1. Ein vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nes Fahr­zeug, bei dem ei­ne Soft­ware für ei­ne Ver­rin­ge­rung des Stick­oxid­aus­sto­ßes sorgt, so­bald das Fahr­zeug auf ei­nem Prüf­stand ei­nen ge­norm­ten Fahr­zy­klus durch­fährt, ist schon des­halb i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB man­gel­haft, weil das Fahr­zeug zwin­gend ein Soft­ware­up­date er­hal­ten muss, um kei­nen Ver­lust der Be­triebs­er­laub­nis zu ris­kie­ren. Dar­über hin­aus darf ein Kfz-Käu­fer i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB er­war­ten, dass sein Fahr­zeug die ein­schlä­gi­gen Emis­si­ons­grenz­wer­te tat­säch­lich ein­hält und die­se Gren­zen nicht nur des­halb (schein­bar) ein­ge­hal­ten wer­den, weil die Schad­stoff­emis­sio­nen re­du­ziert wer­den, so­bald das Fahr­zeug ei­nem Emis­si­ons­test un­ter­zo­gen wird.
  2. Die Volks­wa­gen AG als Ver­käu­fe­rin ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeugs kann nicht mit Er­folg gel­tend ma­chen, dass ih­re in der Lie­fe­rung des man­gel­haf­ten Fahr­zeugs lie­gen­de Pflicht­ver­let­zung i. S. des § 323 V 2 BGB un­er­heb­lich sei. Denn je­den­falls ist es ein Wi­der­spruch, ei­nen Man­gel ei­ner­seits vor­sätz­lich her­bei­zu­füh­ren und an­de­rer­seits die dar­aus re­sul­tie­ren­de Pflicht­ver­let­zung als un­er­heb­lich zu be­zeich­nen.
  3. Die zu er­war­ten­de Ge­samt­lauf­leis­tung ei­nes VW Ti­gu­an 2.0 TDI be­trägt 350.000 km.

LG Braun­schweig, Ur­teil vom 29.12.2016 – 6 O 58/16

Sach­ver­halt: Der Klä­ger er­warb von der be­klag­ten Kfz-Her­stel­le­rin im Au­gust 2012 ei­nen VW Ti­gu­an 2.0 TDI zum Preis von 37.307,12 €. In dem Fahr­zeug be­fin­det sich ein EA189-Die­sel­mo­tor.

Un­ter dem 18.11.2015 be­haup­te­te der Klä­ger ge­gen­über der Be­klag­ten un­ter Ver­weis auf Un­ter­su­chungs­er­geb­nis­se ame­ri­ka­ni­scher Be­hör­den zum ei­nen, dass in sei­nem Fahr­zeug ei­ne Soft­ware zum Ein­satz kom­me, die den Stick­oxid­aus­stoß op­ti­mie­re, so­bald das Fahr­zeug auf ei­nem Prüf­stand ei­nen Fahr­zy­klus durch­fah­re. Zum an­de­ren warf der Klä­ger der Be­klag­ten vor, dass die An­ga­ben im Ver­kaufs­pro­spekt zu den CO2-Emis­sio­nen des Fahr­zeugs nicht mit des­sen tat­säch­li­chem Schad­stoff­aus­stoß über­ein­stimm­ten; die Pro­spekt­an­ga­ben sei­en „of­fen­sicht­lich be­wusst ge­fälscht wor­den“. Die Be­klag­te wur­de auf­ge­for­dert, die­se Män­gel (Ein­satz der Ma­ni­pu­la­ti­ons­soft­ware, zu ho­he CO2-Emis­sio­nen) bis zum 04.12.2015 zu be­sei­ti­gen. In­ner­halb die­ser Frist soll­te die Be­klag­te au­ßer­dem rechts­ver­bind­lich un­ter an­de­rem er­klä­ren, dass die Maß­nah­men zur Män­gel­be­sei­ti­gung we­der ei­ne Ver­min­de­rung der Mo­tor­leis­tung noch ei­ne Er­hö­hung des Kraft­stoff­ver­brauchs nach sich zö­gen und dass sie – die Be­klag­te – dem Klä­ger für die Dau­er der Män­gel­be­sei­ti­gung ein ad­äqua­tes Er­satz­fahr­zeug kos­ten­los zur Ver­fü­gung stel­len so­wie et­wai­ge fi­nan­zi­el­le Ein­bu­ßen beim Wei­ter­ver­kauf des Fahr­zeugs aus­glei­chen wer­de. Für den Fall des er­folg­lo­sen Frist­ab­laufs kün­dig­te der Klä­ger an, von dem mit der Be­klag­ten ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trag zu­rück­zu­tre­ten.

Mit Schrei­ben vom 09.12.2015 ließ der Klä­ger un­ter Hin­weis auf den Frist­ab­lauf sei­nen Rück­tritt vom Kauf­ver­trag er­klä­ren und vor­sorg­lich sei­ne auf den Ab­schluss die­ses Ver­tra­ges ge­rich­te­te Wil­lens­er­klä­rung we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung (§ 123 I Fall 1 BGB) an­fech­ten.

Nach­dem die be­klag­te Volks­wa­gen AG mit Be­scheid des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes vom 14.10.2015 ver­pflich­tet wor­den war, bei al­len vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeu­gen mit dem Ag­gre­gat EA189 EU5 die un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung zu ent­fer­nen, hat ihr das Kraft­fahrt-Bun­des­amt mit Be­scheid vom 01.06.2016 für Fahr­zeu­ge des so­ge­nann­ten Clus­ter 6 (u. a. VW Ti­gu­an) be­stä­tigt, dass die vor­ge­se­he­ne Än­de­rung der Ap­pli­ka­ti­ons­da­ten ge­eig­net sei, die Vor­schrifts­mä­ßig­keit der Fahr­zeu­ge her­zu­stel­len.

Die Be­klag­te bot dem Klä­ger dar­auf­hin im Ju­ni 2016 ei­ne Nach­bes­se­rung sei­nes Fahr­zeugs an. Von die­sem An­ge­bot hat der Klä­ger, der den VW Ti­gu­an wei­ter­hin nutzt, bis­lang kei­nen Ge­brauch ge­macht.

Der Klä­ger hält sein Fahr­zeug für man­gel­haft und be­haup­tet, dass vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­ne Fahr­zeu­ge sei­tens der zu­stän­di­gen Zu­las­sungs­stel­le zwin­gend still­ge­legt wür­den, wenn der Hal­ter ei­ne Nach­bes­se­rung ab­leh­ne. Das ge­plan­te Soft­ware­up­date – so be­haup­tet der Klä­ger wei­ter – wer­de zu ei­nem Ver­lust an Mo­tor­leis­tung von über zehn Pro­zent und zu ei­nem um zehn bis fünf­zehn Pro­zent hö­he­ren Kraft­stoff­ver­brauch füh­ren. Von ei­ner Man­gel­be­sei­ti­gung kön­ne des­halb nicht die Re­de sein, zu­mal nach dem Up­date der Stick­oxid­aus­stoß nicht mess­bar nied­ri­ger sein wer­de.

Im Üb­ri­gen meint der Klä­ger, dass ihm ein An­spruch auf Rück­ge­währ des Kauf­prei­ses auch ge­mäß §§ 123 I Fall 1, 142 I, 812 I 1 Fall 1 BGB zu­ste­he, nach­dem er den Kauf­ver­trag we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung an­ge­foch­ten ha­be. Er ha­be au­ßer­dem ei­nen auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses ge­rich­te­ten Scha­dens­er­satz­an­spruch (§ 823 II BGB i. V. mit § 263 StGB) ge­gen die Be­klag­te, weil – so be­haup­tet der Klä­ger – die Täu­schung über die Ab­gas­wer­te dem VW-Kon­zern­vor­stand und ins­be­son­de­re dem da­ma­li­gen Vor­stands­vor­sit­zen­den der Be­klag­ten be­kannt ge­we­sen sei.

Die Be­klag­te ist dem­ge­gen­über der Auf­fas­sung, das Fahr­zeug des Klä­gers sei trotz des Ein­sat­zes ei­ner Soft­ware, die in ei­ner Test­si­tua­ti­on ei­ne Ver­rin­ge­rung des Schad­stoff­aus­sto­ßes be­wir­ke, nicht man­gel­haft, weil es tech­nisch si­cher und in sei­ner Fahr­be­reit­schaft nicht ein­ge­schränkt sei. Das Fahr­zeug – so be­haup­tet die Be­klag­te – kön­ne un­ein­ge­schränkt im Stra­ßen­ver­kehr ge­nutzt wer­den; es ver­fü­ge über al­le er­for­der­li­chen Ge­neh­mi­gun­gen, und der Klä­ger kön­ne da­mit nach wie vor in sämt­li­che Um­welt­zo­nen ein­fah­ren. Fest­stel­lun­gen, die US-ame­ri­ka­ni­sche Be­hör­den in Be­zug auf für den US-ame­ri­ka­ni­schen Markt pro­du­zier­te Fahr­zeu­ge ge­trof­fen hät­ten, sei­en für Fahr­zeu­ge, die für den eu­ro­päi­schen Markt pro­du­ziert wor­den sei­en, ir­re­le­vant, da die in Eu­ro­pa ein­ge­setz­ten Die­sel­mo­to­ren des Typs EA189 sich tech­nisch von den Mo­to­ren, die in US-ame­ri­ka­ni­schen Fahr­zeu­gen zum Ein­satz kä­men, un­ter­schie­den. Gleich­wohl wür­den sämt­li­che Fahr­zeu­ge auf ih­re – der Be­klag­ten – Kos­ten tech­nisch über­ar­bei­tet. Dar­aus kön­ne je­doch nicht ge­schlos­sen wer­den, dass die Fahr­zeu­ge im der­zei­ti­gen Zu­stand, al­so ins­be­son­de­re oh­ne das vor­ge­se­he­ne Soft­ware­up­date, man­gel­haft sei­en. Viel­mehr be­ru­he der Ent­schluss, die be­trof­fe­nen Fahr­zeu­ge zu über­ar­bei­ten, vor al­lem auf ih­rer – der Be­klag­ten – un­ter­neh­mens­po­li­ti­schen Ver­ant­wor­tung, die sie ge­gen­über ih­ren Kun­den wahr­neh­men möch­te.

Das Fahr­zeug des Klä­gers soll nach den An­ga­ben der Be­klag­ten le­dig­lich durch Auf­spie­len ei­nes Soft­ware­up­dates über­ar­bei­tet wer­den. Den da­für er­for­der­li­chen Zeit­auf­wand gibt die Be­klag­te mit rund 30 Mi­nu­ten an; die Kos­ten für die Über­ar­bei­tung be­lie­fen sich auf deut­lich we­ni­ger als 100 €.

Die Kla­ge hat­te ganz über­wie­gend Er­folg.

Aus den Grün­den: I. … Der Klä­ger hat ei­nen An­spruch auf Rück­ge­währ des ge­zahl­ten Kauf­prei­ses ab­züg­lich ei­nes Nut­zungs­er­sat­zes, das heißt ins­ge­samt auf Zah­lung in zu­er­kann­ter Hö­he nebst Zin­sen, Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be und Rück­über­eig­nung des streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw, so­wie ei­nen An­spruch auf Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zugs.

1. Der Zah­lungs­an­spruch hat sei­ne Grund­la­ge in § 346 I BGB i. V. mit §§ 434 I 2 Nr. 2, 437 Nr. 2, 440, 323 BGB.

Zwi­schen den Par­tei­en ist ein Kauf­ver­trag über den streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw zu­stan­de ge­kom­men.

Das er­ken­nen­de Ge­richt schließt sich der Auf­fas­sung an, dass die in dem Pkw in­stal­lier­te Soft­ware zur Be­ein­flus­sung der Emis­sio­nen im Test­be­trieb ei­nen Sach­man­gel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB dar­stellt. Nach die­ser Vor­schrift ist die Kauf­sa­che frei von Sach­män­geln, wenn sie sich für die ge­wöhn­li­che Ver­wen­dung eig­net und ei­ne Be­schaf­fen­heit auf­weist, die bei Sa­chen der glei­chen Art üb­lich ist und die der Käu­fer nach der Art der Sa­che er­war­ten kann.

Da­bei darf im vor­lie­gen­den Fall für die Ent­schei­dung of­fen­blei­ben, ob sich der ver­kauf­te Pkw mit dem ein­ge­bau­ten Die­sel­mo­tor des Typs EA189 für den Fahr­be­trieb und so­mit für die ge­wöhn­li­che Ver­wen­dung eig­net. Denn ein Sach­man­gel liegt hier be­reits des­halb vor, weil das Fahr­zeug ein Soft­ware­up­date durch­lau­fen muss, um ins­be­son­de­re die ent­spre­chen­den Auf­la­gen des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes zu er­fül­len und da­durch die Ge­fahr zu ver­mei­den, die Be­triebs­er­laub­nis zu ver­lie­ren. Mit Be­scheid des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes vom 01 .06.2016 hat die Be­klag­te für Fahr­zeug­ty­pen des so­ge­nann­ten Clus­ter 6 (u. a. Ver­kaufs­be­zeich­nung VW Ti­gu­an) die Be­stä­ti­gung er­hal­ten, dass die vor­ge­se­he­ne Än­de­rung der Ap­pli­ka­ti­ons­da­ten ge­eig­net sei, die Vor­schrifts­mä­ßig­keit der ge­nann­ten Fahr­zeu­ge her­zu­stel­len, nach­dem die Be­klag­te mit Be­scheid vom 14.10.2015 ver­pflich­tet wor­den war, bei al­len be­trof­fe­nen Fahr­zeu­gen mit dem Ag­gre­gat EA189 EU5 die un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung zu ent­fer­nen und den Nach­weis zu füh­ren, dass nach Ent­fer­nen der un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung al­le tech­ni­schen An­for­de­run­gen der re­le­van­ten Ein­zel­rechts­ak­te der Richt­li­nie 2007/46/EG er­füllt wer­den. Nach den Vor­ga­ben des Kraft­fahrt-Bun­des­amts muss da­nach al­so die fahr­zy­klus­ab­hän­gi­ge Um­schal­tung be­sei­tigt wer­den, und die Ab­gas­rück­füh­rung darf so­wohl auf dem Prüf­stand als auch im Stra­ßen­be­trieb nur noch in ei­nem ein­heit­li­chen Mo­dus be­trie­ben wer­den. Aus den bei­den Be­schei­den des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes er­gibt sich zum ei­nen, dass das Fahr­zeug mit der vor­han­de­nen Ab­schalt­ein­rich­tung nicht den gel­ten­den Vor­schrif­ten ent­spricht, und zum an­de­ren, dass die Maß­nah­men auf zwin­gen­den Auf­la­gen des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes be­ru­hen, nicht frei­wil­li­ger Na­tur sind (vgl. zum Letz­te­ren auch LG Fran­ken­thal, Urt. v. 12.05.2016 – 8 O 208/15, ju­ris Rn. 21; LG Ol­den­burg, Urt. v. 01.09.2016 – 16 O 790/16, ju­ris Rn. 26).

Auch wenn die Be­klag­te das Vor­brin­gen des Klä­gers zu den Schad­stoff­wer­ten im vor­lie­gen­den Fall be­strit­ten hat, ist der Ein­bau der Soft­ware selbst im Üb­ri­gen un­strei­tig. Nach Über­zeu­gung des Ge­richts führt dies auch zu ei­nem Ein­fluss auf die Schad­stoff­wer­te, was durch die Vor­ge­hens­wei­se des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes zu­min­dest in­di­rekt be­stä­tigt wird. An­de­ren­falls macht im Üb­ri­gen ei­ne ent­spre­chen­de Um­schalt­soft­ware auch kei­nen Sinn. Da­ge­gen be­steht bei ei­nem Pkw, bei dem ei­ne sol­che Soft­ware zur Ma­ni­pu­la­ti­on nicht ein­ge­setzt wird, zu­nächst die Ge­währ da­für, dass schäd­li­che Emis­sio­nen im Stra­ßen­ver­kehr ge­nau­so ef­fek­tiv wie auf dem Prüf­stand ver­mie­den wer­den.

Ein Käu­fer ei­nes ent­spre­chend zu­ge­las­se­nen Fahr­zeugs darf aber an­neh­men, dass das Fahr­zeug hin­sicht­lich des Schad­stoff­aus­sto­ßes die für die Emis­si­ons­klas­se Eu­ro 5 vor­ge­ge­be­nen Grenz­wer­te auch tat­säch­lich ein­hält. Die­se Er­war­tung wird ent­täuscht durch den Um­stand, dass das Er­geb­nis im Prüf­stand nur auf­grund ei­ner spe­zi­el­len in dem Fahr­zeug ver­bau­ten Soft­ware er­zielt wird, die den künst­li­chen Fahr­zy­klus er­kennt und in ei­nen Be­triebs­mo­dus schal­tet, der den Stick­oxid­aus­stoß re­du­ziert (s. zum Sach­man­gel OLG Hamm, Beschl. v. 21.06.2016 – 28 W 14/16, ju­ris Rn. 28; OLG Cel­le, Beschl. v. 30.06.2016 – 7 W 26/16, ju­ris Rn. 6; LG Kre­feld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 83/16, ju­ris Rn. 22; LG Ol­den­burg, Urt. v. 01.09.2016 – 16 O 790/16, ju­ris Rn. 26; LG Braun­schweig, Urt. v. 12.10.2016 – 4 O 202/16).

Der Klä­ger hat der Be­klag­ten ei­ne aus­rei­chen­de Frist zur Nach­er­fül­lung ge­setzt. Zwar ist die mit Schrei­ben vom 18.11.2015 ge­setz­te Frist un­ter Be­rück­sich­ti­gung sämt­li­cher Um­stän­de als zu kurz zu be­wer­ten und nicht an­ge­mes­sen. Es ist je­doch an­er­kannt, dass durch ei­ne zu­nächst nicht an­ge­mes­se­ne Frist­set­zung die an­ge­mes­se­ne Frist in Gang ge­setzt wird (u. a. BGH, Urt. v. 21.06.1985 – V ZR 134/84 m. w. Nachw.; Pa­landt/Grü­ne­berg, BGB, 76. Aufl. [2017], § 323 Rn. 14). Selbst wenn man da­von aus­geht, dass der vor­ge­richt­lich er­klär­te Rück­tritt vor die­sem Hin­ter­grund ver­früht er­folgt ist, liegt je­doch in der Kla­ge­er­he­bung (so­wie in dem Stel­len der An­trä­ge) kon­klu­dent ei­ne er­neu­te Er­klä­rung des Rück­tritts, die dann nicht mehr als ver­früht an­zu­se­hen ist.

Die im vor­lie­gen­den Fall im Ju­ni 2016 schrift­lich an­ge­bo­te­ne Nach­bes­se­rung er­folg­te je­den­falls zu spät. Dies gilt ins­be­son­de­re auch un­ter Be­rück­sich­ti­gung des Um­stands, dass die Soft­ware be­wusst in ei­ner Viel­zahl von Mo­to­ren ein­ge­setzt wor­den war, so­dass es auf der Hand lag, dass bei Be­kannt­wer­den die­ses Um­stands auch ei­ne gro­ße Zahl von Kun­den be­trof­fen sein wür­de, so­dass die Be­klag­te sich zu­min­dest theo­re­tisch auf die­sen Fall hät­te ein­stel­len kön­nen. Dies ist aber of­fen­sicht­lich nicht ge­sche­hen.

Der Man­gel ist nicht als un­er­heb­lich i. S. des § 323 V 2 BGB an­zu­se­hen. Da­nach ist ein Rück­tritt aus­ge­schlos­sen, wenn der Schuld­ner ei­ne Schlecht­leis­tung er­bracht hat, die Pflicht­ver­let­zung je­doch un­er­heb­lich ist.

Im vor­lie­gen­den Fall darf of­fen­blei­ben, ob die Kos­ten für die Be­he­bung des Man­gels durch Auf­spie­len ei­ner neu­en Soft­ware sich in dem von Be­klag­ten­sei­te ge­nann­ten Be­reich be­we­gen. Des­halb be­darf es in­so­weit auch kei­ner wei­te­ren Fest­stel­lun­gen. Die Kos­ten der Man­gel­be­sei­ti­gung sind näm­lich für die nach der vor­ge­nann­ten Norm durch­zu­füh­ren­de In­ter­es­sen­ab­wä­gung nicht al­lein maß­geb­lich. Viel­mehr ist auf­grund ei­ner um­fas­sen­den In­ter­es­sen­ab­wä­gung nach Maß­ga­be der Um­stän­de des Ein­zel­falls zu dif­fe­ren­zie­ren, ob ein be­heb­ba­rer bzw. un­be­heb­ba­rer Man­gel vor­liegt (BGH, Urt. v. 28.05.2014 – VI­II ZR 94/13, ju­ris Rn. 16 f.).

Ist der Man­gel be­heb­bar, soll zwar zu­nächst ins­be­son­de­re auf das Ver­hält­nis der Be­sei­ti­gungs­kos­ten zum Kauf­preis ab­ge­stellt wer­den (BGH, Urt. v. 28.05.2014 – VI­II ZR 94/13, ju­ris Rn. 17). Al­ler­dings ist zum ei­nen zu be­ach­ten, dass die Ent­wick­lungs­pro­zes­se bei der Be­klag­ten für die Be­sei­ti­gung des Man­gels er­heb­li­che Zeit in An­spruch ge­nom­men ha­ben (für den vor­lie­gen­den Fahr­zeug­typ lag zwi­schen der Auf­for­de­rung des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes und dem Be­scheid vom 01.06.2016 ein Zeit­raum von rund ei­nem Drei­vier­tel­jahr). Der er­heb­li­che zeit­li­che Auf­wand für die Be­sei­ti­gung des Man­gels spricht des­halb ein­deu­tig da­ge­gen, dass die Pflicht­ver­let­zung der Be­klag­ten un­er­heb­lich ist. Zum an­de­ren ist aus Sicht des Ge­rich­tes zu be­rück­sich­ti­gen, dass die Ver­wen­dung der Soft­ware be­wusst er­folgt war, wo­bei es in die­sem Zu­sam­men­hang nicht dar­auf an­kommt, wie groß der Per­so­nen­kreis bei der Be­klag­ten war, der in die Ent­schei­dungs­fin­dung hin­sicht­lich der Ver­wen­dung ein­ge­bun­den war bzw. dem die Ver­wen­dung be­kannt war. Denn es stellt ei­nen Wi­der­spruch dar, den Man­gel vor­sätz­lich her­bei­zu­füh­ren und an­de­rer­seits die Pflicht­ver­let­zung als un­er­heb­lich zu be­zeich­nen.

Der Hö­he nach er­gibt sich der An­spruch un­ter Be­rück­sich­ti­gung der von dem Kauf­preis ge­mäß §§ 346 I, II 1 Nr. 1, 323 I BGB ab­zu­zie­hen­den Nut­zungs­ent­schä­di­gung in Hö­he von 6.469,37 €, die das Ge­richt nach Maß­ga­be der Be­rech­nung des Klä­gers … be­mes­sen hat. Die Be­rech­nung folgt näm­lich ei­ner in Recht­spre­chung und Li­te­ra­tur wohl herr­schen­den, zu­min­dest je­doch weit ver­tre­te­nen For­mel. Die ein­ge­setz­te Ki­lo­me­ter­leis­tung von 350.000 er­scheint bei ei­nem Die­sel­mo­tor an­ge­mes­sen und ist auch von Be­klag­ten­sei­te nicht be­strit­ten wor­den. Al­ler­dings ist in­fol­ge der Ver­fah­rens­dau­er ei­ne hö­he­re Fahr­leis­tung … zu be­rück­sich­ti­gen, was zu ei­ner et­was hö­he­ren Nut­zungs­ent­schä­di­gung führt, so­dass die Kla­ge im Er­geb­nis in ge­rin­gem Um­fang ab­zu­wei­sen war.

Auf die Fra­ge, ob sich das Zah­lungs­ver­lan­gen auch auf Be­rei­che­rungs­recht (in­fol­ge An­fech­tung we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung) bzw. auf ei­nen Scha­dens­er­satz­an­spruch stüt­zen lässt, kommt es nach dem Vor­ste­hen­den nicht an.

2. Der Kla­ge­an­trag zu 2 ist eben­falls be­grün­det, da sich die Be­klag­te ge­mäß § 293 BGB im Ver­zug der An­nah­me be­fin­det, nach­dem der Klä­ger so­wohl den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag er­klärt als auch der Sa­che nach die Rück­ga­be und Rück­über­eig­nung des Fahr­zeugs an­ge­bo­ten hat.

3. Der An­spruch auf Zah­lung von Zin­sen folgt in zu­er­kann­tem Um­fang aus §§ 291, 288 BGB. Hin­sicht­lich der wei­ter­ge­hen­den Zins­for­de­rung und hin­sicht­lich ei­nes An­spruchs auf Zah­lung vor­ge­richt­li­cher Kos­ten ist die Kla­ge da­ge­gen un­be­grün­det, weil der vom Klä­ger vor­ge­richt­lich er­klär­te Rück­tritt nach den Aus­füh­run­gen zu I 1 des Ur­teils noch kei­ne Ver­zugs­fol­gen aus­lö­sen konn­te …

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