- Ein vom VW-Abgasskandal betroffener Neuwagen ist i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft, weil er nicht die Beschaffenheit aufweist, die ein durchschnittlicher Neuwagenkäufer erwarten kann. Denn der Durchschnittskäufer eines Neuwagens darf davon ausgehen, dass in seinem Fahrzeug keine als unzulässige Abschalteinrichtung zu qualifizierende Software zum Einsatz kommt, die erkennt, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand einen Emissionstest absolviert, und die (nur) in diesem Fall eine Verringerung insbesondere der Stickoxid(NOX)-Emissionen sorgt. Das gilt umso mehr, als die Verwendung einer den Schadstoffausstoß manipulierenden Software bei Fahrzeugen anderer Hersteller nicht bekanntermaßen üblich ist.
- Der Verkäufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen und bereits Anfang 2012 ausgelieferten VW Tiguan der ersten Generation (VW Tiguan I) ist nicht zur Ersatzlieferung (§ 439 I Fall 2 BGB) verpflichtet. Denn die Lieferung eines mangelfreien fabrikneuen VW Tiguan I ist infolge eines Generationswechsels i. S. von § 275 I BGB unmöglich, und die Lieferung eines – nicht gleichartigen und gleichwertigen – Neuwagens der zweiten Generation (VW Tiguan II) kann der Käufer auch dann nicht mit Erfolg verlangen, wenn der Kaufvertrag einen Änderungsvorbehalt i. S. des § 308 Nr. 4 BGB enthält.
LG Heidelberg, Urteil vom 30.06.2017 – 3 O 6/17
Sachverhalt: Der Kläger verlangt von der beklagten Kfz-Händlerin im Zusammenhang mit dem VW-Abgasskandal die Lieferung eines mangelfreien Neuwagens (§§ 437 Nr. 1, 439 I Fall 2 BGB).
Er erwarb von der Beklagten Anfang 2012 einen fabrikneuen VW Tiguan 2.0 TDI BMT Sport & Style (103 kW/140 PS) zum Preis von 30.472 €. Das Fahrzeug wurde dem Kläger am 26.03.2012 übergeben.
In den Kaufvertrag einbezogen wurden die Neuwagen-Verkaufsbedingungen der Beklagten. Diese sehen in Abschnitt IV unter anderem Folgendes vor:
„6. Konstruktions- und Formänderungen, Abweichungen im Farbton sowie Änderungen des Lieferumfangs seitens des Herstellers bleiben während der Lieferzeit vorbehalten, sofern die Änderungen und Abweichungen unter Berücksichtigung der Interessen des Verkäufers für den Käufer zumutbar sind.“
Das Fahrzeug des Klägers ist mit einem EA189-Dieselmotor ausgestattet und somit vom VW-Abgasskandal betroffen. In dem Pkw kommt eine Software zum Einsatz, die erkennt, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand einen Emissionstest absolviert oder ob es regulär im Straßenverkehr betrieben wird. In einer Testsituation bewirkt die Software eine Verringerung der Stickoxid(NOX)-Emissionen, die deshalb während eines Emissionstests geringer sind als im normalen Fahrbetrieb.
Nachdem der Einsatz der – in der Öffentlichkeit so bezeichneten – „Manipulationssoftware“ bekannt geworden war, ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt diese als unzulässige Abschalteinrichtung ein. Es verpflichtete die Volkswagen AG mit Bescheid vom 15.10.2015, die Software aus allen vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugen mit dem Aggregat EA189 zu entfernen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Vorschriftsmäßigkeit dieser Fahrzeuge wiederherzustellen. In der Folgezeit prüfte das Kraftfahrt-Bundesamt einen ihm von der Volkswagen AG vorgelegten Maßnahmenplan und gab sukzessive auf den jeweiligen Fahrzeugtyp abgestimmte Softwareupdates zur Installation frei.
Das Softwareupdate für den VW Tiguan gab das Kraftfahrt-Bundesamt am 01.06.2016 frei; der Kläger hat es bisher nicht installieren lassen. Auch ohne das Update ist das Fahrzeug des Klägers derzeit öffentlich-rechtlich zum Verkehr auf öffentlichen Straßen zugelassen und gebrauchstauglich. Auch die EG-Typgenehmigung wurde bislang nicht entzogen, wenngleich aus Sicht des Kraftfahrt-Bundesamtes die Installation des Softwareupdates für den Erhalt der Typgenehmigung obligatorisch ist.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 14.07.2016 rügte der Kläger gegenüber der Beklagten die Mangelhaftigkeit seines Fahrzeugs und forderte die Beklagte auf, ihm bis zum 25.08.2016 einen mangelfreien Neuwagen zu liefern. Die Beklagte verwies den Kläger mit Schreiben vom 25.07.2016 auf das von der Volkswagen AG entwickelte Softwareupdate und wies das Begehren des Klägers zurück.
Der VW Tiguan wird so, wie ihn der Kläger erworben hat, nicht mehr hergestellt. Seit Januar 2016 produziert die Volkwagen AG vielmehr ein Nachfolgemodell, den „Tiguan II“. Dieser verfügt über eine andere Motorisierung als der „Tiguan I“, hält statt der Euro-5- die Euro-6-Emissionsgrenzwerte ein und weist gegenüber dem „Tiguan I“ optische und (weitere) technische Änderungen auf, deren Bedeutung zwischen den Parteien streitig ist.
Der Kläger behauptet, der Stickoxidausstoß des von ihm erworbenen Fahrzeugs überschreite im realen Fahrbetrieb den einschlägigen Euro-5-Emissionsgrenzwert. Er – der Kläger – müsse deshalb damit rechnen, dass dem Pkw die Zulassung entzogen werde; dies sei bislang nur deshalb noch nicht geschehen, weil das Kraftfahrt-Bundesamt eine Ausnahmegenehmigung erteilt habe. Ihm – dem Kläger – sei es beim Erwerb des Fahrzeugs gerade auf dessen Umweltfreundlichkeit und die geringen Abgasemissionen angekommen, damit er den Wagen auch in den Städten nutzen könne, die eine grüne Umweltplakette fordern.
Eine Nacherfüllung – so meint der Kläger – sei der Beklagten durch die ersatzweise Lieferung eines „VW Tiguan II“ möglich. Dieser unterscheide sich vom „VW Tiguan I“ nur dadurch, dass der Motor durch ein neues, den Anforderungen der Euro-6-Abgasnorm entsprechendes Aggregat ersetzt worden sei.
Auf eine Mangelbeseitigung durch Installation eines Softwareupdates müsse er – der Kläger – sich schon deshalb nicht verweisen lassen, weil damit nachteilige Folgen verbunden seien. Das Softwareupdate führe nämlich unter anderem zu einer Erhöhung des Kraftstoffverbrauchs und einer Reduzierung der Motorleistung und sei daher nicht geeignet, den vertragsgemäßen Zustand herzustellen. Jedenfalls verbleibe ein merkantiler Minderwert, da der Wagen auch nach einer technisch einwandfreien Reparatur zu einer bemakelten Fahrzeuggruppe gehöre und die langfristigen Auswirkungen des Softwareupdates völlig unbekannt seien. Zudem sei ihm – dem Kläger – die Durchführung der Nachbesserung auch deshalb nicht zuzumuten, weil ihn der VW-Konzern, der das Softwareupdate bereitstelle, bewusst über die Existenz der Manipulationssoftware getäuscht habe und daher die Vertrauensgrundlage endgültig weggefallen sei.
Davon abgesehen träfen die Beklagte durch die Nachlieferung auch keine unverhältnismäßigen Kosten, weil sie bei der Volkswagen AG Regress nehmen könne und zudem bei den Kosten der Nachbesserung die erheblichen Kosten für die Entwicklung des Softwareupdates zu berücksichtigen seien.
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: I. … Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch gemäß §§ 437 Nr. 1, 439 I Fall 2 BGB auf Lieferung eines mangelfreien fabrikneuen typengleichen Ersatzfahrzeugs aus der aktuellen Serienproduktion des Herstellers Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des streitgegenständlichen VW Tiguan zu.
1. Die Parteien haben einen wirksamen Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug gemäß § 433 BGB geschlossen.
Auch war das erworbene Fahrzeug im Zeitpunkt der Übergabe mangelhaft.
Zwar ist die Behauptung des Klägers, ihm sei es beim Erwerb des streitgegenständlichen VW Tiguan auf die besondere Umweltverträglichkeit des Fahrzeugs angekommen, offenkundig unzutreffend. Denn bei dem VW Tiguan handelt es sich um einen sogenannten SUV mit hohem Gewicht, hohem Luftwiderstand und hoher Motorleistung und damit verbunden mit einem hohen Kraftstoffverbrauch. Der Erwerb eines solchen Fahrzeugs lässt darauf schließen, dass der Käufer kein besonderes Interesse an einer Umweltverträglichkeit des Fahrzeugs haben kann.
Allerdings ist das Fahrzeug deshalb mangelhaft, weil es aufgrund der auf das Motorsteuerungsgerät unzulässig einwirkenden Software jedenfalls nicht die übliche Beschaffenheit i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB aufweist.
Gemäß § 434 I 2 Nr. 2 BGB ist ein Kaufgegenstand frei von Sachmängeln, wenn er sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.
Das vom Kläger erworbene Fahrzeug eignet sich zwar trotz des Einbaus der Abschalteinrichtung für die übliche Verwendung, weil es technisch sicher und verkehrstauglich ist. Es weist aber nicht die Beschaffenheit auf, die ein durchschnittlicher Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Der Durchschnittskäufer eines Neufahrzeugs kann berechtigterweise davon ausgehen, dass in seinem Fahrzeug keine unzulässige Abschaltsoftware eingebaut ist, die dafür sorgt, dass der Prüfstandlauf für die Messung der Emissionswerte erkannt und über eine entsprechende Programmierung der Motorsteuerung in gesetzlich unzulässiger Weise insbesondere der NOX-Ausstoß reduziert wird (vgl. LG Kempten, Urt. v. 29.03.2017 – 13 O 808/16, BeckRS 2017, 106279 Rn. 41 f.; LG Aachen, Urt. v. 21.03.2017 – 10 O 177/16, juris Rn. 30; LG Regensburg, Urt. v. 04.02.2017 – 7 O 967/16, juris Rn. 30; LG Oldenburg, Urt. v. 01.09.2016 – 16 O 790/16, juris Rn. 26; LG Münster, Urt. v. 14.03.2016 – 011 O 341/15, juris Rn. 18; Urt. v. 04.10.2016 – 02 O 1/16, juris Rn. 22; jeweils m. w. Nachw.). Die Installation einer solchen Abschaltsoftware ist bei Fahrzeugen anderer Hersteller in einer vergleichbaren Fahrzeugklasse auch nicht bekanntermaßen üblich (vgl. LG Regensburg, Urt. v. 04.02.2017 – 7 O 967/16, juris Rn. 30; LG Braunschweig, Urt. v. 12.10.2016 – 4 O 202/16, juris Rn. 19).
Insoweit resultiert die Mangelhaftigkeit also nicht etwa daraus, dass die unter Laborbedingungen im Prüfstandlauf gemessenen Werte im alltäglichen Straßenverkehr nicht eingehalten werden, sondern sie gründet sich darauf, dass der Motor die im Prüfstandlauf gemessenen Werte nur aufgrund der manipulierten Software erzielen konnte (vgl. LG Münster, Urt. v. 14.03.2016 – 011 O 341/15, juris Rn. 18; LG Kempten, Urt. v. 29.03.2017 – 13 O 808/16, BeckRS 2017, 106279 Rn. 41; LG Regensburg, Urt. v. 04.02.2017 – 7 O 967/16, juris Rn. 30). Dass die Emissionswerte für Stickoxide nach bisheriger Rechtslage unter Laborbedingungen und nicht im realen Straßenverkehr zu messen sind, ergibt sich aus Erwägungsgrund 15 der einschlägigen Verordnung (EG) Nr. 715/2007 (vgl. LG Düsseldorf, Urt. v. 31.05.2017 – 12 O 68/17).
2. Das Fahrzeug leidet somit an einem Sachmangel. Damit kann der Kläger grundsätzlich nach seiner Wahl gemäß §§ 437 Nr. 1, 439 I BGB Ersatzlieferung eines mangelfreien Fahrzeugs oder die Beseitigung des Mangels verlangen. Mit anwaltlichem Schreiben vom 14.07.2016 hat er gegenüber der Beklagten ausdrücklich die Variante der Ersatzlieferung gewählt. Dieser Anspruch ist jedoch nach § 275 I BGB ausgeschlossen, weil der Beklagten die Lieferung eines mangelfreien Fahrzeugs, das derselben Gattung des vom Kläger erworbenen Fahrzeugs angehört und daher von dem Nacherfüllungsanspruch gedeckt ist, unmöglich ist.
a) Der Nacherfüllungsanspruch ist nichts anderes als die Fortsetzung des Erfüllungsanspruchs des Käufers in modifizierter Form (vgl. nur BT-Drs. 14/6040, S. 221; BGH, Urt. v. 17.10.2012 – VIII ZR 226/11, BGHZ 195, 135 Rn. 24; Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, Neubearb. 2013, § 439 Rn. 1). Sein Zweck liegt darin, den ursprünglich geschuldeten Zustand herzustellen. Der Käufer soll mit der Nacherfüllung das erhalten, was er vertraglich zu beanspruchen hat – nicht mehr und nicht weniger (BGH, Urt. v. 17.10.2012 – VIII ZR 226/11, BGHZ 195, 135 Rn. 24; vgl. auch LG Kempten, Urt. v. 29.03.2017 – 13 O 808/16, BeckRS 2017, 106279 Rn. 47; LG Aachen, Urt. v. 21.03.2017 – 10 O 177/16, juris Rn. 34). Der Nacherfüllungsanspruch kann daher nicht weiter reichen als der ursprüngliche Erfüllungsanspruch.
Gleichwohl ist – schon beim Stückkauf – anerkannt, dass sich der Ersatzlieferungsanspruch nicht nur auf mit der ursprünglich geschuldeten Kaufsache identische Sachen bezieht, sondern auch die Neulieferung einer gleichartigen und gleichwertigen Sache verlangt werden kann. Liegt – wie hier – eine Gattungsschuld vor, kann der Anspruch auf Nacherfüllung durch Lieferung einer Sache erfüllt werden, die derselben Gattung angehört wie der geschuldete Gegenstand. Erst wenn die gesamte Gattung untergegangen oder mangelbehaftet ist, scheidet eine Nacherfüllung im Wege der Ersatzlieferung wegen Unmöglichkeit aus (vgl. nur Palandt/Weidenkaff, BGB, 76. Aufl. [2017], § 439 Rn. 15).
Welche Gegenstände der von den Parteien vereinbarten Gattung zugehörig sind und daher vom Anspruch auf Ersatzlieferung umfasst sind, ist durch Auslegung des Kaufvertrages zu bestimmen (§§ 133, 157 BGB). Maßgeblich ist daher, welche Gegenstände die Parteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch vom ursprünglichen Erfüllungsanspruch umfasst ansahen, sodass deren Übergabe und Übereignung eine ordnungsgemäße Erfüllung des Kaufvertrages darstellen würde.
b) Gemäß dem zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag schuldete der Kläger einen fabrikneuen VW Tiguan 2.0 TDI BMT Sport & Style (103 kW/140 PS) … mit den in der Anlage K 1 ergänzend beschriebenen Eigenschaften. Die Ersatzlieferung eines Fahrzeugs dieses konkreten Modelltyps ist objektiv unmöglich. Das vom Kläger erworbene Modell des VW Tiguan wird unstreitig seit Januar 2016 nicht mehr hergestellt. Vor diesem Zeitpunkt produzierte Fahrzeuge sind schon deshalb nicht mehr nacherfüllungstauglich, weil sie aufgrund der zwischenzeitlichen Standzeiten nicht mehr als „fabrikneu“ anzusehen sind (vgl. dazu BGH, Urt. v. 15.10.2003 – VIII ZR 227/02, NJW 2004, 160). Zudem sind sämtliche Fahrzeuge dieses Modelltyps ebenfalls mit dem 2,0-Liter-Dieselmotor vom Typ EA189 und damit auch mit der Manipulationssoftware ausgestattet und leiden daher an demselben Sachmangel wie das klägerische Fahrzeug. Die Lieferung eines mangelfreien Fahrzeugs desselben Fahrzeugtyps ist daher nicht möglich.
c) Die Beklagte ist im Rahmen des vorliegenden Gattungskaufs auch nicht verpflichtet, dem Kläger ein Ersatzfahrzeug aus der neuen Modellreihe des VW Tiguan zu liefern, da ein solches nicht mehr zu der geschuldeten Gattung gehört (ebenso für den VW Tiguan: LG Kempten, Urt. v. 29.03.2017 – 13 O 808/16, BeckRS 2017, 106279 Rn. 45 ff.; LG Aachen, Urt. v. 21.03.2017 – 10 O 177/16, juris Rn. 32 ff.; LG Bayreuth, Urt. v. 20.12.2016 – 21 O 34/16; LG Hagen, Urt. v. 07.10.2016 – 9 O 58/16, juris Rn. 37 ff.; a. A. LG Offenburg, Urt. v. 21.03.2017 – 3 O 77/16).
Die Kammer ist aufgrund der insbesondere von Beklagtenseite vorgelegten Unterlagen auch ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens davon überzeugt, dass die Abweichungen zwischen dem VW Tiguan aus der aktuellen Serienproduktion und dem vom Kläger im Jahr 2012 erworbenen Modell so erheblich sind, dass ein Fahrzeug der aktuellen Modellgeneration nicht mehr vom Leistungsumfang des ursprünglich zwischen den Parteien vereinbarten Erfüllungsanspruchs gedeckt ist. Schon optisch und in ihren Abmessungen unterscheiden sich die beiden Fahrzeuge erheblich voneinander. Im Vergleich zum Vorgänger wirkt das Modell aus der aktuellen Serienproduktion deutlich kantiger und sportlicher und weist insbesondere an der Frontpartie im Bereich des Kühlergrills und der Scheinwerfer ein offensichtlich geändertes Design auf. Fahrzeughöhe und -breite haben sich jeweils um 3 cm, die Fahrzeuglänge um 6 cm verändert, und der Radstand ist 7,7 cm größer geworden. Auch im Innenraum haben sich die Abmessungen verändert. Zudem ist dokumentiert, dass die Fahrzeuge der aktuellen Serienproduktion im Gegensatz zum Vorgängermodell die Plattform des Modularen Querbaukastens verwenden.
Einen besonders ins Gewicht fallenden Unterschied stellt die geänderte Motorisierung dar (hierauf entscheidend abstellend LG Aachen, Urt. v. 21.03.2017 – 10 O 177/16, juris Rn. 34). In den Fahrzeugen der aktuellen Serienproduktion werden Motoren verbaut, die nicht lediglich von der Manipulationssoftware befreit sind, sondern gegenüber dem im klägerischen Fahrzeug verbauten Motor auch ansonsten andere Leistungsmerkmale aufweisen. Ein vom Kläger gewählter Dieselmotor mit 140 PS ist in den Fahrzeugen der aktuellen Serienproduktion nicht mehr verfügbar. Der am ehesten vergleichbare Dieselmotor des Typs EA288 mit 150 PS weist hingegen zahlreiche Unterschiede zu dem im klägerischen Fahrzeug verbauten Aggregat auf: Neben der maximalen Leistung von 150 PS bei 3.500 U/min statt 140 PS mit 4.200 U/min beträgt das maximale Drehmoment 340 Nm statt 320 Nm, die Beschleunigung erfolgt in 9,3 Sekunden auf 100 km/h statt in 10,2 Sekunden, und der Verbrauch liegt trotz der höheren Leistungsstärke bei 5,4 l/100 km statt bei 5,3 l/100 km. Die Fahrzeuge der aktuellen Serienproduktion verfügen zudem über eine Harnstoffeinspritzung (AdBlue) und erfüllen die Voraussetzungen der Abgasnorm Euro 6 anstatt Euro 5. Aufgrund dieser und weiterer technischer und optischer Unterschiede wird der seit Januar 2016 hergestellte „Tiguan II“ … sowohl in der Fachwelt als auch in der Öffentlichkeit als offizielles Nachfolgemodell des vom Kläger erworbenen Fahrzeugtyps angesehen. Demnach hat auch in der öffentlichen Wahrnehmung ein echter Modellwechsel und nicht lediglich ein sogenanntes Facelift stattgefunden.
Vor diesem Hintergrund erscheint es auch bei ergänzender Vertragsauslegung fernliegend, dass die Parteien bei Abschluss des Kaufvertrages im Jahr 2012 ein derart abweichendes Fahrzeugmodell als vom ursprünglichen Erfüllungsanspruch gedeckt angesehen haben.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung von Abschnitt IV Nr. 6 der Neuwagen-Verkaufsbedingungen der Beklagten. Denn zum einen enthalten auch diese eine (enge) zeitliche Begrenzung für Abweichungen von dem vereinbarten Leistungsinhalt auf die Lieferzeit. Zum anderen sind die von der Änderungsklausel umfassten Abweichungen katalogartig umschrieben und beziehen sich nur auf Konstruktions- und Formänderungen, Abweichungen im Farbton sowie Änderungen des Lieferumfangs. Dass vor diesem Hintergrund auch ein Fahrzeug mit geänderter Motorisierung, das in der Öffentlichkeit als offizielles Nachfolgemodell des geschuldeten Fahrzeugs wahrgenommen wird und fast vier Jahre nach der Lieferung auf den Markt kommt, von der ursprünglichen Parteivereinbarung umfasst sein soll, lässt sich aus Abschnitt IV Nr. 6 der Neuwagen-Verkaufsbedingungen nicht ableiten, zumal diese Klausel ersichtlich nicht zu dem Zweck verwendet wurde, die (Erfüllungs-)Rechte des Käufers auszuweiten, sondern vielmehr, um einer möglichen Problematik des Verkäufers Rechnung zu tragen. Der VW Tiguan aus der aktuellen Serienproduktion ist daher nicht derselben Gattung zuzuordnen wie das vom Kläger erworbene Modell, sodass im Wege der Nacherfüllung auch nicht die Ersatzlieferung eines solchen Fahrzeugs verlangt werden kann.
3. Der Anspruch des Klägers aus § 439 I Fall 2 BGB auf Lieferung eines typengleichen, mangelfreien, vertragsgemäßen Ersatzfahrzeugs aus der aktuellen Serienproduktion ist daher gemäß § 275 I BGB ausgeschlossen. Ein solcher Anspruch lässt sich entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht aus §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB herleiten. Denn unabhängig davon, ob die Voraussetzungen dieser Anspruchsgrundlage vorliegen, kann mit ihr jedenfalls nicht die ordnungsgemäße Erfüllung des geschlossenen Vertrages durch Lieferung einer mangelfreien Sache verlangt werden.
Die Klage ist somit im Hauptantrag unbegründet. Auf die Frage, ob die Beklagte die Nacherfüllung auch gemäß § 439 III BGB wegen unverhältnismäßiger Kosten hätte ablehnen können, kommt es nicht an.
4. Da dem Kläger kein Anspruch auf Lieferung eines mangelfreien Ersatzfahrzeugs zusteht, befindet sich die Beklagte mit der Rücknahme des klägerischen Pkw auch nicht im Annahmeverzug nach §§ 293, 294 BGB.
Ein Anspruch auf Freistellung des Klägers von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten besteht mangels begründetem Hauptantrag ebenfalls nicht. …