1. Ein vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­ner Neu­wa­gen ist i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB man­gel­haft, weil er nicht die Be­schaf­fen­heit auf­weist, die ein durch­schnitt­li­cher Neu­wa­gen­käu­fer er­war­ten kann. Denn der Durch­schnitts­käu­fer ei­nes Neu­wa­gens darf da­von aus­ge­hen, dass in sei­nem Fahr­zeug kei­ne als un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung zu qua­li­fi­zie­ren­de Soft­ware zum Ein­satz kommt, die er­kennt, ob das Fahr­zeug auf ei­nem Prüf­stand ei­nen Emis­si­ons­test ab­sol­viert, und die (nur) in die­sem Fall ei­ne Ver­rin­ge­rung ins­be­son­de­re der Stick­oxid(NOX)-Emis­sio­nen sorgt. Das gilt um­so mehr, als die Ver­wen­dung ei­ner den Schad­stoff­aus­stoß ma­ni­pu­lie­ren­den Soft­ware bei Fahr­zeu­gen an­de­rer Her­stel­ler nicht be­kann­ter­ma­ßen üb­lich ist.
  2. Der Ver­käu­fer ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen und be­reits An­fang 2012 aus­ge­lie­fer­ten VW Ti­gu­an der ers­ten Ge­ne­ra­ti­on (VW Ti­gu­an I) ist nicht zur Er­satz­lie­fe­rung (§ 439 I Fall 2 BGB) ver­pflich­tet. Denn die Lie­fe­rung ei­nes man­gel­frei­en fa­brik­neu­en VW Ti­gu­an I ist in­fol­ge ei­nes Ge­ne­ra­ti­ons­wech­sels i. S. von § 275 I BGB un­mög­lich, und die Lie­fe­rung ei­nes – nicht gleich­ar­ti­gen und gleich­wer­ti­gen – Neu­wa­gens der zwei­ten Ge­ne­ra­ti­on (VW Ti­gu­an II) kann der Käu­fer auch dann nicht mit Er­folg ver­lan­gen, wenn der Kauf­ver­trag ei­nen Än­de­rungs­vor­be­halt i. S. des § 308 Nr. 4 BGB ent­hält.

LG Hei­del­berg, Ur­teil vom 30.06.2017 – 3 O 6/17

Sach­ver­halt: Der Klä­ger ver­langt von der be­klag­ten Kfz-Händ­le­rin im Zu­sam­men­hang mit dem VW-Ab­gas­skan­dal die Lie­fe­rung ei­nes man­gel­frei­en Neu­wa­gens (§§ 437 Nr. 1, 439 I Fall 2 BGB).

Er er­warb von der Be­klag­ten An­fang 2012 ei­nen fa­brik­neu­en VW Ti­gu­an 2.0 TDI BMT Sport & Style (103 kW/140 PS) zum Preis von 30.472 €. Das Fahr­zeug wur­de dem Klä­ger am 26.03.2012 über­ge­ben.

In den Kauf­ver­trag ein­be­zo­gen wur­den die Neu­wa­gen-Ver­kaufs­be­din­gun­gen der Be­klag­ten. Die­se se­hen in Ab­schnitt IV un­ter an­de­rem Fol­gen­des vor:

„6. Kon­struk­ti­ons- und Form­än­de­run­gen, Ab­wei­chun­gen im Farb­ton so­wie Än­de­run­gen des Lie­fer­um­fangs sei­tens des Her­stel­lers blei­ben wäh­rend der Lie­fer­zeit vor­be­hal­ten, so­fern die Än­de­run­gen und Ab­wei­chun­gen un­ter Be­rück­sich­ti­gung der In­ter­es­sen des Ver­käu­fers für den Käu­fer zu­mut­bar sind.“

Das Fahr­zeug des Klä­gers ist mit ei­nem EA189-Die­sel­mo­tor aus­ge­stat­tet und so­mit vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fen. In dem Pkw kommt ei­ne Soft­ware zum Ein­satz, die er­kennt, ob das Fahr­zeug auf ei­nem Prüf­stand ei­nen Emis­si­ons­test ab­sol­viert oder ob es re­gu­lär im Stra­ßen­ver­kehr be­trie­ben wird. In ei­ner Test­si­tua­ti­on be­wirkt die Soft­ware ei­ne Ver­rin­ge­rung der Stick­oxid(NOX)-Emis­sio­nen, die des­halb wäh­rend ei­nes Emis­si­ons­tests ge­rin­ger sind als im nor­ma­len Fahr­be­trieb.

Nach­dem der Ein­satz der – in der Öf­fent­lich­keit so be­zeich­ne­ten – „Ma­ni­pu­la­ti­ons­soft­ware“ be­kannt ge­wor­den war, ord­ne­te das Kraft­fahrt-Bun­des­amt die­se als un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung ein. Es ver­pflich­te­te die Volks­wa­gen AG mit Be­scheid vom 15.10.2015, die Soft­ware aus al­len vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeu­gen mit dem Ag­gre­gat EA189 zu ent­fer­nen und ge­eig­ne­te Maß­nah­men zu er­grei­fen, um die Vor­schrifts­mä­ßig­keit die­ser Fahr­zeu­ge wie­der­her­zu­stel­len. In der Fol­ge­zeit prüf­te das Kraft­fahrt-Bun­des­amt ei­nen ihm von der Volks­wa­gen AG vor­ge­leg­ten Maß­nah­men­plan und gab suk­zes­si­ve auf den je­wei­li­gen Fahr­zeug­typ ab­ge­stimm­te Soft­ware­up­dates zur In­stal­la­ti­on frei.

Das Soft­ware­up­date für den VW Ti­gu­an gab das Kraft­fahrt-Bun­des­amt am 01.06.2016 frei; der Klä­ger hat es bis­her nicht in­stal­lie­ren las­sen. Auch oh­ne das Up­date ist das Fahr­zeug des Klä­gers der­zeit öf­fent­lich-recht­lich zum Ver­kehr auf öf­fent­li­chen Stra­ßen zu­ge­las­sen und ge­brauchs­taug­lich. Auch die EG-Typ­ge­neh­mi­gung wur­de bis­lang nicht ent­zo­gen, wenn­gleich aus Sicht des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes die In­stal­la­ti­on des Soft­ware­up­dates für den Er­halt der Typ­ge­neh­mi­gung ob­li­ga­to­risch ist.

Mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 14.07.2016 rüg­te der Klä­ger ge­gen­über der Be­klag­ten die Man­gel­haf­tig­keit sei­nes Fahr­zeugs und for­der­te die Be­klag­te auf, ihm bis zum 25.08.2016 ei­nen man­gel­frei­en Neu­wa­gen zu lie­fern. Die Be­klag­te ver­wies den Klä­ger mit Schrei­ben vom 25.07.2016 auf das von der Volks­wa­gen AG ent­wi­ckel­te Soft­ware­up­date und wies das Be­geh­ren des Klä­gers zu­rück.

Der VW Ti­gu­an wird so, wie ihn der Klä­ger er­wor­ben hat, nicht mehr her­ge­stellt. Seit Ja­nu­ar 2016 pro­du­ziert die Volk­wa­gen AG viel­mehr ein Nach­fol­ge­mo­dell, den „Ti­gu­an II“. Die­ser ver­fügt über ei­ne an­de­re Mo­to­ri­sie­rung als der „Ti­gu­an I“, hält statt der Eu­ro-5- die Eu­ro-6-Emis­si­ons­grenz­wer­te ein und weist ge­gen­über dem „Ti­gu­an I“ op­ti­sche und (wei­te­re) tech­ni­sche Än­de­run­gen auf, de­ren Be­deu­tung zwi­schen den Par­tei­en strei­tig ist.

Der Klä­ger be­haup­tet, der Stick­oxid­aus­stoß des von ihm er­wor­be­nen Fahr­zeugs über­schrei­te im rea­len Fahr­be­trieb den ein­schlä­gi­gen Eu­ro-5-Emis­si­ons­grenz­wert. Er – der Klä­ger – müs­se des­halb da­mit rech­nen, dass dem Pkw die Zu­las­sung ent­zo­gen wer­de; dies sei bis­lang nur des­halb noch nicht ge­sche­hen, weil das Kraft­fahrt-Bun­des­amt ei­ne Aus­nah­me­ge­neh­mi­gung er­teilt ha­be. Ihm – dem Klä­ger – sei es beim Er­werb des Fahr­zeugs ge­ra­de auf des­sen Um­welt­freund­lich­keit und die ge­rin­gen Ab­gas­emis­sio­nen an­ge­kom­men, da­mit er den Wa­gen auch in den Städ­ten nut­zen kön­ne, die ei­ne grü­ne Um­welt­pla­ket­te for­dern.

Ei­ne Nach­er­fül­lung – so meint der Klä­ger – sei der Be­klag­ten durch die er­satz­wei­se Lie­fe­rung ei­nes „VW Ti­gu­an II“ mög­lich. Die­ser un­ter­schei­de sich vom „VW Ti­gu­an I“ nur da­durch, dass der Mo­tor durch ein neu­es, den An­for­de­run­gen der Eu­ro-6-Ab­gas­norm ent­spre­chen­des Ag­gre­gat er­setzt wor­den sei.

Auf ei­ne Man­gel­be­sei­ti­gung durch In­stal­la­ti­on ei­nes Soft­ware­up­dates müs­se er – der Klä­ger – sich schon des­halb nicht ver­wei­sen las­sen, weil da­mit nach­tei­li­ge Fol­gen ver­bun­den sei­en. Das Soft­ware­up­date füh­re näm­lich un­ter an­de­rem zu ei­ner Er­hö­hung des Kraft­stoff­ver­brauchs und ei­ner Re­du­zie­rung der Mo­tor­leis­tung und sei da­her nicht ge­eig­net, den ver­trags­ge­mä­ßen Zu­stand her­zu­stel­len. Je­den­falls ver­blei­be ein mer­kan­ti­ler Min­der­wert, da der Wa­gen auch nach ei­ner tech­nisch ein­wand­frei­en Re­pa­ra­tur zu ei­ner be­makel­ten Fahr­zeug­grup­pe ge­hö­re und die lang­fris­ti­gen Aus­wir­kun­gen des Soft­ware­up­dates völ­lig un­be­kannt sei­en. Zu­dem sei ihm – dem Klä­ger – die Durch­füh­rung der Nach­bes­se­rung auch des­halb nicht zu­zu­mu­ten, weil ihn der VW-Kon­zern, der das Soft­ware­up­date be­reit­stel­le, be­wusst über die Exis­tenz der Ma­ni­pu­la­ti­ons­soft­ware ge­täuscht ha­be und da­her die Ver­trau­ens­grund­la­ge end­gül­tig weg­ge­fal­len sei.

Da­von ab­ge­se­hen trä­fen die Be­klag­te durch die Nach­lie­fe­rung auch kei­ne un­ver­hält­nis­mä­ßi­gen Kos­ten, weil sie bei der Volks­wa­gen AG Re­gress neh­men kön­ne und zu­dem bei den Kos­ten der Nach­bes­se­rung die er­heb­li­chen Kos­ten für die Ent­wick­lung des Soft­ware­up­dates zu be­rück­sich­ti­gen sei­en.

Die Kla­ge hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: I. … Dem Klä­ger steht ge­gen die Be­klag­te kein An­spruch ge­mäß §§ 437 Nr. 1, 439 I Fall 2 BGB auf Lie­fe­rung ei­nes man­gel­frei­en fa­brik­neu­en ty­penglei­chen Er­satz­fahr­zeugs aus der ak­tu­el­len Se­ri­en­pro­duk­ti­on des Her­stel­lers Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be und Rück­über­eig­nung des streit­ge­gen­ständ­li­chen VW Ti­gu­an zu.

1. Die Par­tei­en ha­ben ei­nen wirk­sa­men Kauf­ver­trag über das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug ge­mäß § 433 BGB ge­schlos­sen.

Auch war das er­wor­be­ne Fahr­zeug im Zeit­punkt der Über­ga­be man­gel­haft.

Zwar ist die Be­haup­tung des Klä­gers, ihm sei es beim Er­werb des streit­ge­gen­ständ­li­chen VW Ti­gu­an auf die be­son­de­re Um­welt­ver­träg­lich­keit des Fahr­zeugs an­ge­kom­men, of­fen­kun­dig un­zu­tref­fend. Denn bei dem VW Ti­gu­an han­delt es sich um ei­nen so­ge­nann­ten SUV mit ho­hem Ge­wicht, ho­hem Luft­wi­der­stand und ho­her Mo­tor­leis­tung und da­mit ver­bun­den mit ei­nem ho­hen Kraft­stoff­ver­brauch. Der Er­werb ei­nes sol­chen Fahr­zeugs lässt dar­auf schlie­ßen, dass der Käu­fer kein be­son­de­res In­ter­es­se an ei­ner Um­welt­ver­träg­lich­keit des Fahr­zeugs ha­ben kann.

Al­ler­dings ist das Fahr­zeug des­halb man­gel­haft, weil es auf­grund der auf das Mo­tor­steue­rungs­ge­rät un­zu­läs­sig ein­wir­ken­den Soft­ware je­den­falls nicht die üb­li­che Be­schaf­fen­heit i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB auf­weist.

Ge­mäß § 434 I 2 Nr. 2 BGB ist ein Kauf­ge­gen­stand frei von Sach­män­geln, wenn er sich für die ge­wöhn­li­che Ver­wen­dung eig­net und ei­ne Be­schaf­fen­heit auf­weist, die bei Sa­chen der glei­chen Art üb­lich ist und die der Käu­fer nach der Art der Sa­che er­war­ten kann.

Das vom Klä­ger er­wor­be­ne Fahr­zeug eig­net sich zwar trotz des Ein­baus der Ab­schalt­ein­rich­tung für die üb­li­che Ver­wen­dung, weil es tech­nisch si­cher und ver­kehrstaug­lich ist. Es weist aber nicht die Be­schaf­fen­heit auf, die ein durch­schnitt­li­cher Käu­fer nach der Art der Sa­che er­war­ten kann. Der Durch­schnitts­käu­fer ei­nes Neu­fahr­zeugs kann be­rech­tig­ter­wei­se da­von aus­ge­hen, dass in sei­nem Fahr­zeug kei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­soft­ware ein­ge­baut ist, die da­für sorgt, dass der Prüf­stand­lauf für die Mes­sung der Emis­si­ons­wer­te er­kannt und über ei­ne ent­spre­chen­de Pro­gram­mie­rung der Mo­tor­steue­rung in ge­setz­lich un­zu­läs­si­ger Wei­se ins­be­son­de­re der NOX-Aus­stoß re­du­ziert wird (vgl. LG Kemp­ten, Urt. v. 29.03.2017 – 13 O 808/16, BeckRS 2017, 106279 Rn. 41 f.; LG Aa­chen, Urt. v. 21.03.2017 – 10 O 177/16, ju­ris Rn. 30; LG Re­gens­burg, Urt. v. 04.02.2017 – 7 O 967/16, ju­ris Rn. 30; LG Ol­den­burg, Urt. v. 01.09.2016 – 16 O 790/16, ju­ris Rn. 26; LG Müns­ter, Urt. v. 14.03.2016 – 011 O 341/15, ju­ris Rn. 18; Urt. v. 04.10.2016 – 02 O 1/16, ju­ris Rn. 22; je­weils m. w. Nachw.). Die In­stal­la­ti­on ei­ner sol­chen Ab­schalt­soft­ware ist bei Fahr­zeu­gen an­de­rer Her­stel­ler in ei­ner ver­gleich­ba­ren Fahr­zeug­klas­se auch nicht be­kann­ter­ma­ßen üb­lich (vgl. LG Re­gens­burg, Urt. v. 04.02.2017 – 7 O 967/16, ju­ris Rn. 30; LG Braun­schweig, Urt. v. 12.10.2016 – 4 O 202/16, ju­ris Rn. 19).

In­so­weit re­sul­tiert die Man­gel­haf­tig­keit al­so nicht et­wa dar­aus, dass die un­ter La­bor­be­din­gun­gen im Prüf­stand­lauf ge­mes­se­nen Wer­te im all­täg­li­chen Stra­ßen­ver­kehr nicht ein­ge­hal­ten wer­den, son­dern sie grün­det sich dar­auf, dass der Mo­tor die im Prüf­stand­lauf ge­mes­se­nen Wer­te nur auf­grund der ma­ni­pu­lier­ten Soft­ware er­zie­len konn­te (vgl. LG Müns­ter, Urt. v. 14.03.2016 – 011 O 341/15, ju­ris Rn. 18; LG Kemp­ten, Urt. v. 29.03.2017 – 13 O 808/16, BeckRS 2017, 106279 Rn. 41; LG Re­gens­burg, Urt. v. 04.02.2017 – 7 O 967/16, ju­ris Rn. 30). Dass die Emis­si­ons­wer­te für Stick­oxi­de nach bis­he­ri­ger Rechts­la­ge un­ter La­bor­be­din­gun­gen und nicht im rea­len Stra­ßen­ver­kehr zu mes­sen sind, er­gibt sich aus Er­wä­gungs­grund 15 der ein­schlä­gi­gen Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 (vgl. LG Düs­sel­dorf, Urt. v. 31.05.2017 – 12 O 68/17).

2. Das Fahr­zeug lei­det so­mit an ei­nem Sach­man­gel. Da­mit kann der Klä­ger grund­sätz­lich nach sei­ner Wahl ge­mäß §§ 437 Nr. 1, 439 I BGB Er­satz­lie­fe­rung ei­nes man­gel­frei­en Fahr­zeugs oder die Be­sei­ti­gung des Man­gels ver­lan­gen. Mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 14.07.2016 hat er ge­gen­über der Be­klag­ten aus­drück­lich die Va­ri­an­te der Er­satz­lie­fe­rung ge­wählt. Die­ser An­spruch ist je­doch nach § 275 I BGB aus­ge­schlos­sen, weil der Be­klag­ten die Lie­fe­rung ei­nes man­gel­frei­en Fahr­zeugs, das der­sel­ben Gat­tung des vom Klä­ger er­wor­be­nen Fahr­zeugs an­ge­hört und da­her von dem Nach­er­fül­lungs­an­spruch ge­deckt ist, un­mög­lich ist.

a) Der Nach­er­fül­lungs­an­spruch ist nichts an­de­res als die Fort­set­zung des Er­fül­lungs­an­spruchs des Käu­fers in mo­di­fi­zier­ter Form (vgl. nur BT-Drs. 14/6040, S. 221; BGH, Urt. v. 17.10.2012 – VI­II ZR 226/11, BGHZ 195, 135 Rn. 24; Stau­din­ger/Ma­tu­sche-Beck­mann, BGB, Neu­be­arb. 2013, § 439 Rn. 1). Sein Zweck liegt dar­in, den ur­sprüng­lich ge­schul­de­ten Zu­stand her­zu­stel­len. Der Käu­fer soll mit der Nach­er­fül­lung das er­hal­ten, was er ver­trag­lich zu be­an­spru­chen hat – nicht mehr und nicht we­ni­ger (BGH, Urt. v. 17.10.2012 – VI­II ZR 226/11, BGHZ 195, 135 Rn. 24; vgl. auch LG Kemp­ten, Urt. v. 29.03.2017 – 13 O 808/16, BeckRS 2017, 106279 Rn. 47; LG Aa­chen, Urt. v. 21.03.2017 – 10 O 177/16, ju­ris Rn. 34). Der Nach­er­fül­lungs­an­spruch kann da­her nicht wei­ter rei­chen als der ur­sprüng­li­che Er­fül­lungs­an­spruch.

Gleich­wohl ist – schon beim Stück­kauf – an­er­kannt, dass sich der Er­satz­lie­fe­rungs­an­spruch nicht nur auf mit der ur­sprüng­lich ge­schul­de­ten Kauf­sa­che iden­ti­sche Sa­chen be­zieht, son­dern auch die Neu­lie­fe­rung ei­ner gleich­ar­ti­gen und gleich­wer­ti­gen Sa­che ver­langt wer­den kann. Liegt – wie hier – ei­ne Gat­tungs­schuld vor, kann der An­spruch auf Nach­er­fül­lung durch Lie­fe­rung ei­ner Sa­che er­füllt wer­den, die der­sel­ben Gat­tung an­ge­hört wie der ge­schul­de­te Ge­gen­stand. Erst wenn die ge­sam­te Gat­tung un­ter­ge­gan­gen oder man­gel­be­haf­tet ist, schei­det ei­ne Nach­er­fül­lung im We­ge der Er­satz­lie­fe­rung we­gen Un­mög­lich­keit aus (vgl. nur Pa­landt/Wei­den­kaff, BGB, 76. Aufl. [2017], § 439 Rn. 15).

Wel­che Ge­gen­stän­de der von den Par­tei­en ver­ein­bar­ten Gat­tung zu­ge­hö­rig sind und da­her vom An­spruch auf Er­satz­lie­fe­rung um­fasst sind, ist durch Aus­le­gung des Kauf­ver­tra­ges zu be­stim­men (§§ 133, 157 BGB). Maß­geb­lich ist da­her, wel­che Ge­gen­stän­de die Par­tei­en im Zeit­punkt des Ver­trags­schlus­ses noch vom ur­sprüng­li­chen Er­fül­lungs­an­spruch um­fasst an­sa­hen, so­dass de­ren Über­ga­be und Über­eig­nung ei­ne ord­nungs­ge­mä­ße Er­fül­lung des Kauf­ver­tra­ges dar­stel­len wür­de.

b) Ge­mäß dem zwi­schen den Par­tei­en ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trag schul­de­te der Klä­ger ei­nen fa­brik­neu­en VW Ti­gu­an 2.0 TDI BMT Sport & Style (103 kW/140 PS) … mit den in der An­la­ge K 1 er­gän­zend be­schrie­be­nen Ei­gen­schaf­ten. Die Er­satz­lie­fe­rung ei­nes Fahr­zeugs die­ses kon­kre­ten Mo­dell­typs ist ob­jek­tiv un­mög­lich. Das vom Klä­ger er­wor­be­ne Mo­dell des VW Ti­gu­an wird un­strei­tig seit Ja­nu­ar 2016 nicht mehr her­ge­stellt. Vor die­sem Zeit­punkt pro­du­zier­te Fahr­zeu­ge sind schon des­halb nicht mehr nach­er­fül­lungs­taug­lich, weil sie auf­grund der zwi­schen­zeit­li­chen Stand­zei­ten nicht mehr als „fa­brik­neu“ an­zu­se­hen sind (vgl. da­zu BGH, Urt. v. 15.10.2003 – VI­II ZR 227/02, NJW 2004, 160). Zu­dem sind sämt­li­che Fahr­zeu­ge die­ses Mo­dell­typs eben­falls mit dem 2,0-Li­ter-Die­sel­mo­tor vom Typ EA189 und da­mit auch mit der Ma­ni­pu­la­ti­ons­soft­ware aus­ge­stat­tet und lei­den da­her an dem­sel­ben Sach­man­gel wie das klä­ge­ri­sche Fahr­zeug. Die Lie­fe­rung ei­nes man­gel­frei­en Fahr­zeugs des­sel­ben Fahr­zeug­typs ist da­her nicht mög­lich.

c) Die Be­klag­te ist im Rah­men des vor­lie­gen­den Gat­tungs­kaufs auch nicht ver­pflich­tet, dem Klä­ger ein Er­satz­fahr­zeug aus der neu­en Mo­dell­rei­he des VW Ti­gu­an zu lie­fern, da ein sol­ches nicht mehr zu der ge­schul­de­ten Gat­tung ge­hört (eben­so für den VW Ti­gu­an: LG Kemp­ten, Urt. v. 29.03.2017 – 13 O 808/16, BeckRS 2017, 106279 Rn. 45 ff.; LG Aa­chen, Urt. v. 21.03.2017 – 10 O 177/16, ju­ris Rn. 32 ff.; LG Bay­reuth, Urt. v. 20.12.2016 – 21 O 34/16; LG Ha­gen, Urt. v. 07.10.2016 – 9 O 58/16, ju­ris Rn. 37 ff.; a. A. LG Of­fen­burg, Urt. v. 21.03.2017 – 3 O 77/16).

Die Kam­mer ist auf­grund der ins­be­son­de­re von Be­klag­ten­sei­te vor­ge­leg­ten Un­ter­la­gen auch oh­ne Ein­ho­lung ei­nes Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens da­von über­zeugt, dass die Ab­wei­chun­gen zwi­schen dem VW Ti­gu­an aus der ak­tu­el­len Se­ri­en­pro­duk­ti­on und dem vom Klä­ger im Jahr 2012 er­wor­be­nen Mo­dell so er­heb­lich sind, dass ein Fahr­zeug der ak­tu­el­len Mo­dell­ge­ne­ra­ti­on nicht mehr vom Leis­tungs­um­fang des ur­sprüng­lich zwi­schen den Par­tei­en ver­ein­bar­ten Er­fül­lungs­an­spruchs ge­deckt ist. Schon op­tisch und in ih­ren Ab­mes­sun­gen un­ter­schei­den sich die bei­den Fahr­zeu­ge er­heb­lich von­ein­an­der. Im Ver­gleich zum Vor­gän­ger wirkt das Mo­dell aus der ak­tu­el­len Se­ri­en­pro­duk­ti­on deut­lich kan­ti­ger und sport­li­cher und weist ins­be­son­de­re an der Front­par­tie im Be­reich des Küh­ler­grills und der Schein­wer­fer ein of­fen­sicht­lich ge­än­der­tes De­sign auf. Fahr­zeug­hö­he und -brei­te ha­ben sich je­weils um 3 cm, die Fahr­zeug­län­ge um 6 cm ver­än­dert, und der Rad­stand ist 7,7 cm grö­ßer ge­wor­den. Auch im In­nen­raum ha­ben sich die Ab­mes­sun­gen ver­än­dert. Zu­dem ist do­ku­men­tiert, dass die Fahr­zeu­ge der ak­tu­el­len Se­ri­en­pro­duk­ti­on im Ge­gen­satz zum Vor­gän­ger­mo­dell die Platt­form des Mo­du­la­ren Quer­bau­kas­tens ver­wen­den.

Ei­nen be­son­ders ins Ge­wicht fal­len­den Un­ter­schied stellt die ge­än­der­te Mo­to­ri­sie­rung dar (hier­auf ent­schei­dend ab­stel­lend LG Aa­chen, Urt. v. 21.03.2017 – 10 O 177/16, ju­ris Rn. 34). In den Fahr­zeu­gen der ak­tu­el­len Se­ri­en­pro­duk­ti­on wer­den Mo­to­ren ver­baut, die nicht le­dig­lich von der Ma­ni­pu­la­ti­ons­soft­ware be­freit sind, son­dern ge­gen­über dem im klä­ge­ri­schen Fahr­zeug ver­bau­ten Mo­tor auch an­sons­ten an­de­re Leis­tungs­merk­ma­le auf­wei­sen. Ein vom Klä­ger ge­wähl­ter Die­sel­mo­tor mit 140 PS ist in den Fahr­zeu­gen der ak­tu­el­len Se­ri­en­pro­duk­ti­on nicht mehr ver­füg­bar. Der am ehes­ten ver­gleich­ba­re Die­sel­mo­tor des Typs EA288 mit 150 PS weist hin­ge­gen zahl­rei­che Un­ter­schie­de zu dem im klä­ge­ri­schen Fahr­zeug ver­bau­ten Ag­gre­gat auf: Ne­ben der ma­xi­ma­len Leis­tung von 150 PS bei 3.500 U/min statt 140 PS mit 4.200 U/min be­trägt das ma­xi­ma­le Dreh­mo­ment 340 Nm statt 320 Nm, die Be­schleu­ni­gung er­folgt in 9,3 Se­kun­den auf 100 km/h statt in 10,2 Se­kun­den, und der Ver­brauch liegt trotz der hö­he­ren Leis­tungs­stär­ke bei 5,4 l/100 km statt bei 5,3 l/100 km. Die Fahr­zeu­ge der ak­tu­el­len Se­ri­en­pro­duk­ti­on ver­fü­gen zu­dem über ei­ne Harn­stof­f­e­in­sprit­zung (Ad­Blue) und er­fül­len die Vor­aus­set­zun­gen der Ab­gas­norm Eu­ro 6 an­statt Eu­ro 5. Auf­grund die­ser und wei­te­rer tech­ni­scher und op­ti­scher Un­ter­schie­de wird der seit Ja­nu­ar 2016 her­ge­stell­te „Ti­gu­an II“ … so­wohl in der Fach­welt als auch in der Öf­fent­lich­keit als of­fi­zi­el­les Nach­fol­ge­mo­dell des vom Klä­ger er­wor­be­nen Fahr­zeug­typs an­ge­se­hen. Dem­nach hat auch in der öf­fent­li­chen Wahr­neh­mung ein ech­ter Mo­dell­wech­sel und nicht le­dig­lich ein so­ge­nann­tes Face­lift statt­ge­fun­den.

Vor die­sem Hin­ter­grund er­scheint es auch bei er­gän­zen­der Ver­trags­aus­le­gung fern­lie­gend, dass die Par­tei­en bei Ab­schluss des Kauf­ver­tra­ges im Jahr 2012 ein der­art ab­wei­chen­des Fahr­zeug­mo­dell als vom ur­sprüng­li­chen Er­fül­lungs­an­spruch ge­deckt an­ge­se­hen ha­ben.

Et­was an­de­res er­gibt sich auch nicht un­ter Be­rück­sich­ti­gung von Ab­schnitt IV Nr. 6 der Neu­wa­gen-Ver­kaufs­be­din­gun­gen der Be­klag­ten. Denn zum ei­nen ent­hal­ten auch die­se ei­ne (en­ge) zeit­li­che Be­gren­zung für Ab­wei­chun­gen von dem ver­ein­bar­ten Leis­tungs­in­halt auf die Lie­fer­zeit. Zum an­de­ren sind die von der Än­de­rungs­klau­sel um­fass­ten Ab­wei­chun­gen ka­ta­log­ar­tig um­schrie­ben und be­zie­hen sich nur auf Kon­struk­ti­ons- und Form­än­de­run­gen, Ab­wei­chun­gen im Farb­ton so­wie Än­de­run­gen des Lie­fer­um­fangs. Dass vor die­sem Hin­ter­grund auch ein Fahr­zeug mit ge­än­der­ter Mo­to­ri­sie­rung, das in der Öf­fent­lich­keit als of­fi­zi­el­les Nach­fol­ge­mo­dell des ge­schul­de­ten Fahr­zeugs wahr­ge­nom­men wird und fast vier Jah­re nach der Lie­fe­rung auf den Markt kommt, von der ur­sprüng­li­chen Par­tei­ver­ein­ba­rung um­fasst sein soll, lässt sich aus Ab­schnitt IV Nr. 6 der Neu­wa­gen-Ver­kaufs­be­din­gun­gen nicht ab­lei­ten, zu­mal die­se Klau­sel er­sicht­lich nicht zu dem Zweck ver­wen­det wur­de, die (Er­fül­lungs-)Rech­te des Käu­fers aus­zu­wei­ten, son­dern viel­mehr, um ei­ner mög­li­chen Pro­ble­ma­tik des Ver­käu­fers Rech­nung zu tra­gen. Der VW Ti­gu­an aus der ak­tu­el­len Se­ri­en­pro­duk­ti­on ist da­her nicht der­sel­ben Gat­tung zu­zu­ord­nen wie das vom Klä­ger er­wor­be­ne Mo­dell, so­dass im We­ge der Nach­er­fül­lung auch nicht die Er­satz­lie­fe­rung ei­nes sol­chen Fahr­zeugs ver­langt wer­den kann.

3. Der An­spruch des Klä­gers aus § 439 I Fall 2 BGB auf Lie­fe­rung ei­nes ty­penglei­chen, man­gel­frei­en, ver­trags­ge­mä­ßen Er­satz­fahr­zeugs aus der ak­tu­el­len Se­ri­en­pro­duk­ti­on ist da­her ge­mäß § 275 I BGB aus­ge­schlos­sen. Ein sol­cher An­spruch lässt sich ent­ge­gen der An­sicht des Klä­gers auch nicht aus §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB her­lei­ten. Denn un­ab­hän­gig da­von, ob die Vor­aus­set­zun­gen die­ser An­spruchs­grund­la­ge vor­lie­gen, kann mit ihr je­den­falls nicht die ord­nungs­ge­mä­ße Er­fül­lung des ge­schlos­se­nen Ver­tra­ges durch Lie­fe­rung ei­ner man­gel­frei­en Sa­che ver­langt wer­den.

Die Kla­ge ist so­mit im Haupt­an­trag un­be­grün­det. Auf die Fra­ge, ob die Be­klag­te die Nach­er­fül­lung auch ge­mäß § 439 III BGB we­gen un­ver­hält­nis­mä­ßi­ger Kos­ten hät­te ab­leh­nen kön­nen, kommt es nicht an.

4. Da dem Klä­ger kein An­spruch auf Lie­fe­rung ei­nes man­gel­frei­en Er­satz­fahr­zeugs zu­steht, be­fin­det sich die Be­klag­te mit der Rück­nah­me des klä­ge­ri­schen Pkw auch nicht im An­nah­me­ver­zug nach §§ 293, 294 BGB.

Ein An­spruch auf Frei­stel­lung des Klä­gers von den vor­ge­richt­li­chen Rechts­an­walts­kos­ten be­steht man­gels be­grün­de­tem Haupt­an­trag eben­falls nicht. …

PDF er­stel­len