Bei der Be­rech­nung der Nut­zungs­ent­schä­di­gung, die ein Kfz-Käu­fer nach ei­nem Rück­tritt vom Kauf­ver­trag dem Ver­käu­fer schul­det, stellt der ver­blei­ben­de Zeit­wert des Fahr­zeugs die Ober­gren­ze („Kap­pungs­gren­ze“) dar.

OLG Düs­sel­dorf, Ur­teil vom 03.07.2014 – I-3 U 39/12
(nach­fol­gend: BGH, Be­schluss vom 09.12.2014 – VI­II ZR 196/14)

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin, die ein von der Be­klag­ten er­wor­be­nes Kraft­fahr­zeug an die­se zu­rück­ge­ge­ben hat, for­dert von der Be­klag­ten die Er­stat­tung des Kauf­prei­ses ab­züg­lich ei­ner Nut­zungs­ent­schä­di­gung so­wie Scha­den­er­satz.

Die Klä­ge­rin er­warb auf­grund ei­ner Be­stel­lung vom 10.01.2005 von der Be­klag­ten ei­nen am 14.06.2004 erst­zu­ge­las­se­nen BMW X5 3.0d mit ei­ner Lauf­leis­tung von 14.890 km zum Preis von 53.740 €. Sie ver­kauf­te das Fahr­zeug, das un­strei­tig un­fall­frei sein soll­te, am 16.06.2011 für 19.040 € an ei­nen Weiß­rus­sen. Die­ser trat vom Kauf­ver­trag zu­rück, weil er ei­nen (er­heb­li­chen) Un­fall­scha­den auf der lin­ken Fahr­zeug­sei­te fest­ge­stellt hat­te. Die Klä­ge­rin er­stat­te­te ihm den Kauf­preis so­wie Kos­ten für Ho­tel und Flug (283 €).

Nach­dem die Klä­ge­rin den mit der Be­klag­ten ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trag zu­nächst we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung an­ge­foch­ten und die Be­klag­te un­ter An­rech­nung ei­ner nä­her be­rech­ne­ten Nut­zungs­ent­schä­di­gung zur Zah­lung von 24.721 € auf­ge­for­dert hat­te, stell­te sie das Kraft­fahr­zeug am 04.07.2011 bei der Be­klag­ten ab. Die­se ließ die Klä­ge­rin mit Schrei­ben vom 05.07.2011 auf­for­dern, das Fahr­zeug wie­der ab­zu­ho­len. Mit Schrei­ben vom 16.07.2011 wies die Be­klag­te so­dann dar­auf hin, dass die Nut­zungs­ent­schä­di­gung an­ders zu be­rech­nen sei, und er­rech­ne­te ei­nen Be­trag von 72.549 €.

Auf die Mit­tei­lung der Klä­ge­rin, es freue sie, dass die Be­klag­te zwi­schen­zeit­lich dem An­spruch auf Rück­ab­wick­lung des Kaufs dem Grun­de nach zu­stim­me, bot die Be­klag­te schließ­lich mit Schrei­ben vom 26.07.2011 die Zah­lung von 16.000 € an.

Im Ver­lau­fe des an­schlie­ßen­den Kla­ge­ver­fah­rens ver­äu­ßer­te sie das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug im März 2012 bei ei­nem Ki­lo­me­ter­stand von 149.940 € für 16.700 €.

Die Klä­ge­rin hat be­an­tragt, die Be­klag­te zur Zah­lung von ins­ge­samt (24.721 € + 283 € + 1.179,90 € =) 26.183,90 € nebst Zin­sen zu ver­ur­tei­len. Die Be­klag­te hat un­ter an­de­rem vor­ge­tra­gen, sie ak­zep­tie­re den Rück­tritt der Klä­ge­rin vom Kauf­ver­trag; ein­zi­ger Streit­punkt sei die Hö­he der Nut­zungs­ent­schä­di­gung.

Das Land­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Es hat aus­ge­führt, die Par­tei­en hät­ten zwar still­schwei­gend ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag ge­schlos­sen. Der Klä­ge­rin ste­he den­noch kein Zah­lungs­an­spruch ge­gen die Be­klag­te zu, weil die ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen den Kauf­preis weit über­stie­gen. Scha­den­er­satz kön­ne die Klä­ge­rin nicht ver­lan­gen, weil sie nicht ha­be be­wei­sen kön­nen, dass das Kraft­fahr­zeug bei Über­ga­be ei­nen Sach­man­gel ge­habt ha­be.

Die Be­ru­fung der Klä­ge­rin, die zu­letzt im We­sent­li­chen be­an­tragt hat, die Be­klag­te zur Zah­lung von 19.323 € nebst Zin­sen zu ver­ur­tei­len, hat­te über­wie­gend Er­folg.

Aus den Grün­den: II. … Die Klä­ge­rin kann von der Be­klag­ten Zah­lung von 19.323 € nebst Zin­sen ver­lan­gen. Die wei­ter­ge­hen­de Kla­ge auf Er­stat­tung vor­ge­richt­li­cher Rechts­an­walts­kos­ten ist al­ler­dings nicht ge­recht­fer­tigt.

Die Par­tei­en ha­ben sich – wie schon das Land­ge­richt an­ge­nom­men hat – auf ei­ne Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags aus dem Jah­re 2005 ge­ei­nigt. Die Be­klag­te hat aus­drück­lich im Ver­lauf des Rechts­streits er­klärt, der Rück­tritt sol­le ak­zep­tiert wer­den, der Streit be­tref­fe nur die Hö­he der Nut­zungs­ent­schä­di­gung …

Da die Par­tei­en bei ih­rer Ei­ni­gung kei­ne Ver­stän­di­gung dar­über ha­ben her­bei­füh­ren kön­nen, wie die Nut­zungs­vor­tei­le für die Klä­ge­rin zu be­rech­nen und in wel­cher Hö­he sie an­zu­rech­nen sein sol­len, ist die­se Re­ge­lungs­lü­cke durch Rück­griff auf das dis­po­si­ti­ve Recht und die hier­nach an­zu­wen­den­den Grund­sät­ze zu schlie­ßen. Hier­nach gilt:

Bei der Be­rech­nung der Ge­brauchs­vor­tei­le ist in der Re­gel da­von aus­zu­ge­hen, dass der Wert ei­ner Sa­che durch die Dau­er ih­rer Nutz­bar­keit bis zum Ein­tritt der Ge­brauchs­un­taug­lich­keit be­stimmt wird. Maß­geb­lich ist mit­hin der „Wert­ver­zehr“. Aus­gangs­punkt der Be­rech­nung ist der im Kauf­preis ver­kör­per­te ob­jek­ti­ve Wert der Sa­che. Prak­tisch ge­hand­habt wird das bei Kraft­fahr­zeu­gen in Re­gel­fall mit der an­er­kann­ten For­mel für die zeit­an­tei­li­ge li­nea­re Wert­min­de­rung, die das Land­ge­richt an­ge­wandt hat

{\frac{\text{Ge­braucht­kauf­preis}\times\text{zu­rück­ge­leg­te Ki­lo­me­ter}}{\text{er­war­te­te Rest­lauf­leis­tung}}}.

Die­se Be­stim­mung der Ge­brauchs­vor­tei­le nach dem li­nea­ren Wert­schwund ver­sagt al­ler­dings, wenn die her­aus­zu­ge­ben­de Sa­che durch Nut­zung kei­nen mess­ba­ren Wert­ver­lust er­lei­det, na­ment­lich bei Grund­stü­cken. Seit 2006 ist die Recht­spre­chung des BGH da­zu im Rah­men der Be­mes­sung von Vor­teils­aus­glei­chung bei Scha­den­er­satz­an­sprü­chen un­ein­heit­lich (BGH, NJW 2006, 53 er­mit­telt die Nut­zungs­vor­tei­le zeit­an­tei­lig li­ne­ar, BGH, NJW 2006, 1582 nach dem ob­jek­ti­ven Miet­wert/üb­li­chen Miet­zins; vgl. ins­ge­samt MünchKomm-BGB/Gai­er, 6. Aufl. [2012], § 346 Rn. 26 ff. m. w. Nachw.).

An­de­rer­seits bil­det der Kauf­preis nach § 346 II 2 BGB die Ober­gren­ze der Nut­zungs­ver­gü­tung; mehr als den Kauf­preis war der Käu­fer nicht be­reit für die Kauf­sa­che und die aus ihr zu zie­hen­den Ge­brauchs­vor­tei­le zu zah­len, mehr kann der Ver­käu­fer als Ge­gen­leis­tung nicht er­war­ten. Be­rech­net man hin­ge­gen die Ge­brauchs­vor­tei­le an­hand des Miet­prei­ses, der für die Nut­zung ei­ner ent­spre­chen­den Sa­che durch­schnitt­lich ge­zahlt wird, wür­de nicht der zwi­schen den Par­tei­en ab­ge­schlos­se­ne Kauf- oder Werk­ver­trag, son­dern fik­tiv ein Miet- oder Pacht­ver­trag rück­ab­ge­wi­ckelt und da­mit un­ter­stellt, der Käu­fer oder Be­stel­ler sei be­reit ge­we­sen, für die Nut­zung der Sa­che den – we­gen des Ge­winn­an­teils und der Vor­hal­te­kos­ten des Ver­mie­ters oft deut­lich hö­he­ren – Miet- oder Pacht­zins zu zah­len. Das lie­fe dem Ziel zu­wi­der, über die Rück­ab­wick­lung des Ver­trags le­dig­lich den Zu­stand wie­der­her­zu­stel­len, der vor dem Leis­tungs­aus­tausch be­stand (vgl. in­so­weit Stau­din­ger/Kai­ser, BGB, Neu­be­arb. 2012, § 346 Rn. 257).

Mit­hin ist grund­sätz­lich die auch vom Land­ge­richt an­ge­wand­te li­nea­re Be­rech­nungs­me­tho­de zur Er­mitt­lung der Hö­he der Nut­zungs­ent­schä­di­gung her­an­zu­zie­hen.

Al­ler­dings muss der Wert des Kraft­fahr­zeugs die Ober­gren­ze für den Er­satz von Nut­zungs­vor­tei­len dar­stel­len. Denn wenn der auf die vor­aus­sicht­li­che Ge­samt­lauf­leis­tung um­ge­leg­te Kauf­preis den Wert des Fahr­zeugs re­prä­sen­tiert, kann der Nut­zungs­aus­gleich nicht hö­her als der „ver­blie­be­ne Zeit­wert“ des Kraft­fahr­zeugs sein (vgl. Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 12. Aufl., Rn. 1165 m. w. Nachw.; Rein­king, NJW 2009, 151, 155, un­ter Hin­weis auf OLG Hamm, MDR 1982, 580, das ent­schie­den hat, die bei der Rück­ab­wick­lung ei­nes Kauf­ver­trags über ei­nen Pkw an­zu­rech­nen­de Nut­zungs­ver­gü­tung wer­de durch den Wert­ver­lust be­grenzt, den das Fahr­zeug wäh­rend der Nut­zungs­dau­er er­lei­de; vgl. auch OLG Düs­sel­dorf, Urt. v. 07.06.2004 – 1 U 11/04, ju­ris).

Dem­nach kann die Klä­ge­rin auf­grund der ver­ein­bar­ten Rück­ab­wick­lung von der Be­klag­ten den Kauf­preis ab­züg­lich von Nut­zungs­vor­tei­len ma­xi­mal bis zur „Kap­pungs­gren­ze“ des ver­blie­be­nen Zeit­werts er­hal­ten.

Hier be­trug der Zeit­wert des Kraft­fahr­zeugs bei Rück­ga­be an die Be­klag­te nach dem von den Par­tei­en nicht an­ge­grif­fe­nen und über­zeu­gen­den Gut­ach­ten des Sach­ver­stän­di­gen L 19.525 €, so­dass der zu­letzt ge­stell­te Kla­ge­an­trag, der dar­un­ter­liegt, in­so­weit ge­recht­fer­tigt ist.

Der Zins­an­spruch recht­fer­tigt sich aus dem Ge­sichts­punkt des Ver­zugs (§§ 286, 288 II BGB).

Nicht ge­recht­fer­tigt ist der An­trag auf Er­stat­tung vor­ge­richt­li­cher Rechts­an­walts­kos­ten, denn die Vor­aus­set­zun­gen des als An­spruchs­grund­la­ge al­lein in Be­tracht kom­men­den Ver­zugs lie­gen nicht vor …

Der Se­nat lässt we­gen der grund­sätz­li­chen Be­deu­tung der Fra­ge, ob bei der Be­rech­nung der Hö­he der Nut­zungs­ent­schä­di­gung der „ver­blei­ben­de Zeit­wert“ des Kraft­fahr­zeugs ei­ne Kap­pungs­gren­ze dar­stellt, ge­mäß § 543 II Nr. 1 ZPO die Re­vi­si­on zu.

Hin­weis: Der BGH hat mit Be­schluss vom 09.12.2014 – VI­II ZR 196/14 – dar­auf hin­ge­wie­sen, dass er be­ab­sich­ti­ge, die Re­vi­si­on der Be­klag­ten durch ein­stim­mi­gen Be­schluss ge­mäß § 552a ZPO zu­rück­zu­wei­sen. In dem Hin­weis­be­schluss heißt es un­ter an­de­rem:

„[1]    1. Es be­steht kein Grund für die Zu­las­sung der Re­vi­si­on (§§ 552a Satz 1, 543 II 1 ZPO). Das Be­ru­fungs­ge­richt hat die Re­vi­si­on mit Rück­sicht auf die Fra­ge zu­ge­las­sen, ob bei der Be­rech­nung ei­ner Nut­zungs­ent­schä­di­gung im Rah­men der Rück­ab­wick­lung ei­nes Ge­braucht­wa­gen­kaufs der ‚ver­blei­ben­de Zeit­wert‘ des Fahr­zeugs ei­ne Kap­pungs­gren­ze dar­stellt. Die­se Fra­ge recht­fer­tigt die Zu­las­sung der Re­vi­si­on in­des nicht, weil sie, wie sich aus den nach­fol­gen­den Aus­füh­run­gen … er­gibt, nicht ent­schei­dungs­er­heb­lich ist.

[2]    2. Die Re­vi­si­on hat auch kei­ne Aus­sicht auf Er­folg. Die Ent­schei­dung des Be­ru­fungs­ge­richts, das der Klä­ge­rin ei­nen Rück­zah­lungs­an­spruch in Hö­he von 19.323 € zu­er­kannt hat, ent­hält kei­nen Rechts­feh­ler zum Nach­teil der Be­klag­ten. Wie die Re­vi­si­ons­er­wi­de­rung zu­tref­fend aus­führt, er­gibt sich bei rich­ti­ger An­wen­dung der so­ge­nann­ten li­nea­ren Be­rech­nungs­me­tho­de, von der auch das Be­ru­fungs­ge­richt im Grund­satz aus­geht, le­dig­lich ei­ne Nut­zungs­ent­schä­di­gung in Hö­he von (rund) 30.874 €, so­dass nach Ab­zug die­ses Be­tra­ges vom Kauf­preis (53.740 €) noch ein Be­trag zu­guns­ten der Klä­ge­rin in Hö­he von 22.866 € ver­bleibt, al­so so­gar ein et­was hö­he­rer Be­trag, als der Klä­ge­rin vom Be­ru­fungs­ge­richt zu­ge­spro­chen wor­den ist.

[3]    Die bei Rück­ab­wick­lung ei­nes Ge­braucht­wa­gen­kaufs für je­den ge­fah­re­nen Ki­lo­me­ter zu zah­len­de Nut­zungs­ent­schä­di­gung ist in der Wei­se zu er­mit­teln, dass der ver­ein­bar­te (Brut­to-)Kauf­preis (hier 53.740 €) durch die vor­aus­sicht­li­che Rest­lauf­leis­tung des Fahr­zeugs (im Zeit­punkt der Über­ga­be des Fahr­zeugs an den Käu­fer) ge­teilt wird (vgl. Se­nat, Urt. v. 17.05.1995 – VI­II ZR 70/94, NJW 1995, 2159 [un­ter III 2]; Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 12. Aufl., Rn. 3563 f.). Als Rest­lauf­leis­tung wa­ren hier 235.000 km an­zu­set­zen, die sich er­ge­ben, wenn von der Ge­samt­fahr­leis­tung ei­nes ent­spre­chen­den Neu­fahr­zeugs (250.000 km) die bis zur Über­ga­be an die Klä­ge­rin (Käu­fe­rin) ge­fah­re­nen (rund) 15.000 km ab­ge­zo­gen wer­den. Hier­aus er­rech­net sich ei­ne Ent­schä­di­gung von 0,2287 € je Ki­lo­me­ter, so­mit für ge­fah­re­ne 135.000 km, wie be­reits aus­ge­führt, ein Be­trag von 30.874 €. Die ab­wei­chen­de Be­rech­nung des Land­ge­richts, die das Be­ru­fungs­ge­richt erst über die Gren­ze des ‚ver­blei­ben­den Zeit­werts‘ kor­ri­giert hat, be­ruht dar­auf, dass da­bei rechts­feh­ler­haft le­dig­lich die im Zeit­punkt der Rück­ab­wick­lung noch zu er­war­ten­de Rest­lauf­leis­tung des Fahr­zeugs (100.000 km), zu­grun­de ge­legt wor­den war. Wie die Re­vi­si­ons­er­wi­de­rung rich­tig dar­legt, führt ei­ne sol­che – ver­fehl­te – Be­rech­nungs­wei­se zu dem ‚un­sin­ni­gen‘ Er­geb­nis, dass die vom Käu­fer für je­den von ihm ge­fah­re­nen Ki­lo­me­ter zu zah­len­de Nut­zungs­ent­schä­di­gung um­so hö­her ist, je ge­rin­ger die Rest­lauf­leis­tung im Zeit­punkt der Rück­ga­be ist …“

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