1. Die Nutzungsentschädigung, die der Käufer eines Gebrauchtwagens dem Verkäufer nach einem wirksamen Rücktritt vom Kaufvertrag schuldet (§ 346 I, II 1 Nr. 1 BGB), ist anhand der im Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeugs an den Käufer zu erwartenden Restlaufleistung zu ermitteln. Auf die zu erwartende Gesamtlaufleistung eines entsprechenden Neufahrzeugs kann auch bei einem relativ jungen Gebrauchtwagen nicht abgestellt werden; vielmehr sind von der voraussichtlichen Gesamtlaufleistung eines entsprechenden Neufahrzeugs die Kilometer abzuziehen, die der Gebrauchtwagen bei der Übergabe an den Käufer bereits zurückgelegt hatte.
  2. Bei der Berechnung der Nutzungsentschädigung ist die zu erwartende Gesamtlaufleistung zu schätzen (§ 287 I 1, 2, II ZPO), wobei bei einem Dieselfahrzeug mindestens eine voraussichtliche Gesamtlaufleistung von 200.000 bis 250.000 km anzunehmen ist. Im Übrigen ist zwischen Nutzfahrzeugen und den verschieden Arten von Personenkraftwagen zu unterscheiden und zu berücksichtigen, dass Pkw, Kombis und SUV der mittleren und gehobenen Klasse aufgrund ihres Qualitätsstandards heutzutage – von Sonderfällen abgesehen – eine Gesamtlaufleistung von bis zu 400.000 km erreichen.
  3. Ordnet das Landgericht gemäß § 145 I ZPO an, dass mehrere in einer Klage erhobene Ansprüche (hier: gegen die Verkäuferin eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Pkw und gegen die Volkswagen AG) in getrennten Prozessen verhandelt werden, so bleibt das Landgericht für jedes der – nunmehr getrennten – Verfahren nicht schon gemäß § 261 III Nr. 2 ZPO (perpetuatio fori) sachlich zuständig, wenn der Kläger in beiden Verfahren dasselbe wirtschaftliche Ziel verfolgt und deshalb die – in der Summe 5.000 € übersteigenden – Werte der jeweiligen Streitgegenstände nicht gemäß § 5 Halbsatz 1 ZPO zusammengerechnet werden.
  4. Bei der Bemessung des Streitwerts einer Klage, mit der ein vom VW-Abgasskandal betroffener Kfz-Käufer die Feststellung erwirken will, dass ihm die Volkswagen AG zum Schadensersatz verpflichtet ist, kann zu berücksichtigen sein, dass die Volkswagen AG ein international bekanntes Großunternehmen ist, bei dem davon auszugehen ist, dass es sich schon einem Feststellungsurteil beugen wird. Deshalb kann es gerechtfertigt sein, den Streitwert so zu bemessen, als hätte der Käufer eine Leistungsklage erhoben, obwohl an sich mit Blick auf die fehlende Vollstreckbarkeit eines Feststellungsausspruchs ein Abschlag in Höhe von 20 % vorzunehmen wäre.

OLG Hamm, Beschluss vom 19.02.2019 – 32 SA 6/19

Sachverhalt: Die Klägerin bestellte am 20.01.2014 bei der ehemaligen Beklagten zu 1 (Verkäuferin) einen gebrauchten Audi A1 1.6 TDI Ambition für 18.500 €. Das Fahrzeug war am 10.04.2013 erstzugelassen worden; es hatte bei der Übergabe an die Klägerin eine Laufleistung von 7.704 km. Die Klägerin gab einen VW Polo für 5.500 € in Zahlung. Den restlichen Kaufpreis in Höhe von 13.000 € überwies sie auf ein Konto der Verkäuferin bei der B-Bank in O. und erhielt daraufhin unter dem 21.01.2014 eine Rechnung über den Gesamtkaufpreis.

Mit Schreiben vom 12.05.2016 erklärte die Klägerin die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und setzte der Verkäuferin eine Frist zur Rückabwicklung des Kaufvertrags bis zum 27.05.2016. Zur Begründung berief sie sich darauf, dass der Audi A1 mit einer Software – einer unzulässigen Abschalteinrichtung – ausgestattet sei, die bei Emissionsmessungen den Schadstoffausstoß des Fahrzeugs reduziere. Dies stellt die ehemalige Beklagte zu 1 unter dem 17.05.2016 in Abrede und bot der Klägerin ein Softwareupdate an.

Dieses Update ließ die Klägerin nicht installieren; vielmehr veräußerte sie ihr Fahrzeug am 13.12.2016 mit einer Laufleistung von 69.300 km für 10.000 € an einen Dritten.

Mit ihrer ursprünglich beim Landgericht O. am 18.10.2017 eingegangen Klage hat die Klägerin von der Verkäuferin des Fahrzeugs (ehemalige Beklagte zu 1) die Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 18.500 € Zug um Zug gegen Leistung von Wertersatz (statt Rückgewähr des Fahrzeugs) und Zahlung einer Nutzungsentschädigung verlangt. Außerdem hat die Klägerin die Feststellung begehrt, dass die Beklagte zu 2 – die nunmehr alleinige Beklagte – ihr Ersatz wegen des Schadens leisten müsse, für den die Manipulation des Fahrzeugs mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ursächlich sei. In der Klageschrift hat die Klägerin vorgetragen, dass dieser Schaden noch nicht bezifferbar sei, und zwar insbesondere wegen möglicher Steuernachforderungen und Kosten, die mit der Stilllegung des Fahrzeugs verbunden seien, sowie wegen möglicher Körperschäden, die dadurch entstehen könnten, dass das Fahrzeug nicht ordentlich geführt werden könne. Bezüglich der von ihr geschuldeten Nutzungsentschädigung hat die Klägerin die Auffassung vertreten, dass es unrealistisch sei, eine zu erwartende Gesamtlaufleistung von weniger als 300.000 km anzunehmen. Auch in Anbetracht der Tatsache, dass die Beklagte mit der besonderen Qualität ihrer Fahrzeuge und Motoren werbe, sei eine Gesamtlaufleistung von mindestens 400.000 km zu erwarten.

Das Landgericht O. hat den Streitwert mit Beschluss vom 24.10.2017 vorläufig auf 22.000 € festgesetzt. Auf dieser Grundlage hat die Klägerin einen Gerichtskostenvorschuss gezahlt.

Die Beklagte hat die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts O. gerügt. Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 08.12.2017 die Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht H. beantragt. Das Landgericht O. hat danach das Verfahren gegen die Beklagte zu 1 von dem Verfahren gegen die Beklagte zu 2 abgetrennt, sich im Verfahren gegen die Beklagte zu 2 – die nunmehr allein Beklagte – für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit insoweit mit Beschluss vom 13.12.2017 an das Landgericht H. verwiesen.

Nach Eingang der Akten beim Landgericht H. hat die Klägerin beantragt festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihr Ersatz für Schäden zu leisten, die aus der Manipulation des Fahrzeugs entstanden seien, und sie von Rechtsanwaltskosten freizustellen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 19.09.2018 hat das Landgericht die Klägerin darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf den Streitwert der Klage Bedenken gegen seine sachliche Zuständigkeit bestünden. Die Klägerin hat dazu Stellung genommen und erklärt, der Streitwert liege über 5.000 €, da sie das Fahrzeug für 18.500 € erworben und durch den Weiterverkauf nur 10.000 € erlöst habe. Demnach bestehe ein Schaden in Höhe der Differenz, also in Höhe von 8.500 €. Die von ihr – der Klägerin – zu zahlende Nutzungsentschädigung sei nicht so hoch, dass der Streitwert weniger als 5.000 € betrage.

Das Landgericht hat den Streitwert demgegenüber auf 3.277,58 € festgesetzt. Die voraussichtliche Gesamtlaufleistung des Audi A1 1.6 TDI Ambition betrage 250.000 km. Deswegen schulde die Klägerin eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 4.703,03 €, und ihr Gesamtschaden betrage mithin unter Berücksichtigung eines möglichen Steuerschadens (300 €) höchstens (8.500 € − 4.703,03 + 300 € =) 4.096,97 €. Von diesem Betrag sei allerdings, weil die Klägerin lediglich die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten begehre, ein Abschlag von 20 % zu machen, sodass der Streitwert 3.277,58 € betrage. Angesichts dessen sei nicht zweifelhaft, dass für die Klage sachlich das Amtsgericht und nicht das Landgericht zuständig sei.

Vor diesem Hintergrund hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 19.09.2018 beantragt, den Rechtsstreit an das Amtsgericht H. zu verweisen. Das Landgericht H. hat den Rechtsstreit daraufhin mit noch in der mündlichen Verhandlung verkündetem Beschluss dorthin verwiesen.

Das Amtsgericht H. hat sich mit Beschluss vom 23.11.2018 für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht H. zurückverwiesen. Die Klage sei mit einem Streitwert von mehr als 5.000 € beim Landgericht rechtshängig geworden. Ob der Einschätzung des Landgerichts O. gefolgt werden könne, das den Streitwert vorläufig auf 22.000 € festgesetzt habe, könne offenbleiben, da die Parteien übereinstimmend von einem Streitwert von 18.500 € ausgegangen seien. Eine nachträgliche Veränderung der Höhe des Streitwerts berühre die Frage der Zuständigkeit unter dem Aspekt der Fortdauer der Zuständigkeit des zunächst angerufenen Gerichts gemäß § 261 III Nr. 2 ZPO nicht (perpetuatio fori). Der Verweisungsbeschluss des Landgerichts vom 19.09.2018 sei nicht bindend, weil er willkürlich sei. Dies ergebe sich daraus, dass sich das Landgericht mit der Frage des maßgeblichen Zeitpunkts für die Beurteilung der Höhe des Streitwerts nicht auseinandergesetzt habe.

Das Landgericht H. hat die Sache nicht zurückgenommen und sie mit Beschluss vom 17.12.2018 dem OLG Hamm zur Bestimmung des sachlich zuständigen Gerichts vorgelegt. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts liege keine nachträgliche Veränderung des Streitgegenstands i. S. von § 261 III Nr. 2 ZPO vor. Der Streitwert habe vielmehr von Anfang an 5.000€ nicht überstiegen, sodass gemäß § 23 Nr. 1 GVG von Anfang an das Amtsgericht zuständig gewesen sei. Auf die vorläufige Streitwertfestsetzung durch das Landgericht O. komme es schon wegen der Verfahrenstrennung nicht an. Falls – wie hier – eine solche erfolgt sei, könne nicht auf den ursprünglichen Klageantrag abgestellt werden, weil ein Kläger sich sonst durch eine unzulässige Verfahrensverbindung die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts erschleichen könne. Jedenfalls ergebe sich die Zuständigkeit des Amtsgerichts H. aufgrund der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses vom 19.09.2018. Dass dieser willkürlich sei, wie das Amtsgericht meine, ergebe sich aus dessen Beschluss vom 23.11.2018 nicht und sei auch sonst nicht ersichtlich.

Der 32. Zivilsenat des OLG Hamm hat die Parteien zur Frage der sachlichen Zuständigkeit angehört. Er hat darauf hingewiesen, dass es für die Frage der sachlichen Zuständigkeit des Landgerichts zum einen auf den maßgeblichen Zeitpunkt für die Bemessung des Streitwerts bei einer Klageänderung nach Verfahrenstrennung und zum anderen darauf ankommen könnte, welchen Streitwert das Feststellungsbegehren der Klägerin habe. Insoweit könnte insbesondere von Belang sein, wie hoch der geltend gemachte Steuerschaden sei, ob weitere Schadenspositionen geltend gemacht worden seien und wie die Nutzungsentschädigung zu berechnen sei.

Eine Stellungnahme der Klägerin ist nicht erfolgt.

Die Beklagte hat vorgebracht, dass angesichts der Weiterveräußerung des Fahrzeugs nicht mehr die Gefahr bestehe, dass der Klägerin künftig Schäden entstünden. Die Nutzungsentschädigung, die die Klägerin sich anrechnen lassen müsse, beziffert die Beklagte auf der Grundlage einer voraussichtlichen Gesamtlaufleistung von 250.000 km mit 4.558,10 €. Zudem – so meint die Beklagte – müsse sich die Klägerin den von ihr erzielten Veräußerungserlös in Höhe von 10.000 € anrechnen lassen, sodass der Streitwert höchstens 3.941,10 € betrage. Es sei aber zu berücksichtigen, dass die Klägerin lediglich einen Feststellungsantrag gestellt habe. Dies rechtfertige einen Abschlag von 20 %, sodass lediglich ein Streitwert von 3.153,52 € verbleibe. Daher sei sachlich das Amtsgericht zuständig.

Das OLG Hamm hat entschieden, dass sachlich das Landgericht H. zuständig ist.

Aus den Gründen: II. Die Voraussetzungen einer Bestimmung des Gerichtsstands gemäß § 36 I Nr. 6 ZPO liegen vor.

1. Das Amtsgericht und das Landgericht H. haben sich jeweils i. S. von § 36 I Nr. 6 ZPO rechtskräftig für sachlich unzuständig erklärt. Das Landgericht H. hat den Rechtsstreit durch den in der mündlichen Verhandlung vom 19.09.2018 verkündeten, grundsätzlich gemäß § 281 II 2 ZPO unanfechtbaren Beschluss an das Amtsgericht H. verwiesen, das die Sache durch den den Parteien gemäß § 329 II 1, § 495 ZPO bekannt gemachten Beschluss vom 23.11.2018 an das Landgericht H. zurückverwiesen und darin zum Ausdruck gebracht hat, dass es sich ebenfalls nicht für zuständig hält. Demnach ist das OLG Hamm als das i. S. von § 36 I Nr. 6 ZPO im Rechtszug zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht zur Entscheidung des Kompetenzkonflikts berufen.

2. Sachlich zuständig ist das Landgericht H.

Die Klage ist nach der Abtrennung des Verfahrens gegen die vormals Erstbeklagte am 19.12.2017 bei ihm anhängig geworden. Der Verweisungsbeschluss des Landgerichts H. vom 19.09.2018 ist auch unter Berücksichtigung der ergänzenden Begründung aus dem Vorlagebeschluss vom 17.12.2018 nicht bindend.

a) Gemäß § 281 II 4 ZPO ist ein Verweisungsbeschluss zwar grundsätzlich bindend, da im Einklang mit der in § 281 II 2 ZPO normierten Unanfechtbarkeit im Interesse der Prozessökonomie das Verfahren verzögernde und verteuernde Zuständigkeitsstreitigkeiten vermieden werden sollen. Eine Bindung an einen Verweisungsbeschluss ist allerdings ausnahmsweise dann zu verneinen, wenn er schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 I 1 ZPO ergangen anzusehen ist, etwa weil er auf einer Verletzung rechtlichen Gehörs beruht, nicht durch den gesetzlichen Richter erlassen wurde oder jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als willkürlich betrachtet werden muss (vgl. BGH, Beschl. v. 09.06.2015 – X ARZ 115/15, juris Rn. 9; Beschl. v. 17.05.2011 – X ARZ 109/11, juris, Rn. 12; Senat, Beschl. v. 29.07.2011 – I-32 SA 57/11, juris Rn. 19; jeweils m. w. Nachw.).

Hierfür genügt nicht, dass der Beschluss inhaltlich unrichtig oder fehlerhaft ist. Willkür liegt vielmehr erst dann vor, wenn der Verweisungsbeschluss einen über einen einfachen Rechtsfehler hinausgehenden, schwerwiegenden Fehler aufweist, der unter Umständen begangen wurde, die den Verweisungsbeschluss in der Gesamtbetrachtung bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken als schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar und offensichtlich unhaltbar erscheinen lassen (BGH, Beschl. v. 09.06.2015 – X ARZ 115/15, juris Rn. 11 m. w. Nachw.). Ein Verweisungsbeschluss kann insbesondere dann als nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar und damit als willkürlich zu beurteilen sein, wenn das verweisende Gericht eine seine Zuständigkeit begründende Norm nicht zur Kenntnis genommen oder sich ohne Weiteres darüber hinweggesetzt hat (BGH, Beschl. v. 17.05.2011 – X ARZ 109/11, juris, Rn. 12; Beschl. v. 10.09.2002 – X ARZ 217/02, juris Rn. 14 ff.; Senat, Beschl. v. 21.01.2016 – 32 SA 69/15, juris Rn. 12; Zöller/Schultzky, ZPO, 32. Aufl. [2018], § 281 Rn. 17 m. w. Nachw.).

b) Dies ist vorliegend unter Berücksichtigung der nachfolgend näher dargestellten Gesichtspunkte im Ergebnis anzunehmen.

aa) Das Landgericht ist zwar im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass sich der Streitwert nach Klageerhebung nicht geändert hat, insbesondere nicht durch die Abtrennung des Verfahrens gegen die vormals erstbeklagte Verkäuferin des Kraftfahrzeugs. Entgegen der vom Amtsgericht in seinem Beschluss vom 23.11.2018 geäußerten Auffassung kommt es daher nicht darauf an, ob die Voraussetzungen des § 261 III Nr. 2 ZPO für eine sogenannte perpetuatio fori vorliegen.

Die Klägerin hat in der Klageschrift hinreichend deutlich gemacht, dass sie mit dem Antrag zu 2 gegenüber der Beklagten dasselbe wirtschaftliche Interesse verfolgt wie mit dem Antrag zu 1 und gegen die vormalige Beklagte zu 1 nur noch zusätzliche, weitere Schadenspositionen geltend macht, die sie noch nicht beziffern könne, insbesondere die aus ihrer Sicht zu erwartenden steuerlichen Nachteile des Geschäfts (vgl. Bl. 71 d. A.: „ebenfalls die Rückabwicklung des Kaufvertrags“). Daher liegt eine wirtschaftliche Teilidentität vor, die dazu führt, dass eine Streitwertaddition nach § 5 Halbsatz 1 ZPO nicht stattfindet, soweit die Anträge auf dasselbe wirtschaftliche Interesse gerichtet sind (vgl. in: Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl. [2018], § 5 Rn. 8 m. w. Nachw.).

Von einer solchen wirtschaftlichen Identität ist bei gegen Gesamtschuldner gerichteten gleichen Ansprüchen grundsätzlich auszugehen. Der Grund dafür liegt darin, dass der Kläger die von den mehreren Beklagten geforderte Leistung aus Gründen des materiellen Rechts insgesamt nur einmal verlangen kann (BGH, Beschl. v. 25.11.2003 – VI ZR 418/02, juris Rn. 6 m. w. Nachw.; st. Rspr.). Eine gesamtschuldnerische Inanspruchnahme ist vorliegend aus materiell-rechtlichen Gründen gemäß § 840 I BGB gegeben, auch wenn sie in der Formulierung der Klageanträge nicht zum Ausdruck gekommen ist, da die Klägerin die Mithaftung der Beklagten aus § 826 BGB herleitet. Die Rechtsprechung und herrschende Meinung im Schrifttum, der auch der Senat folgt, geht von einer gesamtschuldnerischen Haftung auch dann aus, wenn nur einer der Schädiger aus unerlaubter Handlung und der andere ausschließlich vertraglich haftet (vgl. MünchKomm-BGB/Wagner, 7. Aufl. [2017], § 840 Rn. 10 m. w. Nachw.; krit. BeckOGK/Förster, Stand: 01.11.2018, § 840 BGB Rn. 9). Eine solche Konstellation liegt hier nach dem insoweit allein maßgeblichen Vortrag der Klägerin vor. Folglich war der Streitwert bereits zum Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit allein nach dem in Bezug auf die nunmehr allein Beklagte verfolgten Schadensersatzbegehren zu berechnen und ist für die Annahme einer nachträglichen Veränderung i. S. von § 261 III Nr. 2 ZPO kein Raum.

bb) Die weitergehende Annahme des Landgerichts, dass der Streitwert der Klage von Anfang an unter der Grenze des § 23 Nr. 1 GVG gelegen habe, erweist sich jedoch als fehlerhaft und willkürlich. Daher ist der Verweisungsbeschluss vom 19.09.2018 nicht bindend. Die Berechnung des Feststellungsinteresses ist nicht ermessengerecht i. S. von § 3 ZPO erfolgt. Bei der Berechnung des Zuständigkeitsstreitwerts ist insoweit vom Interesse der klagenden Partei auszugehen, für das insbesondere ihr Vorbringen maßgeblich ist. Ausgehend hiervon hat das Landgericht insbesondere die Höhe der Nutzungsentschädigung nicht richtig berechnet.

(1) Da das Fahrzeug bei der Übergabe an die Klägerin noch kein Jahr alt war, lediglich einen Vorbesitzer hatte und mit weniger als 10.000 km noch keine hohe Laufleistung aufwies, war zwar grundsätzlich Raum für eine Schätzung der für die Höhe des Nutzungsersatzanspruchs maßgeblichen Gesamtlaufleistung gemäß § 287 I 1, 2, II ZPO. Es müssen jedoch auch bei relativ neuen Gebrauchtfahrzeugen die bei Kauf vorhandenen Kilometer von der zu erwartenden Gesamtfahrleistung abgezogen werden; bereits unter diesem Aspekt erweisen sich erstinstanzliche Entscheidung oftmals als fehlerhaft (vgl. Wackerbarth, NJW 2018, 1713, 1714 f., der bei einer allerdings nicht repräsentativen Auswahl eine Fehlerquote von fast 60 % ermittelt).

Der vom Landgericht H. mit 4.703,03 € ermittelte Nutzungsersatzanspruch ist der Höhe nach nur gerechtfertigt, wenn bei dem von der Klägerin erworbenen Fahrzeugmodell von einer Gesamtlaufleistung von 250.000 km auszugehen ist, was das Landgericht ohne Begründung und ohne Auseinandersetzung mit dem entgegenstehenden Klagevorbringen angenommen hat. Diese Einordnung ist ermessensfehlerhaft. Gegen sie spricht schon, dass bei Dieselfahrzeugen eine Gesamtfahrleistung von 200.000 bis 250.000 km in der Regel die untere Grenze dessen bildet, wovon im Rahmen der Schätzung nach § 287 I 1, 2, II ZPO auszugehen ist (vgl. OLG München, Urt. v. 24.10.2012 – 3 U 297/11, juris Rn. 60; vgl. auch MünchKomm-BGB/Gaier, 7. Aufl. [2016], § 346 Rn. 27; BeckOK-BGB/H. Schmidt, Stand: 01.11.2018, § 346 Rn. 47; jeweils m. w. Nachw.).

(2) Jedenfalls sind konkrete Ausführungen zum Fahrzeugtyp erforderlich und ist insbesondere zwischen Nutzfahrzeugen und den verschieden Arten von Personenkraftwagen zu unterscheiden. Bei dem von der Klägerin erworbenen Fahrzeug handelte es sich um eine Limousine, bei der die Vermutung eher für eine höhere Gesamtlaufleistung spricht. Pkw, Kombis und SUV der mittleren und gehobenen Klasse erreichen aufgrund ihres Qualitätsstandards heutzutage durchschnittliche Gesamtlaufleistungen von bis zu 400.000 km (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 13. Aufl. [2017], Rn. 1171 m. w. Nachw.). Dies hat die Klägerin so auch vorgetragen, ohne dass das Landgericht deutlich gemacht hat, warum es auf dieses Vorbringen nicht ankommen soll.

Etwas anderes könnte gelten, wenn das Fahrzeug vom Regelfall abweichende Eigenschaften aufweist, zum Beispiel eine besonders hohe Standzeit im Zeitraum zwischen Herstellung und Erstzulassung oder die Eigenschaft als Jahres- oder Vorführwagen, bei denen davon auszugehen ist, dass sie aufgrund besonderer Verkaufsbedingungen einen geringeren Kaufpreis erzielen (vgl. OLG Braunschweig, Urt. v. 23.07.2015 – 9 U 2/15, juris Rn. 75 m. w. Nachw.; rechtskräftig mit BGH, Urt. v. 29.06.2016 – VIII ZR 191/15, NJW 2016, 3015). Dass ein solcher Sonderfall hier vorlag, ergibt sich indes weder aus dem Vorbringen der Parteien noch aus dem Verweisungsbeschluss des Landgerichts H. bzw. der ergänzenden Begründung aus dem Vorlagebeschluss vom 17.12.2018.

Geht man hingegen mit der Klägerin von einer Gesamtlaufleistung von 500.000 km aus, so reduzierte sich der Nutzungsersatzanspruch der Beklagten auf 2.314,72 € und führte nur zu einer Minderung des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs auf 6.185,28 €. Bei einer Gesamtlaufleistung von 400.000 km, die die Klägerin als mindestens angemessen vorgetragen hat, würde sich eine Nutzungsentschädigung von 2.904,76 € ergeben und sich der Schadensersatzanspruch auf 5.595,24 € reduzieren. Bei den genannten Beträgen zuzüglich der erlittenen Steuernachteile hätte  sich das Landgericht die Frage stellen müssen, ob ein pauschaler Abschlag in Höhe von 20 % wegen des Feststellungsausspruchs zu machen ist, obwohl es sich bei der Beklagten um ein international bekanntes Großunternehmen handelt, bei dem davon auszugehen ist, dass es grundsätzlich dazu bereit und in der Lage ist zu erfüllen und es nicht auf eine Leistungsklage ankommen lässt, bevor es leistet (vgl. dazu BGH, Urt. v. 24.01.2017 – XI ZR 183/15, juris Rn. 16 [Großbanken]; Zöller/Greger, 32. Aufl. [2018], § 256 Rn. 8 m. w. Nachw. [Versicherungsgesellschaften u. a.]; zurückhaltend dagegen MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 5. Aufl. [2016], § 256 Rn. 55 a. E.).

(3) Schließlich ist nicht zu erkennen, dass das Landgericht den von der Klägerin behaupteten Minderwert des Fahrzeugs bei der Bemessung der Höhe des Wertersatzes berücksichtigt hat. Nach ihrem – für die Frage der Zuständigkeitsbestimmung allein maßgeblichen – Vortrag aus der Klageschrift hat der behauptete Sachmangel auch Folgen für die Gebrauchstauglichkeit des Fahrzeugs, die auch mit der Durchführung der von der Beklagten angebotenen Form der Nachbesserung nicht behoben sein würden (vgl. z. B. die Klageschrift vom 13.10.2017 zur Frage des Rücktrittsrechts der Klägerin unter B I 2 d). Solche Gesichtspunkte schlagen auch auf die Bemessung der Höhe des Nutzungsersatzanspruchs durch (vgl. Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 1172 m. w. Nachw.). Dass das Landgericht diesen Aspekt überhaupt als entscheidungserheblich erkannt hat, ist nach dem Verweisungsbeschluss vom 19.09.2018 auch unter Berücksichtigung des Vorlagebeschlusses vom 17.12.2018 zu bezweifeln. Soweit ersichtlich, hat es den diesbezüglichen Sachvortrag der Klägerin übergangen. Dies stellt einen Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 I GG dar, der für das Vorliegen von Willkür spricht.

(4) Nach alledem ist im Ergebnis festzustellen, dass das Landgericht H. die Höhe des Streitwerts nicht tragfähig und nicht in einer dem Willkürverbot genügenden Weise begründet hat. Es hätte sich in diesem Zusammenhang namentlich mit den fahrzeugspezifischen Gegebenheiten wie der Motorleistung und der tatsächlich in der Besitzzeit der Klägerin erzielten Fahrstrecke im Verhältnis zum erzielten Weiterverkaufspreis auseinandersetzen müssen (vgl. Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 3572 m. w. Nachw.). Dazu fehlen im Verweisungsbeschluss vom 19.09.2018 und im Vorlagebeschluss vom 17.12.2018 Ausführungen. Auch dieses Begründungsdefizits spricht für das Vorliegen von Willkür und gegen die Bindungswirkung der Verweisung, die daher jedenfalls in der Gesamtschau der dargelegten Gesichtspunkte im Ergebnis abzulehnen war.

III. Nach alledem war der Rechtsstreit an das Landgericht H. zurückzugeben. …

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