- Ein vom VW-Abgasskandal betroffener Gebrauchtwagen ist mangelhaft, da sein Schadstoffausstoß die einschlägigen Emissionsgrenzwerte (hier: die Euro-5-Emissionsgrenzwerte) überschreitet und sich das Fahrzeug deshalb mangels Zulassungsfähigkeit nicht für die vorausgesetzte Verwendung eignet. Dem steht nicht entgegen, dass das Kraftfahrt-Bundesamt die Nutzung des Fahrzeugs im Straßenverkehr einstweilen toleriert. Denn der tatsächliche Umgang des Kraftfahrt-Bundesamtes mit vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugen ändert nichts daran, dass diese Fahrzeuge nicht zulassungsfähig sind.
- Dem Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen – mangelhaften – Gebrauchtwagens ist eine Nachbesserung (§ 439 I Fall 1 BGB) vor allem deshalb unzumutbar, weil die begründete Befürchtung besteht, dass das Fahrzeug auch nach der Installation des vorgesehenen Softwareupdates nicht mangelfrei sein wird. Vielmehr ist die Sorge des Käufers berechtigt, dass das Update sich nachteilig auf die Schadstoffemissionen, den Kraftstoffverbrauch und die Motorleistung auswirken wird. Denn nach den Gesetzen der Logik hätte die Volkswagen AG keine den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprechende Fahrzeuge konzipiert, wenn sie mit einem geringfügigen Mehraufwand, wie er jetzt für die Entwicklung des Softwareupdates betrieben wurde, gleich gute Fahrzeuge hätte konzipieren können, die den gesetzlichen Vorschriften entsprechen. Wenn es aber für die sonstigen Eigenschaften der vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge vorteilhaft gewesen ist, erhöhte Stickoxidemissionen in Kauf zu nehmen, dann müssen spiegelbildlich diese sonstigen Eigenschaften negativ betroffen sein, wenn nunmehr der Stickoxidausstoß mittels eines Softwareupdates reduziert wird.
- Eine Nachbesserung ist dem Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Gebrauchtwagens auch dann unzumutbar, wenn sein Vertrauensverhältnis zur Herstellerin des Fahrzeugs, der Volkswagen AG, die auch das für eine Nachbesserung erforderliche Softwareupdate entwickelt hat, nachhaltig gestört ist. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Volkswagen AG sowohl die Behörden als auch die Käufer ihrer Fahrzeuge mithilfe einer Manipulationssoftware über Jahre hinweg systematisch irregeführt hat. Der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs hat deshalb wenig Anlass, der Volkswagen AG dahin gehend zu vertrauen, dass es im Zusammenhang mit dem für eine Nachbesserung erforderlichen Softwareupdate nicht erneut zu Manipulationen kommt.
- Der Mangel, der einem vom VW-Abgasskandal betroffenen Gebrauchtwagen anhaftet, ist schon deshalb nicht geringfügig i. S. des § 323 V 2 BGB, weil der Käufer praktisch gezwungen ist, das Fahrzeug durch die Installation eines Softwareupdates nachbessern zu lassen, um nicht die Zulassung des Fahrzeugs zum Straßenverkehr zu gefährden. Es ist indes nicht ausgeschlossen, dass sich das Update negativ etwa auf den Kraftstoffverbrauch auswirken und trotz seiner Installation ein merkantiler Minderwert verbleiben wird.
- Zwar ist der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs, der von der Volkswagen AG Schadensersatz wegen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung (§ 826 BGB) verlangt, dafür darlegungs- und beweisbelastet, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter der Volkswagen AG i. S. des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat. Allerdings trifft die Volkswagen AG insoweit eine sekundäre Darlegungslast, wenn der Käufer greifbare Anhaltspunkte dafür vorträgt, dass verfassungsmäßig berufene Vertreter der Volkswagen AG (§ 31 BGB) Kenntnis von der Entwicklung und dem Einsatz der den VW-Abgasskandal kennzeichnenden Manipulationssoftware hatten. Dieser sekundären Darlegungslast genügt die Volkswagen AG durch den Vortrag, wer die Entscheidung, die Manipulationssoftware zu entwickeln und einzusetzen, getroffen hat.
LG Baden-Baden, Urteil vom 27.04.2017 – 3 O 163/16
Sachverhalt: Der Kläger kaufte am 18.04.2012 von der Beklagten zu 1 einen gebrauchten VW Touran 1.6 TDI mit einer Laufleistung von 8.973 km zum Preis von 22.885 €. Der als Euro-5-Fahrzeug angebotene Gebrauchtwagen wurde dem Kläger am 27.04.2012 übergeben; der Kaufpreis wurde am 14.05.2012 gezahlt.
Die Beklagte zu 1 ist als unabhängige Kfz-Händlerin autorisiert, Fahrzeuge der Marke Volkswagen zu vertreiben. Die Beklagte zu 2, die Volkswagen AG, ist die Herstellerin des streitgegenständlichen Pkw.
Dieser ist mit einem EA189-Dieselmotor ausgestattet und deshalb vom VW-Abgasskandal betroffen: Eine Software erkennt, ob das Fahrzeug auf einem technischen Prüfstand einen Emissionstest absolviert und dafür den „Neuen Europäischen Fahrzyklus“ durchfährt. In diesem Fall wird ein spezieller Betriebsmodus („Modus 1“) aktiviert. In diesem Modus werden die Euro-5-Emissionsgrenzwerte eingehalten, weil die Abgasrückführungsrate höher und deshalb der Stickoxidausstoß niedriger ist als beim regulären Betrieb des Pkw im Straßenverkehr. Dieser erfogt ausschließlich im „Modus 0“. Obwohl in diesem Modus die Euro-5-Emissionsgrenzwerte überschritten werden, hat das Kraftfahrt-Bundesamt die dem streitgegenständlichen Fahrzeugmodell erteilte Typgenehmigung bislang nicht widerrufen.
Es hat jedoch den Rückruf aller vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge angeordnet und der Beklagten zu 2 aufgegeben, diese Fahrzeuge in den Zustand zu versetzen, den die öffentlich-rechtlichen Vorschriften vorschreiben. Die Beklagte zu 2 hat daraufhin technische Maßnahmen entwickelt, mit deren Hilfe dieser Zustand erreicht werden soll, und dem Kraftfahrt-Bundesamt im Oktober 2015 einen Zeit- und Maßnahmenplan vorgelegt. Danach soll das streitgegenständliche Fahrzeug auf Kosten der Beklagten zu 2 (nur) ein Softwareupdate erhalten. Dieses Update soll insbesondere bewirken, dass das Fahrzeug durchgängig in dem Modus betrieben wird, in dem die Abgasrückführungsrate vergleichsweise hoch ist. Mit Bescheid vom 03.11.2016 hat das Kraftfahrt-Bundesamt das für das streitgegenständliche Fahrzeugmodell vorgesehene Softwareupdate nach Prüfung zur Installation freigegeben. Der Kläger kann seinen Pkw deshalb nunmehr technisch überarbeiten lassen.
Der Kläger hat mit Anwaltsschreiben vom 04.02.2016 die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und hilfsweise den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt, ohne zuvor eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt zu haben. Er behauptet, er hätte den VW Touran nicht erworben, wenn er von der Manipulationssoftware gewusst hätte.
Der Kläger meint, die Beklagte zu 2 sei im Verhältnis zur Beklagten zu 1 nicht Dritte i. S. von § 123 II 1 BGB, sodass der Beklagten zu 2 die der Beklagten zu 1 anzulastende arglistige Täuschung zuzurechnen sei. Er – der Kläger – habe deshalb seine auf den Abschluss des Kaufvertrags gerichtete Willenserklärung wirksam angefochten.
Hilfsweise sei er – der Kläger – wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten, weil sein Fahrzeug über eine unzulässige Abschalteinrichtung verfüge und deshalb mangelhaft sei. Eine Frist zur Nacherfüllung habe er – der Kläger – der Beklagten zu 1 vor der Erklärung des Rücktritts nicht setzen müssen. Denn der seinem Fahrzeug anhaftende Mangel – so behauptet der Kläger – sei schon deshalb unbehebbar, weil ein merkantiler Minderwert verbleibe. Darüber hinaus führe das vorgesehene Softwareupdate insbesondere zu einem Kraftstoffmehrverbrauch von cica zehn Prozent und zu einer Reduzierung der Motorleistung. Es sei deshalb rein physikalisch ausgeschlossen, dass sein – des Klägers – Fahrzeug ohne negative Folgen nachgebessert werden könne.
Der Kläger meint, die Beklagte zu 2 müsse ihm Schadensersatz leisten, weil sie zu den Schadstoffemissionen des streitgegenständlichen Fahrzeugs bewusst falsche Angaben gemacht habe. Damit habe die Beklagte zu 2 nicht nur einen Betrug begangen, sondern ihn – den Kläger – auch in sittenwidriger Weise vorsätzlich geschädigt.
Die Klage hatte überwiegend Erfolg.
Aus den Gründen: Der Kläger hat gegenüber den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 20.147,94 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.02.2016, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Pkw VW Touran …. Der zurückzuzahlende Kaufpreis in Höhe von 22.885 € reduziert sich in Höhe der gezogenen Nutzungen um 2.737,06 €. Die Beklagten haften als Gesamtschuldner (I–VI). Zudem hat der Kläger gegenüber der Beklagten zu 2 einen Anspruch auf Zahlung von Zinsen in Höhe von vier Prozent aus 22.885 € seit dem 14.05.2012 bis zum 03.02.2016 (VII). Weiter kann der Kläger die Feststellung beanspruchen, dass sich die Beklagten mit der Rücknahme des … Pkw im Annahmeverzug befinden (VIII). Ferner hat der Kläger gegenüber jeder Beklagten einen eigenständigen Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von je 1.195,95 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.02.2017 (IX). Weitere Ansprüche des Klägers bestehen nicht.
I. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten zu 1 einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 22.885 € für den Pkw VW Touran aus §§ 433, 434 I, 437 Nr. 2 Fall 1, 323, 346 BGB.
1. Der dem Kläger von der Beklagten zu 1 mit Kaufvertrag vom 18.04.2012 verkaufte VW Touran 1.6 TDI ist mangelhaft.
Durch die Installation einer Software, die die korrekte Messung der Stickoxidwerte im normalen Gebrauch des Fahrzeugs verhindert und im Prüfbetrieb niedrigere Ausstoßmengen vorspiegelt, weicht das Fahrzeug von der bei vergleichbaren Fahrzeugen üblichen Beschaffenheit ab (OLG Hamm, Beschl. v. 21.06.2016 – I-28 W 14/16, juris; OLG Celle, Beschl. v. 30.06.2016 – 7 W 26/16, juris).
Das Fahrzeug entspricht nicht den gesetzlichen Vorschriften, da es die Euro-5-Norm nicht einhält, und eignet sich daher mangels Zulassungsfähigkeit nicht zur vorausgesetzten Verwendung. Dabei hat außer Betracht zu bleiben, dass das Kraftfahrt-Bundesamt die Verwendung des Fahrzeugs im Straßenverkehr bis zur geplanten Nachbesserung trotz Verstoßes gegen die gesetzlichen Vorschriften toleriert und die Zulassung tatsächlich nicht entzieht. Die tatsächliche und jederzeit veränderliche Umgehensweise des Kraftfahrt-Bundesamtes mit den betroffenen Dieselfahrzeugen ändert an der nicht vorhandenen Zulassungsfähigkeit nach den gesetzlichen Vorschriften nichts.
Die Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs ergibt sich auch daraus, dass das Kraftfahrt-Bundesamt wie auch die entsprechenden Behörden im benachbarten Ausland prüfen müssen, ob eine Entziehung der Betriebserlaubnis geboten ist, wenn der Hersteller innerhalb einer angemessenen Frist nicht für Abhilfe sorgt (OLG München, Beschl. v. 23.03.2017 – 3 U 4316/16, juris).
2. Der Kläger konnte sogleich vom Vertrag zurücktreten, ohne eine Frist zur Nacherfüllung zu setzen, da ihm die Art der Nacherfüllung unzumutbar ist (§ 440 Satz 1 Fall 3 BGB).
Es kann dahingestellt bleiben, ob – wenn der Kläger eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt hätte, was nicht der Fall ist – diese Frist zu kurz gewesen wäre und eine angemessene Frist von nicht mehr als einem Jahr in Gang gesetzt hätte, die nunmehr abgelaufen wäre, sodass der Verkäufer den Rücktritt des Käufers hätte hinnehmen müssen (so OLG München, Beschl. v. 23.03.2017 – 3 U 4316/16, in einem vergleichbaren Fall, in dem eine Frist zur Nachbesserung gesetzt wurde).
Die Unzumutbarkeit ergibt sich … daraus, dass der Kläger unangemessen lange auf eine Nachbesserung warten musste (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 21.06.2016 – I-28 W 14/16, juris; OLG Celle, Beschl. v. 30.06.2016 – 7 W 26/16, juris). Das Kraftfahrt-Bundesamt hat erst mit Bescheid vom 03.11.2016 das für das streitgegenständliche Fahrzeug vorgesehene Softwareupdate geprüft und freigegeben. Zum Zeitpunkt der Erklärung des Rücktritts … am 04.02.2016 war noch gar kein Termin für die Nachbesserung absehbar. Dem Kläger war nicht zuzumuten, einen unbestimmten Zeitraum lang abzuwarten, ob sich zu einem unbestimmten Zeitpunkt eine noch unbestimmte Art der Nachbesserung ergeben kann.
Weiterhin führt die nachhaltige Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2 zur Unzumutbarkeit der Nachbesserung. Die Nachbesserung wird allein durch die Beklagte zu 2 angeboten, die für das Fahrzeug ein Softwarupdate angeboten hat. Die Beklagte zu 2 hat das streitgegenständliche Fahrzeug als der Euro-5-Norm zugehörig angeboten, obwohl das Fahrzeug diese Norm im normalen Fahrbetrieb nicht erfüllt. Der Kläger glaubte somit im Vertrauen auf die Angaben der Beklagten zu 2, ein den gesetzlichen Vorschriften entsprechendes Fahrzeug zu erwerben, obwohl dies tatsächlich nicht der Fall war. Die Mitarbeiter der Beklagten zu 2 haben eine Software konstruiert, [die] erkennt, wann das Fahrzeug im Testlauf läuft, was zur Folge hat, dass der Stickoxidausstoß als geringer gemessen wird, als er im tatsächlichen Fahrbetrieb … ist. Dadurch wurde dem Kläger etwas vorgespiegelt, was für seine Kaufentscheidung wesentlich war, nämlich ein Stickoxidausstoß, der den gesetzlichen Vorschriften entspricht. Nachdem der Kläger durch die Beklagte zu 2 bereits einmal durch eine manipulierte Software getäuscht wurde, ist es ihm nicht zuzumuten, von der Beklagten zu 2 ein Softwareupdate zu erhalten. Bei dem Kläger verbleibt dann der nicht völlig unberechtigte Verdacht, dass es zu einer wiederholten Manipulation der Software kommen könnte. Der Kläger hat wenig Anlass, der Herstellerin in Bezug auf die Software zu vertrauen, nachdem diese sowohl die Behörden als auch ihre Kunden über Jahre hinweg systematisch irregeführt hat (LG Köln, Urt. v. 02.03.2017 – 2 O 317/16, juris).
Vor allem aber ist die Nachbesserung unzumutbar, weil die begründete Befürchtung besteht, das Fahrzeug werde auch trotz der Nachbesserung nicht mangelfrei sein. Von Fachleuten wurde mehrfach geäußert und in zahlreichen Presseartikeln zitiert, dass die Entfernung der Manipulationssoftware negative Auswirkungen auf die Emissionswerte, den Kraftstoffverbrauch und die Motorleistung sowie den Verschleiß haben könnte. Es entspricht auch den Gesetzen der Logik, dass die Beklagte zu 2 nicht ein Fahrzeug konzipiert hätte, das den gesetzlichen Vorschriften nicht entspricht, wenn sie mit gleichem Aufwand oder nur geringem Mehrautwand wie dem hiesigen Softwareupdate ein gleich gutes Fahrzeug hätte konzipieren können, das den gesetzlichen Vorschriften entspricht. Vielmehr musste es für die sonstigen Eigenschaften des Fahrzeugs vorteilhaft gewesen sein, den erhöhten Stickoxidausstoß in Kauf zu nehmen. Wird nunmehr der Stickoxidausstoß reduziert, müssen spiegelbildlich sonstige Eigenschaften des Fahrzeugs negativ betroffen sein. Zumindest drängt sich ein entsprechender Verdacht auf. Dadurch entstehen beim Käufer Unsicherheiten bezüglich der Dauerhaltbarkeit und möglicher Folgeschäden nach durchgeführter Nachbesserung. Diese berechtigte Sorge des Käufers führt zur Unzumutbarkeit der Nachbesserung (so z. B. auch LG Dortmund, Urt. v. 29.09.2016 – 25 O 49/16, LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 72/16; a. A. z. B. LG Frankenthal, Urt. v. 12.05.2016 – 8 O 208/15; alle in juris).
Schließlich ergibt sich die Unzumutbarkeit der Nachbesserung auch daraus, dass der Wert des Fahrzeugs auch nach der Nachbesserung wesentlich beeinträchtigt sein wird oder dies zumindest aus objektiver Sicht zu erwarten ist. Aufgrund der Unsicherheiten hinsichtlich möglicher negativen Folgen der Nachbesserung erscheint es realistisch, dass sich der Preis für von der Manipulationssoftware betroffene Fahrzeuge zukünftig negativ entwickeln könnte. Bereits das Bestehen eines naheliegenden Risikos eines bleibenden merkantilen Minderwerts ist ausreichend (so auch LG Kempten, Urt. v. 29.03.2017 – 13 O 808/16, juris).
3. Der Rücktritt vom Kaufvertrag ist auch nicht wegen Unerheblichkeit der Pflichtverletzung ausgeschlossen (§ 323 V 2 BGB).
Es kann dahinstehen, ob die Mängelbeseitigung mit einem geringen finanziellen Aufwand pro Fahrzeug (ca. 100 €) möglich ist. Denn die Erheblichkeit eines Mangels wird nicht nur durch die Kosten der Beseitigung, sondern durch eine umfassende Interessenabwägung bestimmt. Ein erheblicher Mangel liegt hier bereits deshalb vor, weil nicht auszuschließen ist, dass die Eigenschaften des Fahrzeugs durch das Softwareupdate negativ beeinflusst werden und der Wiederverkaufswert des Fahrzeugs durch den Makel der Softwaremanipulation und die damit verbundene Presseberichterstattung sinken kann (so z. B. auch LG Dortmund, Urt. v. 29.09.2016 – 25 O 49/16, LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 72/16; a. A. LG Münster, Urt. v. 14.03.2016 – 011 O 341/15; alle in juris).
Abgesehen davon nimmt allein der Umstand, dass der Kläger auf die Nacherfüllung praktisch nicht verzichten kann, sondern im Rahmen der mit dem Kraftfahrt-Bundesamt ausgearbeiteten Rückrufaktion des Herstellers dazu verpflichtet ist, das Softwareupdate aufspielen zu lassen, um die Zulassung des Fahrzeugs zukünftig nicht zu gefährden, dem Mangel den Anschein der Unerheblichkeit (LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 72/16).
4. Rechtsfolge des wirksamen Rücktritts ist gemäß § 346 I BGB die Rückgewähr der empfangenen Leistungen, also auch die Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises in Höhe von 22.885 €.
II. Der Kläger hat auch gegenüber der Beklagten zu 2 einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 22.885 € für den Pkw VW Touran aus §§ 826, 249 ff. BGB.
1. Die Beklagte zu 2 hat gegenüber dem Kläger in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise gehandelt.
Wer bewusst täuscht, um einen anderen zum Vertragsschluss zu bringen, handelt in der Regel sittenwidrig, so bei unwahren Angaben über vertragswesentliche Umstände (Paland/Sprau, BGB, 76. Aufl. [2017], § 826 Rn. 20).
Vorliegend haben die Mitarbeiter der Beklagten zu 2 eine Software konstruiert, [die] erkennt, wann das Fahrzeug im Testlauf läuft, was zur Folge hat, dass der Stickoxidausstoß als geringer gemessen wird, als er im tatsächlichen Fahrbetrieb … ist. Dadurch wurde dem Kläger etwas vorgespiegelt, was für seine Kaufentscheidung wesentlich war, nämlich ein Stickoxidausstoß, der den gesetzlichen Vorschriften entspricht. Den Mitarbeitern der Beklagten zu 2 war auch bewusst, dass dieser Umstand von zentraler Bedeutung beim Autokauf ist, denn naturgemäß möchte kein Kunde ein Fahrzeug erwerben, dem der Entzug der Zulassung droht. Dennoch wurde die entsprechende Software bewusst verwendet, um dem Kunden vorzuspiegeln, das Fahrzeug erfülle die entsprechenden gesetzlichen Anforderungen, was tatsächlich im normalen Fahrbetrieb aufgrund eines zu hohen Stickoxidausstoßes nicht der Fall ist. Dies geschah, um einen möglichst hohen Profit zu erzielen, indem man ein Fahrzeug auf dem Markt anbot, das (scheinbar) die Euro-5-Norm einhielt und gleichzeitig über einen geringen Spritverbrauch und andere positive Eigenschaften verfügte.
Dieses betrügerische Verhalten gegenüber dem Kunden ist sittenwidrig (so auch LG Hildesheim, Urt. v. 17.01.2017 – 3 O 139/16, juris; LG Kleve, Urt. v. 31.03.2017 – 3 O 252/16, juris).
2. Die Beklagte zu 2 hat durch ihre verfassungsmäßigen Vertreter gehandelt, für deren unerlaubte Handlung die Beklagte zu 2 haftet (§ 31 BGB). In der Person der Vertreter der Beklagten zu 2 wurde der objektive und subjektive Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht.
Zwar trifft hierfür den Kläger die Beweislast. Allerdings ist es hier der Beklagten zu 2 ausnahmsweise zuzumuten, im Rahmen ihrer Erklärungslast nach § 138 II ZPO dem Kläger eine prozessordnungsgemäße Darlegung durch nähere Angaben über die zu ihrem Wahrnehmungsbereich gehörenden Verhältnisse zu ermöglichen, weil sie im Gegensatz zu dem außerhalb des maßgeblichen Geschehensablaufs stehenden Kläger die wesentlichen Tatsachen kennt („sekundäre Darlegungslast“; vgl. Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl. [2016], vor § 284 Rn. 34). Der Vorstand der Beklagten zu 2 weiß oder kann sich das Wissen verschaffen, wer die Entscheidung getroffen hat, die Software zu entwickeln und einzusetzen, die einen tatsächlich nicht vorhandenen niedrigen Stickoxidausstoß im normalen Betrieb des Fahrzeugs vorspiegelt. Der Kläger hat hingegen keine Möglichkeit, sich darüber zu informieren. Um eine Ausforschung zu vermeiden, muss der zu beweisende Vortrag des Klägers greifbare Anhaltspunkte für seine Behauptung liefern (Zöller/Greger, a. a. O., vor § 284 Rn. 34). Das ist hier der Fall.
Der Kläger behauptet, Verantwortliche der Beklagten zu 2 hätten die hiesige Software entwickeln lassen und eingesetzt. Dies erscheint lebensnah. Wer die Zustimmung zur Konzipierung und zum Einsatz einer Software in Millionen von Neufahrzeugen erteilt, die einen geringeren als den tatsächlichen Stickoxidausstoß vorspiegelt, hat üblicherweise auch eine wichtige Funktion in einem Unternehmen inne, da eine solch wesentliche unternehmerische Entscheidung regelmäßig nicht von untergeordneten Mitarbeitern ohne Einbeziehung von Entscheidungsträgern getroffen wird.
Für eine Haftung gemäß § 31 BGB ist es auch nicht zwingend, dass das handelnde Organ rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht hat. Vielmehr ist entscheidend, dass dem „Vertreter“, sei es aufgrund einer ausdrücklichen Bestellung oder aufgrund tatsächlicher Handhabung, bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zugewiesen sind (BGH, Urt. v. 14.03.2013 – III ZR 296/11, BGHZ 196, 340 Rn. 12).
Nachdem die Beklagte zu 2 nicht offenbart hat, wer die Entscheidung zum Einsatz der Software getroffen hat, und damit ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen ist, gilt die Behauptung des Klägers, die Verantwortlichen der Beklagten zu 2 hätten entschieden, die hiesige Software zu verwenden, trotz ihrer mangelnden Substanziierung als zugestanden i. S. von § 138 III ZPO (so auch LG Kleve, Urt. v. 31.03.2017 – 3 O 252/16, juris; LG Hildesheim, Urt. v. 17.01.2017 – 3 O 139/16, juris).
3. Hätte der Kläger gewusst, dass das Fahrzeug im normalen Fahrbetrieb einen höheren Stickoxid-Ausstoß als angegeben hat, deshalb die Euro-5-Norm nicht erfüllt und der Betrieb des Fahrzeugs gegen gesetzliche Vorschriften verstößt und daher eine Nachbesserung mit ungewissen Folgen für den Pkw erforderlich ist, so hätte er das Fahrzeug nicht erworben.
4. Wird der Käufer durch irreführende Angaben zum Erwerb einer Sache veranlasst, die sich grundlegend von der angepriesenen unterscheidet, ist ein Schaden auch dann zu bejahen, wenn der Wert der Sache dem gezahlten Kaufpreis entspricht (BGH, Urt. v. 19.12.1997 – V ZR 112/96, NJW 1998, 898 [899]). Es kommt daher nicht darauf an, ob der Kläger das Fahrzeug zur allgemeinen Nutzung im Straßenverkehr verwenden kann (so aber LG Braunschweig, Urt. v. 29.12.2016 – 1 O 2084/15, mit dem Ergebnis, dass keine Ansprüche der dortigen Käuferin gegen die Volkswagen AG bestehen). Denn es ist nicht zweifelhaft, dass Schadensersatz auch dann geschuldet ist, wenn der Kaufpreis zwar dem Verkehrswert der Sache entspricht, diese aber infolge des Mangels für die Zwecke des Käufers ungeeignet ist (BGH, Urt. v. 19.12.1997 – V ZR 112/96, NJW 1998, 898 [899]). Vorliegend wollte der Kläger kein Fahrzeug erwerben, das den gesetzlichen Vorschriften nicht entspricht und bei dem der Entzug der Zulassung droht, wenn der Kläger sich nicht auf eine Nachbesserung einlässt, deren Folgen für das Fahrzeug ungewiss sind. Damit war das Fahrzeug für die Zwecke des Klägers ungeeignet.
Der geschädigte Kläger ist so zu stellen, als ob er den Kaufvertrag nicht abgeschlossen hätte. Der Kaufvertrag ist rückabzuwickeln und dem Kläger der Kaufpreis zurückzuerstatten.
III. Die Beklagten haben gegenüber dem Kläger einen Anspruch auf Wertersatz für gezogene Nutzungen in Höhe von 2.737,06 €, die gegen den Zahlungsanspruch des Klägers aufzurechnen sind (§§ 346 I Fall 2, 387 ff. BGB). Damit reduziert sich die berechtigte Forderung des Klägers auf 20.147,94 €.
Bei der Rückabwicklung eines Kaufvertrags über ein (auch gebrauchtes) Fahrzeug erfolgt der Ersatz der gezogenen Nutzungen nach ganz herrschender Meinung nach der Formel
$$\text{Nutzungswert} = {\frac{\text{Kaufpreis}\times\text{gefahrene Kilometer}}{\text{Restlaufleistung}}}$$
(KG, Urt. v. 23.05.2013 – 8 U 58/12, NJW-RR 2014, 57 m. w. Nachw.).
Die Laufleistung schätzt das Gericht bei vorliegendem Fahrzeug auf 250.000 km. Es genügt dem Schätzungsermessen und entspricht allgemeiner Rechtsprechungspraxis, sich an der typspezifischen Gesamtfahrleistung zu orientieren. Pkw der mittleren und gehobenen Klasse erreichen aufgrund des hohen Qualitätsstandards heutzutage Gesamtfahrleistungen von 200.000 km bis 300.000 km. Für das hiesige Fahrzeug mit Dieselmotor ist eine Gesamtfahrleistung von 250.000 km realistisch anzunehmen, zumal das Fahrzeug seit seiner Zulassüng am 30.06.2011 nur knapp 38.000 km und daher unterdurchschnitllich wenig gefahren wurde. Das Gericht sieht keine Veranlassung zur Einholung eines Sachverständigengutachtens darüber, ob die Gesamtfahrleistung 250.000 km oder gar 500.000 km oder nur 200.000 km beträgt (vgl. KG, Urt. v. 23.05.2013 – 8 U 58/12, NJW-RR 2014, 57).
Damit ergibt sich folgende Berechnung:
$${\frac{\text{22.885 €}\times\text{(37.800 km − 8.973 km)}}{\text{(250.000 km − 8.973 km)}}} = 2.737,06 €.$$
Zwar erfolgt bei wechselseitigen Geldforderungen keine automatische Saldierung; es bedarf einer Aufrechnung (Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl. [2017], § 348 Rn. 1). Jedoch liegt hier eine Aufrechnung vor (§ 387 BGB). Die Beklagten haben klar zu erkennen gegeben, dass sie einen Anspruch auf Nutzungsersatz geltend machen wollen und die klägerische Forderung insoweit erlöschen soll, und sich in ihren Schriftsätzen auch auf obige 8erechnungsformel berufen, konnten allerdings die Höhe des Nutzungsersatzes bis zu der mündlichen Verhandlung noch nicht beziffern, da sie den aktuellen Kilometerstand des Fahrzeugs bis dahin noch nicht kannten. Es ist davon auszugehen, dass sie auch nach Kenntnis hiervon Aufrechnungswillen hatten und das Erlöschen der klägerischen Forderung mindestens in der Höhe der vom Gericht berechneten Nutzungsentschädigung begehrten; dieser war für den Kläger auch klar erkennbar. Eine Aufrechnungserklärung i. S. von § 388 Satz 1 BGB liegt somit vor.
IV. Die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung besteht Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Pkw VW Touran (§§ 348,.320, 322 BGB).
V. Der geltend gemachte Zinsanspruch ergibt sich aus Verzug.
VI. Die Beklagten haften als Gesamtschuldner, da jede Beklagte zur Bewirkung der gesamten Leistung verpflichtet, der Kläger aber die. Leistung nur einmal zu fordern berechtigt ist (§ 421 Satz 1 BGB).
VII. Der Anspruch des Klägers gegenüber der Beklagten zu 2 auf Zahlung von Zinsen in Höhe von vier Prozent aus 22.885 € seit dem 14.05.2012 bis zum 03.02.2016 ergibt sich aus § 849 BGB. Wer durch eine unerlaubte Handlung dazu bestimmt wird, Geld zu überweisen, kann vom Schädiger eine Verzinsung nach § 849 BGB verlangen (BGH, Urt. v. 26.11.2007 – II ZR 167/06, NJW 2008, 1084 Rn. 4 ff.). Der Kläger ist durch die sittenwidrige vorsätzliche Schädigung der Beklagten zu 2 veranlasst worden, an die Beklagte zu 1 am 14.05.2012 den Kaufpreis in Höhe von 22.885 € auf deren Konto zu bezahlen. Die Zinspflicht endet mit dem konkreten Schadensersatzverlangen am 03.02.2016.
VIII. Die Beklagten befinden sich mit der Rücknahme des … Pkw in Annahmeverzug (§ 293 BGB). Jedenfalls mit Zustellung der Klageschrift hat der Kläger den Beklagten ein wörtliches Angebot auf Rückübereignung des Pkwsgemacht (§ 295 BGB). Die Beklagten, die spätestens mit Zugang des Schriftsatzes zur Anzeige der Verteidigungsbereitschaft und dem darin enthaltenen Antrag auf Klageabweisung dieses Angebot abgelehnt haben, befinden sich daher seit Zugang des Angebots in Annahmeverzug (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 06.05.2011 – I-17 U 53/10, juris).
IX. Der Kläger hat gegenüber beiden Beklagten einen eigenständigen Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von je 1.195,95 € nebst Zinsen … aus Vertragsverletzung bzw. unerlaubter Handlung.
Bei der Berechnung geht das Gericht von einer berechtigten 1,3-fachen Geschäftsgebühr aus einem Streitwert von 22:885 € in Höhe von 1.024,40 € zuzüglich einer Unkostenpauschale in Höhe von 20 € und einer Umsatzsteuer in Höhe von 19 % aus, sodass sich ingesamt vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten hinsichtlich jeder Beklagten in Höhe von 1.242,84 € ergeben. Eine Anrechnung hat zu unterbleiben, da gemäß Teil 3 Vorbemerkung 3 IV 1 der Anlage 1 zum RVG die Geschäftsgebühr, soweit diese wegen desselben Gegenstands entsteht, zur Hälfte, höchstens jedoch mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet wird und somit die Geschäftsgebühr in voller Höhe begehrt werden kann, jedoch teilweise auf die Verfahrensgebühr angerechnet wird, nicht aber umgekehrt die Verfahrensgebühr teilweise auf die Geschäftsgebühr angerechnet wird.
Die Höhe der Gebühr ist durch eine Gesamtabwägung aller nach § 14 I 1 RVG maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. Vorliegend ist gerichtsbekannt, dass der Klägervertreter neben dem Kläger zahlreiche andere Eigentümer von Pkw, in denen eine Software mit der gleichen Problematik verbaut wurde, vertritt und die Schriftsätze größtenteils wortgleich sind. Die durch die Parallelität der Sachverhalte bedingte ganz erhebliche Verringerung des zeitlichen Aufwands fur das konkrete Mandat kann im Rahmen der Gesamtwürdigung maßgeblich berücksichtigt werden (vgl. BGH, Urt. v. 26.02.2013 –
XI ZR 345/10, NJW-Spezial 2013, 316 Rn. 62). Vorliegend sind keine Umstände ersichtlich, die rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten begründen würden, sodass bereits nach Nr. 2300 VV RVG eine Geschäftsgebühr von mehr als 1,3 nicht in Betracht kommt.
Nachdem der Kläger aber nur vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.195,95 € begehrt, sind die vorgerichtlichen Anwaltskosten auch nur in dieser Höhe zuzusprechen. Der Zinsanspruch ergibt sich aus Verzug. …