1. Ein Neu­wa­gen, zu des­sen Son­der­aus­stat­tung ei­ne Rück­fahr­ka­me­ra ge­hört, ist man­gel­haft i. S. des § 434 I 1 BGB, wenn die Ka­me­ra dem Fah­rer den Be­reich hin­ter dem Fahr­zeug aus­weis­lich des Ver­kaufs­pro­spekts des Her­stel­lers und der Be­triebs­an­lei­tung mit sta­ti­schen und dy­na­mi­schen Hilfs­li­ni­en an­zeigt, tat­säch­lich aber kei­ne Hilfs­li­ni­en in das Ka­me­ra­bild ein­ge­blen­det wer­den. Je­den­falls liegt un­ter die­sen Um­stän­den ein Man­gel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2, I 3 BGB vor.
  2. Ein Ver­stoß ge­gen ei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung in­di­ziert re­gel­mä­ßig die Er­heb­lich­keit der in der Lie­fe­rung ei­ner man­gel­haf­ten Kauf­sa­che lie­gen­den Pflicht­ver­let­zung des Ver­käu­fers (im An­schluss an BGH, Urt. v. 06.02.2013 – VI­II ZR 374/11, NJW 2013,1365; Urt. v. 17.02.2010 – VI­II ZR 70/07, NJW-RR 2010, 1289). Die be­wuss­te Ent­schei­dung des Käu­fers für ei­ne teu­re Zu­satz­aus­stat­tung – hier: ei­ne Rück­fahr­ka­me­ra – steht des­halb grund­sätz­lich der An­nah­me ent­ge­gen, de­ren voll­stän­di­ges oder teil­wei­ses Feh­len sei nur un­er­heb­lich. Dar­an än­dert nichts, dass Fahr­zeug­nut­zer in frü­he­ren Zei­ten oh­ne die tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten, die Fahr­zeu­ge heu­te zu­min­dest ge­gen Auf­preis bie­ten, aus­ge­kom­men sein mö­gen.
  3. Ob ein be­heb­ba­rer Man­gel er­heb­lich ist, rich­tet sich grund­sätz­lich nach der Hö­he der vor­aus­sicht­lich auf­zu­wen­den­den Män­gel­be­sei­ti­gungs­kos­ten. Auf das Aus­maß der Funk­ti­ons­be­ein­träch­ti­gung kommt es da­ge­gen nur aus­nahms­wei­se an, näm­lich wenn sich der Man­gel nicht oder nur mit ei­nem ho­hen Kos­ten­auf­wand be­sei­ti­gen lässt.

OLG Hamm, Ur­teil vom 09.06.2015 – 28 U 60/14

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin ver­langt aus ab­ge­tre­te­nem Recht die Rück­ab­wick­lung ei­nes Kauf­ver­trags über ei­nen neu­en Mer­ce­des-Benz CLS 350 CDI mit der Be­grün­dung, die Rück­fahr­ka­me­ra bzw. das – un­ter an­de­rem das Bild der Ka­me­ra dar­stel­len­de­ne – In­fo­tain­ment­sys­tem (CO­MAND-Sys­tem) des Neu­wa­gens sei man­gel­haft.

Die Klä­ge­rin be­stell­te das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug am 29.03.2012 zum Preis von 77.617,75 € brut­to bei der Be­klag­ten; die­se nahm die Be­stel­lung mit Auf­trags­be­stä­ti­gung vom 16.04.2012 an. In der Auf­trags­be­stä­ti­gung wer­den – so­weit für den vor­lie­gen­den Fall von In­ter­es­se – als Son­der­aus­stat­tung ei­ne Rück­fahr­ka­me­ra (400 €), ein ak­ti­ver Park-As­sis­tent inkl. „PARK­TRO­NIC“ (730 €) so­wie ein „CO­MAND APS“ (2.620 €) auf­ge­führt.

In der Bro­schü­re des Her­stel­lers für das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug, die der Klä­ge­rin nach Ak­ten­la­ge vor Ver­trags­schluss über­las­se­nen wur­de, heißt es in Be­zug auf die Rück­fahr­ka­me­ra:

„ Die Rück­fahr­ka­me­ra schal­tet sich au­to­ma­tisch beim Ein­le­gen des Rück­wärts­gan­ges ein. Sie un­ter­stützt den Fah­rer beim Längs- und Quer­ein­par­ken. Sta­ti­sche und dy­na­mi­sche Hilfs­li­ni­en zei­gen dem Fah­rer Lenk­win­kel und Ab­stand an.“

Auch in der Be­triebs­an­lei­tung für das Fahr­zeug, die sei­ner­zeit über die In­ter­net­sei­te der Daim­ler AG ab­ge­ru­fen wer­den konn­te, war zu der Son­der­aus­stat­tung ver­merkt:

„ Die Rück­fahr­ka­me­ra ist ei­ne op­ti­sche Ein­park- und Ma­nö­vrier­hil­fe. Sie zeigt Ih­nen auf dem CO­MAND-Sys­tem den Be­reich hin­ter dem Fahr­zeug mit Hilfs­li­ni­en an.“

An­fang De­zem­ber 2012 schloss die Klä­ge­rin mit der L-GmbH ei­nen Lea­sing­ver­trag über das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug. Dar­in war als Kauf­preis – aus nicht dar­ge­leg­ten Grün­den – ein Be­trag von 67.285 € net­to (= 80.069,15 € brut­to) vor­ge­se­hen. Nach den All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen der L-GmbH kann der Lea­sing­neh­mer we­gen ei­nes Fahr­zeug­man­gels nicht die L-GmbH, son­dern – aus ab­ge­tre­te­nem Recht der L-GmbH – nur den Lie­fe­ran­ten des Lea­sing­fahr­zeugs in An­spruch neh­men.

Kurz vor Weih­nach­ten 2012 wur­de das be­stell­te Fahr­zeug an die Klä­ge­rin aus­ge­lie­fert.

We­nig spä­ter stell­te ihr Ge­schäfts­füh­rer fest, dass bei ak­ti­vier­ter Rück­fahr­ka­me­ra im Dis­play des CO­MAND-Sys­tems kei­ne Hilfs­li­ni­en dar­ge­stellt wur­den. Von dem Ver­trags­händ­ler V er­hielt der Ge­schäfts­füh­rer die In­for­ma­ti­on, dass die Son­der­aus­stat­tung „Rück­fahr­ka­me­ra“ bei dem von der Klä­ge­rin er­wor­be­nen Fahr­zeug­mo­dell kei­ne Dar­stel­lung von Hilfs­li­ni­en im Dis­play vor­se­he.

Dar­auf­hin wand­te sich die Klä­ge­rin mit Schrei­ben vom 22.01.2013 an das Daim­ler-Kun­den­cen­ter und rüg­te, dass die Rück­fahr­ka­me­ra nur bei ein­ge­schal­te­tem Ra­dio funk­tio­nie­re und im Dis­play kei­ne Hilfs­li­ni­en sicht­bar sei­en. Die letzt­ge­nann­te Funk­ti­on sei an­ge­bo­ten, be­stellt und be­zahlt wor­den, aber nicht vor­han­den. Das Kun­den­cen­ter teil­te der Klä­ge­rin mit Schrei­ben vom 14.02.2013 mit:

„Ob­wohl in der ak­tu­el­len Preis­lis­te die Rück­fahr­ka­me­ra mit sta­ti­schen und dy­na­mi­schen Hilfs­li­ni­en ver­merkt ist, er­folgt die Nut­zung der Rück­fahr­ka­me­ra bei Ih­rem [Fahr­zeug] oh­ne die­se Hilfs­li­ni­en. Auf­grund der elek­tro­ni­schen Vor­aus­set­zun­gen ist kei­ne Än­de­rung dar­stell­bar.“

Als Ent­ge­gen­kom­men bot man der Klä­ge­rin ei­nen Ser­vice­gut­schein in Hö­he von 200 € an. Da­mit war der Ge­schäfts­füh­rer der Klä­ge­rin nicht ein­ver­stan­den.

Mit An­walts­schrei­ben vom 13.03.2013 er­klär­te die Klä­ge­rin aus ab­ge­tre­te­nem Recht den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag und be­grün­de­te die­sen nä­her. Da­bei mach­te sie deut­lich, dass sie die Son­der­aus­stat­tung „Rück­fahr­ka­me­ra“ nicht be­stellt hät­te, wenn sie ge­wusst hät­te, was sie er­hal­ten wer­de.

Un­ter dem 06.08.2013 hat die Klä­ge­rin schließ­lich die vor­lie­gen­de Kla­ge, auf Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­tra­ges ge­rich­te­te Kla­ge er­ho­ben. Die­ser hat der Land­ge­richt in­so­weit statt­ge­ge­ben, als es die Be­klag­te ver­ur­teilt hat, der L-GmbH den Kauf­preis (80.069,15 €) zu­züg­lich Zin­sen und ab­züg­lich ei­ner Nut­zungs­ent­schä­di­gung (6.205,35 €), Zug um Zug ge­gen Rück­nah­me des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs, zu­rück­zu­zah­len. Au­ßer­dem hat das Land­ge­richt den An­nah­me­ver­zug der Be­klag­ten fest­ge­stellt.

Zur Be­grün­dung hat es im We­sent­li­chen aus­ge­führt, das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug ha­be bei Über­ga­be an die Klä­ge­rin ei­nen Sach­man­gel i. S. von § 434 I 1 BGB auf­ge­wie­sen. Denn bei ak­ti­vier­ter Rück­fahr­ka­me­ra wür­den im Dis­play des CO­MAND-Sys­tems kei­ne Hilfs­li­ni­en dar­ge­stellt, ob­wohl – was sich aus der Ver­kaufs­bro­schü­re und der Be­triebs­an­lei­tung er­ge­be – die Dar­stel­lung von Hilfs­li­ni­en Teil ei­ner von den Par­tei­en ge­trof­fe­nen Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung sei. Der Man­gel sei nicht un­er­heb­lich i. S. von § 323 V Satz 2 BGB. Zwar las­se er sich be­he­ben; ei­ne Man­gel­be­sei­ti­gung sei aber – wie die Be­klag­te zu­letzt selbst mit­ge­teilt ha­be – nur mit ver­gleichs­wei­se ho­hen Kos­ten mög­lich. Des­halb müs­se für die Be­ur­tei­lung, ob der Man­gel er­heb­lich sei, aus­nahms­wei­se auf das Aus­maß der Funk­ti­ons­be­ein­träch­ti­gung ab­ge­stellt wer­den. Die­se sei er­heb­lich, weil die Rück­fahr­ka­me­ra ih­rer Funk­ti­on nur da­durch ge­recht wer­de, dass sta­ti­sche und dy­na­mi­sche Hilfs­li­ni­en dem Fah­rer den je­wei­li­gen Lenk­win­kel und Ab­stand an­zei­gen. Zu­dem in­di­zie­re der Um­stand, dass das Vor­han­den­sein der Hilfs­li­ni­en Teil ei­ner Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung sei, die Er­heb­lich­keit des Man­gels.

Die Be­ru­fung der Be­klag­ten war über­wie­gend er­folg­los.

Aus den Grün­den: B. … Die Klä­ge­rin hat ge­gen die Be­klag­te aus … ab­ge­tre­te­nem Recht ge­mäß §§ 437 Nr. 2, 434, 323, 346, 398 BGB An­spruch auf Rück­ab­wick­lung des … Kauf­ver­trags, mit dem sie von der Be­klag­ten den streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw zum un­strei­tig auf 80.069,15 € brut­to er­höh­ten Kauf­preis er­wor­ben hat.

Wie das Land­ge­richt zu Recht fest­ge­stellt hat, la­gen die Vor­aus­set­zun­gen für den erst­mals mit Schrift­satz vom 13.03.2013 er­klär­ten und im Pro­zess kon­klu­dent wie­der­holt er­klär­ten Rück­tritt vor.

I. Der streit­be­fan­ge­ne Mer­ce­des-Benz war und ist man­gel­haft i. S. von § 434 I BGB, weil er – was zwi­schen den Par­tei­en un­strei­tig ist – … bei ein­ge­schal­te­ter Rück­fahr­ka­me­ra kei­ne dy­na­mi­schen und sta­ti­schen Hilfs­li­ni­en an­zeigt, ob­wohl die­se Funk­ti­on der Son­der­aus­stat­tung „Rück­fahr­ka­me­ra“ in dem – vor Ver­trags­schluss aus­ge­ge­be­nen und Grund­la­ge des Kauf­ent­schlus­ses der Klä­ge­rin ge­wor­de­nen – Ver­kaufs­pro­spekt bzw. der Preis­lis­te des Her­stel­lers als vor­han­den an­ge­ge­ben war.

1. In dem Feh­len der Hilfs­li­ni­en liegt ein Sach­man­gel i. S. von § 434 I 1 BGB; das Fahr­zeug weist des­we­gen ei­ne ver­ein­bar­te Be­schaf­fen­heit nicht auf.

Grund­sätz­lich sind beim Fahr­zeug­kauf al­le im Be­stell­schein und der An­nah­me­er­klä­rung auf­ge­führ­ten Ei­gen­schaf­ten des Fahr­zeugs aus­drück­li­che Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­run­gen i. S. von § 434 I 1 BGB (Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 12. Aufl., Rn. 416, 2440). Vor­lie­gend er­gibt sich al­ler­dings aus der in der Auf­trags­be­stä­ti­gung vom 16.04.2012 ent­hal­te­nen Auf­zäh­lung der be­stell­ten Zu­satz­aus­stat­tung „Rück­fahr­ka­me­ra“ und „CO­MAND APS“ nicht, wel­che kon­kre­ten Ei­gen­schaf­ten die­se Son­der­aus­stat­tung nach den Vor­stel­lun­gen der Par­tei­en ha­ben soll­te. Um das be­stim­men zu kön­nen, müs­sen die Be­gleit­um­stän­de des Ein­zel­fal­les aus­ge­wer­tet wer­den. Da­bei sind die An­ga­ben des Ver­käu­fers, aber auch – auf den Er­war­tungs­ho­ri­zont des Kun­den er­kenn­bar Ein­fluss neh­men­de – (Mo­dell-)Be­schrei­bun­gen in vor Ver­trags­schluss über­las­se­nen Pro­spek­ten (so bei­spiels­wei­se BGH, Urt. v. 29.06.2011 – VI­II ZR 202/10, NJW 2011, 2872) oder Preis­lis­ten zu be­rück­sich­ti­gen, wenn sie vom Kun­den der Be­stel­lung zu­grun­de ge­legt wor­den sind.

Vor­lie­gend ha­ben dem Ge­schäfts­füh­rer der Klä­ge­rin vor Ver­trags­schluss die Preis­lis­te so­wie die Ver­kaufs­bro­schü­re des Her­stel­lers vor­ge­le­gen. Die­se Un­ter­la­gen ver­wei­sen aus­drück­lich dar­auf, dass die Son­der­aus­stat­tung „ Rück­fahr­ka­me­ra“ es in Zu­sam­men­schau mit der Son­der­aus­stat­tung „CO­MAND-Sys­tem“ dem Fah­rer er­mög­licht, nicht nur durch das Bild der Rück­fahr­ka­me­ra den Raum hin­ter dem Mer­ce­des-Benz in den Blick zu neh­men, son­dern au­ßer­dem durch An­zei­gen der sta­ti­schen und dy­na­mi­schen Hilfs­li­ni­en Ab­stän­de zu Hin­der­nis­sen und die Fahr­zeug­po­si­ti­on in der Um­ge­bung bes­ser ein­zu­schät­zen. Wählt der Kun­de die­se kos­ten­träch­ti­ge Zu­satz­aus­stat­tung ge­zielt aus, zeigt sich dar­an, dass es ihm auf die be­schrie­be­nen Funk­tio­nen an­kommt.

Wie die Klä­ge­rin un­wi­der­spro­chen aus­ge­führt hat, war für ih­ren Ge­schäfts­füh­rer der As­pekt des ziel­ge­rich­te­ten und scha­dens­frei­en Rück­wärts­fah­rens des­halb von be­son­de­rer Be­deu­tung, weil der Mer­ce­des-Benz – was von der Be­klag­ten nicht in Ab­re­de ge­stellt wird – bau­art­be­dingt beim Blick nach hin­ten be­son­ders un­über­sicht­lich ist und das Rück­wärts­fah­ren wie das Ein­par­ken mit der in­di­vi­du­ell ge­wähl­ten Son­der­aus­stat­tung er­heb­lich er­leich­tert wird. Dass ge­ra­de die­ser As­pekt für die Klä­ge­rin bzw ih­ren Ge­schäfts­füh­rer be­deut­sam ge­we­sen ist, wird auch oh­ne Wei­te­res da­durch of­fen­bar, dass nicht nur die Rück­fahr­ka­me­ra nebst „CO­MAND-Sys­tem“, son­dern auch noch der „Ak­ti­ve Park-As­sis­tent“ als Zu­satz­aus­stat­tung ge­wählt wor­den ist. Das lässt zwang­los und für die Be­klag­te bei Ver­trags­schluss er­kenn­bar den Schluss dar­auf zu, dass die Klä­ge­rin al­le Mög­lich­kei­ten der Si­cher­heits- und Kom­fort­op­ti­mie­rung in Be­zug auf das Rück­wärts­fah­ren bzw. Ein­par­ken aus­schöp­fen woll­te, die der Her­stel­ler an­bot.

Al­lein mit der Rück­fahr­ka­me­ra war das durch das Ge­samt­pa­ket er­reich­ba­re „Plus“ an Kom­fort und Si­cher­heit nicht zu er­rei­chen, was sich schon of­fen­bart, wenn die An­ga­ben des Her­stel­lers in der Be­triebs­an­lei­tung aus­ge­wer­tet wer­den. In ihr ist näm­lich aus­ge­führt, dass je nach Po­si­ti­on des Fahr­zeugs die Mög­lich­keit be­steht, dass die Rück­fahr­ka­me­ra Hin­der­nis­se per­spek­ti­visch ver­zerrt, nicht rich­tig oder gar nicht an­zei­gen kann. Ge­ra­de dann kön­nen ins­be­son­de­re die Hilfs­li­ni­en wert­vol­le Hil­fe beim Rück­wärts­fah­ren bie­ten, die sonst fehlt, so­dass der sinn­ge­mäß von der Be­klag­ten ge­äu­ßer­ten Ein­schät­zung, letzt­lich sei­en die Hilfs­li­ni­en zwar be­quem, aber un­nö­tig, nicht zu fol­gen ist.

In der Ge­samt­schau er­gibt sich, dass sich die Soll-Be­schaf­fen­heit des Fahr­zeugs im Streit­fall nach den je­den­falls kon­klu­dent in den Ver­trag ein­be­zo­ge­nen pu­bli­zier­ten An­ga­ben zu der Son­der­aus­stat­tung, wie sie in der Preis­lis­te/dem Ver­kaufs­pro­spekt zu fin­den sind, rich­ten soll­te.

2. So­weit die Be­klag­te in der Be­ru­fungs­be­grün­dung be­zo­gen auf die Dar­stel­lung der Hilfs­li­ni­en vor­ge­bracht hat, es sei von ihr ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Land­ge­richts kei­ne Be­schaf­fen­heits­ga­ran­tie i. S. der §§ 443 f. BGB über­nom­men wor­den, ist das we­der von der Klä­ge­rin be­haup­tet noch vom Land­ge­richt sei­ner Ent­schei­dung zu­grun­de ge­legt wor­den. So­wohl von der Klä­ge­rin als auch vom Land­ge­richt wird viel­mehr nur ei­ne ein­fa­che Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung i. S. von § 434 I 1 BGB an­ge­nom­men. Auf die Fra­ge, un­ter wel­chen Um­stän­den ei­ne (wei­ter­ge­hen­de) Be­schaf­fen­heits­ga­ran­tie an­zu­neh­men ist, muss der Se­nat des­halb nicht ein­ge­hen.

3. Dass in den die Zu­satz­aus­stat­tung be­schrei­ben­den An­ga­ben des Her­stel­lers in der Preis­lis­te bzw. der Ver­kaufs­bro­schü­re zu­gleich ei­ne die be­rech­tig­ten Er­war­tun­gen des Käu­fers be­stim­men­de öf­fent­li­che Äu­ße­rung ge­mäß § 434 I 3 BGB zu se­hen ist, be­geg­net nach Ak­ten­la­ge auch in der Vor­stel­lung der Be­klag­ten kei­nem Zwei­fel.

Der Mer­ce­des-Benz weist des­halb je­den­falls auch ei­nen Sach­man­gel ge­mäß § 434 I 2 Nr. 2, I 3 BGB auf.

II. Ei­ne Frist zur Nach­er­fül­lung (§ 323 I BGB) muss­te die Klä­ge­rin der Be­klag­ten nicht set­zen.

Un­ab­hän­gig da­von, dass die Klä­ge­rin auf­grund des Schrei­bens des Kun­den­cen­ters … vom 14.02.2013 an­neh­men durf­te und muss­te, dass der Man­gel ei­ner Nach­er­fül­lung nicht zu­gäng­lich sein wür­de, hat die Be­klag­te durch ihr vor­pro­zes­sua­les Ver­hal­ten, aber auch durch ih­ren Schrift­satz vom 28.02.2014 un­miss­ver­ständ­lich zum Aus­druck ge­bracht, dass sie ei­ne Nach­er­fül­lung aus Kos­ten­grün­den nicht vor­neh­men wol­le und des­halb ab­leh­ne (§ 439 III 1 BGB).

III. Dem von der Klä­ge­rin er­klär­ten Rück­tritt vom Kauf­ver­trag ste­hen auch kei­ne Aus­schluss­grün­de ent­ge­gen. Ins­be­son­de­re stellt sich das Feh­len der An­zei­ge der Hilfs­li­ni­en nicht als un­er­heb­lich i. S. von § 323 V 2 BGB dar.

Die in die­sem Zu­sam­men­hang vor­zu­neh­men­de ein­zel­fall­be­zo­ge­ne Ab­wä­gung der In­ter­es­sen der Ver­trags­part­ner (s. auch BGH, Urt. v. 28.05.2014 – VI­II ZR 94/13, NJW 2014, 3229) führt vor­lie­gend da­zu, dass zu­las­ten der – für die be­haup­te­te Ge­ring­fü­gig­keit des Man­gels dar­le­gungs- und be­weis­be­las­te­ten – Be­klag­ten von ei­nem er­heb­li­chen Man­gel aus­zu­ge­hen ist.

1. Nach in­zwi­schen stän­di­ger Recht­spre­chung des BGH (vgl. nur Urt. v. 06.02.2013 – VI­II ZR 374/11, NJW 2013,1365, und Urt. v. 17.02.2010 – VI­II ZR 70/07, NJW-RR 2010, 1289) in­di­ziert der Ver­stoß ge­gen ei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung in der Re­gel die Er­heb­lich­keit der – in der Lie­fe­rung der man­gel­haf­ten Kauf­sa­che lie­gen­den – Pflicht­ver­let­zung. Das ist im Streit­fall nicht an­ders: Die be­wuss­te Ent­schei­dung für ei­ne teu­re Zu­satz­aus­stat­tung durch die Klä­ge­rin lässt oh­ne Wei­te­res den Schluss dar­auf zu, dass ge­ra­de die nach dem In­halt der vor Ver­trags­schluss über­las­se­nen Un­ter­la­gen ver­bun­de­nen Funk­tio­nen der Zu­satz­aus­stat­tung für die Wahl der Käu­fe­rin maß­geb­li­ches Ge­wicht ge­habt ha­ben. Das steht grund­sätz­lich der An­nah­me ent­ge­gen, das voll­stän­di­ge oder teil­wei­se Feh­len der Funk­tio­nen ha­be nur ge­ring­fü­gi­ge Be­deu­tung.

Um­stän­de, die die In­dizwir­kung ent­kräf­ten könn­ten, sind nicht aus­zu­ma­chen.

a) Da­bei kommt es im Rah­men der ge­bo­te­nen In­ter­es­sen­ab­wä­gung im vor­lie­gen­den Fall nicht maß­geb­lich auf die Hö­he der Män­gel­be­sei­ti­gungs­kos­ten, son­dern auf das Aus­maß der Funk­ti­ons­be­ein­träch­ti­gung an.

Da­bei ist nach stän­di­ger Recht­spre­chung bei be­heb­ba­ren Män­geln im Rah­men des § 323 V 2 BGB re­gel­mä­ßig auf die Hö­he der vor­aus­sicht­li­chen Män­gel­be­sei­ti­gungs­kos­ten ab­zu­stel­len (s. da­zu nur BGH, Urt. v. 28.05.2014 – VI­II ZR 94/13, NJW 2014, 3229). An­de­res gilt, wenn der Man­gel nicht oder nur mit ho­hen Kos­ten be­heb­bar ist; dann kommt es vor­nehm­lich auf das Aus­maß der Funk­ti­ons­be­ein­träch­ti­gung an (BGH, Urt. v. 29.06.2011 – VI­II ZR 202/10, NJW 2011, 2872). Das Land­ge­richt ist zu­tref­fend da­von aus­ge­gan­gen, dass hier ei­ne Kon­stel­la­ti­on vor­liegt, in der der Man­gel zwar be­heb­bar ist, we­gen der hier­für er­for­der­li­chen be­son­ders ho­hen Kos­ten aber aus­nahms­wei­se auf den Um­fang der Funk­ti­ons­be­ein­träch­ti­gung ab­zu­he­ben ist. Das grei­fen die Par­tei­en auch nicht an.

Die durch die feh­len­den Hilfs­li­ni­en be­ste­hen­de Funk­ti­ons­ein­schrän­kung der Rück­fahr­ka­me­ra ist nicht als ge­ring­fü­gig an­zu­se­hen.

b) Da­bei ist der Ver­weis der Be­klag­ten auf die tech­nisch ein­ge­schränk­ten Mög­lich­kei­ten frü­he­rer Zei­ten und auf die Tat­sa­che, dass bis vor we­ni­gen Jah­ren Fahr­zeug­füh­rer ganz oh­ne Rück­fahr­ka­me­ra aus­ge­kom­men sei­en, oh­ne recht­li­che Re­le­vanz. Wel­che tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten Fahr­zeu­ge gleich wel­chen Her­stel­lers in der Ver­gan­gen­heit ih­rem Fah­rer bo­ten, ist für die Be­ant­wor­tung der Fra­ge, ob das Feh­len von vom Ver­käu­fer an­ge­bo­te­ner, be­stell­ter und be­zahl­ter Zu­satz­funk­tio­nen An­fang 2012 bei ei­nem Mer­ce­des-Benz sich als ge­ring­fü­gi­ge Be­ein­träch­ti­gung dar­stellt, oh­ne Be­lang. Die all­ge­mei­ne tech­ni­sche Ent­wick­lung bei Kraft­fahr­zeu­gen und ge­rin­ge­re Si­cher­heits-und Kom­fort­stan­dards frü­he­rer Zei­ten ha­ben kei­nen Be­zug zum vor­lie­gen­den Ein­zel­fall und sind zur Her­an­zie­hung im Rah­men der vor­zu­neh­men­den In­ter­es­sen­ab­wä­gung da­her un­ge­eig­net.

c) Auch die Be­zug­nah­me der Be­klag­ten dar­auf, dass die Kos­ten für die Zu­satz­aus­stat­tung „Rück­fahr­ka­me­ra“ im Ver­hält­nis zum Ge­samt­kauf­preis le­dig­lich ge­ring sei­en, führt nicht zur An­nah­me der Un­er­heb­lich­keit des Man­gels.

Der Ver­gleich er­scheint be­reits im An­satz ver­fehlt, denn die an­ge­bo­te­ne und von der Klä­ge­rin be­stell­te Funk­ti­on ei­ner bild­li­chen Dar­stel­lung des Ver­kehrs­raums hin­ter dem Fahr­zeug mit Hilfs­li­ni­en kann nur er­fol­gen, wenn ne­ben der Rück­fahr­ka­me­ra auch das „CO­MAND-Sys­tem“ ver­baut wird, das deut­lich teu­rer ge­we­sen ist als die Rück­fahr­ka­me­ra.

Im Üb­ri­gen kommt es für die Fest­stel­lung der Er­heb­lich­keit ei­ner feh­ler­haf­ten oder nicht vor­han­de­nen Funk­ti­on ei­nes Bau­teils er­sicht­lich nicht dar­auf an, ob die­ses mit ge­rin­gem Ma­te­ri­al- und Ar­beits­auf­wand ver­baut wer­den konn­te.

d) Der Hin­weis der Be­klag­ten dar­auf, dass die Zu­satz­aus­stat­tung „Rück­fahr­ka­me­ra“ al­lein hin­rei­chen­den Kom­fort/aus­rei­chen­de Si­cher­heit beim Rück­wärts­fah­ren bie­te und es der Hilfs­li­ni­en ei­gent­lich nicht be­dür­fe, führt eben­falls nicht da­zu, dass von ei­ner Un­er­heb­lich­keit des Man­gels aus­zu­ge­hen ist.

Wie in der Be­triebs­an­lei­tung dar­ge­stellt, ist die Rück­fahr­ka­me­ra in be­stimm­ten Si­tua­tio­nen nicht in der La­ge, ein ein­wand­frei­es und un­ver­zerr­tes Bild zu über­mit­teln. Schon vor die­sem Hin­ter­grund bie­tet sie eben nicht ei­nen ver­gleich­ba­ren Si­cher­heits- und Kom­fort­stan­dard, wie er bei funk­tio­nie­ren­der Dar­stel­lung der dy­na­mi­schen und sta­ti­schen Hilfs­li­ni­en er­reicht wird. Au­ßer­dem ist hier die von der Klä­ge­rin an­ge­führ­te Un­über­sicht­lich­keit des Heck­be­reichs des frag­li­chen Fahr­zeug­mo­dells zu be­rück­sich­ti­gen, an­ge­sichts der den in Re­de ste­hen­den Hilfs­funk­tio­nen beim Rück­wärts­fah­ren be­son­de­re Be­deu­tung zu­kommt.

2. Da­nach er­weist sich auch dann, wenn kei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung mit In­dizwir­kung für die Er­heb­lich­keit der Pflicht­ver­let­zung an­ge­nom­men wür­de, der Man­gel im Rah­men der ge­bo­te­nen Ge­samt­ab­wä­gung nach § 323 V 2 BGB nicht als un­er­heb­lich.

Wie be­reits aus­ge­führt, kam es der Klä­ge­rin ge­ra­de dar­auf an, mit der in­di­vi­du­ell aus­ge­such­ten Son­der­aus­stat­tung für ei­nen „Rund­um­schutz“ beim Rück­wärts­fah­ren und Ein­par­ken Sor­ge zu tra­gen. Die Un­über­sicht­lich­keit des Mer­ce­des-Benz lässt der Ein­park­hil­fe durch An­zei­ge der Hilfs­li­ni­en im „CO­MAND-Sys­tem“ be­son­de­re Be­deu­tung zu­kom­men.

IV. In der Rechts­fol­ge kann die Klä­ge­rin von der Be­klag­ten die Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses von 80.069,15 € Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be und Rück­über­eig­nung des Fahr­zeugs ver­lan­gen, wo­bei an­trags­ge­mäß die Zah­lung an die Ze­den­tin aus­zu­spre­chen war.

Ab­zu­zie­hen ist der Nut­zungs­wert­er­satz für die von der Klä­ge­rin mit dem Fahr­zeug ab­sol­vier­te Fahrt­stre­cke (§ 346 BGB), der an­hand der ak­tu­el­len – un­strei­tig ge­blie­be­nen – Lauf­leis­tung von 43.681 km mit 17.487,50 € zu be­mes­sen ist. Da­bei ist der Se­nat von der beim Neu­fahr­zeug­kauf an­zu­wen­den­den Be­rech­nungs­for­mel

{\frac{\text{Bruttokaufpreis}\times\text{Laufleistung}}{\text{zu erwartende Gesamtlaufleistung}}}

(vgl. nur Rein­king/Eg­gert, a. a. O., Rn. 1166) aus­ge­gan­gen.

Wie vom Land­ge­richt an­ge­nom­men ist ei­ne zu er­war­ten­de Ge­samt­lauf­leis­tung von 200.000 km an­ge­sichts der Mo­to­ri­sie­rung des streit­be­fan­ge­nen Mer­ce­des-Benz je­den­falls nicht zu hoch ge­grif­fen; Ge­gen­tei­li­ges wird be­klag­ten­seits auch nicht ein­ge­wandt.

So­weit die Be­klag­te die Auf­fas­sung ver­tre­ten hat, auf den Ab­zugs­be­trag sei die Mehr­wert­steu­er auf­zu­schla­gen, ist das nach neu­es­ter Recht­spre­chung des BGH (Urt. v. 09.04.2014 – VI­II ZR 215/13, NJW 2014, 2435) mit der dor­ti­gen Be­grün­dung, auf die der Se­nat Be­zug nimmt und der sich der Se­nat nach ei­ge­ner Prü­fung an­schließt, ab­zu­leh­nen.

V. Der Zins­an­spruch der Klä­ge­rin ist … aus dem Ge­sichts­punkt des Ver­zugs … be­grün­det, wo­bei die Klä­ge­rin al­ler­dings nur Zin­sen ab Rechts­hän­gig­keit ver­lan­gen kann. Denn in ih­rem (Mahn-)Schrei­ben vom 10.05.2013 wird der Be­klag­ten … nur die Auf­for­de­rung un­ter­brei­tet, ein „ak­zep­ta­bles An­ge­bot“ zu ma­chen; das reicht für ei­ne wirk­sa­me Auf­for­de­rung zur Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­tra­ges er­sicht­lich nicht.

Im Üb­ri­gen kann die Klä­ge­rin auch nur Zin­sen in Hö­he von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz ver­lan­gen, weil im Rah­men der be­gehr­ten Rück­ab­wick­lung kei­ne Ent­gelt­for­de­rung i. S. von § 288 II BGB … gel­tend ge­macht wird.

Vor­ste­hen­de Ab­än­de­rung des land­ge­richt­li­chen Ur­teils be­züg­lich der Ne­ben­for­de­run­gen ist dem Se­nat auch oh­ne kon­kre­ten Be­ru­fungs­an­griff mög­lich (BGH, Urt. v. 09.03.2012 – V ZR 147/11, NJW 2012, 2796).

VI. We­gen des be­rech­tig­ten Rück­ab­wick­lungs­ver­lan­gens der Klä­ge­rin bleibt es auch bei der vom Land­ge­richt ge­trof­fe­nen Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zugs …

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