- Ein vom VW-Abgasskandal betroffener Neuwagen (hier: ein VW Tiguan 2.0 TDI) ist i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft. Denn der Käufer eines Neuwagens darf erwarten, dass in dem Fahrzeug keine Software zum Einsatz kommt, die erkennt, ob das Fahrzeug einem Emissionstest unterzogen wird, und (nur) in diesem Fall insbesondere den Ausstoß von Stickoxiden (NOX) reduziert. Der Käufer muss hingegen nicht davon ausgehen, dass das Fahrzeug zwingend einem Softwareupdate unterzogen werden muss, um seine Vorschriftsmäßigkeit wiederherzustellen und keine Betriebsuntersagung zu riskieren.
- Die Pflichtverletzung des Verkäufers, die in der Lieferung eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs liegt, ist schon deshalb nicht i. S. des § 323 V 2 BGB unerheblich, weil Nachbesserungsmaßnahmen der umfassenden Prüfung und Genehmigung des Kraftfahrt-Bundesamtes bedürfen.
- Der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs, der wirksam vom Kaufvertrag über das Fahrzeug zurückgetreten ist, verliert seine dadurch erlangte Rechtsposition nicht, wenn er an der vom Kraftfahrt-Bundesamt angeordneten Rückrufaktion der Fahrzeugherstellerin teilnimmt. Denn die Teilnahme ist nicht freiwillig, sondern der Käufer riskiert eine Betriebsuntersagung und den Entzug der seinem Fahrzeug zugeteilten Feinstaubplakette, wenn er an der Rückrufaktion nicht teilnimmt.
- Die zu erwartende Gesamtlaufleistung eines VW Tiguan 2.0 TDI (103 kW) beträgt 250.000 km.
LG Aachen, Urteil vom 06.12.2016 – 10 O 146/16
Sachverhalt: Der Kläger begehrt im Rahmen des sogenannten VW-Abgasskandals von der Beklagten, einer Vertragshändlerin der Volkswagen AG, die Rückabwicklung eines mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrags über einen Neuwagen.
Die Parteien schlossen am 14.09.2012 einen Kaufvertrag über einen VW Tiguan 2.0 TDI (103 kW). Der Kaufpreis für das Fahrzeug, das am 01.10.2012 erstzugelassen und dem Kläger am 02.10.2012 übergeben wurde, betrug 40.254,11 €.
In dem VW Tiguan befindet sich ein von der Volkswagen AG hergestellter Dieselmotor vom Typ EA189. Er steht in Verbindung mit einer Software, die die Stickoxidemissionen des Fahrzeugs reduziert, sobald der Pkw auf einem technischen Prüfstand einem Emissionstest unterzogen wird. Das Motorsteuergerät ermöglicht deshalb zwei Betriebsmodi, nämlich einen „Modus 1“ (Prüfstand, NEFZ) mit einer relativ hohen Abgasrückführungsrate und einem verhältnismäßig niedrigen Stickoxidausstoß sowie einen „Modus 0“ (normaler Fahrbetrieb), bei dem die Abgasrückführungsrate geringer ist und die Stickoxidemissionen deshalb höher sind.
Nachdem bekannt geworden war, dass in verschiedenen Dieselfahrzeugen des VW-Konzerns eine Manipulationssoftware zum Einsatz kommt, gab das Kraftfahrt-Bundesamt der Volkswagen AG auf, die Software aus allen betroffenen Fahrzeugen zu entfernen. In der Folgezeit prüfte das Kraftfahrt-Bundesamt einen ihm von der Volkswagen AG vorgelegten Maßnahmenplan und gab – zeitlich gestaffelt – auf verschiedene Fahrzeugtypen abgestimmte Softwareupdates frei. Auch ohne ein Softwareupdate ist der streitgegenständliche Wagen fahrbereit und verkehrssicher. Die EG-Typgenehmigung wurde nicht entzogen, obwohl das Kraftfahrt-Bundesamt das Aufspielen des Softwareupdates als verpflichtend ansieht.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 17.11.2015 rügte der Kläger gegenüber der Beklagten, dass sein Fahrzeug wegen der Manipulationssoftware mangelhaft sei, und forderte die Beklagte – erfolglos – zur Nachlieferung eines mangelfreien Fahrzeugs sowie vorsorglich zur Nachbesserung auf. Für die Nacherfüllung setzte der Kläger der Beklagten eine Frist bis zum 16.12.2015.
Mit Schreiben vom 19.11.2015 verwies die Beklagte den Kläger darauf, dass gegenwärtig ein Softwareupdate (auch) für sein Fahrzeug entwickelt werde, und verzichtete hinsichtlich möglicher Gewährleistungsansprüche, die dem Kläger im Zusammenhang mit der Manipulationssoftware zustehen könnten und noch nicht verjährt seien, bis zum 31.12.2016 darauf, die Einrede der Verjährung zu erheben.
Unter dem 15.01.2016 erklärte der Kläger daraufhin den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte die Beklagte zur Abholung des Pkw und zur Rückzahlung des um eine Nutzungsentschädigung verminderten Kaufpreises auf. Hierfür setzte er der Beklagten eine Frist bis zum 02.02.2016. Die Beklagte widersprach dem Rücktritt mit anwaltlichem Schreiben vom 25.01.2016.
Mit Bescheid vom 01.06.2016 genehmigte das Kraftfahrt-Bundesamt die von der Fahrzeugherstellerin (auch) für das streitgegenständliche Fahrzeug vorgesehenen technischen Maßnahmen. Der Kläger wurde deshalb seitens der Volkswagen AG bereits im Juli 2016 und mit Schreiben der Beklagten vom 06.09.2016 darüber informiert, dass für sein Fahrzeug eine Softwarelösung bereitstehe.
Mit Schriftsatz vom 08.07.2016 erklärte der Kläger erneut den Rücktritt von dem streitgegenständlichen Kaufvertrag. Am 20.09.2016 ließ er das Softwareupdate zur Umprogrammierung des Motorsteuergeräts aufspielen.
Der Kläger meint, sein Fahrzeug sei trotz Nachbesserung durch Aufspielen eines Softwareupdates mangelhaft. Denn jedenfalls – so behauptet der Kläger – verbleibe ein merkantiler Minderwert und sei völlig unbekannt, welche Auswirkungen das Update langfristig haben werde. Außerdem, so behauptet der Kläger weiter, sei nach dem Aufspielen des Softwareupdates der Kraftstoffverbrauch seines Wagens erheblich angestiegen. Zuvor habe der Langzeitverbrauch bei 6,9 l/100 km gelegen, jetzt liege er hingegen bei 8,7 l/100 km, was einen Mehrverbrauch von knapp 26 % bedeute.
Die zuletzt im Wesentlichen auf Zahlung von 40.254,11 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten gerichtete Klage hatte überwiegend Erfolg.
Aus den Gründen: I. … 1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere hat der Kläger im Hinblick auf die Vorschriften der §§ 756, 765 ZPO ein schützenswertes Interesse i. S. des § 256 I ZPO an der begehrten Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten.
2. Dem Kläger steht gegen die Beklagte gemäß §§ 346 I, 348, 437 Nr. 2, 323, 434 BGB ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich eines Nutzungsersatzanspruches der Beklagten in Höhe von insgesamt 31.738,44 € Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des streitgegenständlichen VW Tiguan zu.
a) Mit anwaltlichem Schreiben vom 15.01.2016 hat der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt (vgl. § 349 BGB).
b) Die Parteien waren durch den im September 2012 geschlossenen Kaufvertrag über den streitgegenständlichen VW Tiguan vertraglich miteinander verbunden. Der Pkw war indes zum Zeitpunkt der Übergabe am 02.10.2012 mangelhaft, da er aufgrund der Ausstattung mit zwei Betriebsmodi sowie einer auf das Motorsteuergerät einwirkenden Software jedenfalls nicht die übliche Beschaffenheit i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB aufwies.
Nach § 434 I 2 Nr. 2 BGB ist ein Kaufgegenstand frei von Sachmängeln, wenn er sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache verlangen kann. Maßgeblich ist die objektiv berechtigte Käufererwartung (vgl. BGH, Urt. v. 29.06.2011 – VIII ZR 202/10, NJW 2011, 2872 Rn. 12 m. w. Nachw.).
Ein Durchschnittskäufer eines Neufahrzeugs – wie der Kläger – kann berechtigterweise davon ausgehen, dass die gesetzlich vorgeschriebenen und im technischen Datenblatt aufgenommenen Abgaswerte nicht nur deshalb eingehalten und entsprechend attestiert werden, weil eine Software installiert worden ist, die dafür sorgt, dass der Prüfstandlauf erkannt und über eine entsprechende Programmierung der Motorsteuerung in gesetzlich unzulässiger Weise insbesondere der NOX-Ausstoß reduziert wird (vgl. LG Oldenburg, Urt. v. 01.09.2016 – 16 O 790/16, juris Rn. 26; LG Münster, Urt. v. 14.03.2016 – 011 O 341/15, juris Rn. 18). Dabei ist der Beklagten zuzugestehen, dass die unter Laborbedingungen erzielten Werte im Straßenverkehr nicht eingehalten werden müssen. Indes erweist es sich als beanstandungswürdig, wenn der verbaute Motor die gesetzlichen Vorgaben im Prüfstandlauf nur deshalb einhält, weil die Software regulierend einwirkt und die Motorsteuerung in den NOX-optimierten Modus 1 schaltet. Zwar gibt der Prüfstandmodus, wie allgemein bekannt ist, nicht den realen Motorbetrieb wieder. Allerdings geht ein Käufer von einer grundsätzlichen Übertragbarkeit der dort ermittelten Werte auf das Verbrauchsverhalten und die zu erwartenden Emissionswerte des jeweiligen Fahrzeugs auch im realen Straßenverkehr aus (vgl. LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 72/16, juris Rn. 25; LG Bochum, Urt. v. 16.03.2016 – I-2 O 425/15, juris Rn. 17). Dieser grundsätzlichen Vergleichbarkeit wird aber durch den Einsatz der Software die Grundlage entzogen. Im Ergebnis stellt die Beklagte auch nicht in Abrede, dass der Modus 1 mit höherer Abgasrückführung ausschließlich bei der Prüfstandfahrt verwendet wird. Dies führt im vorliegenden Fall zu einer Täuschung des Klägers über die Aussagekraft und Vergleichbarkeit der in Prospekten und Werbung veröffentlichen Messwerte mit den im realen Fahrbetrieb zu erwartenden Emissionswerten.
Gleichermaßen wies das klägerische Fahrzeug im maßgeblichen Zeitpunkt des Gefahrübergangs deshalb nicht die zu erwartende Beschaffenheit auf, weil das Fahrzeug – auch nach dem Vorbringen der Beklagten – zwingend einem Softwareupdate unterzogen werden musste, um den entsprechenden Auflagen des Kraftfahrt-Bundesamtes zu genügen und keine Betriebsuntersagung gemäß § 5 FZV zu riskieren (vgl. LG Frankenthal, Urt. v. 12.05.2016 – 8 O 208/15, BeckRS 2016, 08996).
c) Weiterhin ist der Rücktritt auch nicht nach § 323 V 2 BGB ausgeschlossen. Die Pflichtverletzung erweist sich unter Würdigung aller Umstände des vorliegenden Einzelfalls jedenfalls im Rahmen einer Gesamtabwägung nicht als unerheblich.
Im Rahmen der Erheblichkeitsprüfung ist eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen, bei der unter anderem der für die Mangelbeseitigung erforderliche Aufwand, aber auch die Schwere des Verschuldens zu berücksichtigen ist (vgl. BGH, Urt. v. 29.06.2011 – VIII ZR 202/10, NJW 2011, 2872 Rn. 19 ff.; Urt. v. 24.03.2006 – V ZR 173/05, NJW 2006, 1960 Rn. 7 ff.).
Entgegen der Ansicht der Beklagten erweist sich die Pflichtverletzung nicht bereits deshalb als unerheblich, weil sich das Softwareupdate in einer vergleichsweise kurzen Zeit von circa einer Stunde bei Kosten von weniger als 100 € für die Herstellerfirma aufspielen lässt. Denn die Beklagte berücksichtigt nicht, dass der Aufwand der Mangelbeseitigung nicht alleine maßgeblich ist. Entgegen ihrer Darstellung handelt es sich nicht um eine einfache technische Maßnahme. Hiergegen spricht bereits die erhebliche Zeit von knapp einem Jahr, die es gedauert hat, um eine technische Lösung zu entwickeln. Hinzu kommt, dass die Volkswagen AG gegenüber dem Kraftfahrt-Bundesamt einen Maßnahmenplan vorlegen und die jeweilige konkrete Software durch das Kraftfahrt-Bundesamt geprüft und freigegeben werden musste. Bedarf eine Mängelbeseitigungsmaßnahme der umfassenden vorherigen behördlichen Prüfung und Genehmigung, so ist die Pflichtverletzung nicht mehr als unerheblich anzusehen (vgl. LG München I, Urt. v. 14.04.2016 – 23 O 23033/15, juris Rn. 42; LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 72/16, juris Rn. 48).
Gleichermaßen war zum Zeitpunkt der Erklärung des Rücktritts durch den Kläger, auf den abzustellen ist (vgl. BGH, Urt. v. 15.06.2011 – VIII ZR 139/09, NJW 2011, 3708 Rn. 9 m. w. Nachw.), nicht abzusehen, ob die Korrektur der bisherigen Manipulationssoftware negative Auswirkungen auf die übrigen Emissionswerte, den Kraftstoffverbrauch und die Motorleistung haben würde. Hinzu kommt, dass derzeit noch nicht abzusehen ist, ob sich allein durch die Betroffenheit des klägerischen Fahrzeugs vom Abgasskandal ein merkantiler Minderwert … realisieren wird. Im Hinblick auf die umfassende Berichterstattung zum sogenannten Abgasskandal und die sich daraus in der Öffentlichkeit ergebenen kontroversen Diskussionen, auch über einen etwaigen Mehrverbrauch nach durchgeführter Nachbesserung, ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass sich dies auf den im Falle eines Verkaufs zu erzielenden Wiederverkaufspreis negativ auswirkt. Dieser Bewertung stünde auch nicht entgegen, wenn die gegenteilige Behauptung der Beklagten, die Auswirkungen auf den Gebrauchtwagenmarkt vehement verneint, derzeit zuträfe. Insoweit ist allgemein bekannt, dass sich wertnachteilige Umstände auch erst mit zeitlicher Verzögerung auswirken können, zumal vorliegend die Rückrufaktion erst Mitte 2016 angelaufen ist.
d) Der Kläger hat der Beklagten auch eine erfolglose Frist zur Nachbesserung gesetzt (§ 323 I BGB). Zwar erweist sich die in dem anwaltlichen Schreiben vom 17.11.2015 bis zum 16.12.2015 gesetzte Frist angesichts der Dimension der Softwareproblematik bei diversen Dieselmotoren verschiedenster Modelle von VW und des technischen Aufwands für die Entwicklung einer Lösung als zu kurz bemessen. Jedoch tritt an die Stelle der zu kurzen Frist eine objektiv angemessene Frist (vgl. BGH, Urt. v. 21.06.1985 – V ZR 134/84 NJW 1985, 2640 [2640]).
Vorliegend kann dahinstehen, wie lang eine angemessene Frist zu bemessen gewesen wäre und insbesondere ob es für den Kläger zumutbar gewesen wäre, auf die Freigabe der Softwarelösung durch das Kraftfahrt-Bundesamt zu warten (in diese Richtung LG Frankenthal, Urt. v. 12.05.2016 – 8 O 208/15, BeckRS 2016, 08996). Denn jedenfalls hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit Schreiben vom 25.01.2016 ausdrücklich eine Nachbesserung im Rahmen der Mängelgewährleistungsrechte abgelehnt und den Kläger – quasi aus Kulanz – auf die VW-Rückrufaktion verwiesen. Diese Rechtsansicht hat die Beklagte auch im weiteren Verfahren geäußert und korrespondiert damit mit dem Auftreten und den Äußerungen von VW in der Öffentlichkeit. Nicht nur, dass die Beklagte das Vorliegen eines Mangels i. S. des § 434 BGB negiert und deshalb Gewährleistungsrechte als nicht gegeben ansieht, vielmehr hat sie durch das Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten die Nacherfüllung ernsthaft und endgültig verweigert, sodass mit dem Vorliegen der Voraussetzungen für eine Entbehrlichkeit der Fristsetzung nach § 323 II Nr. 1 BGB auch eine angemessene Nachfrist als abgelaufen anzusehen ist. Im Übrigen wäre auch eine angemessene Frist jedenfalls im Frühjahr 2016 als abgelaufen anzusehen gewesen.
e) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist dem erklärten Rücktritt durch das am 20.09.2016 erfolgte Aufspielen des Softwareupdates auch nicht „der Boden entzogen worden“. Es kann dahinstehen, ob durch das Softwareupdate der ursprüngliche Mangel des streitgegenständlichen Fahrzeugs erfolgreich behoben worden ist. Denn jedenfalls wäre der Kläger nur dann unter dem Gesichtspunkt des treuwidrigen Verhaltens gemäß § 242 BGB an dem Festhalten der durch den wirksam erklärten Rücktritt erlangten Rechtsposition gehindert, wenn die Mängelbeseitigung mit seiner Zustimmung erfolgt wäre (vgl. BGH, Urt. v. 05.11.2008 – VIII ZR 166/07, NJW 2009, 508 Rn. 23; Urt. v. 19.06.1996 – VIII ZR 252/95, NJW 1996, 2647 [2648]).
Gemessen an diesen Maßstäben liegt … jedoch eine Zustimmung des Klägers zur Durchführung der Mängelbeseitigungsmaßnahme nicht vor. Im Gegenteil: Der Kläger war gerade nicht frei in seiner Entscheidung, das Softwareupdate aufspielen zu lassen. Denn in dem durch den Kläger … vorgelegten Informationsschreiben des VW-Konzerns vom Juli 2016 wurde dem Kläger deutlich gemacht, dass bei Nichtteilnahme an der Rückrufaktion eine Betriebsuntersagung gemäß § 5 FZV erfolgen könne. Um dem Entzug der Betriebserlaubnis zu entgehen und um sein Fahrzeug weiter nutzen zu können, war der Kläger gezwungen, entsprechend der Aufforderung des Herstellers und auch der Beklagten zu agieren. Gleichermaßen hätte das klägerische Fahrzeug bei einer Verweigerung des Updates nicht die Anforderungen der Euro-5-Abgasnorm erfüllt, sodass dem Kläger im Rahmen der nächsten Abgasuntersuchung der Entzug der grünen Plakette gedroht hätte.
f) Aufgrund des wirksamen Rücktritts sind gemäß § 346 I BGB die empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Die Beklagte hat den Kaufpreis zu erstatten und erhält neben dem streitgegenständlichen Wagen auch die durch die Fahrleistung eingetretene Wertminderung des Fahrzeugs nach § 346 II 1 Nr. 1 BGB ersetzt. Dementsprechend hat sich der Kläger auf den zurückzuerstattenden Kaufpreis von 40.254,11 € eine Nutzungsentschädigung anrechnen zu lassen.
Das Gericht geht vorliegend davon aus, dass das klägerische Fahrzeug am 28.09.2016 eine Laufleistung von 52.887 km aufgewiesen hat. Der Lebensgefährte des Klägers hat insoweit im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 28.09.2016 angegeben, mit dem streitgegenständlichen Fahrzeug zum Termin gefahren zu sein und dafür eine Strecke von 670 km zurückgelegt zu haben, bei der er den … Mehrverbrauch festgestellt haben will. Soweit die Beklagte die klägerseits angegebene Laufleistung bestreitet, ist dieses Bestreiten … unbeachtlich. Denn der Prozessbevollmächtigte der Beklagten verkennt insoweit die ihm im Rahmen des Wertersatzanspruchs obliegende Darlegungs- und Beweislast (vgl. BGH, Urt. v. 15.04.2010 – III ZR 218/09, NJW 2010, 2868 Rn. 21 m. w. Nachw.). Dementsprechend hätte es der Beklagten oblegen, substanziiert und gegebenenfalls unter entsprechendem Beweisantritt darzulegen, welche „geringere“ Kilometerleistung der streitgegenständliche Wagen denn zurückgelegt hat. Auf diese unzulängliche Darlegung musste das Gericht auch nicht gemäß § 139 ZPO hinweisen. Denn zu einer richterlichen Aufklärung besteht – wie vorliegend – bei einem nicht nur ergänzungsbedürftigen, sondern bereits substanzlosen Vorbringen kein Anlass (vgl. BGH, Urt. v. 22.04.1982 – VII ZR 160/81, NJW 1982, 1708 [1711]).
Die Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen VW Tiguan schätzt das Gericht … gemäß § 287 ZPO auf 250.000 km (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.01.2008 – I-1 U 152/07, juris Rn. 41; OLG Köln, Urt. v. 20.02.2013 – I-13 U 162/09, NJW-RR 2013, 1209 [1210]; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 10. Aufl. [2009], Rn. 1756 f.). Soweit der Kläger eine Laufleistung von 350.000 km angibt, erfolgt dies ohne nähere Darlegung und erkennbar ins Blaue hinein.
Bei einem Bruttokaufpreis von 40.254,11 € und einer Laufleistung von 52.887 km ergibt sich somit ein Nutzungsvorteil von 8.515,67 €.
3. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 I 1, 288 I BGB ab dem 03.02.2016, da der Kläger die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 15.01.2016 erfolglos zur Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung unter Fristsetzung bis zum 03.02.2016 aufgefordert hat.
4. Des Weiteren ist der Anspruch auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten begründet. Die Beklagte befand sich infolge der verweigerten Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs gemäß §§ 293, 295 Satz 1 Fall 2, 298 BGB in Annahmeverzug. Denn der Kläger hat der Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 15.01.2016 sein Fahrzeug unter Fristsetzung bis zum 02.02.2016 ordnungsgemäß abholbereit angeboten. Im Hinblick auf die Verpflichtung der Beklagten zur Abholung des Fahrzeugs am Wohnsitz des Klägers war das wörtliche Angebot i. S. des § 295 Satz 1 Fall 2 BGB auch ausreichend. Die Rücknahme des Fahrzeugs hat die Beklagte indes mit Schreiben vom 25.01.2016 abgelehnt.
5. Hingegen hat der Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Freistellung von seinen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.613,24 €.
Zunächst scheidet ein Anspruch aus §§ 280 I, II, 286 I 1, 257 BGB aus. Denn die Mandatierung des jetzigen klägerischen Prozessbevollmächtigten stellt keinen kausalen Verzugsschaden dar. Zum Zeitpunkt der Mandatierung befand sich die Beklagte nicht in Verzug mit der Rückabwicklung des Kaufvertrags. Vielmehr wurde der Rücktritt erst durch anwaltliches Schreiben vom 15.01.2016 erklärt. Gleiches gilt für die zuvor durch anwaltliches Schreiben vom 17.11.2015 verlangte Nacherfüllung.
Auch scheidet ein Anspruch aus §§ 280 I, 241 II, 433, 257 BGB aus, da die Zurückweisung eines Mängelbeseitigungsverlangens bei einem streitigen Fahrzeugmangel jedenfalls keine schuldhafte Pflichtverletzung darstellt. Die Beklagte handelte insoweit jedenfalls nicht schuldhaft, da die Berechtigung eines Nacherfüllungsverlangens bzw. eines erklärten Rücktritts und der daraus resultierenden (wechselseitigen) Forderungen sicher nur in einem Rechtsstreit geklärt werden können. Indes kann und konnte von der Beklagten nicht erwartet werden, dass sie das Ergebnis eines solchen Rechtstreits im Vorfeld oder außerhalb eines Rechtsstreits voraussieht. Solange der eigene Rechtsstandpunkt plausibel ist, liegt kein Vertretenmüssen vor (vgl. BGH, Urt. v. 16.01.2009 – V ZR 133/08, juris Rn. 20 m. w. Nachw.) …