Ei­ne Äu­ße­rung ist nur dann i. S. des § 434 I 3 BGB „öf­fent­lich“, wenn sie sich an ei­nen nicht von vorn­her­ein fest­ste­hen­den Per­so­nen­kreis rich­tet.

OLG Mün­chen, Ur­teil vom 27.01.2016 – 8 U 3852/15

Sach­ver­halt: Der Klä­ger er­warb von dem Be­klag­ten am 05.03.2013 für 6.500 € ei­nen Ja­gu­ar XJ 6. Der schrift­li­che Kauf­ver­trag, in dem die Haf­tung des Be­klag­ten für Sach­män­gel des Fahr­zeugs aus­ge­schlos­sen wur­de, ent­hielt kei­ne An­ga­ben da­zu, wel­che Be­schaf­fen­heit der Pkw ha­ben soll­te.

Mit Schrei­ben vom 24.01.2013, al­so vor Ab­schluss des Kauf­ver­tra­ges, hat­te der Be­klag­te dem Klä­ger al­ler­dings un­ter an­de­rem das Bau­jahr (1975) und die Lauf­leis­tung („ca. 70.000 km, 20.000 km mit dem jet­zi­gen Mo­tor“) mit­ge­teilt. Au­ßer­dem heißt es in dem Schrei­ben: „Un­ter­bo­den ok (ge­schweiß­te Stel­len)“. Be­vor der Klä­ger den Pkw ab­hol­te, hat­te er dar­über hin­aus von dem Be­klag­ten un­ter dem 19.03.2013 je­weils in Ko­pie den Kfz-Brief, ei­nen TÜV-Be­richt, ein „H-Gut­ach­ten“ und ein Be­wer­tungs­gut­ach­ten er­hal­ten.

Der GTÜ-Be­richt vom 15.05.2012 ent­hielt un­ter an­de­rem die Hin­wei­se „Un­ter­bo­den­be­reich Kor­ro­si­on oh­ne er­kenn­ba­re Schwä­chung“ und „Mo­tor/Ge­trie­be/An­trieb: ober­fläch­lich öl­feucht“. In dem „H-Gut­ach­ten“ wur­de der Zu­stand des Pkw mit „3+“ be­wer­tet und der Markt­wert des Fahr­zeugs mit 8.300 € an­ge­ge­ben.

In ei­nem GTÜ-Be­richt vom 28.08.2014 sind un­ter an­de­rem fol­gen­de Män­gel fest­ge­hal­ten:

„Bo­den­grup­pe vorn links durch­ge­ros­tet (EM), Bo­den­grup­pe vor­ne rechts durch­ge­ros­tet (EM), Rad­haus hin­ten links durch­ge­ros­tet (EM), Um­welt­be­las­tung: Mo­tor un­dicht – Öl­ver­lust mit Ab­trop­fen (EM), Ge­trie­be un­dicht – Öl­ver­lust mit Ab­trop­fen (EM)“.

Ei­ne Prüf­pla­ket­te wur­de dem Fahr­zeug nicht zu­ge­teilt.

Der Pro­zess­be­voll­mäch­tig­te des Klä­gers for­der­te den Be­klag­ten mit Schrei­ben vom 05.11.2014 (er­folg­los) zur Nach­bes­se­rung auf und er­klär­te mit Schrei­ben vom 04.12.2014 den Rück­tritt des Klä­gers vom Kauf­ver­trag.

Das Land­ge­richt (LG Mün­chen II, Urt. v. 20.08.2015 – 8 O 812/15) hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Zur Be­grün­dung hat es im We­sent­li­chen aus­ge­führt, dass we­der ei­ne Ga­ran­tie i. S. der §§ 443, 444 BGB ge­ge­ben noch ei­ne Be­schaf­fen­heit i. S. des § 434 I 1 BGB ver­ein­bart wor­den sei. Das Vor­lie­gen ei­nes Man­gels i. S. des § 434 I 2 BGB hat es mit der Be­grün­dung ver­neint, dass der streit­ge­gen­ständ­li­che Pkw bei der Über­ga­be an den Klä­ger die Be­schaf­fen­heit auf­ge­wie­sen ha­be, die ein 37 Jah­re al­tes Au­to für ge­wöhn­lich auf­wei­se.

Die Be­ru­fung des Klä­gers hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: II. Die … Be­ru­fung des Klä­gers führt nicht zum Er­folg, da we­der ei­ne Ga­ran­tie i. S. des § 443 BGB noch ei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung i. S. des § 434 I 1 BGB noch ein sons­ti­ger Man­gel i. S. des § 434 I 2 BGB vor­liegt.

Der … ver­ein­bar­te Ge­währ­leis­tungs­aus­schluss ist zwar nach der höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung un­wirk­sam (BGH, Urt. v. 04.02.2015 – VI­II ZR 26/14). Dies führt aber nicht da­zu, dass der Be­klag­te den streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw … ge­gen Er­stat­tung des Kauf­prei­ses und wei­te­rer Un­kos­ten des Klä­gers zu­rück­neh­men muss.

Kei­ne Ga­ran­tie­ver­ein­ba­rung

Nach der höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung setzt die Über­nah­me ei­ner Ga­ran­tie vor­aus, dass der Ver­käu­fer in ver­trags­mä­ßig bin­den­der Wei­se die Ge­währ für das Vor­han­den­sein der ver­ein­bar­ten Be­schaf­fen­heit der Kauf­sa­che über­nimmt und da­mit sei­ne Be­reit­schaft zu er­ken­nen gibt, für al­le Fol­gen des Feh­lens die­ser Be­schaf­fen­heit ein­zu­ste­hen (BGH, Urt. v. 29.11.2006 – VI­II ZR 92/06).

Der schrift­li­che For­mu­lar­kauf­ver­trag vom 05.03.2013 ent­hält ei­ne sol­che Ver­ein­ba­rung nicht. Dies gilt auch für das Schrei­ben des Be­klag­ten vom 24.01.2013, mit dem die­ser dem Klä­ger das Bau­jahr, die an­ge­nom­me­ne Lauf­leis­tung so­wie den an­ge­nom­me­nen Zu­stand des Un­ter­bo­dens und der Ka­ros­se­rie mit­ge­teilt hat. Aus dem Schrei­ben des Be­klag­ten vom 19.03.2013, mit dem die­ser dem Klä­ger Ab­lich­tun­gen vom „H-Gut­ach­ten“, vom GTÜ-Be­richt vom 15.05.2012 und vom Ver­si­che­rungs­vor­schlag über­sandt hat, lässt sich eben­falls kei­ne Ga­ran­tie­über­nah­me ab­lei­ten.

Kei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung

Ei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung liegt nur dann vor, wenn ei­ne be­stimm­te Be­schaf­fen­heit des Kauf­ge­gen­stan­des nach den über­ein­stim­men­den Wil­lens­er­klä­run­gen der Ver­trags­par­tei­en vor­lie­gen muss (MünchKomm-BGB/Wes­ter­mann, 7. Aufl., § 434 Rn. 16).

Der schrift­li­che For­mu­lar­ver­trag vom 05.03.2013 ent­hält auch kei­ne Be­schaf­fen­heits­an­ga­ben, wes­halb aus die­sem kei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung ab­ge­lei­tet wer­den kann. Es wä­re Sa­che des Klä­gers ge­we­sen, die ihm wich­ti­gen Be­schaf­fen­heits­merk­ma­le – wie zum Bei­spiel ein or­dent­li­cher Zu­stand des Un­ter­bo­dens – in den schrift­li­chen Kauf­ver­trag auf­zu­neh­men. Auch ei­ne Be­zug­nah­me in dem schrift­li­chen Kauf­ver­trag auf das Schrei­ben des Be­klag­ten vom 24.01.2013 wä­re aus­rei­chend ge­we­sen, um ei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung zu er­zie­len. Da auch Letz­te­res nicht ge­sche­hen ist, stellt das Schrei­ben des Be­klag­ten vom 24.01.2013 nur ei­ne Wis­sens­er­klä­rung dar. Im Hin­blick auf das „H-Gut­ach­ten“ und den GTÜ-Be­richt vom 15.05.2012 sind die­se Er­klä­run­gen vom Be­klag­ten un­ter Be­rück­sich­ti­gung der Mit­tei­lun­gen, die er von dem Vor­hal­ter be­kom­men hat­te, zur Über­zeu­gung des Be­ru­fungs­ge­richts gut­gläu­big er­folgt.

Kein sons­ti­ger Man­gel i. S. des § 434 I 2 BGB

So­weit die Be­schaf­fen­heit nicht ver­ein­bart ist, ist der Kauf­ge­gen­stand frei von Sach­män­geln, wenn er sich für die nach dem Ver­trag vor­aus­ge­setz­ten Ver­wen­dung eig­net bzw. wenn er sich für die ge­wöhn­li­che Ver­wen­dung eig­net und ei­ne Be­schaf­fen­heit auf­weist, die bei Sa­chen glei­cher Art üb­lich ist und die der Käu­fer nach der Art der Sa­che er­war­ten kann.

Im vor­lie­gen­den Fall hat der Klä­ger ei­nen fast 38 Jah­re al­ten Pkw Ja­gu­ar für 6.500 € er­wor­ben. Die­ser Preis hat da­mit deut­lich un­ter den Prei­sen ge­le­gen, die üb­li­cher­wei­se für ver­gleich­ba­re Au­tos der Mar­ke Ja­gu­ar ver­langt wer­den. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat bei sei­ner In­ter­net­re­cher­che fest­ge­stellt, dass in et­wa ver­gleich­ba­re Pkw zu Prei­sen ab 22.500 € auf­wärts an­ge­bo­ten wer­den. So­weit der Klä­ger­ver­tre­ter güns­ti­ge­re An­ge­bo­te ge­fun­den hat, ist hier­zu aus­zu­füh­ren, dass die­se An­ge­bo­te den hier ver­ein­bar­ten Kauf­preis um gut 100 % über­stie­gen.

Auf­grund des „H-Gut­ach­tens“ und des GTÜ-Be­richts vom 15.05.2012 hat der Klä­ger vor Ab­ho­lung des streit­ge­gen­ständ­li­chen Au­tos … ge­wusst, dass die­ser Pkw nicht re­stau­riert ist. Auf­grund des H-Gut­ach­tens und des GTÜ-Be­richts ist es zur Über­zeu­gung des Be­ru­fungs­ge­richts für den Klä­ger deut­lich er­kenn­bar ge­we­sen, dass Er­hal­tungs­maß­nah­men not­wen­dig ge­we­sen sind, um ei­nen fahr­be­rei­ten Zu­stand zu er­hal­ten, den das Au­to bei der Über­ga­be an den Klä­ger ge­habt hat. Die­ser Pkw hat bis ein­schließ­lich Mai 2014 den „TÜV“ ge­habt, und die vom Klä­ger ge­rüg­ten Män­gel sind erst bei der Haupt­un­ter­su­chung am 28.08.2014 – al­so 16 Mo­na­te nach der Über­ga­be – fest­ge­stellt wor­den. Nach Ak­ten­la­ge ist die­ses Au­to … zu­ge­las­sen ge­we­sen und dem­zu­fol­ge ver­mut­lich auch ge­fah­ren wor­den.

Un­ter Be­rück­sich­ti­gung der vor­ge­nann­ten Tat­sa­chen ist das Be­ru­fungs­ge­richt der Über­zeu­gung, dass der streit­ge­gen­ständ­li­che Pkw … im Hin­blick auf sein Al­ter und auf den nied­ri­gen Kauf­preis auch kei­nen Man­gel i. S. des § 434 I 2 BGB auf­ge­wie­sen hat. Es ist all­ge­mein be­kannt, dass sich der Zu­stand ei­ner Sa­che durch den Zeit­ab­lauf wei­ter ver­schlech­tert, wenn er­kenn­bar not­wen­di­ge Er­hal­tungs­maß­nah­men un­ter­las­sen wer­den.

Kein Vor­lie­gen der Vor­aus­set­zun­gen des § 434 I 3 BGB

Zu der Be­schaf­fen­heit nach § 434 I 2 Nr. 2 BGB ge­hö­ren auch Ei­gen­schaf­ten, die der Käu­fer nach den öf­fent­li­chen Äu­ße­run­gen des Ver­käu­fers, des Her­stel­lers oder sei­nes Ge­hil­fen ins­be­son­de­re in der Wer­bung oder bei der Kenn­zeich­nung über be­stimm­te Ei­gen­schaf­ten der Sa­che er­war­ten kann.

Hier fehlt es be­reits an ei­ner öf­fent­li­chen Äu­ße­rung, die nur dann ge­ge­ben ist, wenn sie an ei­nen nicht von vorn­her­ein fest­ste­hen­den Per­so­nen­kreis ge­rich­tet ist (Trö­ger, JuS 2005, 503 [509]). Mit die­sen öf­fent­li­chen Äu­ße­run­gen sind vor al­lem Wer­be­äu­ße­run­gen in den Me­di­en oder in ei­nem Pro­spekt ge­meint.

Nach Ak­ten­la­ge hat es im vor­lie­gen­den Fall nur Ver­hand­lun­gen zwi­schen den Par­tei­en ge­ge­ben.

Da das Vor­lie­gen ei­nes Sach­man­gels i. S. des § 434 BGB zum Zeit­punkt des Ge­fahr­über­gangs nicht fest­ge­stellt wer­den kann, hat der Klä­ger auch kei­nen An­spruch auf Er­satz ir­gend­wel­cher Un­kos­ten, auf Er­stat­tung der vor­ge­richt­li­chen An­walts­kos­ten und auf Zins­zah­lun­gen so­wie auf die Fest­stel­lung, dass der Be­klag­te sich mit der Rück­nah­me des streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw … im An­nah­me­ver­zug be­fin­det …

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