­form“.

Der Mo­tor, mit dem das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug aus­ge­stat­tet ist, ge­hört zur Bau­rei­he EA189 und soll die Eu­ro-5-Emis­si­ons­grenz­wer­te ein­hal­ten. Fahr­zeu­ge mit EA189-Mo­to­ren sind von ei­ner Rück­ruf­ak­ti­on des Volks­wa­gen-Kon­zerns be­trof­fen, da in ih­nen ei­ne Soft­ware zum Ein­satz kommt, die er­kennt, ob das Fahr­zeug ei­nen Emis­si­ons­test ab­sol­viert oder ob es re­gu­lär im Stra­ßen­ver­kehr be­trie­ben wird. In ei­ner Test­si­tua­ti­on ak­ti­viert die Soft­ware ei­nen be­stimm­ten Be­triebs­mo­dus („Mo­dus 1“). In die­sem Mo­dus ist die Ab­gas­rück­füh­rungs­ra­te so hoch, dass je­den­falls die Eu­ro-5-Emis­si­ons­grenz­wer­te ein­ge­hal­ten wer­den. Im Nor­mal­be­trieb des Fahr­zeugs ist da­ge­gen der „Mo­dus 0“ ak­tiv, in dem der Stick­oxid-Aus­stoß nach dem Vor­trag des Klä­gers um das 39-Fa­che hö­her ist als wäh­rend ei­nes Emis­si­ons­tests auf ei­nem Prüf­stand. Das Kraft­fahrt-Bun­des­amt be­trach­tet die ver­wen­de­te Soft­ware als un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung i. S. der Art. 3 Nr. 10, 5 II der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007. Es er­ließ des­halb auf der Grund­la­ge von § 25 II EG-FGV mit Be­scheid vom 15.10.2015 Ne­ben­be­stim­mun­gen zur Typ­ge­neh­mi­gung der be­trof­fe­nen Fahr­zeu­ge, um de­ren die Vor­schrifts­mä­ßig­keit zu ge­währ­leis­ten. In der Fol­ge rief der Volks­wa­gen-Kon­zern Fahr­zeu­ge, in de­nen sich ein Mo­tor des Typs EA189 be­fin­det, zu­rück, um die für die Ab­gas­kon­troll­an­la­ge zu­stän­di­ge Soft­ware so ab­zu­än­dern, dass die be­trof­fe­nen Fahr­zeu­ge dau­er­haft im „Mo­dus 1“ be­trie­ben wer­den. Das Kraft­fahrt-Bun­des­amt gab den streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug­typ am 21.11.2016 zur tech­ni­schen Über­ar­bei­tung frei.

Der Klä­ger hält sein Fahr­zeug für man­gel­haft und setz­te dem Be­klag­ten im Rah­men ei­nes Gü­te­ver­fah­rens mit Schrei­ben vom 17.12.2015 ei­ne Frist zur Nach­bes­se­rung bis zum 05.01.2016. Nach­dem am 13.04.2016 das Schei­tern des Ei­ni­gungs­ver­suchs fest­ge­stellt wor­den war, er­klär­te der Klä­ger mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 01.06.2016 ge­gen­über dem Be­klag­ten den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag. Des­sen Rück­ab­wick­lung lehn­te der Be­klag­te mit Schrei­ben vom 10.06.2016 ab.

Am 23.12.2016 in­for­mier­te die Volks­wa­gen AG den Klä­ger dar­über, dass für sein Fahr­zeug nun­mehr ein Soft­ware­up­date be­reit stün­de, das in ei­ner vom Klä­ger frei zu wäh­len­den Ver­trags­werk­statt in­stal­liert wer­den kön­ne.

Der Klä­ger be­haup­tet, es sei ihm dar­auf an­ge­kom­men, ein um­welt­freund­li­ches, wert­sta­bi­les Fahr­zeug mit ei­nem ge­rin­gen Kraft­stoff­ver­brauch zu er­wer­ben, das die Vor­aus­set­zun­gen für die Er­tei­lung ei­ner grü­nen Um­welt­pla­ket­te er­fül­le. Die­se An­for­de­run­gen sei­en Ge­gen­stand des Ver­kaufs­ge­sprächs ge­we­sen. Die für sei­ne – des Klä­gers – Kauf­ent­schei­dung we­sent­li­che Ei­gen­schaft der Um­welt­ver­träg­lich­keit feh­le dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug mit Blick auf die dar­in zum Ein­satz kom­men­de Soft­ware je­doch ge­ra­de.

Bei Ab­ga­be der Rück­tritts­er­klä­rung sei für ihn – den Klä­ger – nicht ab­seh­bar ge­we­sen, in­wie­weit sich durch die In­stal­la­ti­on des Soft­ware­up­dates in ei­ner VW-Ver­trags­werk­statt der Kraft­stoff­ver­brauch, die Ab­gas­emis­sio­nen und die Mo­tor­leis­tung des Fahr­zeugs ver­än­de­re. Er – der Klä­ger – sei da­von aus­ge­gan­gen, dass sich der Stick­oxid-Aus­stoß nur zu­las­ten der Mo­to­ren­leis­tung ver­rin­gern las­se. Im Üb­ri­gen sei bei Ab­ga­be der Rück­tritts­er­klä­rung un­ge­wiss ge­we­sen, ob der streit­ge­gen­ständ­li­che Pkw wei­ter­hin als Eu­ro-5-Fahr­zeug ein­ge­stuft wer­de oder ob er die­se Ein­stu­fung we­gen der rechts­wid­rig er­lang­ten Ge­neh­mi­gung ver­lie­re. Je­den­falls sei sein – des Klä­gers – Ver­trau­ens­ver­hält­nis zum Volks­wa­gen-Kon­zern, der ei­ne Nach­bes­se­rung durch­füh­re, durch den VW-Ab­gas­skan­dal nach­hal­tig ge­stört.

Sei­ne Ent­schei­dung, we­gen des (an­ge­nom­me­nen) Man­gels vom Kauf­ver­trag zu­rück­zu­tre­ten, be­grün­det der Klä­ger da­mit, dass ei­ne Be­sei­ti­gung des Man­gels aus ver­schie­de­nen Grün­den nicht in Be­tracht kom­me. So stei­ge durch die In­stal­la­ti­on des Soft­ware­up­dates der Kraft­stoff­ver­brauch und ver­kür­ze sich gleich­zei­tig die zu er­war­ten­de Le­bens­dau­er des Fahr­zeugs, weil es ei­nem er­höh­ten Ver­schleiß un­ter­lie­ge. Au­ßer­dem ver­blei­be trotz der In­stal­la­ti­on des Up­dates ein mer­kan­ti­ler Min­der­wert, weil sich vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe Fahr­zeu­ge trotz Nach­bes­se­rung dem Ver­dacht aus­ge­setzt sä­hen, man­gel­haft zu sein. Ei­ne Man­gel­be­sei­ti­gung sei ihm – dem Klä­ger – aber auch nicht zu­mut­bar, da sie aus­schließ­lich nach Vor­ga­ben des VW-Kon­zerns in ei­ner VW-Ver­trags­werk­statt er­fol­gen kön­ne. Zu­dem ha­be bei Er­klä­rung des Rück­tritts noch gar nicht fest­ge­stan­den, wann das Soft­ware­up­date in­stal­liert wer­den kön­ne.

Die Kla­ge hat­te größ­ten­teils Er­folg.

Aus den Grün­den: I. Die Kla­ge zu An­trag Nr. 1 ist wei­test­ge­hend be­grün­det. …

Der Klä­ger hat ge­gen den Be­klag­ten ei­nen An­spruch auf Rück­zah­lung von 15.710,80 €, Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be und Rück­über­eig­nung des streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw …, aus §§ 434 I 2 Nr. 2, 437 Nr. 2 Fall 1, 323, 346 I, 348, 320 BGB ….

Am 15.11.2013 schlos­sen die Par­tei­en ei­nen wirk­sa­men Kauf­ver­trag über den streit­ge­gen­ständ­li­chen VW Tou­ran zu ei­nem Kauf­preis in Hö­he von 20.900 €.

Das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug war bei Ge­fahr­über­gang man­gel­haft ge­mäß § 434 I 2 Nr. 2 BGB. Die Kam­mer ist der An­sicht, dass ein Fahr­zeug, in wel­chem die in Re­de ste­hen­de Soft­ware ver­baut ist, nicht die Be­schaf­fen­heit auf­weist, die bei Sa­chen der glei­chen Art üb­lich ist und die der Käu­fer nach der Art der Sa­che er­war­ten kann.

Da­bei be­stimmt sich die von dem Käu­fer an­hand der Art der Sa­che i. S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB zu er­war­ten­de Be­schaf­fen­heit des Kauf­ge­gen­stan­des nach dem Emp­fän­ger­ho­ri­zont ei­nes Durch­schnitts­käu­fers und da­mit nach der ob­jek­tiv be­rech­tig­ten Käu­fe­rer­war­tung (vgl. Pa­landt/Wei­den­kaff, BGB, 75. Aufl., § 434 Rn. 30).

In­so­weit ge­langt die Kam­mer zu der auch von den Ober­lan­des­ge­rich­ten Hamm und Cel­le ver­tre­te­nen Auf­fas­sung, dass – ent­ge­gen der An­sicht des Be­klag­ten – ein Fahr­zeug nicht schon dann der üb­li­chen und zu er­war­ten­den Be­schaf­fen­heit ent­spricht, wenn es fahr­be­reit und ver­kehrs­si­cher ist und über die er­for­der­li­chen Ge­neh­mi­gun­gen des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes ver­fügt. Ein Fahr­zeug, in dem die kor­rek­te Mes­sung der Ab­gas­wer­te durch In­stal­la­ti­on von Ma­ni­pu­la­ti­ons­soft­ware ver­hin­dert wird und das im Prüf­be­trieb ei­nen ge­rin­ge­ren Aus­stoß von Schad­stof­fen vor­spie­gelt, weicht von der bei ver­gleich­ba­ren Fahr­zeu­gen üb­li­cher­wei­se zu er­war­ten­den Be­schaf­fen­heit ab, die ein ver­stän­di­ger und durch­schnitt­li­cher Käu­fer er­war­ten kann und darf (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 21.06.2016 – I-28 W 14/16; OLG Cel­le, Beschl. v. 30.06.2016 – 7 W 26/16). Der durch­schnitt­li­che Käu­fer ei­nes Pkw darf da­von aus­ge­hen, dass die Emis­si­ons­wer­te, die durch Bro­schü­ren und Her­stel­ler­an­ge­ben nä­her kon­kre­ti­siert wer­den und bei der Kauf­ent­schei­dung für den po­ten­zi­el­len Käu­fer von Be­deu­tung sind, kor­rekt er­mit­telt wur­den.

Zu­dem trägt der Be­klag­te sel­ber vor, dass für das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug das Auf­spie­len ei­nes Soft­ware­up­dates er­for­der­lich ist, um den Auf­la­gen des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes zu ent­spre­chen und um nicht den Ver­lust der all­ge­mei­nen Be­triebs­er­laub­nis zu ris­kie­ren. Aus ei­nem Um­kehr­schluss kann da­her die Man­gel­haf­tig­keit des Fahr­zeugs bei Ge­fahr­über­gang an­ge­nom­men wer­den.

Ent­spre­chend konn­te hier da­hin­ste­hen, ob ein Fahr­zeug sich zur ge­wöhn­li­chen Ver­wen­dung eig­net, wenn es im Rah­men ei­ner Rück­ruf­ak­ti­on zwin­gend um­ge­rüs­tet wer­den muss, um wei­ter­hin die Zu­las­sung im Stra­ßen­ver­kehr zu er­hal­ten (so et­wa LG Fran­ken­thal, Urt. v. 12.05.2016 – 8 O 208/15).

Dem Be­klag­ten wur­de ei­ne Frist zur Nach­bes­se­rung ge­setzt.

Das Recht zur zwei­ten An­die­nung ist ein dem Kauf­recht im­ma­nen­ter Grund­satz, von dem nur dann ei­ne Aus­nah­me zu ma­chen ist, wenn das Ge­setz dies auf­grund aus­drück­li­cher Be­stim­mung vor­sieht. Des­sen Zweck ist es, dem Schuld­ner die letz­te Mög­lich­keit zu ge­ben, die Leis­tung tat­säch­lich noch zu er­brin­gen. Die Frist muss da­her so lang be­mes­sen sein, dass der Ver­käu­fer in die La­ge ver­setzt wird, die be­reits be­gon­ne­ne Er­fül­lung noch zu voll­enden (Pa­landt/Grü­ne­berg, BGB, 75. Aufl., § 323, Rn. 14).

Der Be­klag­te rügt al­ler­dings zu Recht, dass die mit Schrei­ben vom 28.12.2015 durch die Gü­te­stel­le wei­ter­ge­lei­te­te Frist­set­zung bis zum 05.01.2016 zu kurz ge­we­sen ist. Dies ist je­doch un­schäd­lich, denn die §§ 437 Nr. 2, 323 ff. BGB be­ru­hen auf ei­ner Um­set­zung der Ver­brauchs­gü­ter­kauf-Richt­li­nie (RL 1999/44/EG). Nach de­ren Art. 3 V Spie­gel­strich 2 ist es aus­rei­chend, dass „der Ver­käu­fer nicht in­ner­halb ei­ner an­ge­mes­se­nen Frist Ab­hil­fe ge­schaf­fen hat“. Die Richt­li­nie ver­langt nur den Ab­lauf ei­ner Frist, nicht aber die Set­zung ei­ner Frist. Ent­spre­chend ist §323 II Nr. 3 BGB richt­li­ni­en­kon­form da­hin aus­zu­le­gen, dass es aus­rei­chend ist, wenn bei ei­nem Nach­er­fül­lungs­ver­lan­gen durch den Käu­fer ei­ne an­ge­mes­se­ne Frist ab­ge­lau­fen ist.

Im Üb­ri­gen führt das Set­zen ei­ner zu kur­zen Frist nicht zu de­ren Un­wirk­sam­keit, son­dern setzt den Lauf ei­ner ob­jek­tiv an­ge­mes­se­nen Frist in Gang (BGH, Urt. v. 12.08.2009 – VI­II ZR 254/08 Rn. 11; Urt. v. 13.07.2016 – VI­II ZR 49/15 Rn. 31).

Wel­che Frist an­ge­mes­sen ist, be­misst sich nach In­halt und wirt­schaft­li­cher Be­deu­tung des Ver­tra­ges un­ter Be­rück­sich­ti­gung der bei­der­sei­ti­gen In­ter­es­sen und der Ver­kehrs­auf­fas­sung (Pa­landt/Grü­ne­berg, a. a. O., § 308 Rn. 4). Bei der durch­zu­füh­ren­den In­ter­es­sen­ab­wä­gung soll nach dem Wil­len des Ge­setz­ge­bers vor­ran­gig das In­ter­es­se des Käu­fers, ge­ra­de bei All­tags­ge­schäf­ten die kurz­fris­ti­ge Re­pa­ra­tur oder den so­for­ti­gen Aus­tausch der man­gel­haf­ten Sa­che be­an­spru­chen zu kön­nen, Be­rück­sich­ti­gung fin­den (vgl. BT-Drs. 10/6040, S. 234). Das Set­zen ei­ner Frist soll dem Schuld­ner da­bei ei­ne letz­te Ge­le­gen­heit bie­ten, den Ver­trag zu er­fül­len, und [die Frist] braucht dem­nach nicht so be­mes­sen zu wer­den, dass der Schuld­ner die noch gar nicht be­gon­ne­ne Leis­tung erst an­fan­gen und fer­tig­stel­len kann. Der Schuld­ner soll durch die Frist in die La­ge ver­setzt wer­den, die be­reits in An­griff ge­nom­me­ne Leis­tung zu voll­enden (Pa­landt/Grü­ne­berg, a. a. O., § 323 Rn. 14). Der Käu­fer muss je­doch dem Ver­käu­fer auch die Zeit zu­ge­ste­hen, wel­che der Ver­käu­fer für die Art der ge­wünsch­ten Nach­er­fül­lung bei ob­jek­ti­ver Be­trach­tung be­nö­tigt, wes­halb letzt­lich die Fra­ge der An­ge­mes­sen­heit der Frist nur un­ter Be­rück­sich­ti­gung der Um­stän­de des Ein­zel­falls be­ant­wor­tet wer­den kann (Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 12. Aufl. [2014], Rn. 902 f.). Die Frist­set­zung dient da­bei auch dem Zweck, dem Ver­käu­fer vor Au­gen zu füh­ren, dass er die Nach­bes­se­rung nicht zu ei­nem be­lie­bi­gen Zeit­punkt be­wir­ken darf (vgl. BGH, Urt. v. 13.07.2016 – VI­II ZR 49/15 Rn. 27).

Bei der ent­spre­chend durch­ge­führ­ten In­ter­es­sen­ab­wä­gung hat die Kam­mer die ge­sam­ten Be­son­der­hei­ten der streit­ge­gen­ständ­li­chen The­ma­tik mit ein­be­zo­gen. Ins­be­son­de­re ver­kennt die Kam­mer nicht, dass der Be­klag­te hin­sicht­lich ei­ner Nach­bes­se­rung auf die Vor­ga­ben und den Maß­nah­me­plan des Her­stel­lers an­ge­wie­sen ge­we­sen ist. Ei­ne ei­gen­mäch­ti­ge Nach­bes­se­rung ist dem Be­klag­ten un­ter­sagt, und der Be­klag­te wä­re auch nicht be­fugt ge­we­sen, oh­ne die er­for­der­li­che Zu­las­sung durch das Kraft­fahrt-Bun­des­amt Ein­grif­fe in die ab­gas­re­gu­lie­ren­de Soft­ware vor­zu­neh­men. Die Kam­mer hat be­rück­sich­tigt, dass auf­grund der Viel­zahl von be­trof­fe­nen Fahr­zeu­gen und dem da­mit ein­her­ge­hen­den zeit­li­chen Be­wäl­ti­gungs­druck des Volk­wa­gen-Kon­zerns, wel­cher mit­tels ei­nes Maß­nah­me­plans den zeit­li­chen Ab­lauf der Um­rüs­tung ko­ord­niert, ei­ne zeit­lich na­he Nach­bes­se­rung nicht mög­lich war. So ist ne­ben dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug ei­ne Viel­zahl an­de­rer Fahr­zeu­ge be­trof­fen. In­so­weit ist es ver­ständ­lich, dass ei­ne Nach­bes­se­rung nicht pri­mär und zu­vor­derst an dem Fahr­zeug vor­ge­nom­men wer­den kann, bei dem der Man­gel of­fen­bar wird, son­dern viel­mehr ein ko­or­di­nier­tes Vor­ge­hen durch den Her­stel­ler er­for­der­lich war, um so die ent­spre­chend not­wen­di­gen Lö­sun­gen für die je­wei­li­gen be­trof­fe­nen Fahr­zeu­ge zu fin­den. Dar­an ge­mes­sen ist ei­ne bei All­tags­ge­schäf­ten an­er­kann­te Höchst­frist von zwei Wo­chen un­an­ge­mes­sen und wird dem In­ter­es­se des Be­klag­ten, ei­ne ord­nungs­ge­mä­ße und den Kun­den zu­frie­den­stel­len­de Nach­bes­se­rung durch­zu­füh­ren, nicht ge­recht. Hin­ge­gen war hier auch zu be­rück­sich­ti­gen, dass der Klä­ger erst­mals En­de De­zem­ber 2015 sein Nach­er­fül­lungs­ver­lan­gen gel­tend ge­macht hat, ei­ne Nach­bes­se­rung bis Ju­ni 2016 aus­ge­blie­ben ist und so­dann erst der Ent­schluss ge­fasst wor­den ist, den Ver­trag rück­ab­zu­wi­ckeln. Ei­ne Nach­er­fül­lung wur­de dem Klä­ger tat­säch­lich erst En­de De­zem­ber 2016 und da­mit ein Jahr nach dem erst­ma­li­gen Nach­bes­se­rungs­be­geh­ren an­ge­bo­ten. Ei­ne Frist zur Nach­er­fül­lung von mehr als sechs Mo­na­ten ist je­doch un­ter al­len zu be­rück­sich­ti­gen Um­stän­den nicht mehr an­ge­mes­sen i. S. des § 323 I BGB (vgl. auch LG Mün­chen I, Urt. v. 14.04.2016 – 23 O 23033/15). Da­bei war für die Kam­mer im Rah­men der Wür­di­gung auf den Zeit­punkt der Rück­tritts­er­klä­rung ab­zu­stel­len (BGH, Urt. v. 15.06.2011 – VI­II ZR 139/09 Rn. 9).

Ei­ne Nach­bes­se­rungs­frist von sechs Mo­na­ten, hier von fast ei­nem Jahr, wi­der­spricht eu­ro­pa­recht­li­chen Vor­ga­ben. Die den Rück­tritt be­tref­fen­den Vor­schrif­ten der §§ 323 ff. BGB be­ru­hen auf der Um­set­zung der Richt­li­nie 1999/44/EG (Ver­brauchs­gü­ter­kauf-Richt­li­nie). Nach de­ren Art. 3 III Un­ter­ab­satz 3 muss die Nach­bes­se­rung ins­be­son­de­re oh­ne er­heb­li­che Un­an­nehm­lich­kei­ten er­fol­gen. Dass die Nach­er­fül­lung hier für den Käu­fer tat­säch­lich oh­ne er­heb­li­che Un­an­nehm­lich­kei­ten er­folgt, kann nicht an­ge­nom­men wer­den. Zum Zeit­punkt der Rück­tritts­er­klä­rung am 01.06.2015 war es höchst un­ge­wiss, ob die durch den Her­stel­ler des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs durch­zu­füh­ren­de Nach­bes­se­rung in Form ei­nes Soft­ware­up­dates Er­folg ver­spre­chend sein wird. Zu die­ser Zeit war ei­ne Man­gel­be­sei­ti­gung noch über­haupt nicht mög­lich, denn das hier­zu er­for­der­li­che Soft­ware­up­date stand noch gar nicht zur Ver­fü­gung. Tat­säch­lich wur­de die­ses für das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug erst mit Schrei­ben vom 23.12.2017 an­ge­bo­ten, rund ein Jahr nach erst­ma­li­gem Nach­er­fül­lungs­ver­lan­gen. Klä­ger­seits war zu be­fürch­ten, dass das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug ei­nem er­heb­li­chen Preis­ver­fall aus­ge­setzt sein wird, so­weit ei­ne Nach­bes­se­rung nicht er­folg­reich durch­ge­führt wer­den wür­de. Zwei­fel hier­an sind an­ge­sichts der an­hal­ten­den Dis­kus­sio­nen nicht un­be­rech­tigt, auch wenn, wie der Be­klag­te dar­legt, ein kon­kre­ter mer­kan­ti­ler Min­der­wert aus heu­ti­ger Sicht nicht fest­ge­stellt wer­den könn­te. Eben­so war nicht ab­zu­se­hen, wel­che Aus­wir­kun­gen das Soft­ware­up­date auf Ver­brauch, Ver­schleiß und Mo­tor­leis­tung ha­ben wird. Die Kam­mer ist der Über­zeu­gung, dass al­lein die­se Um­stän­de, das Ab­war­ten mit un­ge­wis­sem Aus­gang, er­heb­li­che Un­an­nehm­lich­kei­ten im Sin­ne der Ver­brauchs­gü­ter­kauf-Richt­li­nie dar­stel­len.

Dass sich die Nach­bes­se­rung auf­grund der An­zahl der zu über­ar­bei­ten­den Fahr­zeu­ge ver­zö­gert und län­ger als ge­wöhn­lich an­dau­ert, ist nach­zu­voll­zie­hen. Die­ser Um­stand fällt al­ler­dings nicht in die Ri­si­ko­sphä­re des Klä­gers, son­dern viel­mehr in die al­lei­ni­ge Ri­si­ko­sphä­re des Be­klag­ten, so­weit er be­züg­lich der Nach­bes­se­rung an Vor­ga­ben, Be­reit­stel­lung und Durch­füh­rung sei­tens des Her­stel­lers ge­hal­ten ist. Dies kann da­her nicht zum Nach­teil des Klä­gers ge­rei­chen. Ei­ne Nach­bes­se­rungs­frist kann in al­ler Re­gel „we­sent­lich kür­zer … als die ver­ein­bar­te Her­stel­lungs­frist“ sein (BGH, Urt. v. 18.01.1973 – VII ZR 183/70). Der sich aus­deh­nen­de Zeit­raum, in wel­chem der Her­stel­ler der be­trof­fe­nen Fahr­zeu­ge die Nach­er­fül­lung nicht durch­führt, wird hier aber viel­mehr da­zu ge­nutzt, Mo­to­ren­tech­nik neu zu ent­wi­ckeln, um so erst den Vor­ga­ben des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes ge­recht zu wer­den. Das Fahr­zeug hät­te al­ler­dings so ent­wi­ckelt wer­den müs­sen, dass es die Em­mis­si­ons-An­for­de­run­gen vor dem Ver­kauf am Markt ein­hält (vgl. LG Arns­berg, Urt. v. 24.03.2017 – 2 O 375/16)

Ei­ne Nach­er­fül­lungs­frist von mehr als sechs Mo­na­ten, bzw. wie hier von fast ei­nem Jahr, ist auch nicht mit dem Sinn und Zweck der kauf­recht­li­chen Ge­währ­leis­tungs­vor­schrif­ten zu ver­ein­ba­ren. Die­ser liegt un­ter an­de­rem dar­in, ei­ne zeit­na­he Re­gu­lie­rung von Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­chen des Käu­fers ge­gen den Ver­käu­fer und da­mit ei­ne zeit­na­he Her­bei­füh­rung von Rechts­frie­den zu er­mög­li­chen. Dies wird vor al­lem auf­grund der im Ver­gleich zu den all­ge­mei­nen Ver­jäh­rungs­vor­schrif­ten der §§ 195 ff. BGB deut­lich, so­weit § 438 BGB hier ei­ne kür­ze­re Ver­jäh­rung der An­sprü­che vor­sieht. Dass un­ter Be­rück­sich­ti­gung die­ser ge­setz­ge­be­ri­schen Wer­tung ei­ne Frist zur Nach­bes­se­rung von sechs Mo­na­ten, im hier ge­la­ger­ten Fall so­gar von fast ei­nem Jahr, noch an­ge­mes­sen sein kann ist nach Über­zeu­gung der Kam­mer aus­ge­schlos­sen. Die­ses Er­geb­nis wird auch durch die Wer­tun­gen von § 308 BGB ge­stützt, wo­nach ei­ne Nach­bes­se­rungs­frist von sechs Wo­chen, je­den­falls aber ei­ne sol­che von mehr als zwei Mo­na­ten, als un­zu­läs­sig an­ge­se­hen wird (vgl. Pa­landt/Grü­ne­berg, a. a. O., § 308 Rn. 13).

Ei­ne län­ger als sechs Mo­na­te ab­zu­war­ten­de Frist ist nach Über­zeu­gung der Kam­mer auch dann noch un­an­ge­mes­sen lang, wenn der Be­trof­fe­ne wei­ter­hin auf sein Fahr­zeug zu­grei­fen kann. Die Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 hat aus­weis­lich der Er­wä­gungs­grün­de 5 und 6 zum Ziel, ei­ne bes­se­re Luft­qua­li­tät zu er­mög­li­chen und der an­hal­ten­den Luft­ver­schmut­zung Ein­halt zu ge­bie­ten. Schä­den an der Ge­sund­heit und der Um­welt sol­len ver­rin­gert wer­den. War­um es vor die­sem Hin­ter­grund zu­mut­bar sein soll, über die Dau­er von fast ei­nem Jahr mit ei­nem Fahr­zeug zu fah­ren, des­sen Schad­stoff­aus­stoß über dem 39-Fa­chen des nach der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 noch zu­läs­si­gen Wer­tes liegt, ist nicht nach­voll­zieh­bar.

Die Kam­mer hat star­ke Zwei­fel dar­an, dass ei­ne Nach­er­fül­lung … an­ge­sichts ei­nes zu be­fürch­ten­den mer­kan­ti­lem Min­der­werts … über­haupt mög­lich wä­re, so­dass das Frist­set­zungs­er­for­der­nis ge­mäß § 326 V BGB ob­solt ge­we­sen sein könn­te. Hier­auf kommt es aber nicht mehr ent­schei­dend an.

Es liegt auch kei­ne den Rück­tritt aus­schlie­ßen­de un­er­heb­li­che Pflicht­ver­let­zung i. S. des § 323 V 2 BGB vor.

Bei der Be­ur­tei­lung der Un­er­heb­lich­keit ist, an­ders als vom Be­klag­ten vor­ge­tra­gen, nicht nur auf die Re­la­ti­on der Kos­ten der Nach­bes­se­rung im Ver­hält­nis zum Kauf­preis ab­zu­stel­len (so BGH, Urt. v. 28.05.2014 – VI­II ZR 94/13 Rn. 16 f.). Viel­mehr ist ei­ne um­fas­sen­de Ab­wä­gung der bei­der­sei­ti­gen In­ter­es­sen er­for­der­lich. Zu be­rück­sich­ti­gen sind vor al­lem der für die Man­gel­be­sei­ti­gung er­for­der­li­che Auf­wand, aber auch die Schwe­re des Ver­schul­dens des Schuld­ners, wo­bei bei Arg­list ei­ne un­er­heb­li­che Pflicht­ver­let­zung in al­ler Re­gel zu ver­nei­nen ist. Der nicht aus­räum­ba­re Ver­dacht ei­nes nicht ganz un­er­heb­li­chen, nur ge­ring­fü­gi­gen Man­gels ge­nügt be­reits, um die Un­er­heb­lich­keit des Man­gels zu ver­nei­nen. Da­bei ist maß­geb­lich auf den Zeit­punkt der Rück­tritts­er­klä­rung ab­zu­stel­len (Pa­landt/Grü­ne­berg, a. a. O., § 323 Rn. 32 m. w. Nachw.).

Im Rah­men der In­ter­es­sen­ab­wä­gung hat die Kam­mer die Re­la­ti­on von Kauf­preis und Kos­ten der Nach­bes­se­rung so­wie den Zeit­auf­wand der Nach­bes­se­rung be­rück­sich­tigt. Nach dem Be­klag­ten­vor­trag dau­ert das vor­zu­neh­men­de Up­date et­wa 30 Mi­nu­ten, die Ar­beits­kos­ten wür­den sich auf cir­ca 100 € be­lau­fen.

Fest steht, dass der Be­klag­te selbst nicht arg­lis­tig ge­han­delt hat. Er hat – eben­so wie der Klä­ger – als un­ab­hän­gi­ger Ge­braucht­wa­gen­händ­ler von den Ma­ni­pu­la­ti­ons­vor­gän­gen erst durch die me­dia­le Be­richt­er­stat­tung er­fah­ren. Den­noch kann bei der hier vor­zu­neh­men­den Ab­wä­gung nicht völ­lig au­ßer Acht ge­las­sen wer­den, dass die Nach­bes­se­rung an dem Fahr­zeug nicht durch den Be­klag­ten, son­dern al­lein durch den Her­stel­ler des Fahr­zeugs durch­ge­führt wer­den kann, wel­cher zu­vor be­reits Be­hör­den und Kun­den sys­te­ma­tisch ge­täuscht hat.

Es war im Zeit­punkt der Rück­tritts­er­klä­rung für den Klä­ger un­ge­wiss, ob ei­ne Nach­bes­se­rung über­haupt mög­lich ist. Zu­dem be­stand für ihn die Un­ge­wiss­heit, ob durch das Auf­spie­len ei­ner ak­tua­li­sier­ten Soft­ware durch den Her­stel­ler nicht wei­te­re tech­ni­sche und tat­säch­li­che ne­ga­ti­ve Fol­gen zu be­fürch­ten wa­ren. Zwar legt der Be­klag­te sub­stan­zi­iert dar, dass zum heu­ti­gen Zeit­punkt nicht – not­wen­di­ger­wei­se – da­von aus­ge­gan­gen wer­den muss, dass Fahr­zeu­ge mit dem ver­bau­ten Mo­tor EA189 nach Durch­füh­rung der zur Nach­bes­se­rung er­for­der­li­chen tech­ni­schen Maß­nah­men ei­nem mer­kan­ti­len Min­der­wert aus­ge­setzt sind. Auf ei­ne Ex-nunc-Be­trach­tung kommt es hier je­doch nicht an. Zum da­ma­li­gen Zeit­punkt war es für den Klä­ger höchst un­ge­wiss, … wel­che Fol­gen das von Volks­wa­gen be­reit­zu­stel­len­de Soft­ware­up­date für das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug nach sich zie­hen wird. Fahr­zeu­ge, in de­nen die streit­ge­gen­ständ­li­che Soft­ware ver­baut ist, wa­ren zum Zeit­punkt der Aus­übung des Rück­tritts durch den Klä­ger nicht zu­letzt auf­grund der Ge­scheh­nis­se auf dem US-Fahr­zeug­markt be­reits ei­ner er­heb­li­chen me­dia­len Auf­merk­sam­keit aus­ge­setzt, die ih­rer­seits in ei­ne in­ten­siv und kon­tro­vers ge­führ­ten Dis­kus­si­on in al­len Ge­sell­schafts­be­rei­chen mün­de­te. Auf­grund die­ser um­fang­rei­chen De­bat­te stand für Ei­gen­tü­mer von mit dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Mo­tor ver­se­he­nen Fahr­zeu­gen nicht au­ßer Fra­ge, dass sich noch wei­te­re, bis­lang un­er­kannt ge­blie­be­ne Män­gel an den Fahr­zeu­gen of­fen­ba­ren. Da­ne­ben war zu be­fürch­ten, dass sich die­se Um­stän­de im wei­te­ren Ver­lauf auch auf ei­nen zu er­war­ten­den Ver­kaufs­er­lös beim Wie­der­ver­kauf aus­wir­ken könn­ten. Denn ge­ra­de der Wert ei­nes Kraft­fahr­zeugs kann von sub­jek­ti­ven Vor­stel­lun­gen be­ein­flusst sein (vgl. LG Arns­berg, Urt. v. 24.03.2017 – 2 O 375/16). Hier­von ist auch dann aus­zu­ge­hen, wenn zum jet­zi­gen Zeit­punkt im Rah­men ei­ner Ex-nunc-Be­trach­tung fest­ste­hen soll­te, dass ei­ne Nach­bes­se­rung mög­li­cher­wei­se kei­ne Fol­ge­pro­ble­me nach sich zie­hen wird.

Zum Zeit­punkt der Rück­tritts­er­klä­rung war es für den Klä­ger noch un­ge­wiss, ob ei­ne – nach den An­for­de­run­gen des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes – er­for­der­li­che Nach­bes­se­rung über­haupt da­zu füh­ren wür­de, das das Fahr­zeug wei­ter­hin im Be­trieb blei­ben durf­te.

Der Un­er­heb­lich­keit der Pflicht­ver­let­zung steht auch der Um­stand ent­ge­gen, dass die Be­sei­ti­gung des Man­gels durch das Kraft­fahrt-Bun­des­amt an­ge­ord­net wor­den ist und al­lein nach des­sen Prü­fung und Ge­neh­mi­gung er­fol­gen durf­te. Ein Man­gel, der ei­ner ent­spre­chen­den Prü­fung und Ge­neh­mi­gung be­darf, kann aber nicht un­er­heb­lich sein.

Un­ter Be­rück­sich­ti­gung die­ser Um­stän­de steht für die Kam­mer fest, dass der Man­gel an dem Fahr­zeug deut­lich schwe­rer wiegt als die da­zu ver­gleich­bar ge­rin­gen Kos­ten der Nach­er­fül­lung.

Der Rück­tritt ist auch nicht nach §§ 438 V, 218 BGB aus­ge­schlos­sen. Ver­jäh­rung ist nicht ein­ge­tre­ten.

Die im Kauf­ver­trag vom 15.11.2013 ver­ein­bar­te Ver­kür­zung der Ge­währ­leis­tungs­zeit auf „1 Jahr nach neu­er Schuld­rechts­re­form“ ist un­wirk­sam.

Die vom Be­klag­ten ge­stell­te Ver­trags­be­din­gung, die von dem Be­klag­ten ein­sei­tig ge­stellt und Ver­trags­be­stand­teil wur­de, ist für ei­ne Viel­zahl von Ver­trä­gen vor­for­mu­liert (§ 305 I, II BGB).

Es ist zwar of­fen­sicht­lich in­ten­diert, ei­ne Ver­kür­zung der Ver­jäh­rungs­frist zu ver­ein­ba­ren, wie es § 475 II BGB grund­sätz­lich zu­las­sen wür­de. Die Klau­sel lässt aber of­fen und es ist in­so­fern un­klar, wel­che An­sprü­che von der ab­ge­kürz­ten Ver­jäh­rungs­frist er­fasst sein sol­len. Nach § 475 III BGB kann zwar ei­ne kür­ze­re Frist als die ge­setz­li­che für An­sprü­che auf Scha­dens­er­satz ver­ein­bart wer­den. Dies gilt je­doch nur vor­be­halt­lich der §§ 307 bis 309 BGB. Ei­ne um­fas­sen­de Frei­zei­ch­nung in All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen, nach der die Haf­tung des Klau­sel­ver­wen­ders – wie im vor­lie­gen­den Ge­braucht­wa­gen­kauf­ver­trag – auch für Kör­per- und Ge­sund­heits­schä­den (§ 309 Nr. 7 lit. a BGB) so­wie für sons­ti­ge Schä­den auch bei gro­bem Ver­schul­den (§ 309 Nr. 7 lit. b BGB) aus­ge­schlos­sen ist, ist we­gen un­an­ge­mes­se­ner Be­nach­tei­li­gung des Ver­trags­part­ners des Ver­wen­ders un­wirk­sam (BGH, Urt. v. 04.02.2015 – VI­II ZR 26/14 Rn. 16). An ih­re Stel­le tre­ten die ge­setz­li­chen Vor­schrif­ten (§ 306 II BGB). Dies gilt auch für die Ver­jäh­rung (MünchKomm-BGB/Lo­renz, 7. Aufl. [2016], § 475 Rn. 22). …

Da­mit ist die Fra­ge der Ver­jäh­rung, bzw. ob der Rück­tritt aus­ge­schlos­sen war, hier ge­mäß §§ 306 II, 438 I Nr. 3, III BGB zu be­stim­men.

Das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug wur­de dem Klä­ger am 20.12.2013 über­ge­ben. Der Rück­tritt als Ge­stal­tungs­recht wä­re hier erst am 20.12.2015 aus­ge­schlos­sen ge­we­sen, so­weit über § 218 I BGB zu die­sem Zeit­punkt auch ein An­spruch auf Nach­er­fül­lung ver­jährt wä­re (§§ 438 IV, 218 I BGB). Auf­grund des hin­rei­chend be­stimm­ten Gü­te­an­trags vom 17.12.2015, der auf Be­sei­ti­gung des Man­gels ge­rich­tet war, wur­de die Ver­jäh­rung ge­mäß § 204 I Nr. 4 BGB ge­hemmt, und zwar bis sechs Mo­na­te nach Mit­tei­lung der Gü­te­stel­le, dass das Streit­bei­le­gungs­ver­fah­ren be­en­det ist. Ver­jäh­rungs­ein­tritt war da­her frü­hes­tens Mit­te Ok­to­ber 2016. Da­mit war der Rück­tritt zum Zeit­punkt sei­ner Er­klä­rung am 01.06.2016 nicht un­wirk­sam. Die Kla­ge­er­he­bung am 05.07.2016 er­folg­te in nicht ver­jähr­ter Zeit.

Durch den wirk­sa­men Rück­tritt ent­steht ein Rück­ab­wick­lungs­ver­hält­nis nach Maß­ga­be von § 346 I BGB. Die je­weils emp­fan­ge­nen Leis­tun­gen sind zu­rück­zu­ge­wäh­ren. Der Be­klag­te hat den Kauf­preis zu er­stat­ten und er­hält ne­ben dem Wa­gen auch die durch Nut­zung des Fahr­zeugs ein­ge­tre­te­ne Wert­min­de­rung des Fahr­zeugs er­setzt (§ 346 II 1 Nr. 1 BGB).

Der Klä­ger hat sich da­her auf den Kauf­preis von 20.900 € ei­ne Nut­zungs­ent­schä­di­gung an­rech­nen zu las­sen. Das Fahr­zeug ist mit ei­nem lang­le­bi­gem 1,6-Li­ter-TDI-Mo­tor aus­ge­stat­tet, so­dass die Ge­samt­leis­tung des Fahr­zeugs durch die Kam­mer nach frei­em Er­mes­sen auf 250.000 km ge­schätzt wird. Im Zeit­punkt des Er­werbs hat­te das Fahr­zeug ei­nen Ki­lo­me­ter­stand von 10.200, so­dass der Klä­ger noch cir­ca 239.800 km mit dem Fahr­zeug hät­te fah­ren kön­nen. Tat­säch­lich wur­den 62.000 km zu­rück­ge­legt. Die Ge­brauchs­vor­tei­le be­rech­nen sich ent­spre­chend:

{\frac{\text{20.900 €}\times\text{62.000 km}}{\text{239.800 km}}} = \text{5.403,66 €}.

Der Klä­ger hat ei­nen An­spruch auf Zah­lung in Hö­he von 15.710,80 €, Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be und Über­eig­nung des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs. Dem Klä­ger ste­hen Ver­zugs­zin­sen in Hö­he von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 10.06.2016 zu (§§ 286, 288 I BGB).

II. Der Kla­ge­an­trag zu 2 ist er­folg­reich, denn er ist zu­läs­sig und be­grün­det.

Dem Klä­ger steht das ge­mäß § 256 I ZPO für Fest­stel­lungs­kla­gen er­for­der­li­che Fest­stel­lungs­in­ter­es­se … zu. Dem steht nicht ent­ge­gen, dass ge­mäß § 256 I ZPO Ge­gen­stand ei­ner Fest­stel­lungs­kla­ge grund­sätz­lich nur die Fest­stel­lung des Be­ste­hens oder Nicht­be­ste­hens ei­nes Rechts­ver­hält­nis­ses sein kann, wo­bei un­ter ei­nem Rechts­ver­hält­nis ei­ne be­stimm­te, recht­lich ge­re­gel­te Be­zie­hung ei­ner Per­son zu an­de­ren Per­so­nen oder ei­ner Per­son zu ei­ner Sa­che zu ver­ste­hen ist (BGH, Urt. v. 15.10.1956 – III ZR 226/55, BGHZ 22, 43 [47]). Hier­von be­steht in Fäl­len des An­nah­me­ver­zu­ges in der Recht­spre­chung an­er­kann­ter­ma­ßen ei­ne Aus­nah­me (BGH, Urt. v. 28.10.1987 – VI­II ZR 206/86, WM 1987, 1496 [1498]). Das Fest­stel­lungs­in­ter­es­se ist hier mit dem schutz­wür­di­gen In­ter­es­se des Klä­gers zu recht­fer­ti­gen, den für die Voll­stre­ckung nach §§ 756, 765 ZPO er­for­der­li­chen Nach­weis des An­nah­me­ver­zugs er­brin­gen zu kön­nen (BGH, Urt. v. 31.05.2000 – XII ZR 41/98, NJW 2000, 2663 [2664]).

Der Be­klag­te be­fin­det sich ge­mäß §§ 293 ff. BGB in Ver­zug mit der Rück­nah­me des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs. So­weit der Be­klag­te vor­bringt, dass der Klä­ger zu kei­nem Zeit­punkt ein den An­nah­me­ver­zug be­grün­den­des An­ge­bot … ab­ge­ge­ben hat, greift dies nicht durch. Der Klä­ger hat dem Be­klag­ten zu­min­dest kon­klu­dent in dem Schrei­ben vom 01.06.2015 ein hin­rei­chen­des An­ge­bot i. S. der §§ 294, 295 BGB ge­stellt, wel­ches der Be­klag­te wie­der­um mit Schrei­ben vom 10.06.2016 ab­ge­lehnt hat.

III. Der Kla­ge­an­trag zu 3 ist un­be­grün­det. Dem Klä­ger steht kein An­spruch auf Er­stat­tung vor­ge­richt­li­cher Rechts­an­walts­kos­ten zu. Die An­walts­kos­ten sind mit Be­auf­tra­gung des Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten der Klä­ger­par­tei und da­mit vor Ein­tritt des Ver­zugs des Be­klag­ten mit der Nach­er­fül­lung ent­stan­den. Ein An­spruch auf Er­satz der an­ge­fal­le­nen Rechts­an­walts­kos­ten als Scha­den kommt aus al­len er­denk­li­chen An­spruchs­grund­la­gen nicht in Be­tracht, da die Be­klag­te an dem Vor­lie­gen des Man­gels kein Ver­schul­den trifft und ein Ver­schul­den des Her­stel­lers auch nicht über § 278 BGB zu­ge­rech­net wer­den kann. …

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