Bei der Rück­ab­wick­lung ei­nes Ge­braucht­wa­gen­kaufs ist der Wert­er­satz nach § 346 II 1 Nr. 1 BGB für her­aus­zu­ge­ben­de Nut­zun­gen auf der Grund­la­ge des Brut­to­kauf­prei­ses zu schät­zen; der so er­mit­tel­te Nut­zungs­wert­er­satz ist nicht um die Mehr­wert­steu­er zu er­hö­hen (im An­schluss an Se­nat, Urt. v. 26.06.1991 – VI­II ZR 198/90, BGHZ 115, 47).

BGH, Ur­teil vom 09.04.2014 – VI­II ZR 215/13

Sach­ver­halt: Die Par­tei­en strei­ten im Rah­men der Rück­ab­wick­lung ei­nes Kauf­ver­trags über die Fra­ge, in wel­cher Wei­se die Mehr­wert­steu­er bei der Er­mitt­lung des Wer­tes der an­zu­rech­nen­den Ge­brauchs­vor­tei­le zu be­rück­sich­ti­gen ist.

Der Klä­ger kauf­te von der Be­klag­ten mit Ver­trag vom 15.06.2010 ei­nen Pkw VW Toua­reg zum Preis von 75.795 € brut­to zu­züg­lich Über­füh­rungs- und Zu­las­sungs­kos­ten. Un­ter Be­ru­fung auf di­ver­se Män­gel des Fahr­zeugs ver­lang­te er die Rück­ab­wick­lung des Ver­trags, mit der sich die Be­klag­te schließ­lich ein­ver­stan­den er­klär­te. Die Be­klag­te er­stat­te­te dem Klä­ger ei­nen Be­trag von 67.664,69 €. Da­bei hat­te sie für die vom Klä­ger mit dem Fahr­zeug ge­fah­re­nen 24.356 km ei­nen Nut­zungs­wert von 9.230,32 € er­rech­net und die­sen Be­trag vom zu er­stat­ten­den Brut­to­kauf­preis ab­ge­zo­gen.

Mit sei­ner Kla­ge hat der Klä­ger die Ver­ur­tei­lung der Be­klag­ten zur Zah­lung wei­te­rer 3.759,47 € nebst Zin­sen so­wie zur Frei­hal­tung von vor­ge­richt­li­chen An­walts­kos­ten in Hö­he von 213,31 € be­gehrt. Das Amts­ge­richt hat die Be­klag­te ver­ur­teilt, an den Klä­ger 1.846,07 € nebst Zin­sen zu zah­len und ihn von vor­ge­richt­li­chen An­walts­kos­ten in Hö­he von 126,68 € frei­zu­hal­ten. Im Üb­ri­gen hat es die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten hat das Land­ge­richt – un­ter Zu­rück­wei­sung des Rechts­mit­tels im Üb­ri­gen – die Ver­ur­tei­lung der Be­klag­ten hin­sicht­lich der Haupt­for­de­rung auf 1.605,07 € nebst Zin­sen er­mä­ßigt. Da­ge­gen wand­te sich die Be­klag­te mit ih­rer Re­vi­si­on, mit der sie die Ab­wei­sung der Kla­ge in Hö­he wei­te­rer 1.403,30 € be­gehr­te. Das Rechts­mit­tel hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: [5]    I. Das Be­ru­fungs­ge­richt (LG Ham­burg, Urt. v. 28.06.2013 – 320 S 142/12, DAR 2013, 652) hat, so­weit für das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren von In­ter­es­se, im We­sent­li­chen aus­ge­führt:

[6]    Zu Recht ha­be das Amts­ge­richt dem Klä­ger im Rah­men des Rück­ab­wick­lungs­ver­hält­nis­ses ei­nen rest­li­chen Zah­lungs­an­spruch in Hö­he von 1.846,07 € zu­ge­spro­chen. Es sei da­bei für die Er­mitt­lung der Ge­brauchs­vor­tei­le so vor­ge­gan­gen, dass es von dem – um die Zu­las­sungs- und Über­füh­rungs­kos­ten be­rei­nig­ten – Brut­to­kauf­preis in Hö­he von 75.795 € aus­ge­gan­gen und den Wert der Ge­brauchs­vor­tei­le nach der von kei­ner der Par­tei­en in­fra­ge ge­stell­ten ki­lo­me­ter­an­tei­li­gen Wert­min­de­rung er­rech­net ha­be. Die Dif­fe­renz zwi­schen dem nach der üb­li­chen For­mel

\left({\frac{\text{Brut­to­kauf­preis}\times\text{ge­fah­re­ne Ki­lo­me­ter}}{\text{er­war­te­te Ge­samt­fahr­leis­tung}}}\right)

er­rech­ne­ten Wert der Ge­brauchs­vor­tei­le in Hö­he von 7.384,25 € und dem von der Be­klag­ten an­ge­rech­ne­ten Be­trag von 9.230,32 € be­lau­fe sich auf 1.846,07 €. Die­ser Be­trag ste­he dem Klä­ger noch zu.

[7]    Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten sei zu­sätz­lich zu dem vom Amts­ge­richt er­mit­tel­ten Nut­zungs­wert von 7.384,25 € nicht noch die Mehr­wert­steu­er aus die­sem Be­trag in Hö­he von 1.403,30 € in An­satz zu brin­gen. Al­ler­dings sei die Fra­ge, ob die Um­satz­steu­er bei der Er­mitt­lung der Nut­zungs­ver­gü­tung nur ein­mal – näm­lich durch Zu­grun­de­le­gung des Brut­to­kauf­prei­ses – zu ver­an­schla­gen sei, oder ein zwei­tes Mal durch den Auf­schlag auf den auf der Ba­sis des Brut­to­kauf­prei­ses er­rech­ne­ten Nut­zungs­wert, höchst­rich­ter­lich noch nicht ent­schie­den. Die Kam­mer schlie­ße sich der Auf­fas­sung des Bran­den­bur­gi­schen Ober­lan­des­ge­richts (Urt. v. 28.11.2007 – 4 U 68/07, ju­ris) an, das ei­nen zwei­ma­li­gen An­satz der Um­satz­steu­er für falsch hal­te.

[8]    Die so­nach vom Amts­ge­richt dem Klä­ger mit Recht zu­ge­spro­che­ne For­de­rung von 1.846,07 € ver­min­de­re sich je­doch um den Be­trag von 241 €, mit wel­chem die Be­klag­te in der Be­ru­fungs­in­stanz die Auf­rech­nung er­klärt ha­be, die auch durch­grei­fe. Die dem Klä­ger zu­ste­hen­de Haupt­for­de­rung re­du­zie­re sich da­mit auf 1.605,07 €.

[9]    II. Die­se Be­ur­tei­lung hält recht­li­cher Nach­prü­fung stand. Die Re­vi­si­on ist da­her zu­rück­zu­wei­sen.

[10]   Im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren ist nur noch im Streit, ob zu dem von den Vor­in­stan­zen auf der Grund­la­ge des (be­rei­nig­ten) Brut­to­kauf­prei­ses von 75.795 € zu­tref­fend er­rech­ne­ten Nut­zungs­wert in Hö­he von 7.384,25 € die Mehr­wert­steu­er aus die­sem Be­trag in Hö­he von 1.403,30 € hin­zu­kommt und da­mit von dem zu er­stat­ten­den Kauf­preis ab­zu­zie­hen ist. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Re­vi­si­on hat das Be­ru­fungs­ge­richt dies mit Recht ver­neint.

[11]   1. Bei der Rück­ab­wick­lung ei­nes Ge­braucht­wa­gen­kaufs ist der Wert­er­satz nach § 346 II 1 Nr. 1 BGB für her­aus­zu­ge­ben­de Nut­zun­gen auf der Grund­la­ge des Brut­to­kauf­prei­ses zu schät­zen (st. Rspr.; Se­nat, Urt. v. 26.06.1991 – VI­II ZR 198/90, BGHZ 115, 47, 49 ff.; Urt. v. 02.06.2004 – VI­II ZR 329/03, NJW 2004, 2299 [un­ter II 3], in­so­weit nicht ab­ge­druckt in BGHZ 159, 215).

[12]   Zur Be­grün­dung hat der Se­nat aus­ge­führt, dass die An­knüp­fung an den Brut­to­kauf­preis bei ei­ner Be­wer­tung des Ge­brauchs­nut­zens in Ab­hän­gig­keit vom Kauf­preis und von der vor­aus­sicht­li­chen Ge­samt­nut­zungs­dau­er dem In­ter­es­se der Ver­trags­be­tei­lig­ten ent­spricht. Denn im Ver­hält­nis der Ver­trags­par­tei­en zu­ein­an­der hat der Käu­fer den Brut­to­kauf­preis zu ent­rich­ten. Dann aber kann im Ver­hält­nis der Ver­trags­part­ner zu­ein­an­der auch der als Be­wer­tungs­maß­stab her­an­zu­zie­hen­de Kauf­preis nur der Brut­to­preis sein. An­dern­falls wür­de der Ver­käu­fer ei­ne ver­hält­nis­mä­ßig ge­rin­ge­re Nut­zungs­ver­gü­tung er­hal­ten, als sie dem Wert des von ihm zu­rück­zu­er­stat­ten­den Kauf­prei­ses ent­spricht. Das wird be­son­ders deut­lich, wenn der Ge­brauch durch den Käu­fer na­he­zu oder voll­stän­dig die mög­li­che Nut­zungs­zeit er­reicht. In die­sem Fall wür­de der Ver­käu­fer we­ni­ger als den Kauf­preis er­hal­ten, ob­wohl der Ge­brauchs­wert völ­lig auf­ge­zehrt ist und der ver­trags­mä­ßi­ge Brut­to­preis voll an den Käu­fer zu­rück­ge­zahlt wer­den muss (Se­nat, Urt. v. 26.06.1991 – VI­II ZR 198/90, BGHZ 115, 47, 51 f.).

[13]   2. Aus die­ser Recht­spre­chung des Se­nats hat das Be­ru­fungs­ge­richt mit Recht her­ge­lei­tet, dass zu dem auf der Grund­la­ge des Brut­to­kauf­prei­ses er­mit­tel­ten Nut­zungs­wert­er­satz nicht noch die Mehr­wert­steu­er hin­zu­zu­rech­nen ist; die­se ist viel­mehr von dem auf die­se Wei­se er­mit­tel­ten Nut­zungs­wert­er­satz be­reits um­fasst (eben­so OLG Bran­den­burg, Urt. v. 28.11.2007 – 4 U 68/07, ju­ris; KG, Urt. v. 23.05.2013 – 8 U 58/12, DAR 2013, 514, 515 f.). Das Vor­brin­gen der Re­vi­si­on recht­fer­tigt kei­ne an­de­re Be­ur­tei­lung.

[14]   a) Wie die Re­vi­si­on selbst ein­räumt, hat der Se­nat be­reits in sei­nem Ur­teil vom 26.06.1991 (VI­II ZR 198/90, BGHZ 115, 47, 52) den Ge­brauchs­wert auf der Grund­la­ge des Brut­to­kauf­prei­ses und nach dem Ver­hält­nis der tat­säch­li­chen Nut­zungs­dau­er zur höchst­mög­li­chen Nut­zungs­dau­er er­rech­net, oh­ne den so er­mit­tel­ten Ge­brauchs­wert um die Mehr­wert­steu­er aus die­sem Be­trag zu er­hö­hen. Die Ent­schei­dung des Be­ru­fungs­ge­richts steht mit­hin im Ein­klang mit der Recht­spre­chung des Se­nats.

[15]   Ins­be­son­de­re ste­hen die Aus­füh­run­gen des Be­ru­fungs­ge­richts zur An­knüp­fung der Wert­min­de­rung an den (Net­to-)Sach­wert ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Re­vi­si­on nicht im Wi­der­spruch zum ge­nann­ten Se­nats­ur­teil. Hier­bei han­delt es sich nur um ei­ne hy­po­the­ti­sche Kon­troll­rech­nung des Be­ru­fungs­ge­richts, die ver­deut­licht, dass die Um­satz­steu­er bei der Be­rech­nung der Ge­brauchs­vor­tei­le in ver­schie­de­ner Wei­se – mit je­weils glei­chem Er­geb­nis – be­rück­sich­tigt wer­den kann.

[16]   b) Die Auf­fas­sung der Re­vi­si­on, dass zu dem auf der Grund­la­ge des Brut­to­kauf­prei­ses nach der üb­li­chen For­mel er­rech­ne­ten Wert der er­lang­ten Ge­brauchs­vor­tei­le die Mehr­wert­steu­er (noch­mals) hin­zu­ge­schla­gen sei (Nach­wei­se zum Streit­stand bei Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 12. Aufl., Rn. 1179), trifft nicht zu. Das er­gibt sich be­reits aus dem Se­nats­ur­teil vom 26.06.1991 und dem dort ge­bil­de­ten Bei­spiel (VI­II ZR 198/90, BGHZ 115, 47, 52).

[17]   Wür­de näm­lich, wie die Re­vi­si­on meint, der nach der For­mel er­rech­ne­te Nut­zungs­wert um die Mehr­wert­steu­er er­höht, könn­te der Ver­käu­fer vom Käu­fer, wenn die­ser die mög­li­che Nut­zungs­zeit voll­stän­dig aus­ge­schöpft hät­te, für die er­lang­ten Ge­brauchs­vor­tei­le ei­nen hö­he­ren Be­trag be­an­spru­chen als den Brut­to­kauf­preis, den der Käu­fer sei­ner­zeit ge­zahlt und der Ver­käu­fer dem Käu­fer zu er­stat­ten hat. Der Käu­fer hät­te in die­sem Fall als Nut­zungs­wert­er­satz den vol­len Brut­to­kauf­preis zu­züg­lich der Mehr­wert­steu­er aus die­sem Be­trag zu er­stat­ten. Er wür­de da­mit im Zu­ge der Rück­ab­wick­lung, so­weit es um den Wert­er­satz für die Ge­brauchs­vor­tei­le geht, mit der Mehr­wert­steu­er dop­pelt be­las­tet. Dass dies nicht rich­tig wä­re, liegt auf der Hand. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat ei­nen zwei­ma­li­gen An­satz der Mehr­wert­steu­er des­halb mit Recht ab­ge­lehnt (eben­so KG, Urt. v. 23.05.2013 – 8 U 58/12, DAR 2013, 514, 515 f.).

[18]   c) Nicht zu be­an­stan­den ist auch, dass das Be­ru­fungs­ge­richt – im We­ge ei­ner Kon­troll­rech­nung – den Nut­zungs­wert auf der Grund­la­ge des Net­to­kauf­prei­ses be­rech­net und den so er­mit­tel­ten Be­trag um die Mehr­wert­steu­er er­höht hat. Denn bei­de Be­rech­nungs­wei­sen füh­ren, wie das Be­ru­fungs­ge­richt zu­tref­fend aus­ge­führt hat, zum sel­ben Er­geb­nis.

[19]   d) Aus dem Se­nats­ur­teil vom 18.05.2011 (VI­II ZR 260/10, WM 2011, 2141 Rn. 12 f.), auf das die Re­vi­si­on ver­weist, und aus der Recht­spre­chung des Bun­des­fi­nanz­hofs zur (feh­len­den) Um­satz­steu­er­pflich­tig­keit des Min­der­wert­aus­gleichs beim Lea­sing­ver­trag er­gibt sich für den vor­lie­gen­den Fall nichts an­de­res. Ge­gen­tei­li­ges wird auch von der Re­vi­si­on nicht aus­ge­führt. Sie räumt ein, dass die hier zu ent­schei­den­de Fra­ge von die­ser Recht­spre­chung nicht be­ant­wor­tet wird.

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