Ein Pkw mit Automatikgetriebe hat keinen erheblichen, den Käufer zum Rücktritt berechtigenden Mangel, wenn das Fahrzeug allenfalls unter seltenen Umständen schlecht schaltet.

LG Stuttgart, Urteil vom 22.02.2013 – 2 O 138/11

Sachverhalt: Der Kläger erwarb am 23.11.2009 von der Beklagten ein acht Monate altes Kraftfahrzeug (Mercedes-Benz ML 500 4Matic), das eine Laufleistung von 14.705 km aufwies, für einen Kaufpreis von 57.500 € brutto.

Im März 2010 wandte sich der Kläger bei einem Kilometerstand von 15.000 wegen eines angeblich schlecht schaltenden Getriebes und plötzlicher und willkürlicher Einschaltstöße an einen autorisierten Fachbetrieb, der Software neu einspielte. Am 07.09.2010, bei einem Kilometerstand von ca. 60.000, wurde aufgrund einer erneuten Monierung des Klägers das Getriebe über das Steuergerät neu eingestellt. Am 27.10.2010 rügte der Kläger bei einem Kilometerstand von 70.000 wiederum ein schlecht schaltendes Getriebe. Die Beklagte entsandte daraufhin im November 2010 einen Mitarbeiter und ließ in der ersten Novemberhälfte 2010 ein neues Getriebe in das Fahrzeug des Klägers einbauen.

Mit Anwaltsschreiben vom 10.02.2011 erklärte der Kläger schließlich den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte die Beklagte zur Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs auf. Hierfür setzte er der Beklagten eine Frist bis zum 21.02.2011. Die Beklagte wies den Rücktritt mit Schreiben vom 31.03.2011 zurück.

Der Kläger hat zunächst behauptet, das Getriebe des streitgegenständlichen Fahrzeugs habe schon bei Übergabe irreparabele Konstruktionsmängel aufgewiesen. Das Automatikgetriebe schalte nicht drehzahlabhängig, sondern plötzlich und völlig willkürlich mit einem Einschaltstoß, wobei teilweise die jeweils nachfolgenden Gänge nicht geschaltet würden. Außerdem zeige das Getriebe schwere Einschaltstöße: Es schalte nicht weich von einem Gang in den nächsten hoch oder herunter, sondern wechsle den Gang mit einem plötzlichen Ruck. Diese Mängel seien Fahrzeugen dieser Baureihe und dieses Baujahrs immanent.

Nachdem das Gericht ein Sachverständigengutachten eingeholt hatte, hat der Kläger vorgetragen, die behaupteten Mängel träten nur auf, wenn man zwei bis drei Stunden durchgängig ohne Pause und sodann – bei eingeschaltetem Tempomaten – fünf bis zehn Minuten mit einer Geschwindigkeit von 200 km/h mit dem Fahrzeug gefahren sei. Anschließenden müsse man den Tempomaten abschalten, das Fahrzeug – ohne es abzubremsen oder Gas zu geben – ausrollen lassen und sodann bei einer Geschwindigkeit von 140 km/h wieder Gas geben.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: I. … 1. Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Rückgewähranspruch hinsichtlich (eines Teils) der erfolgten Kaufpreiszahlung gemäß. §§ 433, 434, 437 Nr. 2, 440, 323, 346 BGB. Denn es fehlt bereits am Vorliegen eines (erheblichen) Mangels.

a) Der Kläger hat seinen ursprünglichen Vortrag, dass das Getriebe des streitgegenständlichen Fahrzeugs Konstruktionsmängel … und (allgemein) ein schlecht schaltendes Getriebe aufweise und dieses Getriebe sogenannte schwere Einschaltstöße zeige, im Lauf des Rechtsstreits nicht weiter aufrechterhalten bzw. modifiziert. Daher kommt es schon gar nicht mehr darauf an, ob das Fahrzeug allgemein Getriebemängel hat.

Im Übrigen hat jedoch auch die Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts ergeben, dass solche generellen Mängel gerade nicht vorliegen. Der Sachverständige hat das streitgegenständliche Fahrzeug über eine Fahrstrecke von rund 300 Kilometern bei unterschiedlichen Bedingungen (Stadtstraßen, Landstraßen und Autobahnen) getestet. Er konnte weder anhand seiner eigenen Wahrnehmungen noch aufgrund der Auslesung des Steuergeräts des Automatikgetriebes Mängel feststellen. Diese Feststellungen werden von beiden Parteien auch nicht angegriffen.

b) Der nachfolgende Vortrag des Klägers, die von ihm behaupteten Getriebemängel träten nur unter ganz bestimmten Umständen – nach zwei bis drei Stunden durchgängiger Fahrt ohne Pause, sodann einer fünf- bis zehnminütigen Fahrt bei einer Geschwindigkeit von 200 km/h mittels Geschwindigkeitsregelanlage, einem anschließenden Ausschalten der Geschwindigkeitsregelanlage, einem Ausrollenlassen des Fahrzeugs (ohne es abzubremsen oder Gas zu geben) und sodann einem Wiederaufnehmen des Gases bei einer Geschwindigkeit von 140 km/h – auf, sind im Hinblick auf die begehrte Rechtsfolge bereits unschlüssig. Denn hieraus folgt kein erheblicher Mangel, welcher aber für einen Rücktritt des Klägers vom Kaufvertrag mit der Beklagten Voraussetzung ist (§ 323 V 2 BGB).

Die Beurteilung, ob eine Pflichtverletzung unerheblich i. S. des § 323 V 2 BGB ist, erfordert eine umfassende Interessenabwägung (BGH, Urt. v. 17.02.2010 – VIII ZR 70/07, NJW-RR 2010, 1289). Bei einem – laut Klägervortrag – nicht behebbaren Mangel kommt es für die Feststellung der Erheblichkeit einer Pflichtverletzung entscheidend auf die von dem Mangel ausgehende funktionelle und ästhetische Beeinträchtigung an (vgl. BGH, Urt. v. 29.06.2011 – VIII ZR 202/10, NJW 2011, 2872; Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl., § 323, Rn. 32). Nachdem eine ästhetische Beeinträchtigung durch Getriebemängel ausscheidet, ist im vorliegenden Fall die funktionelle Beeinträchtigung maßgebend. Dabei geht das Gericht davon aus, dass generell das Vorhandensein von Schaltproblemen bei Automatikgetrieben einen erheblichen Mangel darstellen kann. Das hat etwa das OLG Düsseldorf (Urt. v. 18.01.2008 – I-17 U 2/07, NJW-RR 2008, 1230) für den Fall einer verzögerten Zurückschaltung mit spürbarem Schaltstoß und einer einsekündigen Unterbrechung im Kraftfluss bei einer plötzlichen Beschleunigung bei einer Geschwindigkeit von 40–50 km/h so entschieden. Gleicher Auffassung ist das OLG Köln (Urt. v. 27.04.2010 – 15 U 185/09, NJW-RR 2011, 61) für den Fall eines Ruckelns beim Herabschalten von der zweiten in die erste Fahrstufe. Beiden Fällen ist aber gemein, dass diese Mangelerscheinungen in einer Vielzahl von Verkehrssituationen auftreten und damit quasi alltäglich sind. So betont das OLG Köln (Urt. v. 27.04.2010 – 15 U 185/09, NJW-RR 2011, 61) denn auch, dass sich der Mangel „letztlich bei jeder Fahrt und oft vielfach“ einstellen wird.

Demgegenüber tritt im vorliegenden Fall schon nach dem (modifizierten) Klägervortrag der Mangel nur in einer bestimmten Ausnahmekonstellation auf. Voraussetzung ist nicht nur eine Langstreckenfahrt, sondern auch eine mehrminütige Fahrt bei einer mit Geschwindigkeitsregelanlage eingestellten Geschwindigkeit von 200 km/h, was – wie allgemein bekannt ist – bereits eine absolute Ausnahmekonstellation – wenn auch gegebenenfalls nicht für den Kläger, so doch aus Sicht der Beklagten und eines objektiven Dritten – darstellt. Hinzutreten muss schließlich ein Abschalten der Geschwindigkeitsregelanlage mit Ausrollenlassen und einer erneuten Beschleunigung bei etwa 140 km/h. Daraus erhellt, dass selbst bei dieser Ausnahmekonstellation der Mangel wiederum nur auftritt, wenn nicht etwa durch Drücken des Bremspedals die Geschwindigkeitsreglung aufgehoben wird oder bei einer anderen Geschwindigkeit als rund 140 km/h wieder beschleunigt wird. Die behauptete Getriebeproblematik könnte also schon … vermieden werden, indem kurz das Bremspedal angetippt wird, um die Geschwindigkeitsregelung aufzuheben, oder indem bei einer anderen Geschwindigkeit als 140 km/h wieder für kurze oder längere Zeit Gas gegeben wird. Dies zeigt, unter welch besonderen und zweifellos – allgemein – seltenen Umständen schon nach Klägervortrag die behaupteten Mängel lediglich auftreten. In einem solchen Fall geht die gebotene Interessenabwägung jedoch zulasten des Klägers aus; der behauptete Mangel ist nur unerheblich.

c) Offenbleiben kann damit insbesondere, auf Grundlage welcher Gesamtlaufleistung eine Nutzungsentschädigung im vorliegenden Fall zu berechnen und ob der Anspruch des Klägers gegebenenfalls verjährt ist.

2. Mangels Vorhandenseins eines Rückgewähranspruchs des Klägers kommen die Feststellung von Annahmeverzug und ein Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten von vornherein nicht in Betracht.

II. … 3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO. Die Feststellung des Annahmeverzugs hat keinen eigenen wirtschaftlichen Wert (BGH, Beschl. v. 06.07.2010 – XI ZB 40/09, NJW-RR 2010, 1295) …

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