1. Ein Gebrauchtwagen ist nur dann frei von Unfallschäden, wenn er keine Schäden erlitten hat, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit als erheblich anzusehen sind. Geringfügige, ausgebesserte Blechschäden und Schönheitsfehler (Bagatellschäden) stehen einer Unfallfreiheit nicht entgegen.
  2. Beruft sich der Verkäufer darauf, die Rechte des Käufers wegen eines bestimmten Mangels seien nach § 442 I 1 BGB ausgeschlossen, weil der Käufer diesen Mangel bei Abschluss des Kaufvertrages gekannt habe, so muss er Tatsachen dartun und unter Beweis stellen, aus denen sich mit hinreichender Sicherheit auf eine Kenntnis des Käufers schließen lässt. Die allgemeine Behauptung, der Mangel sei offensichtlich gewesen, kann insofern unzureichend sein.
  3. Der Anspruch auf Nutzungswertersatz, der einem Kfz-Verkäufer bei einer Rückabwicklung des Kaufvertrages zusteht (§ 346 I, II Nr. 1 BGB) ist nicht von Amts wegen, sondern nur dann zu berücksichtigen, wenn der Verkäufer diesen Anspruch geltend macht (im Anschluss an OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 17.09.2013 – 15 U 42/13, juris).

LG Aachen, Urteil vom 25.04.2014 – 9 O 459/13
(nachfolgend: OLG Köln, Beschluss vom 18.07.2014 – 18 U 104/14)

Sachverhalt: Der Kläger begehrt die Rückabwicklung eines Kfz-Kaufvertrags.

Er erwarb von der Beklagten am 12.09.2013 für 7.500 € einen Gebrauchtwagen. Laut dem schriftlichen Kaufvertrag wurde das Fahrzeug „unter Ausschluss der Sachmängelhaftung verkauft, soweit der Verkäufer nicht nachstehend eine Garantie oder Erklärung abgibt“. Weiter heißt es:

„Garantien und Erklärungen des Verkäufers:

Nur bei Kauf aus erster Hand:

a) Unfall/Beschädigung

Der Verkäufer garantiert, dass das Kraftfahrzeug

[×]  keinen Unfallschaden
[  ]  keine sonstigen erheblichen Beschädigungen
[  ]  nur folgende Schäden (Anzahl, Art, Umfang)
_______________________________________
_______________________________________
erlitten hat.“

Angekreuzt wurde „keinen Unfallschaden“, nachdem die Beklagte bereits in einem Internetinserat und auch während der Vertragsverhandlungen mit dem Kläger erklärt hatte, dass das Fahrzeug unfallfrei sei.

Nachdem ihm das – zuvor ausführlich besichtigte – Fahrzeug übergeben worden war, ließ der Kläger es durch den Sachverständigen H begutachten, wofür ihm Kosten von 120 € entstanden. H führte in seinem Gutachten vom 23.09.2013 aus, dass der Allgemeinzustand des Fahrzeugs unter Berücksichtigung seines Alters zum Zeitpunkt der Besichtigung gut gewesen sei. Darüber hinaus stellte der Sachverständige fest, dass die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs beeinträchtigt sei, weil der vordere rechte Nebelscheinwerfer nicht (mehr) vollständig befestigt und die Lichtscheibe mit Farbnebel bedeckt sei. H beschrieb zudem mehrere „vorhandene/erkennbare Schäden“ am Fahrzeug vorne rechts, im Bereich der Dachhaut und der hinteren rechten sowie der vorderen linken Tür; außerdem stellte er einen reparierten Vorschaden hinten rechts oberhalb des Stoßfängers fest. Nach dem Gutachten belaufen sich die Reparaturkosten auf 1.065 € netto und beträgt der Minderwert 640 €.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 17.10.2013 erklärte der Kläger daraufhin den Rücktritt vom Kaufvertrag, nachdem der Beklagte eine Nachbesserung des Fahrzeugs mit anwaltlichem Schreiben vom 07.10.2013 abgelehnt hatte.

Die im Wesentlichen auf Rückzahlung des Kaufpreises gerichtete Klage hatte Erfolg.

Aus den Gründen: I. … Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 7.500 € Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs gemäß §§ 433, 434 I, 437 Nr. 2, 440, 323, 346 ff. BGB.

Die Parteien haben einen Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug geschlossen.

Das Fahrzeug wies auch einen Sachmangel bei Gefahrübergang i. S. des § 434 I BGB auf. Unstreitig wurde im schriftlichen Kaufvertrag eine Beschaffenheitsvereinbarung dahin gehend getroffen, dass das Fahrzeug unfallfrei war. Tatsächlich hat das Fahrzeug jedoch mehrere Schäden, welche auf Unfälle zurückzuführen sind. Die Beklagte räumte in ihrer persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 25.03.2014 insofern glaubhaft ein, dass ihr Ehemann beim Ausparken mal irgendwo gegen gefahren sei, wobei sie nicht ausschließen könne, dass das auch mehrfach passiert sein könne. Angesichts der ausweislich des Gutachtens des Sachverständigen H festgestellten (insoweit unstreitigen) Schäden steht insofern zur Überzeugung des Gerichts fest, dass das Fahrzeug unfallbedingte Schäden aufwies. Da diese Schäden unstreitig schon vorhanden waren, als das Fahrzeug dem Kläger übergeben wurde, war der Mangel auch schon bei Gefahrübergang vorhanden.

Da der Mangel auf einer Beschaffenheitsvereinbarung zwischen den Parteien beruht, kann sich die Beklagte auch nicht auf den vereinbarten Gewährleistungsausschluss berufen, da sich dieser nicht auf besonders vereinbarte Beschaffenheiten bezieht.

Der Kläger hatte auch keine Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis, welche die Rechte des Klägers gemäß § 442 BGB ausschließen würden. Für eine Kenntnis eines Mangels i. S. des § 442 BGB ist das positive Wissen des Käufers um den Mangel erforderlich. Dieses Wissen muss sich dabei auch auf den Umfang und die rechtliche Bedeutung des Mangels erstrecken. Ein Verdacht genügt hierfür nicht, ebenso wenig die fehlende Kenntnis über den Umfang des Mangels (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 73. Aufl. [2014], § 442 Rn. 7). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis trägt dabei der Verkäufer. Ihrer diesbezüglichen Darlegungslast ist die Beklagte jedoch weder in Bezug auf eine Kenntnis noch auf eine fahrlässige Unkenntnis des Klägers hinreichend nachgekommen, indem sie lediglich pauschal behauptet hat, dass die Schäden für jedermann ersichtlich gewesen seien. Auch wenn unstreitig ist, dass der Kläger das Fahrzeug ausgiebig besichtigt hat, so hat der Kläger eine plausible Erklärung dafür gegeben, weswegen er die Schäden nicht erkennen konnte. Der diesbezügliche Vortrag des Klägers, dass das Fahrzeug draußen stand und dass es geregnet hat, wurde von der Beklagten auch nicht bestritten. Insofern hätte die Beklagte jedoch näher dartun müssen, weswegen der Kläger die Schäden trotz der Nässe des Fahrzeugs und der damit einhergehenden Spiegelungen dennoch hätte erkennen können und müssen.

Der Mangel ist auch erheblich i. S. des § 323 V 2 BGB. Die Erheblichkeit ist bei einem Mangel grundsätzlich gegeben. Unerheblich kann eine optisch kaum erkennbar abweichende Beschaffenheit sein, sofern die Gebrauchsfähigkeit der verkauften Sache nicht eingeschränkt ist, wobei die Unerheblichkeit des Mangels vom Verkäufer darzutun ist. Dem genügt der pauschale Vortrag der Beklagten, es handele sich allenfalls um kleine Dellen, nicht. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich aus dem vom Kläger vorgelegten Gutachten des Sachverständigen H, welchem die Beklagte nicht qualifiziert entgegengetreten ist, ergibt, dass die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs aufgrund der vorhandenen Schäden beeinträchtigt ist.

Der Kläger hat der Beklagten auch erfolglos eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt (§ 323 I BGB) und den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der klägerische Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises auch nicht deswegen unschlüssig, weil er die gezogenen Nutzungen nicht in Anrechnung gebracht hat. Denn der Anspruch des Verkäufers auf Erstattung einer Nutzungsvergütung ist nicht von Amts wegen zu berücksichtigen, sondern nur dann, wenn er von dem Verkäufer geltend gemacht wird. Dies ist jedoch vor Schluss der mündlichen Verhandlung nicht geschehen (vgl. dazu OLG Köln, Beschl. v. 19.12.2013 – 15 U 132/13, n. v.; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 17.09.2013 – 15 U 42/13, juris)…

Hinweis: Das OLG Köln hat mit Beschluss vom 18.07.2014 – 18 U 104/14 – darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, die Berufung der Beklagten gemäß § 522 II 1 ZPO zurückzuweisen. in dem Hinweisbeschluss heißt es:

„Das Rechtsmittel ist … nicht begründet, weil das … Landgericht zutreffend die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche aus §§ 433, 434 I, 437 Nr. 2, 440 BGB i. V. mit §§ 323, 346 ff. BGB bzw. §§ 249 ff. BGB bejaht hat und zu Recht auch den Annahmeverzug der Beklagten gemäß §§ 293 ff. BGB festgestellt hat …

Im Einzelnen gilt Folgendes:

1. Dem mit der Klage hauptsächlich geltend gemachten und vom Landgericht zuerkannten Anspruch des Klägers auf Rückgewähr des Kaufpreises Zug um Zug gegen Herausgabe – hierunter ist nicht nur die Besitzübertragung, sondern auch die Übereignung zu verstehen – des erworbenen Pkw steht nicht entgegen, dass der Kläger die seitens des Sachverständigen festgestellten und vom Landgericht in unbedenklicher Weise als Unfallschäden gewürdigten Mängel kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 442 I BGB).

a) Der erworbene Pkw war bei Gefahrübergang nicht frei von Unfallschäden. Das folgt schon aus den seitens des vorprozessual hinzugezogenen Sachverständigen getroffenen und von der Beklagten nicht hinreichend bestrittenen Feststellungen zu einzelnen Mängeln des Fahrzeugs.

Denn frei von Unfallschäden ist ein Fahrzeug nur dann, wenn es keine Schäden erlitten hat, die als erheblich anzusehen sind, wobei geringfügige, ausgebesserte Blechschäden und Schönheitsfehler (Bagatellschäden) aus dem Begriff ausgeklammert werden (vgl. LG Karlsruhe, Urt. v. 01.02.2005 – 8 O 614/04, NJW-RR 2005, 1368 [1369]; OLG Düsseldorf, Urt. v. 03.12.2004 – 14 U 33/04, ZfS 2005, 130; jurisPK-BGB/Pammler, 6. Aufl. [2012], § 434 Rn. 197). Dabei bedarf es einer Gesamtwürdigung der betreffenden Schäden.

Im vorliegenden Fall mögen zwar die einzelnen Mängel für sich betrachtet die Bagatellgrenze nicht überschreiten. Insgesamt jedoch kann bei substanziiert dargelegten Reparaturkosten in Höhe von 1.065 € netto und einem Minderwert von 640 € netto einerseits und einem Kaufpreis von nur 7.500 € andererseits nicht mehr von Bagatellschäden ausgegangen werden, sondern liegt ein Schadensumfang vor, der den Wert des gekauften Pkw erheblich beeinträchtigt.

Ihrer Art nach gehen die Schäden ferner jedenfalls teilweise (Dellen und verschobener Stoßfänger) nicht auf den gewöhnlichen Gebrauch einen Pkw zurück, sondern setzen mehr oder weniger schwere Kollisionen des Pkw bzw. Anstöße voraus.

b) Soweit die Beklagte eine Kenntnis des Klägers allgemein behauptet und dies aus einer angeblichen Offensichtlichkeit der betreffenden Schäden („Dies war für Jedermann ersichtlich. Und nicht zu übersehen.“) herzuleiten versucht, reicht das vor dem Hintergrund der die Beklagte im Rahmen des § 442 I 1 BGB treffenden Darlegungs- und Substanziierungslast selbst dann nicht aus, wenn man dies der Berufungsbegründung folgend so versteht, dass das für alle seitens des Sachverständigen festgestellten Karosserieschäden gelten sollte.

Denn mag auch ein von Farbsprühnebel überdeckter Nebelscheinwerfer bei genauer Betrachtung des Pkw ohne Weiteres erkennbar … sein, so steht angesichts des geringen Umfangs des betreffenden Mangels und der konkreten Stelle doch keineswegs fest, dass der Kläger den Mangel entdeckt hatte. Erst recht gilt das nach den dem Sachverständigengutachten zu entnehmenden Fotos des Fahrzeugs sowie der Schadstellen für die übrigen Mängel bzw. Schäden. Zur Darlegung der nach § 442 I 1 BGB erforderlichen Kenntnis hätte die Beklagte konkrete äußere Tatsachen dartun und unter Beweis stellen müssen, aus denen sich eine Kenntnis des Klägers von den Schäden mit hinreichender Sicherheit hätte schließen lassen. Unter Berücksichtigung der Lichtbilder aus dem Sachverständigengutachten reichte dazu die allgemeine Behauptung, die Schäden seien offensichtlich gewesen, nicht aus, sondern es hätte insofern detaillierten Vorbringens zum genauen Umfang der Schäden sowie zu anderen Anhaltspunkten für eine Kenntnisnahme des Klägers von den Mängeln bedurft. Daran hat es nicht nur im ersten Rechtszug gemangelt, sondern daran fehlt es auch im Berufungsverfahren.

c) Ebenso wenig hat die Beklagte den Umfang der Schäden und die daraus folgende Offensichtlichkeit derselben so konkret dargetan, dass sich daraus eine grobe Fahrlässigkeit des Klägers ergibt. Das gilt selbst für den von Farbsprühnebel verdeckten Nebelscheinwerfer mit Rücksicht auf dessen Position am Fahrzeug und dessen geringen Umfang. Erst recht gilt das für die übrigen Schäden am Fahrzeug, zumal die Lichtbilder gegen eine Offensichtlichkeit dieser Schäden sprechen.

Hinzu kommt, dass die im Vertrag ausdrücklich übernommene Garantie der Unfallfreiheit als Beschaffenheitsgarantie i. S. des § 442 I 2 BGB einem Haftungsausschluss wegen grober Fahrlässigkeit entgegensteht …

2. Hinsichtlich der weiteren mit der Klage geltend gemachten Ansprüche des Klägers … sowie den Annahmeverzug betreffend ist den Ausführungen des Landgerichts auch unter Berücksichtigung der Berufungsbegründung nichts hinzuzufügen …“

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