- Grundsätzlich darf der Käufer eines Gebrauchtwagens erwarten, dass das Fahrzeug keinen Unfall erlitten hat, bei dem es zu mehr als „Bagatellschäden“ gekommen ist. „Bagatellschäden“ sind grundsätzlich nur ganz geringfügige, äußere (Lack-)Schäden, nicht aber sonstige (Blech-)Schäden, auch wenn sie keine weitergehenden Folgen hatten und der Reparaturaufwand nur gering war. Ob das Fahrzeug nach dem Unfall fachgerecht repariert worden ist, ist nicht von Bedeutung. Allein die Tatsache, dass das Fahrzeug bei einem Unfall mehr als einen „Bagatellschaden“ erlitten hat, stellt einen Sachmangel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB dar.
- Es gehört zur üblichen und vom Käufer zu erwartenden Beschaffenheit eines Gebrauchtwagens, dass die tatsächliche Laufleistung des Fahrzeugs nicht erheblich höher ist als der angezeigte Kilometerstand. Eine Abweichung von mehr als 8.500 km, die bezogen auf den Kaufpreis eine Wertminderung des Fahrzeugs von 1.200–1.350 € zur Folge hat, ist erheblich und stellt einen Sachmangel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB dar.
- Der Käufer eines als „scheckheftgepflegt“ angepriesenen Gebrauchtwagens darf erwarten, dass das Fahrzeug in einer autorisierten Fachwerkstatt den vom Fahrzeughersteller vorgesehenen Inspektionen unterzogen worden ist und diese im Serviceheft („Scheckheft“) dokumentiert worden sind. Es genügt allerdings, wenn die Inspektionstermine im Wesentlichen eingehalten worden sind; eine lückenlose Kette von Inspektionen ist für ein „scheckheftgepflegtes“ Fahrzeug ebenso wenig erforderlich wie die Abwesenheit von technischen Mängeln.
LG Bielefeld, Urteil vom 23.12.2014 – 6 O 353/13
Sachverhalt: Der Kläger begehrt die Rückabwicklung eines Kfz-Kaufvertrages wegen eines Sachmangels des erworbenen Fahrzeugs.
Der Beklagte bot im Februar 2013 auf der Internetplattform „mobile.de“ einen im März 2003 erstzugelassenen Porsche 996 Carrera 4, den er selbst im Porsche-Zentrum N. erworben hatte, zum Kauf an. In dem entsprechenden Inserat wurde das Fahrzeug als „scheckheftgepflegt“ bezeichnet.
Der Wartungsplan für das Fahrzeug sieht folgende Wartungsintervalle vor:
- „kleine Wartung“: bei 20.000 km, 60.000 km usw.,
- „große Wartung“: bei 40.000 km, 80.000 km usw.,
- Jahreswartung: bei Fahrzeugen mit Jahresfahrleistungen unter 15.000 km,
- Regelwartung: unabhängig von der Fahrleistung spätestens nach zwei Jahren mit Ölfilterwechsel, es sei denn, die Kilometerleistung für eine Regelwartung ist schon vorher erreicht.
Ausweislich des Wartungsnachweises wurden an dem streitgegenständlichen Porsche folgende Wartungsarbeiten durchgeführt:
05.03.2004 (Kilometerstand: 15.100): „Jahreswartung“
07.03.2005 (Kilometerstand: 29.909): „Große Wartung“
29.06.2010 (Kilometerstand: 59.298): „Große Wartung mit Zündkerzenwechsel“
28.12.2012 (Kilometerstand: 62.383): „Kleine Wartung“
Der Kläger, der durch das Inserat bei „mobile.de“ auf das Fahrzeug aufmerksam geworden war, erwarb den Sportwagen nach kurzer Besichtigung am 23.02.2013 für 33.996 €, wobei er zu dem Fahrzeug unter anderem eine Sportauspuffanlage erhielt. In dem von beiden Parteien unterzeichneten schriftlichen Kaufvertrag ist vermerkt: „Gesamtfahrleistung lt. Vorbesitzer: 62.000 km“.
In der Folgezeit ließ der Kläger die Sportauspuffanlage anbringen und betankte das Fahrzeug – zumindest vereinzelt – mit Super-Kraftstoff statt mit dem empfohlenen Super-Plus-Kraftstoff. Kurze Zeit später ließ er das Fahrzeug im Porsche-Zentrum E. überprüfen. Dort wurden Getriebeprobleme und ein defekter Katalysator festgestellt. Der Beklagte tauschte daraufhin sowohl das Getriebe als auch den Katalysator aus, wobei der Getriebeaustausch auf Garantiebasis erfolgte und der Beklagte dem Kläger für den Austausch des Katalysators unter dem 14.06.2013 eine – bislang nicht beglichene – Rechnung über 2.142 € brutto stellte.
Mit Telefax seines Rechtsanwalts vom 25.07.2013 erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte den Beklagten zur Rückzahlung des um eine Nutzungsentschädigung für 7.300 gefahrene Kilometer verminderten Kaufpreises sowie zum Ersatz vergeblicher Aufwendungen auf.
Der Kläger hat gemeint, er habe keinen „scheckheftgepflegten“ Porsche erworben, und behauptet, der Beklagte habe ihm mündlich die Unfallfreiheit des streitgegenständlichen Fahrzeugs zugesichert. Tatsächlich sei das Fahrzeug vollständig neu lackiert und seien die beiden hinteren Radläufe unfachmännisch instand gesetzt worden. Bereits nach kurzer Zeit habe das Fahrzeug laute Motorgeräusche gemacht; der Motor sei unrund gelaufen, und unterhalb des Motors seien untypische Geräusche in Form eines Singens zu vernehmen gewesen. Das Getriebe und der Katalysator seien ausgetauscht worden, um diese Mängel zu beseitigen; beide Nachbesserungsversuche hätten das unruhige Motorverhalten aber nicht abgestellt, sondern verschlimmert. Außerdem sei durch Auslesen des Bordcomputers bei einem angezeigten Kilometerstand von 68.615 eine tatsächliche Laufleistung von 77.208 km bei einer Betriebsdauer von 1.644 Stunden festgestellt worden. Die Abweichung führe zu einem Wertverlust des Fahrzeuges von 5.000 €.
Die im Wesentlichen auf Zahlung von 33.751,13 € nebst Zinsen gerichtete Klage hatte überwiegend Erfolg: Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, an den Kläger 33.353 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw zu zahlen, und den Annahmeverzug des Beklagten festgestellt.
Aus den Gründen: I. Der Kläger hat gegen den Beklagten zunächst einen Anspruch auf Zahlung von 32.513,01 € Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Pkw gemäß §§ 346 I, II, 437 Nr. 2 Fall 1, 434, 323 I, II, 326 V BGB.
Zwischen den Parteien ist ein Kaufvertrag über den Pkw Porsche zustande gekommen, von dem der Kläger wirksam zurückgetreten ist. Der Kläger hat seinen Rücktritt mit Schreiben vom 25.07.2013 gegenüber dem Beklagten erklärt, ihm stand auch ein gesetzliches Rücktrittsrecht gemäß §§ 437 Nr. 2, 323, 326 V BGB zu.
1. Der Pkw Porsche war im Zeitpunkt der Übergabe mangelhaft i. S. des § 434 BGB.
a) Die Sachmangeleigenschaft ergibt sich zunächst daraus, dass der streitgegenständliche Pkw bei Übergabe (reparierte) Lack- und Blechschäden aufgewiesen hat, die sich mit einem oder mehreren streifenden Zusammenstößen bzw. Parkremplern in Einklang bringen lassen. Dabei kann offenbleiben, ob der Beklagte dem Kläger im Rahmen der Kaufvertragsverhandlungen mündlich zugesichert hat, dass der Pkw unfallfrei ist. Auf das Vorhandensein einer derartigen Beschaffenheitsvereinbarung i. S. des § 434 I 1 BGB kommt es nicht an, da der streitgegenständliche Porsche aufgrund der gutachterlich festgestellten Vorschäden jedenfalls nicht die Beschaffenheit aufgewiesen hat, die bei Sachen gleicher Art üblich ist und vom Käufer nach der Art der Sache erwartet werden kann (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB).
Es ist anerkannt, dass bei dem Kauf eines gebrauchten Wagens der normale alters- und gebrauchsbedingte Verschleiß grundsätzlich als üblich hinzunehmen ist und keinen Sachmangel darstellt. Welche Beschaffenheit noch üblich ist, hängt im Übrigen von den Umständen des Einzelfalles, wie beispielsweise dem Alter und der Laufleistung des Fahrzeugs, der Anzahl der Vorbesitzer und der Art der Vorbenutzung ab. Für das, was der Käufer erwarten kann, kann außerdem der Kaufpreis und der Pflegezustand des Fahrzeugs von Bedeutung sein. Weist das Fahrzeug Beschädigungen auf, kann es für die Unterscheidung, ob es sich um einen üblichen und daher hinzunehmenden „Bagatellschaden“ oder um einen nicht zu erwartenden Fahrzeugmangel handelt, auf die Art des Schadens und die erforderlichen Reparaturkosten ankommen.
Nach der Rechtsprechung des BGH kann der Käufer eines gebrauchten Kraftfahrzeuges insoweit grundsätzlich erwarten, dass das Fahrzeug im Zeitpunkt der Übergabe noch keinen Unfall erlitten hat, bei dem es zu mehr als „Bagatellschäden“ gekommen ist. Derartige „Bagatellschäden“ sind grundsätzlich nur ganz geringfügige, äußere (Lack-)Schäden, nicht dagegen sonstige (Blech-)Schäden, auch wenn sie keine weitergehenden Folgen hatten und der Reparaturaufwand lediglich gering war. Ob das Fahrzeug fachgerecht repariert worden ist, ist insoweit nicht von Bedeutung. Allein die Tatsache, dass das Fahrzeug einen über einen Bagatellschaden hinausgehenden Vorschaden erlitten hat, stellt einen Sachmangel dar (vgl. BGH, Urt. v. 10.10.2007 – VIII ZR 330/06, juris Rn. 19 f. m. w. Nachw.).
Das Gericht ist nach den Ausführungen des Sachverständigen davon überzeugt, dass am streitgegenständlichen Fahrzeug mehr als nur Bagatellschäden vorgelegen haben. Der Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt, dass eine Messung der Lackschichtdicken ergeben habe, dass die Abdeckung für das Verdeck und die Motorhaube, die Kofferraumklappe, die beiden vorderen Kotflügel und Türen sowie die beiden hinteren Seitenteile nachlackiert worden seien. Dabei seien auf der rechten Seite Lackschichtdicken zwischen 200 und 1400 µm und auf der linken Seite solche zwischen 200 und 450 µm festgestellt worden. Aufgrund dieser Lackschichtdicken kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass am streitgegenständlichen Fahrzeug Blechteile instand gesetzt und zusätzlich die Motorhaube, beide Kotflügel, beide Türen und die Seitenteile nachlackiert worden seien. Während die Lackschichtdicken auf der linken Seite lediglich auf eine Nachlackierung mit leichten Instandsetzungsarbeiten hindeuteten, sei am rechten vorderen Kotflügel und am rechten hinteren Seitenteil im Bereich der Radläufe mehr instand gesetzt und Blechschäden mit Spachtel ausgeglichen worden.
In der mündlichen Verhandlung vom 02.12.2014 führte der Sachverständige weiter aus, dass vor allem die Bereiche an den rechten Radläufen auffällig seien. Lackschichtdicken von über 1.000 µm seien in der Regel nur damit zu erklären, dass zusätzlich ein Spachtelauftrag stattgefunden habe, um Beulen zu beseitigen. Ausweislich Blatt 17 seines Gutachtens habe das streitgegenständliche Fahrzeug am rechten vorderen Radlauf Lackschichtdicken von teilweise 1.352 µm und am rechten hinteren Radlauf solche von knapp über 1.000 µm aufgewiesen. Die ursprünglichen Beulen müssten demnach mindestens eine Tiefe von 1.000 µm aufgewiesen haben. Allerdings sei zusätzlich zu bedenken, dass Fahrzeuge klassischerweise zunächst ausgebeult und nur die verbleibenden Verbeulungen gespachtelt würden, sodass es ebenfalls gut möglich sei, dass vor dem Spachtelauftrag tiefere Beulen vorhanden gewesen seien. Insgesamt seien die gespachtelten Flächen aber sehr konzentriert. Er gehe davon aus, dass die erheblichen Nachlackierungen erfolgt seien, um ein einheitliches Farbbild wiederherzustellen. Die üblichen Reparaturkosten für diejenigen Arbeiten, die tatsächlich an dem Fahrzeug durchgeführt worden sind, schätzt der Sachverständige auf circa 3.000 €. Insgesamt kommt er zu dem Ergebnis, dass die unterschiedlichen Lackschichtdicken sehr gut zu einem Schadensbild bei Streifschäden bzw. Parkremplern passe. Einen gravierenden Leitplankenkontakt schließt er hingegen aus.
Das Gericht geht aufgrund dieser Ausführungen davon aus, dass das Fahrzeug im Zeitpunkt der Übergabe reparierte Vorschäden aufgewiesen hat, die über die Bagatellgrenze im Sinne der Rechtsprechung hinausgehen. Dies beruht vor allem auf der Feststellung des Sachverständigen, dass das Fahrzeug nicht nur oberflächliche Lackschäden aufgewiesen hat, sondern darüber hinaus Blechschäden, die mit Spachtelauftrag instand gesetzt worden sind. Auch wenn diese Blechschäden nicht großflächig sind, sondern lediglich kleinere Bereiche an den Radläufen erfassen, muss ein Käufer diese in Anbetracht der Art und der Laufleistung des Fahrzeugs nicht erwarten. Der Kläger hat vorliegend keinen Mittelklassewagen gekauft, sondern einen Porsche Carrera Cabrio. Dieses Fahrzeug ist dem höheren Preissegment zuzuordnen und gilt als besonders hochwertig. Darüber hinaus wird es – aufgrund seiner Eigenschaft als Cabrio – häufig als Saisonfahrzeug bzw. „Schönwetterfahrzeug“ benutzt, was einem Käufer vorliegend durch die im Verhältnis zum Alter des Fahrzeugs äußerst geringe Laufleistung bestätigt wird. Ein durchschnittlicher Käufer erwartet bei einem solchen Wagen, dass dieser besonders pfleglich behandelt worden ist. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Fahrzeug ausweislich der Online-Anzeige erst zwei Vorbesitzer gehabt haben soll. Keinesfalls rechnet ein Käufer damit, dass trotz der Hochwertigkeit des Fahrzeugs und der geringen Laufleistung bereits Lack- und Spachtelarbeiten im Wert von 3.000 € – dies entspricht circa 9 % des streitgegenständlichen Kaufpreises – an dem Fahrzeug vorgenommen worden sind. Unerheblich ist dabei, ob die Vorschäden durch „Parkrempler“ oder im fließenden Verkehr entstanden sind.
In rechtlicher Hinsicht spielt es nach der Rechtsprechung des BGH keine Rolle, dass sich die Schäden nach den Ausführungen des Sachverständigen lediglich auf die Außenteile des Fahrzeugs bezogen haben und tragende Teile nicht beschädigt worden sind. Dass der Sachverständige selbst zu der Einschätzung gelangt ist, es liege jedenfalls „kein gravierender Unfallschaden“ vor, ändert an der vorbezeichneten Auffassung des Gerichts ebenfalls nichts, da der Sachverständige lediglich eine technisch-sachverständige Einschätzung, nicht aber ein rechtliche Bewertung vornehmen kann.
b) Ein weiterer Sachmangel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB ergibt sich schließlich aus der Laufleistungsabweichung von 8.623 km im Verhältnis zur angegebenen Gesamtlaufleistung. Auch insoweit kann offenbleiben, ob trotz der Angabe „Gesamtfahrleistung lt. Vorbesitzer“ eine Beschaffenheitsvereinbarung i. S. des § 434 I 1 BGB vorliegt. Denn die vorliegende Abweichung von der tatsächlichen Laufleistung stellt eine Abweichung von der Beschaffenheit dar, die Fahrzeuge dieser Art üblicherweise aufweisen und vom Käufer erwartet werden können (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB).
Ein durchschnittlicher Käufer in der Situation des Klägers darf aufgrund der gesamten streitgegenständlichen Umstände erwarten, dass die tatsächliche Laufleistung des Fahrzeuges nicht wesentlich höher ist als der Kilometerzähler anzeigt (OLG Bremen, Urt. v. 08.10.2003 – 1 U 40/03, NJW 2003, 3713; OLG Hamm, Urt. v. 11.12.2012 – I-28 U 80/12, juris Rn. 10, mit Verweis auf Reinking/Eggert, Der Autokauf, 11. Aufl., Rn. 2841).
Nach Einschätzung des Gerichts stellt eine Abweichung von mehr als 8.500 km bezogen auf den angegebenen Kilometerstand bei Übergabe des Fahrzeugs von 62.000 km eine erhebliche Abweichung dar. Ein durchschnittlicher Käufer des gebrauchten Porsche muss nicht damit rechnen, dass der angegebene Kilometerstand um mehr als 12 % von der eigentlichen Laufleistung abweicht. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass der Sachverständige festgestellt hat, dass er bei einer derartigen Tachomanipulation keinen erkennbaren Nutzen und auch keine sonstigen Auswirkungen sehe. Denn er hat gleichzeitig ausgeführt, dass diese streitgegenständliche Abweichung nach einer offiziellen Hochrechnung nach dem DAT-System für Kilometerkorrektur eine Wertminderung des Fahrzeuges in Höhe von 1.200–1.350 € bezogen auf den Kaufpreis ausmache. Dies entspricht circa 3,5–4 % des Kaufpreises.
c) Weiterhin ergibt sich die Mangelhaftigkeit daraus, dass das Fahrzeug entgegen der Angaben in der Online-Anzeige nicht scheckheftgepflegt ist (§ 434 I 1 BGB). Es weicht von dieser (zumindest konkludent) zwischen den Parteien vereinbarten Beschaffenheit ab.
Die Angabe „scheckheftgepflegt“ ist nach allgemeinen Grundsätzen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls aus Sicht eines objektiven Dritten in der Situation des Klägers auszulegen (§§ 133, 157 BGB). Wer ein „scheckheftgepflegtes“ Fahrzeug erwirbt, kann danach erwarten, dass die herstellerseits vorgeschriebenen Inspektionen von einer hierzu autorisierten Fachwerkstatt durchgeführt und im Scheckheft (Serviceheft) dokumentiert worden sind. Dabei genügt es, wenn die Inspektionstermine im Wesentlichen eingehalten worden sind; eine lückenlose Kette oder die Abwesenheit von technischen Mängeln wird nicht versprochen (vgl. LG Wuppertal, Urt. v. 23.05.2005 – 17 O 394/04, juris Rn. 39 m. w. Nachw.).
Diesen Anforderungen entspricht das streitgegenständliche Fahrzeug nicht. Die nach dem Wartungsplan erforderlichen Serviceintervalle sind in den Jahren 2005 bis 2010 nicht einmal ansatzweise eingehalten worden. Unabhängig davon, ob das Fahrzeug in dieser Zeit jeweils eine jährliche Kilometerleistung von 15.000 km erreicht hat oder nicht, steht fest, dass jedenfalls die erforderliche zweijährige Regelwartung mit Ölfilterwechsel wiederholt nicht eingehalten worden ist. Ausweislich des Wartungsnachweises wurden lediglich in den ersten beiden Jahren nach der Erstzulassung des Fahrzeugs die empfohlenen Serviceleistungen durchgeführt. Zwischen März 2005 und Juni 2010 sind hingegen keinerlei Inspektionen erfolgt, sodass zumindest zwei aufeinanderfolgende (Mindest-)Wartungstermine ausgeblieben sind. Diese Inspektionslücke von fünf Jahren muss ein Käufer, dem das Fahrzeug als „scheckheftgepflegt“ angepriesen wird, insbesondere angesichts des damaligen Alters des Fahrzeugs, seiner Zugehörigkeit zur oberen Fahrzeug- und Preisklasse und des herstellerseits vorgesehenen engmaschigen Wartungsplanes nicht erwarten (§§ 133, 157 BGB).
2. Es muss davon ausgegangen werden, dass sämtliche Sachmängel bereits bei Gefahrübergang i. S. des § 434 I BGB – im Zeitpunkt der Übergabe – vorgelegen haben. Für die fehlende Scheckheftpflege ist dies offensichtlich, hinsichtlich der sonstigen Mängel greift die Vermutungsregel des § 476 BGB.
Gemäß § 476 BGB wird bei einem Vebrauchsgüterkauf … vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, wenn sich ein Mangel innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang zeigt. Eine Ausnahme macht das Gesetz nur in Fällen, in denen diese Vermutung mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar ist.
a) Vorliegend ist zunächst von einem Verbrauchsgüterkauf auszugehen. Der Beklagte veräußerte das streitgegenständliche Fahrzeug als Unternehmer i. S. des § 14 BGB, der Kläger indes handelte mangels ausreichender gegenteiliger Anhaltspunkte als Verbraucher i. S. des § 13 BGB.
Gemäß § 13 BGB ist jede natürliche Person Verbraucher, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zwecke abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Ob ein Geschäft dem privaten oder dem unternehmerischen Bereich zuzuordnen ist, richtet sich nicht nach dem inneren Willen des Handelnden, sondern nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Inhalt des Rechtsgeschäfts (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Aufl. [2014], § 13 Rn. 4 m. w. Nachw.).
Nach den objektiven Umständen liegt ein Verbrauchergeschäft vor. Aus den Angaben im Kaufvertrag ergibt sich, dass der Kläger das Fahrzeug als Privatperson gekauft hat. Unter der Käufereigenschaft werden der Name des Klägers und seine persönliche Anschrift genannt. Ein Hinweis darauf, dass der Kläger für ein Unternehmen oder ein Gewerbe handelt, ist nicht ersichtlich. Der Kläger hat auch persönlich und nicht etwa in Vertretung eines Unternehmens unterschrieben. Diese objektiven Angaben decken sich mit dem Vortrag des Klägers, er habe das Fahrzeug für sich als Privatmann gekauft hat, um sich im Alltag fortzubewegen und seine Fahrten zur Arbeitsstätte durchzuführen.
Vor diesem Hintergrund ist das einfache Bestreiten des Beklagten, der Kläger habe nicht als Verbraucher gehandelt, unbeachtlich. Liegt nach den objektiven Umständen eine Verbrauchereigenschaft vor, hat der verkaufende Unternehmer ausreichende Umstände vorzutragen und zu beweisen, die auf ein Unternehmergeschäft schließen lassen (vgl. Palandt/Ellenberger, a. a. O., § 13 Rn. 4 m. w. Nachw.). Der Beklagte hat aber lediglich geltend gemacht, dass der Kläger als Steuerberater bzw. Wirtschaftprüfer arbeite und das Fahrzeug nach eigenen Angaben zur Ausübung seines Berufs nutzt. Den Einwand des Klägers, er sei nicht selbstständig, sondern lediglich Angestellter, hat er schlicht bestritten. Dies reicht aufgrund der eindeutigen Angaben im Kaufvertragsformular und der daraus folgenden Beweislastverteilung nicht aus. Auch einen Beweis dafür, dass der Kläger ein Gewerbe betreibt bzw. selbstständig ist, hat der Beklagte nicht angetreten.
b) Die fehlerhafte Laufleistungsangabe und die reparierten Vorschäden haben sich jeweils nach Übergabe des Pkw gezeigt, nämlich im Rahmen einer Überprüfung des Fahrzeugs bei einem dritten Händler.
c) Die Vermutungswirkung des § 476 BGB ist auch nicht ausnahmsweise ausgeschlossen.
Die Vermutung, dass ein Sachmangel bereits bei Gefahrübergang vorgelegen hat, ist nicht schon dann mit der Art des Mangels unvereinbar, wenn der Mangel typischerweise jederzeit auftreten kann und deshalb keinen hinreichend sicheren Rückschluss darauf zulässt, dass er schon bei Gefahrübergang vorlag. Bei äußeren Beschädigungen kommt eine Ausnahme von der Regelung des § 476 BGB nur in Betracht, wenn diese auch dem fachlich nicht versierten Käufer ohne Weiteres hätten auffallen müssen (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 73. Aufl. [2014], § 476 Rn. 11, mit Verweis auf BGH, Urt. v. 14.09.2005 – VIII ZR 363/04, NJW 2005, 3490; Urt. v. 21.12.2005 – VIII ZR 49/05, NJW 2006, 1195; Urt. v. 18.07.2007 – VIII ZR 259/06, NJW 2007, 2621).
Vorliegend wies das Fahrzeug im Zeitpunkt der Begutachtung äußerlich reparierte Lack- und Blechschäden sowie eine Abweichung der angegebenen von der tatsächlichen Laufleistung auf. Beide Umstände fallen einem fachlich nicht versierten Käufer nicht unmittelbar auf. Im Zeitpunkt der Übergabe hatte das Fahrzeug keine offensichtlichen äußeren Beschädigungen.
3. Die Sachmängel waren in Anlehnung an die obigen Ausführungen auch nicht unerheblich i. S. des § 323 V 2 BGB.
Nach aktueller Rechtsprechung des BGH ist sogar bei einem behebbaren Mangel im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung nicht mehr von einer Geringfügigkeit des Mangels und damit von einer Unerheblichkeit der Pflichtverletzung gemäß § 323 V 2 BGB auszugehen, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand einen Betrag von fünf Prozent des Kaufpreises übersteigt.
Vorliegend belaufen sich allein die geschätzten Reparaturkosten für die Vorschäden auf knapp 9 % des Kaufpreises. Im aktuellen Zustand weist das Fahrzeug außerdem einen Minderwert in Höhe mindestens 2.700 € (= circa 8 % des Kaufpreises) auf, wenn man die reparierten Lack- bzw. Blechschäden und die Abweichungen bei der Laufleistung zusammenrechnet. Selbst wenn man die einzelnen Sachmängel für sich genommen nicht als erheblich ansehen wollte, ist jedenfalls nach einer Gesamtbetrachtung die Erheblichkeitsschwelle i. S. des § 323 V 2 BGB überschritten.
4. Entgegen der Auffassung des Beklagten war eine Fristsetzung zur Nacherfüllung – jedenfalls für die dem Urteil zugrunde liegenden Mängel – nicht erforderlich (§ 326 V BGB). Eine Nacherfüllung war dem Beklagten gemäß § 275 BGB unmöglich. Denn durch die Nachbesserung (etwa in Form von Reparaturarbeiten o. Ä.) kann weder die Eigenschaft des Fahrzeuges als „Unfallfahrzeug“ noch die fehlerhaft angegebene Gesamtlaufleistung bzw. die Eigenschaft als „scheckheftgepflegt“ korrigiert werden. Eine Nachlieferung ist bei einem Gebrauchtwagenkauf regelmäßig nicht möglich (st. Rspr. des BGH; vgl. etwa BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 209/05, BGHZ 168, 64 [71 ff.]). Anhaltspunkte, die ausnahmsweise eine andere Sichtweise rechtfertigen, sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
5. Aufgrund des wirksamen Rücktritts vom Kaufvertrag kann der Kläger gemäß §§ 346 I, 348 BGB Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 33.996 € Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeuges beanspruchen.
Er hat aber gemäß § 346 II Nr. 1 BGB Wertersatz für die gezogenen Nutzungen zu leisten. Diese bestimmen sich nach den Grundsätzen über die lineare Wertminderung bei Gebrauchtfahrzeugen
$$(\text{Gebrauchsvorteil} = {\frac{\text{Bruttokaufpreis}\times\text{gefahrene Kilometer}}{\text{mutmaßliche Restlaufleistung}}}).$$
Das Gericht schätzt die voraussichtliche Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen Pkw Porsche Carrera gemäß § 287 ZPO auf maximal 250.000 km. Aufgrund der Feststellungen des Sachverständigen S ist davon auszugehen, dass der Kläger bis zur Unterstellung des Fahrzeugs im September 2013 insgesamt 8.201 km gefahren ist. Denn im Zeitpunkt der Begutachtung betrug der Tachostand 70.201 km. Hieraus ergibt sich eine Wertminderung in Höhe von 1.482,99 € bei Zugrundelegung der bei Kaufvertragsschluss angegebenen Laufleistung. Dies ergibt den zuerkannten Betrag in Höhe von 32.513,01 €.
II. Der Kläger hat weiterhin Anspruch auf Ersatz seiner vergeblichen Aufwendungen in Höhe von insgesamt 839,99 € gegen den Beklagten gemäß § 284 BGB.
Nach § 284 BGB sind anstelle des Schadensersatzanspruchs statt der Leistung auch vergebliche Aufwendungen zu ersetzen, die der Gläubiger im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung gemacht hat und billigerweise machen durfte. Ein Aufwendungsersatzanspruch scheidet lediglich aus, wenn der mit den Aufwendungen verfolgte Zweck auch ohne die Pflichtverletzung des Schuldners nicht erreicht worden wäre. Vergebliche Aufwendungen sind freiwillige Vermögensopfer, die der Gläubiger im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung erbracht hat, die sich aber wegen der Nichtleistung oder der nicht vertragsgerechten Leistung des Schuldners als nutzlos erweisen. Aufwendungen des Käufers auf eine gekaufte Sache, die sich später als mangelhaft herausstellt, sind in der Regel vergeblich, wenn der Käufer die Kaufsache wegen ihrer Mangelhaftigkeit zurückgibt und deshalb auch die Aufwendungen nutzlos sind. Denn Eigentum, Besitz und Nutzung einer mangelfreien Kaufsache sind die Leistung, auf deren Erhalt der Käufer vertraut und die er zum Anlass für Aufwendungen auf die Kaufsache nimmt (vgl. BGH, Urt. v. 20.07.2005 – VIII ZR 275/04).
Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs statt der Leistung gemäß §§ 280 I, III, 283 BGB liegen vor. Der Kläger konnte wegen der Unfalleigenschaft des Fahrzeugs und der Laufleistungsabweichung Schadensersatz nach § 283 BGB verlangen. Eine Fristsetzung war insoweit nicht erforderlich, weil die Nacherfüllung hinsichtlich dieser Mängel gemäß § 275 BGB unmöglich war (s. oben).
Der Kläger hat auch Aufwendungen im Vertrauen darauf getätigt, dass er das Fahrzeug dauerhaft behalten würde. Denn er hat durch die Firma F für einen Betrag von 94 € brutto einen Klimaanlagenservice und bei der Automanufaktur E-GmbH Diagnose- und Reparaturarbeiten zu einem Preis von 451,99 € durchführen lassen. Außerdem hat er für den Austausch des Katalysators und des Getriebes zwei Fahrten zum Beklagten auf sich genommen. Unbestritten beträgt die einfache Strecke vom Kläger zum Beklagten 147 km. Für die beiden geltend gemachten Fahrten zur Reparatur des Fahrzeugs sind unter Berücksichtigung einer Fahrtkostenpauschale von 0,25 €/km Fahrtkosten in Höhe von 147 € pro Pkw (Hin- und Rückfahrt) angefallen. Da der Kläger unbestritten jeweils mit zwei Fahrzeugen zu den Reparaturterminen fahren musste, ergibt sich ein Fahrtkostenanspruch in Höhe von insgesamt 294 €. Diese Aufwendungen durfte der Kläger auch billigerweise tätigen. Wäre der streitgegenständliche Pkw von Anfang an mangelfrei übergeben worden, waren sämtliche Aufwendungen nicht angefallen.
III. Die Ansprüche des Klägers sind auch nicht teilweise in Höhe von 2.142 € gemäß § 389 BGB durch die Aufrechnung des Beklagten erloschen. Dabei kann offenbleiben, ob der Beklagte überhaupt einen Anspruch auf Zahlung von 2.142 € brutto wegen des Austauschs des Katalysators hat. Denn der Aufrechnung steht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung gemäß § 242 BGB (dolo agit) entgegen.
Es ist anerkannt, dass niemand erfolgreich eine Leistung einklagen kann, die er sogleich nach Erhalt zurückgeben müsste, weil dem Schuldner ein entsprechender Gegenanspruch zusteht. Der hinter diesem Einwand stehende Rechtsgedanke lässt sich auch auf den vorliegenden Fall der Aufrechnung übertragen: Denn der Kläger könnte den aufgerechneten Betrag sofort im Rahmen des Aufwendungsersatzanspruchs gemäß § 284 BGB zurückverlangen. Die Reparaturkosten wegen des Austauschs des Katalysators stellen ebenfalls Aufwendungen auf die Sache dar, die der Kläger billigerweise machen durfte und die sich durch die Rückgabe des Pkw wegen der beschriebenen Sachmängel als nutzlos erweisen. Es wäre widersinnig, wenn das Gericht die Ansprüche des Klägers in Höhe der Aufrechnung als erloschen ansehen würde, der Kläger aber nach Erlass des Urteils unmittelbar Rückzahlung des Reparaturbetrages verlangen könnte und dadurch gegebenenfalls ein erneuter Rechtsstreit drohen würde.
IV. Der Kläger hat weiterhin Anspruch auf Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den zuerkannten Betrag seit dem 10.08.2013 gemäß §§ 280 I, II, 286, 288 BGB. Dem Beklagten ist mit Schreiben vom 25.07.2013 vergeblich eine Frist zur Zahlung bis zum 09.08.2013 gesetzt worden, sodass er sich gemäß § 286 II Nr. 1 BGB ohne gesonderte Mahnung seit dem 10.08.2013 in Zahlungsverzug befindet. Ein früherer Verzugszeitpunkt scheidet hingegen aus, da in dem Antwortschreiben des Beklagten vom 08.08.2013 keine endgültige und ernsthafte Zahlungsverweigerung i. S. des § 286 II Nr. 3 BGB gesehen werden kann. Stattdessen hat der Beklagte hier die Rücknahme des Fahrzeugs gegen Zahlung einen Betrages von 24.000–25.000 € angeboten.
V. Der Feststellungsantrag ist begründet. Der Beklagte befindet sich aufgrund des Schreibens vom 25.07.2013 in Annahmeverzug gemäß §§ 293, 295 BGB. Denn der Kläger hat dem Beklagten in diesem Schreiben ordnungsgemäß i. S. des § 295 BGB angeboten, den streitgegenständlichen Pkw bei ihm abzuholen …