Für eine Fristsetzung gemäß § 281 I BGB genügt es, wenn der Gläubiger durch das Verlangen nach sofortiger, unverzüglicher oder umgehender Leistung oder vergleichbare Formulierungen deutlich macht, dass dem Schuldner für die Erfüllung nur ein begrenzter (bestimmbarer) Zeitraum zur Verfügung steht; der Angabe eines bestimmten Zeitraums oder eines bestimmten (End-)Termins bedarf es nicht.
BGH, Versäumnisurteil vom 12.08.2009 – VIII ZR 254/08
Sachverhalt: Der Kläger nimmt die beklagte Autohändlerin aus abgetretenem Recht des Käufers aus einem Gebrauchtwagenkauf in Anspruch.
Der Käufer erwarb von der Beklagten mit schriftlichem Kaufvertrag vom 04.12.2005 einen Pkw Mercedes SL 230 Pagode (Baujahr 1966) zum Preis von 34.900 €. Im Frühjahr 2006 beanstandete der Käufer Mängel am Motor des Fahrzeugs. Er forderte die Beklagte zur umgehenden Beseitigung auf und kündigte an, anderenfalls werde er eine andere Werkstatt mit der Reparatur beauftragen. Entgegen einer von ihrem Mitarbeiter zunächst erteilten Zusage, sich um die Angelegenheit zu kümmern, meldete sich die Beklagte in der Folgezeit nicht bei dem Käufer. Dessen Versuch, die Beklagte telefonisch zu erreichen, scheiterte. Daraufhin ließ der Käufer das Fahrzeug bei der H-GmbH für 2.194,09 € reparieren.
Das Amtsgericht hat die auf Erstattung dieser Kosten gerichtete Klage abgewiesen; das Landgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die Revision des Klägers hatte Erfolg.
Aus den Gründen: [4] I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, ausgeführt:
[5] Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Schadensersatz wegen der Beseitigung der von ihm behaupteten Fahrzeugmängel nicht zu. Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß §§ 280 I, III, 281 I BGB lägen nicht vor, denn der Käufer habe der Beklagten keine Frist zur Nachbesserung gemäß § 281 I 1 BGB gesetzt, und die Fristsetzung sei auch nicht gem. § 281 II BGB entbehrlich gewesen.
[6] Die Aufforderung des Käufers an die Beklagte, die geltend gemachten Mängel „umgehend“ zu beseitigen, stelle keine ausreichende Fristsetzung i. S. des § 281 I BGB dar. Entgegen einer teilweise vertretenen Auffassung genüge die Aufforderung zur „unverzüglichen“ oder „umgehenden“ Leistung nicht. Schon nach dem Wortsinn liege eine Fristsetzung nur dann vor, wenn ein konkreter Zeitraum bestimmt sei, entweder durch Mitteilung eines bestimmten Termins, zu dem die Frist ablaufe, oder durch die Angabe bestimmter Zeiteinheiten, die dem Schuldner für die Leistung eingeräumt würden. Die Angabe eines konkreten Zeitraums verdeutliche dem Schuldner, dass er nach Fristablauf mit der Geltendmachung anderer Gewährleistungsrechte rechnen müsse. Dieser Zweck werde durch die Aufforderung zur unverzüglichen oder umgehenden Nacherfüllung nicht in gleicher Weise erreicht, weil damit eine Unsicherheit entstehe, zu welchem Zeitpunkt der Gläubiger zu anderen Gewährleistungsansprüchen übergehen könne. Eine solche Unsicherheit habe das Gesetz aber durch das Erfordernis der Setzung einer angemessenen Frist vermeiden wollen.
[7] II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung, der Käufer habe der Beklagten mit der Aufforderung zur umgehenden Mangelbeseitigung keine Frist zur Nacherfüllung i. S. des § 281 I BGB gesetzt, kann ein Schadensersatzanspruch des Klägers nicht verneint werden.
[8] Zwar verlangt die überwiegende Meinung in der Literatur – ebenso wie das Berufungsgericht – für eine Fristsetzung gem. § 281 I BGB die Bestimmung eines konkreten Zeitraums, entweder durch Mitteilung eines bestimmten Termins, zu dem die Frist abläuft, oder durch die Angabe bestimmter Zeiteinheiten, die dem Schuldner für die Leistung eingeräumt werden (MünchKomm-BGB/Ernst, 5. Aufl., § 323 Rn. 68; Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl., § 281 Rn. 9; Soergel/Gsell, BGB, 13. Aufl., § 323 Rn. 80). Nach dieser Auffassung genügt die Aufforderung zur „sofortigen“ bzw. „unverzüglichen“ oder – wie hier – „umgehenden“ Leistung nicht. Teilweise wird dies damit begründet, dass nach dem Wegfall der nach früherem Recht vorgesehenen Ablehnungsandrohung allein die Fristsetzung die Warnfunktion gegenüber dem Schuldner erfülle und an sie deshalb strenge Anforderungen zu stellen seien (MünchKomm-BGB/Ernst, a. a. O., § 323 Rn. 68).
[9] Demgegenüber vertritt ein weiterer Teil der Literatur die Auffassung, auch eine Aufforderung zur unverzüglichen Leistung könne ausreichen (Staudinger/Otto, BGB, Neubearb. 2004, § 281 Rn. B 62 und § 323 Rn. B 59; Unberath, in: Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl., § 281 Rn. 16), zumindest in Fällen besonderer Dringlichkeit (Jauernig/Stadler, BGB, 12. Aufl., § 281 Rn. 6; vgl. auch MünchKomm-BGB/Ernst, a. a. O., § 323 Rn. 74).
[10] Auszugehen ist vom Wortlaut des Gesetzes. Dem Begriff der Fristsetzung lässt sich nicht entnehmen, dass die maßgebliche Zeitspanne nach dem Kalender bestimmt sein muss oder in konkreten Zeiteinheiten anzugeben ist. Eine in dieser Weise bestimmte Frist verlangt § 281 I BGB – anders als § 286 II Nr. 1, Nr. 2 BGB für den Verzugseintritt ohne Mahnung – nicht. Vielmehr kann die Dauer einer Frist grundsätzlich auch durch einen unbestimmten Rechtsbegriff bezeichnet werden; dies ist insbesondere bei rechtsgeschäftlichen Fristen häufig der Fall (MünchKomm-BGB/Grothe, 5. Aufl., § 186 Rn. 4). Nach allgemeiner Meinung ist eine Frist ein Zeitraum, der bestimmt oder bestimmbar ist (RGZ 120, 355 [362]; Palandt/Heinrichs, 68. Aufl., § 186 Rn. 3; Erman/Palm, BGB, 12. Aufl., vor § 186 Rn. 1; Henrich, in: Bamberger/Roth, 2. Aufl., § 186 Rn. 2; Kesseler, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 4. Aufl., § 186 Rn. 3). Mit der Aufforderung, die Leistung oder die Nacherfüllung „in angemessener Zeit“, „umgehend“ oder „so schnell wie möglich“ zu bewirken, wird eine zeitliche Grenze gesetzt, die aufgrund der jeweiligen Umstände des Einzelfalls bestimmbar ist.
[11] Auch der Zweck der Fristsetzung gemäß § 281 I BGB erfordert es nicht, dass der Gläubiger für die Nacherfüllung einen bestimmten Zeitraum oder einen genauen (End-)Termin angibt. Dem Schuldner soll mit der Fristsetzung vor Augen geführt werden, dass er die Leistung nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt bewirken kann, sondern dass ihm hierfür eine zeitliche Grenze gesetzt ist. Dieser Zweck wird bereits durch die Aufforderung, innerhalb „angemessener Frist“, „unverzüglich“ oder – wie hier – „umgehend“ zu leisten, hinreichend erfüllt. Zwar besteht für den Schuldner dann die Ungewissheit, welcher genaue Zeitraum ihm für die Leistung bzw. Nacherfüllung zur Verfügung steht. Diese Ungewissheit besteht aber in vielen Fällen auch bei Angabe einer bestimmten Frist, nämlich immer dann, wenn die vom Gläubiger gesetzte Frist zu kurz ist. Eine solche Fristsetzung ist nach der Rechtsprechung des BGH nicht unwirksam, sondern setzt eine angemessene Frist in Gang, die gegebenenfalls vom Gericht in einem späteren Prozess festgestellt wird (BGH, Urt. v. 21.06.1985 – V ZR 134/84, NJW 1985, 2640 [unter II 1a] m. w. Nachw.). Diese – zu § 326 BGB a.F. ergangene – Rechtsprechung wollte der Gesetzgeber bei der Schuldrechtsreform ausdrücklich unberührt lassen (BT-Drs. 14/6040, S. 138). Nach den Gesetzesmaterialien sollte die Fristsetzung im Übrigen auch nicht zu einer Hürde werden, an der der Käufer aus formalen Gründen scheitere (BT-Drs. 14/6040, S. 185). Für eine Fristsetzung nach § 281 I BGB genügt es deshalb, wenn der Gläubiger durch das Verlangen nach sofortiger, unverzüglicher oder umgehender Leistung oder vergleichbare Formulierungen deutlich macht, dass dem Schuldner für die Erfüllung nur ein begrenzter Zeitraum zur Verfügung steht.
[12] III. Das Urteil des Berufungsgerichts kann deshalb keinen Bestand haben, es ist daher aufzuheben. Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif, weil das Berufungsgericht – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – keine Feststellungen zu den behaupteten Mängeln des Fahrzeugs getroffen hat. Der Rechtsstreit ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 I 1 ZPO).