- Der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Neuwagens kann gegen die – am Kaufvertrag nicht beteiligte – Fahrzeugherstellerin, die Volkswagen AG, einen Anspruch auf Schadensersatz wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung haben (§ 826 BGB i. V. mit § 31 BGB). Dieser Anspruch knüpft daran an, dass die Volkswagen AG Fahrzeuge in den Verkehr gebracht hat, in denen eine unzulässige Abschalteinrichtung i. S. von Art. 3 Nr. 10, 5 II 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zum Einsatz kommt, zugleich aber stillschweigend erklärt hat, diese Fahrzeuge entsprächen den für sie geltenden Vorschriften. Schon diese bewusste Täuschung rechtfertigt den Vorwurf der Sittenwidrigkeit.
- Die Haftung der Volkswagen AG aus § 826 BGB i. V. mit § 31 BGB setzt zwar voraus, dass einer ihrer verfassungsmäßig berufenen Vertreter i. S. des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat. Davon kann indes auszugehen sein, wenn die Volkswagen AG ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt und insbesondere nicht darlegt, wie es ohne Wissen und Wollen ihres Vorstands dazu kommen konnte, dass in Millionen von Fahrzeugen eine Software installiert wurde, die den Schadstoffausstoß (nur) während eines Emissionstests reduziert.
- Die Volkswagen AG darf sich dazu, ob Vorstandsmitglieder Kenntnis vom Einsatz der Software hatten und diesen gebilligt haben, nicht unter Hinweis darauf i. S. des § 138 IV ZPO mit Nichtwissen erklären, dass ihre internen Ermittlungen noch nicht abgeschlossen seien. Andernfalls könnte sie derzeit einer Haftung aus § 826 BGB i. V. mit § 31 BGB entgehen, obwohl sie nach ihrem eigenen Vortrag im Rahmen ihrer Ermittlungen zu dem Ergebnis gelangen könnte, dass die Software mit Wissen und Wollen von Vorstandsmitgliedern eingesetzt wurde.
LG Offenburg, Urteil vom 12.05.2017 – 6 O 119/16
Sachverhalt: Der Kläger macht gegen die beklagte Volkswagen AG Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem VW-Abgasskandal geltend.
Er erwarb am 26.03.2009 von der Autohaus G-GmbH einen von der Beklagten hergestellten Neuwagen VW Golf VI 2.0 TDI (81 kW) in der Ausstattungsvariante „Trendline“. Der Kaufpreis für das Fahrzeug, das mit einem Dieselmotor des Typs EA189 ausgestattet ist, betrug 20.010 €.
Gemäß Art. 4 I der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 muss die Beklagte als Kfz-Herstellerin nachweisen, dass die von ihr hergestellten Neufahrzeuge über eine Typgenehmigung gemäß der Verordnung verfügen. Eine solche Typgenehmigung setzt voraus, dass die in der Verordnung vorgesehenen Abgasgrenzwerte eingehalten werden. Die Werte werden gemäß der zugehörigen Durchführungsverordnung unter Laborbedingungen in dem sogenannten „Neuen Europäischen Fahrzyklus“ (NEFZ) ermittelt.
In dem Fahrzeug, das der Kläger erworben hat, ist eine Software installiert, die erkennt, ob der Pkw diesen Fahrzyklus durchfährt, und in diesem Fall das Abgasrückführungssystem in den „Modus 1“ schaltet. In diesem Modus ist die Abgasrückführungsrate höher und deshalb der Schadstoffausstoß niedriger als im „Modus 0“, der beim normalen Betrieb des Fahrzeugs aktiv ist.
Das Kraftfahrt-Bundesamt verpflichtete die Beklagte mit Bescheid vom 14.10.2015, die in Rede stehende Software – eine aus Sicht des Kraftfahrt-Bundesamtes unzulässige Abschaltvorrichtung – aus allen vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugen zu entfernen und nachzuweisen, dass die Fahrzeuge anschließend die gesetzlichen Anforderungen erfüllen. Vor diesem Hintergrund bietet die Beklagte dem Kläger ein kostenloses Softwareupdate für sein Fahrzeug an, das aus ihrer Sicht den Anforderungen des Kraftfahrt-Bundesamtes genügt.
Der Kläger behauptet, ihm sei es um den Erwerb eines umweltfreundlichen Fahrzeugs gegangen. Die Software, die den Schadstoffausstoß der vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge während eines Emissionstests reduziere, sei mit Wissen und Wollen des Vorstands der Beklagten in den Fahrzeugen installiert worden. Sein – des Klägers – Fahrzeug sei im derzeitigen Zustand nicht genehmigungsfähig und könne jederzeit stillgelegt werden. Das von der Beklagten angebotene Softwareupdate führe zu zahlreichen Folgeproblemen. Der Kläger meint, ihm stehe deshalb ein Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte zu, und will deren Verpflichtung zum Schadensersatz festgestellt haben (Antrag zu 1). Außerdem begehrt der Kläger den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten (Antrag zu 2).
Die Klage hatte überwiegend Erfolg.
Aus den Gründen: I. Die Klage ist zulässig.
1. Das LG Offenburg ist gemäß § 32 ZPO örtlich zuständig. Der Prüfung ist insoweit der klägerische Sachvortrag zugrunde zu legen (vgl. BGH, Beschl. v. 25.03.2014 – VI ZR 271/13, juris Rn. 10). Der Kläger hat unter anderem einen Anspruch aus § 826 BGB schlüssig vorgetragen (dazu unten). Da bei § 826 BGB der Eintritt eines Schadens zum Tatbestand gehört, nicht lediglich zur Rechtfolgenseite, ist auch der Ort des Schadenseintritts Begehungsort i. S. des § 32 BGB (BeckOK-ZPO/Toussaint, 24. Edition, § 32 Rn. 13 m. w. Nachw.). Ort des Schadenseintritts ist der Wohnort des Klägers als Geschädigtem (vgl. BeckOK-ZPO/Toussaint, a. a. O., § 32 Rn. 12.1), welcher sich im Moment des Vertragsschlusses im hiesigen Bezirk befand.
2. Die Feststellungsklage ist gemäß § 256 I ZPO zulässig. Besteht der Schaden im Rahmen des § 826 BGB in der sittenwidrigen Herbeiführung eines Vertrages, kann der Geschädigte grundsätzlich den Ersatz des negativen Interesses verlangen. Er ist jedoch nicht gezwungen, dies stets im Wege der Rückabwicklung umzusetzen, also im vorliegenden Fall Ersatz des Kaufpreises gegen Herausgabe des Fahrzeugs zu fordern. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann er vielmehr den Vertrag auch bestehen lassen und Ersatz der durch die unerlaubte Handlung entstandenen Nachteile verlangen (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 76. Aufl., § 826 Rn. 15 und Einf. v. § 823 Rn. 24; Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., Vorb. v. § 249 Rn. 17; jeweils m. w. Nachw.; BGH, Urt. v. 28.10.2014 – VI ZR 15/14, juris Rn. 28).
Der Kläger hat vorgetragen, dass er sich aufgrund der unklaren Sachlage, insbesondere hinsichtlich der Auswirkungen der von der Beklagten angebotenen Nachrüstung, derzeit noch nicht für eine bestimmte Form der Schadensabwicklung entscheiden könne. Da über die technischen Auswirkungen der Nachrüstung und die Folgen für die Werthaltigkeit der betroffenen Fahrzeuge auch unter Fachleuten unterschiedliche Auffassungen bestehen und die Beklagte jegliche Schadensersatzverpflichtung ablehnt, hat der Kläger zur Vermeidung des Verjährungseintritts ein berechtigtes Interesse daran, die Ersatzpflicht der Beklagten feststellen zu lassen. Ein Vorrang der Leistungsklage besteht bei dieser Sachlage nicht. Auch die bei einer Klage auf Feststellung der Ersatzpflicht von Vermögensschäden erforderliche hinreichende Schadenswahrscheinlichkeit (BGH, Beschl. v. 04.03.2015 – IV ZR 36/14, juris Rn. 15) liegt vor. Ein Schaden des Klägers kann bereits zum jetzigen Zeitpunkt sicher festgestellt werden (dazu unten).
II. Die Klage ist hinsichtlich des Antrags 1 begründet, Antrag 2 war hingegen abzuweisen.
1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB auf Ersatz der durch die Manipulation des Klägerfahrzeugs entstandenen und noch entstehenden Schäden.
a) Aus prozessualen Gründen ist der Entscheidung zugrunde zu legen, dass der Einbau der Software mit Wissen und Wollen des seinerzeitigen Vorstands der Beklagten erfolgte und somit der Beklagten gemäß § 31 BGB analog zurechenbar ist.
aa) Der Kläger hat eine solche Kenntnis hinreichend substanziiert behauptet. Er hat keinen Einblick in die inneren Abläufe der Beklagten und kann deswegen dazu nicht im Einzelnen vortragen. Prüfungsmaßstab ist damit lediglich, ob sein Vortrag ohne greifbare Anhaltspunkte ins Blaue hinein erfolgt (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., vor § 284 Rn. 34). Dies ist zu verneinen, da es naheliegend ist, dass der millionenfache Einbau der Software nicht ohne Wissen des Vorstands erfolgen konnte (vgl. ergänzend LG Kleve, Urt. v. 31.03.2017 – 3 O 252/16, juris Rn. 89; LG Hildesheim, Urt. v. 17.01.2017 – 3 O 139/16, juris Rn. 38 f.).
bb) Die klägerische Behauptung hat die Beklagte nicht wirksam bestritten.
(1) Da es wie ausgeführt um Umstände geht, welche die interne Organisation der Beklagten betreffen und in welche der Kläger keinen Einblick hat, konnte sich die Beklagte nicht mit einem einfachen Bestreiten begnügen. Sie musste sich vielmehr gemäß §§ 138 II, IV ZPO im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 13. Aufl., Rn. 1898d; a. A. Kehrberger/Roggenkemper, EWiR 2017, 175 [176]) im Einzelnen zu der klägerischen Behauptung erklären, worauf das Gericht hingewiesen hat. Die Beklagte hatte also darzulegen, wie es zu einem Einbau der Software ohne Kenntnis des Vorstands gekommen ist.
(2) Dieser Verpflichtung ist die Beklagte auch mit nachgelassenem Schriftsatz nicht nachgekommen.
(a) Sie lässt im Wesentlichen vortragen, dass ihr nach dem derzeitigen Stand ihrer internen Untersuchungen keine Erkenntnisse dazu vorlägen, dass Vorstandsmitglieder den Einbau der Software gebilligt hätten. Sie bestreite deswegen eine entsprechende Kenntnis. Ihre derzeitigen Erkenntnisse seien nur vorläufig und die Ermittlungen seien noch nicht abgeschlossen. Sie komme insoweit ihrer Pflicht zur sorgfältigen Prüfung nach, indem sie vor Abschluss der Ermittlungen keine Mutmaßungen und Spekulationen anstelle.
(b) Diese Ausführungen stellen kein wirksames Bestreiten dar. Die Beklagte ist im Ergebnis der Auffassung, sie könne Vorgänge aus ihrem Verantwortungs- und Organisationsbereich bis zur endgültigen Aufklärung mit Nichtwissen bestreiten. Dies liefe darauf hinaus, dass sie derzeit eine Klageabweisung erreichen könnte, obwohl es nach ihrem eigenen Vortrag möglich ist, dass sie zu dem Ergebnis gelangen wird, dass die klägerische Behauptung zutreffend ist. Zudem erläutert die Beklagte auch nicht, woraus sich im Einzelnen ihre Einschätzung ergibt, die bisherigen Untersuchungen hätten keine Anhaltspunkte für eine Kenntnis des Vorstands ergeben. Dies lässt sich weder mit § 138 IV ZPO noch mit der die Beklagte treffenden sekundären Darlegungslast vereinbaren. Vielmehr ist es prozessual so, dass der Beklagten zwar – wie geschehen – ein gewisser Zeitraum für Erkundigungen einzuräumen ist, dass sie sich jedoch nach Ablauf der gesetzten Frist sodann abschließend und entsprechend ihrer sekundären Darlegungslast zu erklären hat. Da die Beklagte dem nicht nachkommen kann oder will, ist der klägerische Vortrag gemäß § 138 III ZPO als zugestanden zu behandeln (vgl. Insgesamt LG Kleve, Urt. v. 31.03.2017 – 3 O 252/16, juris Rn. 84 ff.; LG Hildesheim, Urt. v. 17.01.2017 – 3 O 139/16, juris Rn. 39).
b) Der Kläger hat durch den Erwerb des Fahrzeugs einen Schaden erlitten.
aa) § 826 BGB stellt hinsichtlich des Schadens nicht auf die Verletzung bestimmter Rechte oder Rechtsgüter ab: Schaden ist danach nicht nur jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage, sondern darüber hinaus jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses (BGH, Urt. v. 19.07.2004 – II ZR 402/02, BGHZ 160, 149 = juris Rn. 41). Es genügt jede Schadenszufügung im weitesten Sinne, also jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage in ihrer Gesamtheit (RGZ 79, 55 [58]; BeckOK-BGB/Förster, 42. Edition, § 826 Rn. 25). Nach dem subjektbezogenen Schadensbegriff stellt auch der Abschluss eines Geschäfts, welches nicht den Zielen des Geschädigten entspricht, einen Schaden im Rahmen des § 826 BGB dar, ohne dass es darauf ankäme, ob die erhaltene Leistung wirtschaftlich betrachtet hinter der Gegenleistung zurückbleibt (vgl. BGH, Urt. v. 19.07.2004 – II ZR 402/02, BGHZ 160, 149 = juris Rn. 41; Urt. v. 28.10.2014 – VI ZR 15/14, juris Rn. 17 ff.; Urt. v. 03.12.2013 – XI ZR 295/12, juris Rn. 27; Harke, VuR 2017, 83 [90]).
bb) Der Kläger hat ein Fahrzeug erworben, welches nicht seinen Vorstellungen entsprach, und dadurch einen Schaden erlitten.
(1) Die von der Beklagten verbaute Software ist rechtswidrig, da es sich um eine verbotene Abschaltvorrichtung gemäß Art. 3 Nr. 10, Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 handelt. Das insoweit von der Beklagten angeführten Gegenargument, es liege keine Abschaltvorrichtung vor, da das Abgasrückführungssystem nicht zu dem in der Verordnung genannten Emissionskontrollsystem gehöre, greift nicht durch. Auch europäisches Recht ist nicht spitzfindig, sondern nach Sinn und Zweck auszulegen. Zudem ist selbst bei spitzfindiger Betrachtung nicht erkennbar, warum der gesetzlich nicht definierte Begriff des Emissionskontrollsystems nur die Abgasnachbehandlung, nicht jedoch die Abgasrückführung umfassen sollte, wie es die Beklagte annimmt. Da die Auslegung insoweit zu einem eindeutigen Ergebnis führt, ist eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß der acte-clair-Doktrin nicht erforderlich (vgl. BGH, Beschl. v. 24.04.2014 – VII ZB 28/13, BGHZ 201, 22 Rn. 35 m. w. Nachw.).
(2) Die verbotene Abschaltvorrichtung führt zu erheblichen Nachteilen für den Kunden.
(a) Zum einen entsprechen die Abgaswerte nicht jenen, die er aufgrund der Fahrzeugbeschreibung und der gesetzlichen Grenzwerte erwarten durfte. Zwar geht der Kunde insoweit davon aus, dass die bekanntermaßen unter Laborbedingungen ermittelten Werte im Alltagsbetrieb regelmäßig nicht erreicht werden können. Er erwartet jedoch nicht, dass diese normale Abweichung durch den Einsatz einer verbotenen Software erheblich vergrößert wird.
(b) Zum anderen besteht für den Kunden das rechtliche Risiko, dass die zuständigen Behörden aufgrund des Einsatzes einer verbotenen Abschaltvorrichtung gegen den Betrieb des Fahrzeugs vorgehen könnten. Diese Sorge teilt offenbar auch die Beklagte, da sie Kunden mitteilt, dass den betroffenen Fahrzeugen die Stilllegung drohe, wenn die Nachrüstung nicht durchgeführt werde.
(3) Dementsprechend geht auch die nahezu einhellige Auffassung in der bisherigen Rechtsprechung und Literatur zutreffend davon aus, dass die Verwendung der Abschaltsoftware durch die Beklagte zur kaufrechtlichen Mangelhaftigkeit der betroffenen Fahrzeuge führt (Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 627 m. w. Nachw.; OLG München, Beschl. v. 23.03.2017 – 3 U 4316/16, juris Rn. 13).
(4) Aufgrund der vorgenannten Nachteile entsprach das Fahrzeug nicht den Vorstellungen des Klägers, sodass dieser geschädigt wurde.
(a) Es ist bereits nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon auszugehen, dass ein Neuwagenkäufer stillschweigend davon ausgeht, dass das erworbene Fahrzeug mangelfrei ist, den gesetzlichen Vorschriften genügt und ohne Einschränkungen am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen darf, und dass diese Vorstellungen für seinen Kaufentschluss von Bedeutung sind (vgl. BGH, Urt. v. 12.05.1995 – V ZR 34/94, juris Rn. 17; Harke, VuR 2017, 83 [90]). Soweit diese Vorstellung falsch ist, da die in der Typgenehmigung ausgewiesenen und gesetzlich vorgegebenen Werte nur durch Einsatz einer verbotenen Abschaltvorrichtung erreicht wurden, liegt damit mit dem Erwerb des Fahrzeugs ein Schaden vor.
(b) Zudem hat das Gericht auch aufgrund der glaubhaften Schilderung des Klägers in der mündlichen Verhandlung, welche von der Beklagten nur mit Nichtwissen bestritten wird, die Überzeugung gewonnen, dass es dem Kläger bei seiner Kaufentscheidung gerade auch um die Abgaswerte ging und dass er sich zum Kauf des Fahrzeugs wegen dessen vermeintlich guter Werte entschieden hat. Das Gericht verkennt nicht, dass insoweit eine nachträgliche Schönung der Kaufmotivation durch den Kläger aufgrund des nun laufenden Gerichtsverfahrens nicht fernliegt. Die klägerische Schilderung wirkte dennoch uneingeschränkt glaubhaft, und sie war auch mit objektiv nachprüfbaren Umständen verknüpft, nämlich dem in diesem Zusammenhang geschilderten Gespräch mit dem Verkäufer und den zum damaligen Zeitpunkt öffentlich verfügbaren Angaben zu den Schadstoffwerten des erworbenen Fahrzeugs und von Konkurrenzmodellen. Da die persönliche Anhörung insoweit zur Überzeugungsbildung bereits ausreichte und es sich ohnehin nur um eine Hilfserwägung handelt, hat das Gericht von einer Parteivernehmung gemäß § 448 ZPO abgesehen.
(5) Dieses Ergebnis ist entgegen einer verbreiteten Auffassung (LG Köln, Urt. v. 07.10.2016 – 7 O 138/16, juris Rn. 17 f.; LG Ellwangen, Urt. v. 10.06.2016 – 5 O 385/15, juris Rn. 23; Kehrberger/Roggenkemper, EWiR 2017, 175 [176]) auch nicht unter Schutzzweckgesichtspunkten zu korrigieren.
(a) Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt, dass derartige Überlegungen auch im Rahmen von § 826 BGB von Bedeutung sein können (BGH, Urt. v. 11.11.1985 – II ZR 109/84, BGHZ 96, 231 = juris Rn. 15).
(b) Es kommt jedoch insoweit nicht allein auf die Frage an, welchem Zweck die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 dient. Diese Auffassung liefe darauf hinaus, dass der Fahrzeughersteller folgenlos arglistig über die Einhaltung sämtlicher gesetzlicher Vorschriften täuschen könnte, welche nicht dem Schutz des Fahrzeugerwerbers dienen. Der Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB folgt jedoch – anders als ein möglicher Anspruch aus § 823 II BGB – nicht unmittelbar aus dem Verstoß gegen die Verordnung, sondern aus der arglistigen Täuschung über deren Einhaltung bzw. aus dem Inverkehrbringen eines gesetzeswidrigen Fahrzeugs (vgl. S. 8 f. des Gutachtens der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags vom 15.10.2015, WD 7 – 3000 – 184/15). Diese Verstöße sind für den Rechtskreis des Kunden ersichtlich von Bedeutung:
(aa) Zum einen ist es so, dass viele Kunden bereit sind, für ein Produkt mehr Geld auszugeben, um damit zum Schutz der Umwelt beizutragen. Bei dem Merkmal der Umweltfreundlichkeit handelt es sich somit um ein objektives Qualitätsmerkmal, welches auch den Rechtskreis des Kunden berührt. Demgemäß werben auch viele Fahrzeughersteller – auch die Beklagte – mit der Umweltfreundlichkeit ihrer Produkte.
(bb) Zum anderen führt der Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften jedoch wie ausgeführt auch dazu, dass das Fahrzeug des Klägers mangelhaft ist und ihm im derzeitigen Zustand behördliche Maßnahmen bis hin zur Stilllegung drohen. Damit ist zweifellos der klägerische Rechtskreis betroffen (vgl. auch Steenbuck, MDR 2016, 185 [190]).
(6) Da bereits der Erwerb des Fahrzeugs den klägerischen Schaden begründet, kommt es nicht darauf an, wie sich der Fahrzeugwert aufgrund der Abschaltvorrichtung entwickelt hat bzw. noch entwickeln wird und ob durch die von der Beklagten angebotene Nachrüstung weitere Nachteile für den Kläger entstehen würden (a. A., jedoch unter Verkennung des subjektbezogenen Schadensbegriffs: Kehrberger/Roggenkemper, EWiR 2017, 175 [176]).
c) Der Schaden wurde durch die Beklagte verursacht. Die schädigende Handlung liegt in dem Inverkehrbringen des gesetzeswidrigen Fahrzeugs, welches für den entstandenen Schaden ohne Weiteres zurechenbar kausal geworden ist. Auch wenn hier als Anknüpfungspunkt der Kausalitätsprüfung nicht das Inverkehrbringen gewählt wird, sondern die Täuschung der Beklagten über ein ordnungsgemäßes Vorgehen nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 nebst Durchführungsverordnung, ist die Kausalität zu bejahen. Denn es kann schon nach der allgemeinen Lebenserfahrung festgestellt werden, dass die Umweltverträglichkeit und insbesondere die Gesetzmäßigkeit eines Fahrzeugs für die Kaufentscheidung von Bedeutung sind. Dies genügt zur Feststellung eines Ursachenzusammenhangs (vgl. BGH, Urt. v. 12.05.1995 – V ZR 34/94, juris Rn. 17). Im Übrigen hat der Kläger jedoch die Bedeutung der Abgaswerte für den Kauf wie ausgeführt auch glaubhaft geschildert.
d) Die Schädigung erfolgte auch sittenwidrig.
aa) In objektiver Hinsicht kommt es insoweit darauf an, ob das Verhalten der Beklagten dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widersprach. Dies ist zu bejahen. Die Beklagte hat in großem Umfang und mit erheblichem technischen Aufwand im Profitinteresse zentrale gesetzliche Umweltschutzvorschriften ausgehebelt und zugleich ihre Kunden getäuscht. Sie hat dabei nicht einfach nur gesetzliche Abgaswerte außer Acht gelassen, sondern mit der Abschaltvorrichtung zugleich ein System zur planmäßigen Verschleierung ihres Vorgehens gegenüber den Aufsichtsbehörden und den Verbrauchern geschaffen. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung ist dieses Verhalten als Sittenverstoß zu bewerten. Zudem gilt der Grundsatz, dass eine bewusste Täuschung zur Herbeiführung eines Vertragsschlusses regelmäßig bereits die Sittenwidrigkeit begründet (BGH, Urt. v. 21.12.2004 – VI ZR 306/03, BGHZ 161, 361 = juris Rn. 13; Urt. v. 28.06.2016 – VI ZR 536/15, juris Rn. 22). Eine solche liegt vor. Die Beklagte hat mit dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs stillschweigend erklärt, dass dieses den gesetzlichen Vorschriften genügt, was tatsächlich nicht der Fall ist. Dieser Erklärungswert ihres Verhaltens und das entsprechende Verständnis der Fahrzeugerwerber kann ihr auch nicht verborgen geblieben sein, sodass es sich um eine bewusste Täuschung handelt.
bb) In subjektiver Hinsicht ist nicht das Bewusstsein der Sittenwidrigkeit erforderlich, es genügt bereits die Kenntnis der sie begründenden Umstände. Eine solche Kenntnis beim Vorstand der Beklagten ist aufgrund ihres unwirksamen Bestreitens zu bejahen.
e) Die Beklagte handelte auch mit Schädigungsvorsatz. Der Schädiger braucht nicht im Einzelnen zu wissen, wer der durch sein Verhalten Geschädigte sein wird. Er muss nur die Richtung, in der sich sein Verhalten zum Schaden anderer auswirken könnte, und die Art des möglichen Schadens vorausgesehen und gebilligt haben (BGH, Urt. v. 19.07.2004 – II ZR 402/02, BGHZ 160, 149 = juris Rn. 47; Erman/Schiemann, BGB, 14. Aufl. [2014], § 826 Rn. 15). Für den Vorstand der Beklagten war aufgrund der – zu unterstellenden – Kenntnis vom Einbau der Software zwingend ersichtlich, dass damit Kunden Fahrzeuge erwerben würden, welche nicht ihren Vorstellungen entsprachen und objektiv mangelhaft waren. Die sich daraus ergebende Schädigung der Kunden hat die Beklagte damit billigend in Kauf genommen (vgl. auch Altmeppen, ZIP 2016, 97 [99]).
f) Aus dem von der Beklagten mehrfach angeführten Urteil des BGH vom 28.06.2016 – VI ZR 536/15 – folgt kein anderes Ergebnis: Aus dem Urteil ergibt sich nur, dass im Rahmen des § 826 BGB der Sittenverstoß und der Schädigungsvorsatz bei juristischen Personen nicht aus der mosaikartigen Zusammensetzung von auf verschiedene Personen verteilten Wissens- und Wollenselementen konstruiert werden können. Im vorliegenden Fall gilt jedoch wegen des unzureichenden Bestreitens der Beklagten der klägerische Vortrag als zugestanden, dass ein oder mehrere Vorstandsmitglieder der Beklagten von dem gesamten Sachverhalt Kenntnis hatten und dass der Softwareeinbau mit ihrem Wissen und Wollen erfolgte. Dies entspricht gerade der in dem Urteil (Rn. 31) geforderten Feststellung.
g) Die Beklagte hat dem Kläger somit gemäß §§ 249 ff. BGB sämtliche durch die Manipulation des Fahrzeugs entstandenen Schäden zu ersetzen. Die Schadensberechnung bzw. Abwicklung kann hierbei wie ausgeführt auf verschiedenen Wegen erfolgen. Deswegen war lediglich die allgemeine Ersatzpflicht der Beklagten antragsgemäß festzustellen.
h) Der Anspruch ist auch nicht etwa aufgrund möglicher kaufrechtlicher Ansprüche gegen den Fahrzeugverkäufer ausgeschlossen (a. A. LG Ellwangen, Urt. v. 10.06.2016 – 5 O 385/15, juris Rn. 24). § 826 BGB steht grundsätzlich in freier Anspruchskonkurrenz zu anderen Schadensersatzvorschriften (BeckOK-BGB/Förster, a. a. O., § 826 Rn. 5), denn ein Grund, die vorsätzlich-sittenwidrige Schädigung durch Anerkennung des Vorrangs anderer Rechtsinstitute zu privilegieren, ist nicht ersichtlich (MünchKomm-BGB/Wagner, 7. Aufl., § 826 Rn. 61; vgl. auch Harke, VuR 2017, 83 [90]).
i) Ob sich die Schadensersatzpflicht der Beklagten zusätzlich auch aus anderen Anspruchsgrundlagen ergibt, kann dahinstehen.
2. Hingegen schuldet die Beklagte keinen Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
a) Zwar können auch solche Kosten zu dem nach §§ 826, 249 BGB ersatzfähigen Schaden gehören.
b) Die vom Kläger verlangte Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG ist jedoch nicht angefallen.
aa) Zutreffend ist zwar der rechtliche Ausgangspunkt des Klägers, dass es insoweit nicht auf ein vorgerichtliches Tätigwerden der Klägervertreter gegenüber der Beklagten ankommt. Entscheidend ist vielmehr, ob ein entsprechender Auftrag erteilt wurde. Mit der Einholung von Informationen nach Auftragserteilung wäre die Gebühr dann verdient (Teubel, in: Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl., Vorbemerkung 2.3 Rn. 3). Der Umstand, dass die Klägervertreter nach ihrem Vortrag von einem außergerichtlichen Tätigwerden gegenüber der Beklagten wegen erkennbarer Sinnlosigkeit abgesehen haben, stünde somit dem Entstehen einer Geschäftsgebühr nicht entgegen.
bb) Es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass der Kläger den Klägervertretern tatsächlich einen entsprechenden Auftrag erteilt hat. Die Beklagte hat dies bestritten und der Kläger hat insoweit lediglich seine Vernehmung angeboten. Dass für eine Parteivernehmung des Klägers gemäß § 447 ZPO erforderliche Einverständnis der Beklagten liegt nicht vor. Von einer Vernehmung gemäß § 448 ZPO oder § 287 I 2 ZPO hat das Gericht abgesehen, da es sich bei dem angeblich erteilten Auftrag – welcher zunächst angenommen, aber dann nicht ausgeführt worden sein soll – ersichtlich um eine rein gebührenrechtlich motivierte Konstruktion der Klägervertreter handelt.
c) Zudem bestünde selbst dann, wenn eine Geschäftsgebühr entstanden wäre, kein Ersatzanspruch. Bildet – wie hier – eine Vermögensverletzung den Haftungsgrund, sind diejenigen adäquat verursachten Rechtsverfolgungskosten nach § 249 I BGB zu ersetzen, die aus Sicht des Schadensersatzgläubigers zur Wahrnehmung und Durchsetzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (BGH, Urt. v. 23.10.2003 – IX ZR 249/02, juris Rn. 32). Dies wäre hinsichtlich eines vorgerichtlichen Tätigwerdens gegenüber der Beklagten zu verneinen. Denn die Klägervertreter weisen zu Recht darauf hin, dass bei der derzeitigen allseits bekannten Haltung der Beklagten ein vorgerichtliches Anschreiben sinnlos gewesen wäre.
d) Gerichtliche Hinweise waren insoweit nicht erforderlich, da nur eine Nebenforderung betroffen ist (§ 139 II 1 ZPO). …