- Ein Mangel, der darin besteht, dass ein Gebrauchtwagen ein „Unfallwagen“ ist, kann nicht behoben werden. Der Käufer muss dem Verkäufer deshalb keine Frist zur Nacherfüllung setzen, bevor er vom Kaufvertrag zurücktreten kann.
- Aufwendungsersatz nach § 248 BGB muss der Schuldner nur Zug um Zug gegen Herausgabe des durch die Aufwendungen Erlangten (hier: Winterreifen) ersetzen, weil der Gläubiger sonst überkompensiert würde.
- Nach einem Rücktritt vom Kaufvertrag ist der Anspruch des Käufers auf Rückzahlung des Kaufpreises mit dem Anspruch des Verkäufers auf Ersatz der gezogenen Nutzungen gemäß § 346 I, II BGB zu saldieren.
LG Hamburg, Urteil vom 22.06.2012 – 323 O 230/10
Sachverhalt: Die Parteien streiten über die Rückabwicklung eines Kfz-Kaufvertrags.
Am 30.01.2009 verkaufte der Beklagte einen Pkw Opel Corsa D 1.2 Innovation zu einem Preis von 11.330 €. Zwischen den Parteien ist streitig, ob Käufer des Pkw der Beklagte oder der Stiefvater seiner Ehefrau, Herr S, war.
Im Kaufvertrag heißt es unter anderem: „Der Pkw ist einwandfrei ohne Schrammen und Beulen, 1. Hand, unfallfrei“.
Das Fahrzeug wurde dem Kläger am 03.03.2009 mit einem Kilometerstand von 15.800 übergeben.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 22.04.2009 erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte den Beklagten – erfolglos – zur Erstattung des Kaufpreises bis zum 07.05.2009 auf.
Der Kläger hat behauptet, er habe den Pkw erworben. Herr S habe lediglich formal als Käufer des Fahrzeugs gelten sollen, was der Beklagte auch gewusst habe. Weiter hat der Kläger behauptet, der Pkw habe erhebliche Mängel. Der vordere Stoßfänger sei im Bereich des linken Scheinwerfers eingekerbt und nachlackiert, wobei sich die Farbe im unteren Bereich großflächig ablöse. Der Kotflügel vorne links weise Lackbeschädigungen auf, die mit Farbe ausgebessert worden seien, und die Seitenwand hinten links sei am Radlauf nachlackiert worden. Der Pkw sei nicht unfallfrei, sondern habe sowohl im vorderen als auch im hinteren Bereich größere Stoßschäden erlitten. Außerdem seien Schweißarbeiten an dem Fahrzeug vorgenommen worden.
Die Klage hatte überwiegend Erfolg.
Aus den Gründen: I. … 1. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises, Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Pkw, gemäß §§ 433, 434, 437 Nr. 2, 323, 346 BGB.
a) Die Parteien haben einen Kaufvertrag über den streitgegenständlichen Pkw geschlossen. Dies hat der Kläger bewiesen durch Vorlage des Kaufvertrags sowie die Zeugen H und S.
Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass dem Mitarbeiter des Beklagten vonseiten des Klägers und seiner Ehefrau bei Abschluss des Kaufvertrags eindeutig zu verstehen gegeben worden ist, dass Herr S ausschließlich als Halter des Fahrzeugs eingetragen werden sollte, ohne Eigentümer zu werden, um die sogenannte Abwrackprämie in Anspruch nehmen zu können. Die Ehefrau des Klägers hat glaubhaft ausgesagt, sie habe dem Verkäufer gesagt, dass der Wagen auf Herrn S angemeldet werden müsse … wegen der Abwrackprämie, aber Herr S nicht Käufer sein solle. Dies habe sich der Verkäufer auch notiert … Diese Angaben hat Herr S glaubhaft bestätigt …
Es ist auch gesetzlich zulässig, dass der Halter, der nicht zugleich Eigentümer des Fahrzeugs sein muss, die Abwrackprämie in Anspruch nimmt. Gemäß … der Richtlinie zur Förderung des Absatzes von Personenkraftwagen vom 20.02.2009 … ist es lediglich erforderlich, dass das Neufahrzeug auf den Halter des Altfahrzeugs zugelassen wird. Auch die Zeugen sind nicht davon ausgegangen, dass es erforderlich ist, dass Herr S Eigentümer des Fahrzeugs wird, um die Abwrackprämie in Anspruch nehmen zu können.
Der Kaufvertrag ist sodann zwischen dem Kläger und dem Beklagten zustande gekommen. Die Zeugin H ist nicht Partei des Kaufvertrags geworden …
b) Der gekaufte Pkw wies nicht die vereinbarte Beschaffenheit i. S. des § 434 I BGB auf. Der Wagen sollte insbesondere „unfallfrei“ sein, was nicht der Fall war. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt, dass der Pkw in einen Unfall verwickelt war …
c) Die festgestellten Schäden bestanden auch bereits bei Gefahrübergang am 03.03.2009. Zeigt sich innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang ein Sachmangel, wird bei einem Verbrauchsgüterkauf i. S. des § 474 BGB vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Sache oder Mangels unvereinbar (§ 476 BGB).
Vorliegend handelte es sich um einen Verbrauchsgüterkauf, da der Kläger Verbraucher und der Beklagte Unternehmer war. Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass sich die von dem Sachverständigen festgestellten Mängel innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang gezeigt haben. Zwar erfolgte die Besichtigung durch den gerichtlichen Sachverständigen … erst am 14.09.2009 und damit kurz nach Ablauf von sechs Monaten nach Gefahrübergang. Jedoch sind die Mängel, die der Sachverständige dann auch festgestellt hat, unter anderem in dem Antrag des Klägervertreters vom 24.07.2009 auf Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens und dem vom Kläger eingeholten Privatgutachten vom 09.06.2009 genau beschrieben.
Diese Vermutung ist durch die Aussage des Zeugen L nicht erschüttert worden …
d) Der Kläger ist mit Schreiben vom 22.04.2009 wirksam von dem Kaufvertrag zurückgetreten. Eine Fristsetzung war nicht erforderlich, da es sich um einen unbehebbaren Mangel handelte. Der Mangel, dass das Fahrzeug ein „Unfallwagen“ ist, kann nicht behoben werden.
e) Auf seine Erstattungsforderung von 11.330 € hat sich der Kläger den Wert gezogener Gebrauchsvorteile anrechnen zu lassen (§ 346 I BGB). Der Anspruch des Klägers auf Rückzahlung des Kaufpreises ist mit dem Anspruch des Beklagten auf Ersatz der gezogenen Nutzungen gemäß § 346 I, II BGB zu saldieren (vgl. BGH, Urt. v. 20.02.2008 – VIII ZR 334/06, NJW 2008, 2028 [2029] Rn. 9). Der Wert der gezogenen Nutzungen richtet sich nach der zeitanteiligen linearen Wertminderung, es entscheidet also der Umfang der Nutzung durch den Rückgewährschuldner im Verhältnis zur voraussichtlichen Gesamtnutzungsdauer (Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl., § 346 Rn. 10). Insoweit ist von der unstreitigen Gesamtlaufleistung von 250.000 km auszugehen. Abzüglich der zum Verkaufszeitpunkt gelaufenen 15.800 km verblieb eine Restlaufzeit von 234.200 km, die mit dem Gesamtwert von 11.330 € gleichzusetzen und mit den nunmehr gelaufenen 17.934 km ins Verhältnis zu setzen ist. Dies ergibt einen zu saldierenden Betrag in Höhe von 867,60 € (17.934 km × 11.330 € : 234.200 km) …
2. Dem Kläger steht gegen den Beklagten zudem einen Anspruch auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen in Höhe von insgesamt 388,12 € zu … (§§ 433, 434, 437 Nr. 3, 284 BGB). Der Aufwendungsersatzanspruch steht dem Käufer einer mangelhaften Sache auch dann zu, wenn er wegen des Mangels vom Kaufvertrag zurücktritt. Der Anspruch ist nicht gemäß § 347 II BGB auf den Ersatz notwendiger Verwendungen oder solcher Aufwendungen beschränkt, durch die der Verkäufer bereichert wird (BGH, Urt. v. 20.07.2005 – VIII ZR 275/04, BGHZ 163, 381 = NJW 2005, 2848).
a) Die Kosten für Winterreifen sind als vergebliche Aufwendungen ersatzfähig (vgl. insbesondere OLG Hamm, Urt. v. 18.06.2007 – 2 U 220/06, juris). Dies gilt auch für die Felgen. Dass die Aufwendungen in der geltend gemachten Höhe entstanden sind, ist durch die entsprechende Rechnung belegt. Selbst wenn der Kläger die Kosten noch nicht bezahlt haben sollte, hätte sich sein Anspruch auf Freihaltung gegen den Beklagten gemäß § 250 BGB in einen Zahlungsanspruch umgewandelt …
Hat der Geschädigte das Zubehör genutzt, mindert sich sein Anspruch jedoch um eine Nutzungsvergütung (Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 284 Rn. 5 m. w. Nachw.). Das Gericht schätzt den Gebrauchsvorteil nach § 287 ZPO unter der gerichtsbekannten Prämisse, dass Reifen sowie Felgen eine Lebensdauer von ca. fünf Jahren haben und der Kläger die Reifen für die Winter 2009, 2010 und 2011 genutzt hat, auf 3/5 des Bruttokaufpreises der Reifen und Felgen (abzüglich des anteiligen Preisvorteils), was 311,64 € entspricht. Um diesen Betrag ist der geltend gemachte Anspruch des Klägers auf Aufwendungsersatz für die Anschaffung von Winterreifen und Felgen in Höhe von 571 € demnach zu kürzen.
Aufwendungsersatz ist nach allgemeinen Grundsätzen nur gegen Herausgabe des durch die Aufwendungen Erlangten zu ersetzen, da der Gläubiger ansonsten durch den Ersatz der Aufwendungen überkompensiert würde (BGH, Urt. v. 20.07.2005 – VIII ZR 275/04, BGHZ 163, 381 = NJW 2005, 2848 [2851]; Gsell, NJW 2006, 125 [127]; BeckOK-BGB/Unberath, Stand: 01.03.2011, § 284 Rn. 23). Daher erfolgt die Verurteilung zur Leistung von Aufwendungsersatz durch den Beklagten insoweit nur Zug um Zug gegen Herausgabe der Winterreifen nebst Felgen durch den Kläger.
b) Die Kosten für die Inspektion inklusive der Kosten für Öl- und Filterwechsel in Höhe von 180,36 € sind als vergebliche Aufwendungen ersatzfähig. Dass Kosten für eine Inspektion entstanden sind, ist durch die entsprechende Rechnung belegt. Das Gericht schätzt den Schaden nach § 287 ZPO auf die Höhe des Rechnungsbetrags. Anhaltspunkte dafür, dass die Rechnungspositionen nicht angemessen wären, liegen nicht vor. Selbst wenn der Kläger die Kosten noch nicht bezahlt haben sollte, hätte sich sein Anspruch auf Freihaltung gegen den Beklagten gemäß § 250 BGB in einen Zahlungsanspruch umgewandelt. Dass dem Kläger diese Kosten entstanden sind und nicht etwa Herrn S, steht zur Überzeugung des Gerichts … fest. Auf die obige Beweiswürdigung wird Bezug genommen.
3. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Ersatz der Kosten für das Privatgutachten in Höhe von 392,46 € und auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 837,52 € gemäß §§ 433, 434, 437 Nr. 3, 280 BGB, jedoch nicht auf eine Auslagenpauschale.
a) Die Kosten der Schadenfeststellung sind Teil des zu ersetzenden Schadens; der Schädiger hat daher die Kosten von Sachverständigengutachten zu ersetzen, soweit diese zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind (Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 249 Rn. 58 m. w. Nachw.). Die Einholung eines Sachverständigengutachtens ist zur Begutachtung von Mängeln eines Kraftfahrzeugs und war auch vorliegend zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig. Das Gericht schätzt den Schaden nach § 287 ZPO auf die Höhe des Rechnungsbetrags. Anhaltspunkte dafür, dass die Rechnungspositionen nicht angemessen wären, liegen nicht vor. Selbst wenn der Kläger die Kosten noch nicht bezahlt haben sollte, hätte sich sein Anspruch auf Freihaltung gegen den Beklagten gemäß § 250 BGB in einen Zahlungsanspruch umgewandelt. Dass dem Kläger diese Kosten entstanden sind und nicht etwa Herrn S, steht zur Überzeugung des Gerichts … fest. Auf die obige Beweiswürdigung wird Bezug genommen.
b) Der Kläger hat zudem einen Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten, berechnet nach einem Streitwert in Höhe von 11.242,98 €. Selbst wenn der Kläger die Kosten noch nicht bezahlt haben sollte, hätte sich sein Anspruch auf Freihaltung gegen den Beklagten gemäß § 250 BGB in einen Zahlungsanspruch umgewandelt
c) Eine allgemeine Kostenpauschale kann der Kläger hingegen nicht verlangen. Anhaltspunkte für eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO liegen insoweit nicht ausreichend vor. Soweit die Rechtsprechung bei Verkehrsunfällen eine Kostenpauschale zuspricht, ist dies mit dem vorliegenden Rechtsverhältnis nicht zu vergleichen …