1. Ein Neuwagen, zu dessen Sonderausstattung eine Rückfahrkamera gehört, ist mangelhaft i. S. des § 434 I 1 BGB, wenn die Kamera dem Fahrer den Bereich hinter dem Fahrzeug ausweislich des Verkaufsprospekts des Herstellers und der Betriebsanleitung mit statischen und dynamischen Hilfslinien anzeigt, tatsächlich aber keine Hilfslinien in das Kamerabild eingeblendet werden. Jedenfalls liegt unter diesen Umständen ein Mangel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2, I 3 BGB vor.
  2. Ein Verstoß gegen eine Beschaffenheitsvereinbarung indiziert regelmäßig die Erheblichkeit der in der Lieferung einer mangelhaften Kaufsache liegenden Pflichtverletzung des Verkäufers (im Anschluss an BGH, Urt. v. 06.02.2013 – VIII ZR 374/11, NJW 2013,1365; Urt. v. 17.02.2010 – VIII ZR 70/07, NJW-RR 2010, 1289). Die bewusste Entscheidung des Käufers für eine teure Zusatzausstattung – hier: eine Rückfahrkamera – steht deshalb grundsätzlich der Annahme entgegen, deren vollständiges oder teilweises Fehlen sei nur unerheblich. Daran ändert nichts, dass Fahrzeugnutzer in früheren Zeiten ohne die technischen Möglichkeiten, die Fahrzeuge heute zumindest gegen Aufpreis bieten, ausgekommen sein mögen.
  3. Ob ein behebbarer Mangel erheblich ist, richtet sich grundsätzlich nach der Höhe der voraussichtlich aufzuwendenden Mängelbeseitigungskosten. Auf das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung kommt es dagegen nur ausnahmsweise an, nämlich wenn sich der Mangel nicht oder nur mit einem hohen Kostenaufwand beseitigen lässt.

OLG Hamm, Urteil vom 09.06.2015 – 28 U 60/14

Sachverhalt: Die Klägerin verlangt aus abgetretenem Recht die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen neuen Mercedes-Benz CLS 350 CDI mit der Begründung, die Rückfahrkamera bzw. das – unter anderem das Bild der Kamera darstellendene – Infotainmentsystem (COMAND-System) des Neuwagens sei mangelhaft.

Die Klägerin bestellte das streitgegenständliche Fahrzeug am 29.03.2012 zum Preis von 77.617,75 € brutto bei der Beklagten; diese nahm die Bestellung mit Auftragsbestätigung vom 16.04.2012 an. In der Auftragsbestätigung werden – soweit für den vorliegenden Fall von Interesse – als Sonderausstattung eine Rückfahrkamera (400 €), ein aktiver Park-Assistent inkl. „PARKTRONIC“ (730 €) sowie ein „COMAND APS“ (2.620 €) aufgeführt.

In der Broschüre des Herstellers für das streitgegenständliche Fahrzeug, die der Klägerin nach Aktenlage vor Vertragsschluss überlassenen wurde, heißt es in Bezug auf die Rückfahrkamera:

„ Die Rückfahrkamera schaltet sich automatisch beim Einlegen des Rückwärtsganges ein. Sie unterstützt den Fahrer beim Längs- und Quereinparken. Statische und dynamische Hilfslinien zeigen dem Fahrer Lenkwinkel und Abstand an.“

Auch in der Betriebsanleitung für das Fahrzeug, die seinerzeit über die Internetseite der Daimler AG abgerufen werden konnte, war zu der Sonderausstattung vermerkt:

„ Die Rückfahrkamera ist eine optische Einpark- und Manövrierhilfe. Sie zeigt Ihnen auf dem COMAND-System den Bereich hinter dem Fahrzeug mit Hilfslinien an.“

Anfang Dezember 2012 schloss die Klägerin mit der L-GmbH einen Leasingvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug. Darin war als Kaufpreis – aus nicht dargelegten Gründen – ein Betrag von 67.285 € netto (= 80.069,15 € brutto) vorgesehen. Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der L-GmbH kann der Leasingnehmer wegen eines Fahrzeugmangels nicht die L-GmbH, sondern – aus abgetretenem Recht der L-GmbH – nur den Lieferanten des Leasingfahrzeugs in Anspruch nehmen.

Kurz vor Weihnachten 2012 wurde das bestellte Fahrzeug an die Klägerin ausgeliefert.

Wenig später stellte ihr Geschäftsführer fest, dass bei aktivierter Rückfahrkamera im Display des COMAND-Systems keine Hilfslinien dargestellt wurden. Von dem Vertragshändler V erhielt der Geschäftsführer die Information, dass die Sonderausstattung „Rückfahrkamera“ bei dem von der Klägerin erworbenen Fahrzeugmodell keine Darstellung von Hilfslinien im Display vorsehe.

Daraufhin wandte sich die Klägerin mit Schreiben vom 22.01.2013 an das Daimler-Kundencenter und rügte, dass die Rückfahrkamera nur bei eingeschaltetem Radio funktioniere und im Display keine Hilfslinien sichtbar seien. Die letztgenannte Funktion sei angeboten, bestellt und bezahlt worden, aber nicht vorhanden. Das Kundencenter teilte der Klägerin mit Schreiben vom 14.02.2013 mit:

„Obwohl in der aktuellen Preisliste die Rückfahrkamera mit statischen und dynamischen Hilfslinien vermerkt ist, erfolgt die Nutzung der Rückfahrkamera bei Ihrem [Fahrzeug] ohne diese Hilfslinien. Aufgrund der elektronischen Voraussetzungen ist keine Änderung darstellbar.“

Als Entgegenkommen bot man der Klägerin einen Servicegutschein in Höhe von 200 € an. Damit war der Geschäftsführer der Klägerin nicht einverstanden.

Mit Anwaltsschreiben vom 13.03.2013 erklärte die Klägerin aus abgetretenem Recht den Rücktritt vom Kaufvertrag und begründete diesen näher. Dabei machte sie deutlich, dass sie die Sonderausstattung „Rückfahrkamera“ nicht bestellt hätte, wenn sie gewusst hätte, was sie erhalten werde.

Unter dem 06.08.2013 hat die Klägerin schließlich die vorliegende Klage, auf Rückabwicklung des Kaufvertrages gerichtete Klage erhoben. Dieser hat der Landgericht insoweit stattgegeben, als es die Beklagte verurteilt hat, der L-GmbH den Kaufpreis (80.069,15 €) zuzüglich Zinsen und abzüglich einer Nutzungsentschädigung (6.205,35 €), Zug um Zug gegen Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs, zurückzuzahlen. Außerdem hat das Landgericht den Annahmeverzug der Beklagten festgestellt.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das streitgegenständliche Fahrzeug habe bei Übergabe an die Klägerin einen Sachmangel i. S. von § 434 I 1 BGB aufgewiesen. Denn bei aktivierter Rückfahrkamera würden im Display des COMAND-Systems keine Hilfslinien dargestellt, obwohl – was sich aus der Verkaufsbroschüre und der Betriebsanleitung ergebe – die Darstellung von Hilfslinien Teil einer von den Parteien getroffenen Beschaffenheitsvereinbarung sei. Der Mangel sei nicht unerheblich i. S. von § 323 V Satz 2 BGB. Zwar lasse er sich beheben; eine Mangelbeseitigung sei aber – wie die Beklagte zuletzt selbst mitgeteilt habe – nur mit vergleichsweise hohen Kosten möglich. Deshalb müsse für die Beurteilung, ob der Mangel erheblich sei, ausnahmsweise auf das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung abgestellt werden. Diese sei erheblich, weil die Rückfahrkamera ihrer Funktion nur dadurch gerecht werde, dass statische und dynamische Hilfslinien dem Fahrer den jeweiligen Lenkwinkel und Abstand anzeigen. Zudem indiziere der Umstand, dass das Vorhandensein der Hilfslinien Teil einer Beschaffenheitsvereinbarung sei, die Erheblichkeit des Mangels.

Die Berufung der Beklagten war überwiegend erfolglos.

Aus den Gründen: B. … Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus … abgetretenem Recht gemäß §§ 437 Nr. 2, 434, 323, 346, 398 BGB Anspruch auf Rückabwicklung des … Kaufvertrags, mit dem sie von der Beklagten den streitgegenständlichen Pkw zum unstreitig auf 80.069,15 € brutto erhöhten Kaufpreis erworben hat.

Wie das Landgericht zu Recht festgestellt hat, lagen die Voraussetzungen für den erstmals mit Schriftsatz vom 13.03.2013 erklärten und im Prozess konkludent wiederholt erklärten Rücktritt vor.

I. Der streitbefangene Mercedes-Benz war und ist mangelhaft i. S. von § 434 I BGB, weil er – was zwischen den Parteien unstreitig ist – … bei eingeschalteter Rückfahrkamera keine dynamischen und statischen Hilfslinien anzeigt, obwohl diese Funktion der Sonderausstattung „Rückfahrkamera“ in dem – vor Vertragsschluss ausgegebenen und Grundlage des Kaufentschlusses der Klägerin gewordenen – Verkaufsprospekt bzw. der Preisliste des Herstellers als vorhanden angegeben war.

1. In dem Fehlen der Hilfslinien liegt ein Sachmangel i. S. von § 434 I 1 BGB; das Fahrzeug weist deswegen eine vereinbarte Beschaffenheit nicht auf.

Grundsätzlich sind beim Fahrzeugkauf alle im Bestellschein und der Annahmeerklärung aufgeführten Eigenschaften des Fahrzeugs ausdrückliche Beschaffenheitsvereinbarungen i. S. von § 434 I 1 BGB (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 12. Aufl., Rn. 416, 2440). Vorliegend ergibt sich allerdings aus der in der Auftragsbestätigung vom 16.04.2012 enthaltenen Aufzählung der bestellten Zusatzausstattung „Rückfahrkamera“ und „COMAND APS“ nicht, welche konkreten Eigenschaften diese Sonderausstattung nach den Vorstellungen der Parteien haben sollte. Um das bestimmen zu können, müssen die Begleitumstände des Einzelfalles ausgewertet werden. Dabei sind die Angaben des Verkäufers, aber auch – auf den Erwartungshorizont des Kunden erkennbar Einfluss nehmende – (Modell-)Beschreibungen in vor Vertragsschluss überlassenen Prospekten (so beispielsweise BGH, Urt. v. 29.06.2011 – VIII ZR 202/10, NJW 2011, 2872) oder Preislisten zu berücksichtigen, wenn sie vom Kunden der Bestellung zugrunde gelegt worden sind.

Vorliegend haben dem Geschäftsführer der Klägerin vor Vertragsschluss die Preisliste sowie die Verkaufsbroschüre des Herstellers vorgelegen. Diese Unterlagen verweisen ausdrücklich darauf, dass die Sonderausstattung „ Rückfahrkamera“ es in Zusammenschau mit der Sonderausstattung „COMAND-System“ dem Fahrer ermöglicht, nicht nur durch das Bild der Rückfahrkamera den Raum hinter dem Mercedes-Benz in den Blick zu nehmen, sondern außerdem durch Anzeigen der statischen und dynamischen Hilfslinien Abstände zu Hindernissen und die Fahrzeugposition in der Umgebung besser einzuschätzen. Wählt der Kunde diese kostenträchtige Zusatzausstattung gezielt aus, zeigt sich daran, dass es ihm auf die beschriebenen Funktionen ankommt.

Wie die Klägerin unwidersprochen ausgeführt hat, war für ihren Geschäftsführer der Aspekt des zielgerichteten und schadensfreien Rückwärtsfahrens deshalb von besonderer Bedeutung, weil der Mercedes-Benz – was von der Beklagten nicht in Abrede gestellt wird – bauartbedingt beim Blick nach hinten besonders unübersichtlich ist und das Rückwärtsfahren wie das Einparken mit der individuell gewählten Sonderausstattung erheblich erleichtert wird. Dass gerade dieser Aspekt für die Klägerin bzw ihren Geschäftsführer bedeutsam gewesen ist, wird auch ohne Weiteres dadurch offenbar, dass nicht nur die Rückfahrkamera nebst „COMAND-System“, sondern auch noch der „Aktive Park-Assistent“ als Zusatzausstattung gewählt worden ist. Das lässt zwanglos und für die Beklagte bei Vertragsschluss erkennbar den Schluss darauf zu, dass die Klägerin alle Möglichkeiten der Sicherheits- und Komfortoptimierung in Bezug auf das Rückwärtsfahren bzw. Einparken ausschöpfen wollte, die der Hersteller anbot.

Allein mit der Rückfahrkamera war das durch das Gesamtpaket erreichbare „Plus“ an Komfort und Sicherheit nicht zu erreichen, was sich schon offenbart, wenn die Angaben des Herstellers in der Betriebsanleitung ausgewertet werden. In ihr ist nämlich ausgeführt, dass je nach Position des Fahrzeugs die Möglichkeit besteht, dass die Rückfahrkamera Hindernisse perspektivisch verzerrt, nicht richtig oder gar nicht anzeigen kann. Gerade dann können insbesondere die Hilfslinien wertvolle Hilfe beim Rückwärtsfahren bieten, die sonst fehlt, sodass der sinngemäß von der Beklagten geäußerten Einschätzung, letztlich seien die Hilfslinien zwar bequem, aber unnötig, nicht zu folgen ist.

In der Gesamtschau ergibt sich, dass sich die Soll-Beschaffenheit des Fahrzeugs im Streitfall nach den jedenfalls konkludent in den Vertrag einbezogenen publizierten Angaben zu der Sonderausstattung, wie sie in der Preisliste/dem Verkaufsprospekt zu finden sind, richten sollte.

2. Soweit die Beklagte in der Berufungsbegründung bezogen auf die Darstellung der Hilfslinien vorgebracht hat, es sei von ihr entgegen der Auffassung des Landgerichts keine Beschaffenheitsgarantie i. S. der §§ 443 f. BGB übernommen worden, ist das weder von der Klägerin behauptet noch vom Landgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt worden. Sowohl von der Klägerin als auch vom Landgericht wird vielmehr nur eine einfache Beschaffenheitsvereinbarung i. S. von § 434 I 1 BGB angenommen. Auf die Frage, unter welchen Umständen eine (weitergehende) Beschaffenheitsgarantie anzunehmen ist, muss der Senat deshalb nicht eingehen.

3. Dass in den die Zusatzausstattung beschreibenden Angaben des Herstellers in der Preisliste bzw. der Verkaufsbroschüre zugleich eine die berechtigten Erwartungen des Käufers bestimmende öffentliche Äußerung gemäß § 434 I 3 BGB zu sehen ist, begegnet nach Aktenlage auch in der Vorstellung der Beklagten keinem Zweifel.

Der Mercedes-Benz weist deshalb jedenfalls auch einen Sachmangel gemäß § 434 I 2 Nr. 2, I 3 BGB auf.

II. Eine Frist zur Nacherfüllung (§ 323 I BGB) musste die Klägerin der Beklagten nicht setzen.

Unabhängig davon, dass die Klägerin aufgrund des Schreibens des Kundencenters … vom 14.02.2013 annehmen durfte und musste, dass der Mangel einer Nacherfüllung nicht zugänglich sein würde, hat die Beklagte durch ihr vorprozessuales Verhalten, aber auch durch ihren Schriftsatz vom 28.02.2014 unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie eine Nacherfüllung aus Kostengründen nicht vornehmen wolle und deshalb ablehne (§ 439 III 1 BGB).

III. Dem von der Klägerin erklärten Rücktritt vom Kaufvertrag stehen auch keine Ausschlussgründe entgegen. Insbesondere stellt sich das Fehlen der Anzeige der Hilfslinien nicht als unerheblich i. S. von § 323 V 2 BGB dar.

Die in diesem Zusammenhang vorzunehmende einzelfallbezogene Abwägung der Interessen der Vertragspartner (s. auch BGH, Urt. v. 28.05.2014 – VIII ZR 94/13, NJW 2014, 3229) führt vorliegend dazu, dass zulasten der – für die behauptete Geringfügigkeit des Mangels darlegungs- und beweisbelasteten – Beklagten von einem erheblichen Mangel auszugehen ist.

1. Nach inzwischen ständiger Rechtsprechung des BGH (vgl. nur Urt. v. 06.02.2013 – VIII ZR 374/11, NJW 2013,1365, und Urt. v. 17.02.2010 – VIII ZR 70/07, NJW-RR 2010, 1289) indiziert der Verstoß gegen eine Beschaffenheitsvereinbarung in der Regel die Erheblichkeit der – in der Lieferung der mangelhaften Kaufsache liegenden – Pflichtverletzung. Das ist im Streitfall nicht anders: Die bewusste Entscheidung für eine teure Zusatzausstattung durch die Klägerin lässt ohne Weiteres den Schluss darauf zu, dass gerade die nach dem Inhalt der vor Vertragsschluss überlassenen Unterlagen verbundenen Funktionen der Zusatzausstattung für die Wahl der Käuferin maßgebliches Gewicht gehabt haben. Das steht grundsätzlich der Annahme entgegen, das vollständige oder teilweise Fehlen der Funktionen habe nur geringfügige Bedeutung.

Umstände, die die Indizwirkung entkräften könnten, sind nicht auszumachen.

a) Dabei kommt es im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung im vorliegenden Fall nicht maßgeblich auf die Höhe der Mängelbeseitigungskosten, sondern auf das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung an.

Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung bei behebbaren Mängeln im Rahmen des § 323 V 2 BGB regelmäßig auf die Höhe der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten abzustellen (s. dazu nur BGH, Urt. v. 28.05.2014 – VIII ZR 94/13, NJW 2014, 3229). Anderes gilt, wenn der Mangel nicht oder nur mit hohen Kosten behebbar ist; dann kommt es vornehmlich auf das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung an (BGH, Urt. v. 29.06.2011 – VIII ZR 202/10, NJW 2011, 2872). Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass hier eine Konstellation vorliegt, in der der Mangel zwar behebbar ist, wegen der hierfür erforderlichen besonders hohen Kosten aber ausnahmsweise auf den Umfang der Funktionsbeeinträchtigung abzuheben ist. Das greifen die Parteien auch nicht an.

Die durch die fehlenden Hilfslinien bestehende Funktionseinschränkung der Rückfahrkamera ist nicht als geringfügig anzusehen.

b) Dabei ist der Verweis der Beklagten auf die technisch eingeschränkten Möglichkeiten früherer Zeiten und auf die Tatsache, dass bis vor wenigen Jahren Fahrzeugführer ganz ohne Rückfahrkamera ausgekommen seien, ohne rechtliche Relevanz. Welche technischen Möglichkeiten Fahrzeuge gleich welchen Herstellers in der Vergangenheit ihrem Fahrer boten, ist für die Beantwortung der Frage, ob das Fehlen von vom Verkäufer angebotener, bestellter und bezahlter Zusatzfunktionen Anfang 2012 bei einem Mercedes-Benz sich als geringfügige Beeinträchtigung darstellt, ohne Belang. Die allgemeine technische Entwicklung bei Kraftfahrzeugen und geringere Sicherheits-und Komfortstandards früherer Zeiten haben keinen Bezug zum vorliegenden Einzelfall und sind zur Heranziehung im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung daher ungeeignet.

c) Auch die Bezugnahme der Beklagten darauf, dass die Kosten für die Zusatzausstattung „Rückfahrkamera“ im Verhältnis zum Gesamtkaufpreis lediglich gering seien, führt nicht zur Annahme der Unerheblichkeit des Mangels.

Der Vergleich erscheint bereits im Ansatz verfehlt, denn die angebotene und von der Klägerin bestellte Funktion einer bildlichen Darstellung des Verkehrsraums hinter dem Fahrzeug mit Hilfslinien kann nur erfolgen, wenn neben der Rückfahrkamera auch das „COMAND-System“ verbaut wird, das deutlich teurer gewesen ist als die Rückfahrkamera.

Im Übrigen kommt es für die Feststellung der Erheblichkeit einer fehlerhaften oder nicht vorhandenen Funktion eines Bauteils ersichtlich nicht darauf an, ob dieses mit geringem Material- und Arbeitsaufwand verbaut werden konnte.

d) Der Hinweis der Beklagten darauf, dass die Zusatzausstattung „Rückfahrkamera“ allein hinreichenden Komfort/ausreichende Sicherheit beim Rückwärtsfahren biete und es der Hilfslinien eigentlich nicht bedürfe, führt ebenfalls nicht dazu, dass von einer Unerheblichkeit des Mangels auszugehen ist.

Wie in der Betriebsanleitung dargestellt, ist die Rückfahrkamera in bestimmten Situationen nicht in der Lage, ein einwandfreies und unverzerrtes Bild zu übermitteln. Schon vor diesem Hintergrund bietet sie eben nicht einen vergleichbaren Sicherheits- und Komfortstandard, wie er bei funktionierender Darstellung der dynamischen und statischen Hilfslinien erreicht wird. Außerdem ist hier die von der Klägerin angeführte Unübersichtlichkeit des Heckbereichs des fraglichen Fahrzeugmodells zu berücksichtigen, angesichts der den in Rede stehenden Hilfsfunktionen beim Rückwärtsfahren besondere Bedeutung zukommt.

2. Danach erweist sich auch dann, wenn keine Beschaffenheitsvereinbarung mit Indizwirkung für die Erheblichkeit der Pflichtverletzung angenommen würde, der Mangel im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung nach § 323 V 2 BGB nicht als unerheblich.

Wie bereits ausgeführt, kam es der Klägerin gerade darauf an, mit der individuell ausgesuchten Sonderausstattung für einen „Rundumschutz“ beim Rückwärtsfahren und Einparken Sorge zu tragen. Die Unübersichtlichkeit des Mercedes-Benz lässt der Einparkhilfe durch Anzeige der Hilfslinien im „COMAND-System“ besondere Bedeutung zukommen.

IV. In der Rechtsfolge kann die Klägerin von der Beklagten die Rückzahlung des Kaufpreises von 80.069,15 € Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs verlangen, wobei antragsgemäß die Zahlung an die Zedentin auszusprechen war.

Abzuziehen ist der Nutzungswertersatz für die von der Klägerin mit dem Fahrzeug absolvierte Fahrtstrecke (§ 346 BGB), der anhand der aktuellen – unstreitig gebliebenen – Laufleistung von 43.681 km mit 17.487,50 € zu bemessen ist. Dabei ist der Senat von der beim Neufahrzeugkauf anzuwendenden Berechnungsformel

$${\frac{\text{Bruttokaufpreis}\times\text{Laufleistung}}{\text{zu erwartende Gesamtlaufleistung}}}$$

(vgl. nur Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 1166) ausgegangen.

Wie vom Landgericht angenommen ist eine zu erwartende Gesamtlaufleistung von 200.000 km angesichts der Motorisierung des streitbefangenen Mercedes-Benz jedenfalls nicht zu hoch gegriffen; Gegenteiliges wird beklagtenseits auch nicht eingewandt.

Soweit die Beklagte die Auffassung vertreten hat, auf den Abzugsbetrag sei die Mehrwertsteuer aufzuschlagen, ist das nach neuester Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 09.04.2014 – VIII ZR 215/13, NJW 2014, 2435) mit der dortigen Begründung, auf die der Senat Bezug nimmt und der sich der Senat nach eigener Prüfung anschließt, abzulehnen.

V. Der Zinsanspruch der Klägerin ist … aus dem Gesichtspunkt des Verzugs … begründet, wobei die Klägerin allerdings nur Zinsen ab Rechtshängigkeit verlangen kann. Denn in ihrem (Mahn-)Schreiben vom 10.05.2013 wird der Beklagten … nur die Aufforderung unterbreitet, ein „akzeptables Angebot“ zu machen; das reicht für eine wirksame Aufforderung zur Rückabwicklung des Kaufvertrages ersichtlich nicht.

Im Übrigen kann die Klägerin auch nur Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz verlangen, weil im Rahmen der begehrten Rückabwicklung keine Entgeltforderung i. S. von § 288 II BGB … geltend gemacht wird.

Vorstehende Abänderung des landgerichtlichen Urteils bezüglich der Nebenforderungen ist dem Senat auch ohne konkreten Berufungsangriff möglich (BGH, Urt. v. 09.03.2012 – V ZR 147/11, NJW 2012, 2796).

VI. Wegen des berechtigten Rückabwicklungsverlangens der Klägerin bleibt es auch bei der vom Landgericht getroffenen Feststellung des Annahmeverzugs …

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