Indem die Volkswagen AG eine Vielzahl von Fahrzeugen heimlich so manipuliert hat, dass möglichst wenig Stickoxide entstehen, wenn die Fahrzeuge einen Emissionstest absolvieren, während die Stickoxid-Emission im normalen Fahrbetrieb deutlich höher ist, hat sie zwar möglicherweise gegen Art. 5 II i. V. mit Art. 3 Nr. 10 der Verordnung 715/2007/EG verstoßen. Das Verhalten der Volkswagen AG ist aber nicht i. S. des § 826 BGB sittenwidrig, sodass sie dem Käufer eines vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs schon deshalb nicht nach dieser Vorschrift Schadensersatz leisten muss.

LG Ellwangen, Urteil vom 10.06.2016 – 5 O 385/15

Sachverhalt: Die Parteien streiten um deliktische Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Pkw.

Die Klägerin erwarb am 18.03.2014 bei der A-GmbH & Co. KG, einer Vertragshändlerin der beklagten Volkswagen AG, für 12.600 € einen VW Polo mit einer Laufleistung von 45.909 km. Das Fahrzeug wurde der Klägerin am selben Tag gegen Zahlung des Kaufpreises übergeben und übereignet. Seither hat sie mit dem VW Polo, den sie unverändert im Straßenverkehr nutzt, insgesamt 30.000 km zurückgelegt.

Das streitgegenständliche Fahrzeug ist mit einer Software ausgestattet, die den Stickoxid-Ausstoß reduziert, sobald sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand befindet. Es ist deshalb von einem Rückruf betroffen, den das Kraftfahrt-Bundesamt für sämtliche Dieselfahrzeuge, in denen sich – wie im Fahrzeug der Klägerin – ein Motor aus der Reihe VW EA189 befindet, angeordnet hat. Sämtliche für den Fahrbetrieb erforderliche Genehmigungen, insbesondere die EG-Typengenehmigung für die Emissionsklasse „Euro 5“, bestehen derzeit unverändert fort.

Die Klägerin meint, die Software, die in einer Testsituation den Schadstoffausstoß ihres Fahrzeugs optimiert, sei eine unzulässige Abschalteinrichtung i. S. von Art. 3 Nr. 10 i. V. mit Art. 5 II der Verordnung 715/2007/EG. Den schwerwiegenden Eingriff in die Motorsteuerung habe die Beklagte der Klägerin und auch der A-GmbH & Co. KG verschwiegen und damit beide über für den Abschluss des Pkw-Kaufvertrags wesentliche Umstände arglistig getäuscht.

Nach Auffassung der Klägerin haftet ihr die Beklagte deshalb nach § 826 BGB auf Schadensersatz, wobei die Klägerin ihren Schaden unter Berücksichtigung einer Nutzungsentschädigung mit 11.602,62 € beziffert. Denn die Beklagte habe gegen die guten Sitten verstoßen, indem sie millionenfach eine unzulässige Abschalteinrichtung eingesetzt und dies verheimlicht habe, um den Fahrzeugabsatz zu fördern. Damit habe die Beklagte eine Gewinnmaximierung über den Schutz der Gesundheit gestellt. Dass dies ohne jede Frage gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoße, zeige die weltweite Empörung („Abgasskandal“).

Hätte sie – so behauptet die Klägerin – vom Einbau der illegalen Abschalteinrichtung, die unstreitig dazu führen kann, dass ihrem Fahrzeug die Zulassung entzogen oder diese beschränkt wird, gewusst, hätte sie den VW Polo nicht erworben. Ihr Schaden bestehe demenstsprechend darin, dass sie das Fahrzeug gekauft habe. Dies gelte umso mehr, als ihrem Fahrzeug ein Mangel anhafte, der sich nicht beseitigen lasse, ohne die wesentlichen Fahrzeugeigenschaften nachteilig zu verändern. Insbesondere könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Leistung, der Verbrauch und die Schadstoffklasse ihres Fahrzeugs durch die Nachbesserungsarbeiten, die die Beklagte im Rahmen des vom Kraftfahrt-Bundesamt angeordneten Rückrufs durchführen würde, verschlechterten.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: I. Die Klägerin steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch … gemäß §§ 826, 249 I BGB nicht zu, da das – unterstellte – Vorliegen einer unerlaubten Abschalteinrichtung und deren Verschweigen gegenüber den Käufern wie der Klägerin kein sittenwidriges Verhalten darstellt (dazu unter 1). Eine Haftung der Beklagten ergibt sich auch nicht aus § 831 I BGB (dazu unter 3).

1. Das Verhalten der Beklagtenseite ist nicht als sittenwidrig einzustufen. Ein – unterstellter, bei zutreffender Kenntnis und Beurteilung der Sachlage allerdings nicht ernsthaft bestreitbarer – Verstoß gegen Art. 3 Nr. 10, 5 II der Verordnung 715/2007/EG, wonach unter bestimmten Voraussetzungen die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkungen von Emissionskontrollsystemen verringern, unzulässig ist, kann insofern ohne Ergebnisrelevanz unterstellt werden.

a) Ein Verhalten ist objektiv sittenwidrig, wenn es nach Inhalt und Gesamtcharakter, welcher durch eine zusammenfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, mithin mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht vereinbar ist (statt vieler: BGH, Urt. v. 20.11.2012 – VI ZR 268/11, NJW-RR 2013, 550 Rn. 25). Nicht ausreichend ist hingegen, dass das Verhalten gesetzes- oder vertragswidrig ist, unbillig erscheint oder einen Schaden hervorruft. Vielmehr muss eine nach dem Maßstab der allgemeinen Gesellschaftsmoral und des als „anständig“ Geltenden besondere Verwerflichkeit des Verhaltens, die sich aus dem verfolgten Zweck, den eingesetzten Mitteln, der zutage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann, gegeben sein (vgl. nur BGH, Urt. v. 13.12.2011 − XI ZR 51/10, NJW 2012, 1800 Rn. 28)

Nach allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Literatur führt ein Gesetzesverstoß nicht zwingend zum Vorliegen der Sittenwidrigkeit, vielmehr muss die relevante Norm Ausdruck einer sittlichen Wertung und nicht wertneutral sein (vgl. dazu BeckOK-BGB/Spindler, 37. Edition, § 826 Rn. 4 m. w. Nachw.). Relevanter Maßstab ist die im Zeitpunkt der Vornahme der Handlung, vorliegend dem Einbau der – nach Klägerauffassung unzulässigen – Abschalteinrichtung, herrschende Sozialmoral für den jeweiligen Lebenskreis (grundlegend BGH, Urt. v. 08.01.1975 – VIII ZR 126/73, NJW 1975, 638 [639]).

b) Gemessen an den vorgenannten Maßstäben stellen der Einbau und das Verschweigen der – unterstellt – unzulässigen Abschalteinrichtung kein sittenwidriges Verhalten der Beklagten dar (dazu unter aa), welches auch nicht vom Schutzzweck der verletzten Norm umfasst wäre (dazu unter bb). Zudem würde mit der Annahme der Haftung gemäß § 826 BGB die vertragliche Risikozuweisung unterlaufen werden (dazu unter cc).

aa) Dass es mit der Entwicklung und dem Einbau der betreffenden Abschalteinrichtung auf Beklagtenseite – ungeachtet des Fehlens substanziierten Parteivortrags hierzu (z. B. zwischen welchen Personen auf Beklagtenseite eine derartige Absprache getroffen worden und welche Motivation hierbei im Einzelnen maßgeblich gewesen sein soll), dessen es trotz der klägerseits angenommenen Offensichtlichkeit der Sittenwidrigkeit bedarf – primär um Kostenersparnis respektive Gewinnmaximierung gegangen ist, kann als gegeben unterstellt werden.

Dies stellt in einem marktwirtschaftlichen System kein grundsätzlich zu beanstandendes Verhalten dar, zumal klägerseits nicht dargelegt wird, wessen Vorteil diese Gewinnmaximierung dienen sollte (z. B. Vorstand, konkrete, ggf. an der Entwicklung der entsprechenden Software beteiligte Mitarbeiter, Aktionäre). Das für diesen – unterstellten und nicht fernliegenden – Fall eingesetzte Mittel wäre zwar rechtlich zu beanstanden, da ein Verstoß gegen Art. 3 Nr. 10, 5 II der Verordnung 715/2007/EG vorliegen würde. Allerdings sind diese Vorschriften kein Ausdruck einer sittlichen Gesinnung, sondern stellen sich vielmehr – wie insbesondere aus der Präambel Ziffern (4) bis (7) ersichtlich wird – als Regelungen zum Schutz der Umwelt dar (vgl. dazu OLG Koblenz, Beschl. v. 21.10.2013 – 5  U 507/13, juris Rn. 44). Daneben soll die Verordnung 715/2007/EG – wie nahezu alle wirtschaftsbezogenen europäischen Regelungen – der Harmonisierung der nationalen Regelungen und damit der Stärkung des Binnenmarktes dienen (vgl. insbesondere Präambel Ziffer (1)). Mit den vorgenannten Vorschriften soll somit zuvörderst eine Reduzierung der Schadstoffemissionen von Kraftfahrzeugen zur Minimierung der Umweltbelastung erzielt werden. Damit ist keine sittliche Wertung verbunden.

Schließlich ist die eingetretene Folge ausgesprochen geringfügig, da die – unterstellt – unzulässige Abschalteinrichtung lediglich unter Laborbedingungen zum Einsatz kommt, während eine Auswirkung im – vorliegend primär relevanten – tatsächlichen Fahrbetrieb nicht gegeben ist. Somit wirkt sich die vorhandene Abschalteinrichtung nicht zum Nachteil der Fahrzeugkäufer wie der Klägerin aus, da diese während der Benutzung des Fahrzeugs im Alltag nicht aktiviert wird. Damit sind insbesondere auch keine nennenswert nachteiligen Wirkungen für die Umwelt verbunden, da die vorgenannten – unterstellt – verletzten Vorschriften der Verordnung 715/2007/EG allein für die Fahrzeugbeschaffenheit auf dem Prüfstand gelten und nicht für den realen Fahrbetrieb. Die Folgen der – unterstellt – verletzten Vorschriften betreffen daher allein den Schadstoffausstoß für die Messfahrten unter Laborbedingungen, während diese Vorschriften keine Wirkungen für den Schadstoffausstoß im realen Fahrbetrieb zeitigen. Der Umfang des Schadstoffausstoßes für derartige Messfahrten ist im Vergleich zum gesetzlich und verordnungsrechtlich nicht geregelten Schadstoffausstoß im Realbetrieb verschwindend gering.

Ein anderes Ergebnis ließe sich gegebenenfalls erzielen, wenn – wie etwa von Umweltverbänden und Interessenvertretern der Fahrzeugnutzer seit vielen Jahren gefordert – der Schadstoffausstoß unter realen – wenngleich standardisierten – Fahrbedingungen und nicht unter Laborbedingungen zum Gegenstand des Typenzulassungsverfahrens gemacht werden würde. Dass dies bislang nicht der Fall ist, kann bei einer Bewertung des in Rede stehenden Verhaltens als sittenwidrig nicht der Beklagten zum Nachteil gereichen.

Daher ergibt die vorzunehmende Gesamtbeurteilung von Zweck, Mittel und Folgen keine Sittenwidrigkeit des Verhaltens der Beklagten. Etwas anderes gilt nicht deshalb, weil eine große Anzahl von Fahrzeugen betroffen ist, da aufgrund der allgemein bekannten umfangreichen Produktionszahlen der Beklagten naturgemäß in einem kurzen Zeitraum eine Vielzahl von Fahrzeugen fertiggestellt wird, sodass sich die – unterstellt – unzulässige Abschalteinrichtung zwangsläufig in vielen Fahrzeugen befindet. Die reine Quantität eines objektiven Verstoßes beeinflusst jedoch nach den unter a genannten Beurteilungskriterien die Qualität eines Verhaltens im Hinblick auf die Einstufung als sittenwidrig nicht.

Das ausweislich der ersten Seite im Auftrag der Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. erstellte Rechtsgutachten des Prof. Dr. Remo Klinger ändert am vorgenannten Ergebnis nichts, zumal der Tatrichter die Beurteilung eines Verhaltens als sittenwidrig in eigener Kompetenz vorzunehmen hat, ohne dass er hierzu sachverständiger Beratung bedarf.

Ungeachtet dessen, dass – nach den Informationen aus allgemein zugänglichen Quellen – Prof. Dr. Klinger als Mitherausgeber der Zeitschrift für Umweltrecht und Mitglied der Gesetzgebungsausschüsse für Umweltrecht der Beklagten als potenziell schadstoffverursachender Automobilherstellerin möglicherweise nicht vollkommen objektiv gegenübersteht, sind die in seinem Gutachten zur vorliegend relevanten Frage der Sittenwidrigkeit des Verhaltens der Beklagten enthaltenen Ausführungen (insbesondere S. 35) – auf die sich die Klägerseite zur Begründung ihres Klageantrages maßgeblich stützt – von wenig aussagekräftigem Gehalt mit zahlreichen Leerformeln und Behauptungen. Die reine Anzahl der betroffenen Fahrzeuge eignet sich – wie ausgeführt – nicht zur Beurteilung der Sittenwidrigkeit. Soweit in diesem Zusammenhang feststellend behauptet wird, dass die Grenze zu einem die Schwelle der Sittenwidrigkeit nicht erreichenden einfachen Fehlverhalten weit überschritten sei, sind die Ausführungen mangels näherer Konkretisierung zur Bejahung der Sittenwidrigkeit ungeeignet. Insbesondere wird vom Rechtsgutachter überhaupt nicht dargelegt, was unter einem einfachen Fehlverhalten zu verstehen ist und weshalb die Schwelle hierzu im vorliegenden Fall „weit überschritten“ sein soll. Dabei wird auch nicht näher dargelegt, an welchen Maßstäben sich diese Beurteilung orientiert. Schließlich wird im vorgenannten Gutachten ausgeführt, dass eine besondere Verwerflichkeit vorliegen würde, weil das Gewinnstreben über den Schutz der Gesundheit gestellt worden sei. Worauf diese Annahme gründet, wird nicht ansatzweise erläutert. Dies erscheint auch schwerlich möglich, da das (prioritätsorientierte) Stellen einer Sache über eine andere primär das Ergebnis einer subjektiven Bewertung des jeweiligen Entscheidungsträgers ist. Dass insofern von der – sich noch in der weiteren Aufklärungsphase befindlichen – Beklagtenseite entsprechende Äußerungen getätigt worden sind, ist weder dem Parteivortrag zu entnehmen noch dem Gericht anderweitig bekannt. Zudem führt das objektiv – wohl – gegebene Gewinnstreben auf Beklagtenseite nicht ohne Weiteres dazu, dass der Schutz der Gesundheit diesem gegenüber hinten angestellt werden würde. Dies ist vielmehr eine reine Vermutung des Rechtssachverständigen.

Lediglich der Vollständigkeit halber und – aufgrund des insofern vorgenommenen Unterstellens der Richtigkeit des Klägervortrages – ohne Entscheidungsrelevanz ist festzustellen, dass die Klägerseite in diesem Zusammenhang keinen Beweis für das behauptete vorsätzliche sittenwidrige Verhalten der Beklagtenseite angeboten hat, obgleich die Beweisführung im als Anlage K 8 vorgelegten Rechtsgutachten auf Seite 36 („durch Vorlage beweiskräftiger Dokumente oder Benennung konkreter Zeugen“) als wesentliche Schwierigkeit für die Klägerseite in Rechtsstreitigkeiten wie der vorliegenden dargestellt worden ist. Dies muss der Klägerseite auch bekannt gewesen sein, da die seitliche Anmerkung mittels Kugelschreiber in der Anlage K 8 nicht vom Gericht stammt.

Schließlich führen die auf Seite 1 des Schriftsatzes des Klägervertreters vom 21.04.2016 benannten Gerichtsentscheidungen nicht zu einem abweichenden Ergebnis.

Ungeachtet dessen, dass das zitierte Urteil des OLG Düsseldorf vom 18.01.2002 – 3 U 11/01, juris – die Frage des Vorliegens eines Anspruchs gemäß § 826 BGB offenlässt und die in den weiteren Entscheidungen in Rede stehenden Sachverhalte nicht mit dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbar sind, können diese Gerichtsentscheidungen nicht überzeugen, weil dort die Annahme der Sittenwidrigkeit der jeweiligen Handlung stets ohne nähere Begründung konstatiert wird, ohne auf die unter a im Einzelnen dargestellten Anforderungen und Voraussetzungen nur ansatzweise einzugehen. Vielmehr scheint diesen Urteilen eine gewisse Tendenz entnommen werden zu können, dass jedwedes vorsätzliche bzw. arglistige Verhalten zugleich sittenwidrig ist. Eine derartige – unterstellte – Sichtweise wäre mit dem Gesetzeswortlaut unvereinbar.

Das mit Schriftsatz des Klägervertreters vom 30.05.2016 vorgelegte Urteil des LG München I ist zur Beurteilung der Sittenwidrigkeit des Verhaltens der Beklagten gleichsam unbehelflich, da hierin lediglich ein arglistiges Verhalten thematisiert wird.

bb) Im Übrigen wäre der – unterstellt – bei der Klägerin eingetretene Schaden nicht vom Schutzzweck der – unterstellt – verletzten Verordnung 715/2007/EG umfasst. Demnach besteht eine Schadensersatzpflicht nur, wenn der geltend gemachte Schaden nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzten Norm fällt, mithin muss es sich um Nachteile handeln, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen worden ist (jüngst BGH, Urt. v. 07.07.2015 – VI ZR 372/14, juris Rn. 26; explizit für § 826 BGB: BGH, Urt. v. 11.11.1985 – 11 ZR 109/85, juris).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt, da die einschlägige Verordnung 715/2007/EG – wie unter aa ausgeführt – primär dem Umweltschutz dient und die Klägerin ausschließlich Nachteile geltend macht, die mit dem verordnungsrechtlich bezweckten Schutz der Umwelt in keinem Zusammenhang stehen (u. a. drohender Entzug der Zulassung; Wertminderung; schwierigere Verkäuflichkeit).

cc) Schließlich würde die Annahme der Sittenwidrigkeit des Verhaltens der Beklagten dazu führen, dass die vertragsrechtlichen Risikozuweisungen unterlaufen würden (vgl. zu diesem Aspekt MünchKomm-BGB/Wagner, 6. Aufl. [2013], § 826 Rn. 18 m. w. Nachw.).

Dass der Klägerin gegenüber der A-GmbH & Co. KG als ihrer Kaufvertragspartnerin bei – unterstellter – Mangelhaftigkeit des streitgegenständlichen Fahrzeugs grundsätzlich Gewährleistungsansprüche gemäß § 437 BGB zustehen, denen bei Klageerhebung nicht erfolgreich die Einrede der Verjährung gemäß § 438 I Nr. 3 BGB hätte entgegengehalten werden können, ist als Ausdruck der vertraglichen Risikozuweisung vorrangig gegenüber dem nur hilfsweisen deliktischen Schutz des Vermögens gemäß § 826 BGB. Nachdem das Deliktsrecht insofern nur subsidiär zur Anwendung gelangt, würde mit der Bejahung der Haftung gemäß § 826 BGB die vertragliche Risikozuweisung konterkariert werden, da die A-GmbH & Co. KG bei tatsächlich vorliegender Mangelhaftigkeit des streitgegenständlichen Fahrzeugs voraussichtlich wiederum Regress bei der Beklagten nehmen könnte. Dieses Dreiecksverhältnis mit der Notwendigkeit der Geltendmachung der gegenüber dem jeweiligen Vertragspartner bestehenden Ansprüche würde durch die Annahme einer Direkthaftung der Beklagten gegenüber der Klägerin vollständig außer Kraft gesetzt, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund ersichtlich ist, zumal die Klägerin – wie ausgeführt – in keiner Weise rechtlos gestellt worden ist.

2. Es kann insbesondere dahinstehen , ob der Klägerin ein relevanter Schaden entstanden ist, obwohl die Typengenehmigung, die Betriebserlaubnis und die Schadstoffklasseneinstufung für das streitgegenständliche Fahrzeug derzeit unverändert fortbestehen und die Klägerin dieses weiterhin ohne Einschränkungen im Straßenverkehr nutzt. Weiterhin kann offenbleiben, ob das Verhalten der Beklagten für den klägerseits behaupteten Schadenseintritt kausal gewesen ist und ob der Klägerin in diesem Zusammenhang die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens zugutekommen würde. Schließlich kann dahinstehen, ob sich ein etwaiger Vorsatz der Beklagtenseite auf den klägerseits behaupteten Schaden (insbesondere drohender Entzug der Typenzulassung nebst schwierigerer Verkäuflichkeit und Wertverlust) erstreckt hätte, wozu klägerseits kein Vortrag gehalten worden ist.

3. Nachdem – wie unter 1 ausgeführt – die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 826 BGB nicht vorliegen, bedarf es keiner näheren Prüfung der Voraussetzungen des § 831 I BGB, nachdem diese Vorschrift erfordert, dass der Verrichtungsgehilfe den objektiven Tatbestand der §§ 823 bis 826 oder 832 ff. BGB verwirklicht hat.

4. Weitere Anspruchsgrundlagen zugunsten der Klägerin sind nicht ersichtlich, wobei mangels eines vertraglichen Verhältnisses zwischen den Parteien nur gesetzliche Ansprüche in Betracht zu ziehen sind. Daher ist die klägerische Bezugnahme auf die zu kaufvertraglichen Gewährleistungsansprüchen – zumeist gegenüber dem Händler und nicht gegenüber der Beklagten als Herstellerin – ergangene Rechtsprechung für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits unbehelflich, da zwischen den Parteien ein anderer Sachverhalt in Streit steht.

Der beiderseits umfassend gehaltene Vortrag zu in keiner Weise entscheidungserheblichen Erwägungen (etwa großzügige Handhabung der Softwareproblematik durch die Beklagte in den USA, Gewinnerzielungsabsicht der Klägerin mit Durchführung des Verfahrens) bedarf – ungeachtet einer an sich indizierten Suche nach einer für beide Seiten vernünftigen Lösung – keiner weiteren Stellungnahme.

5. Die … begehrte Feststellung des Annahmeverzugs kann nicht verlangt werden, da eine Rücknahmepflicht der Beklagten für das streitgegenständliche Fahrzeug – wie unter 1, 3 und 4 ausgeführt – nicht gegeben ist.

6. Die Klägerin kann die geltend gemachte Zahlung der Zinsen und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nicht verlangen, da – wie unter 1, 3 und 4 ausgeführt – ein Anspruch in der Hauptsache nicht besteht. Die Verfolgung nicht bestehender Ansprüche stellt keine zweckentsprechende Rechtsverfolgung dar, für die die Beklagte gemäß § 249 I BGB einzustehen hätte …

Hinweis: Die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.06.2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge finden Sie hier.

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