1. Dass ein Gebrauchtwagen einen Unfall erlitten hat, bei dem (nur) der Flankenschutz beschädigt wurde, berechtigt den Käufer des Fahrzeugs dann nicht zum sofortigen Rücktritt vom Kaufvertrag, wenn der Schaden – anders als bei einem „echten“ Unfallwagen – vollständig und fachgerecht beseitigt werden kann, ohne dass ein merkantiler Minderwert verbleibt. In diesem Fall kommt ein Rücktritt vielmehr allenfalls in Betracht, nachdem der Käufer dem Verkäufer erfolglos eine Frist zur Nachbesserung gesetzt hat.
  2. Die Pflichtverletzung eines Kfz-Verkäufers, der dem Käufer ein mangelhaftes Fahrzeug geliefert hat, ist i. S. des § 323 V 2 BGB unerheblich, wenn der – nicht behebbare – Mangel in der Eigenschaft des Fahrzeugs als Unfallwagen liegt, er sich jedoch allein in einem unbedeutenden merkantilen Minderwert auswirkt (im Anschluss an BGH, Urt. v. 12.03.2008 – VIII ZR 253/05).

OLG Düsseldorf, Urteil vom 22.12.2010 – I-18 U 103/10

Sachverhalt: Der Kläger kaufte von der Beklagten am 08.06.2007 einen gebrauchten Pkw zum Preis von 16.950 €. Zu diesem Zeitpunkt betrug die Laufleistung des im August 2000 erstzugelassenen Fahrzeugs 106.000 km. Im schriftlichen Kaufvertrag ist unter anderem „Unfall laut Vorbesitzer: Nein“ vermerkt.

Die Beklagte hatte das Fahrzeug ihrerseits im Mai 2007 von D erworben. D hatte gegenüber der Beklagten erklärt, dass ihm ein Unfall des Fahrzeugs nicht bekannt sei.

Nachdem der Kläger im Herbst 2007 darauf aufmerksam gemacht worden war, dass der Pkw verschiedene Mängel aufweise, die auf einen Unfall zurückzuführen seien, beauftragte er einen Sachverständigen mit der Begutachtung des Fahrzeugs. Mit anwaltlichem Schreiben vom 29.10.2007 erklärte er gegenüber der Beklagten den Rücktritt vom Kaufvertrag und verlangte neben der Rückzahlung des Kaufpreises den Ersatz von Aufwendungen unter anderem für eine Anhängerkupplung in Höhe von insgesamt 1.150 €.

Der Kläger hat behauptet, das streitgegenständliche Fahrzeug habe bereits bei der Übergabe einen Unfallschaden aufgewiesen. Wegen dieses Schadens, der unsachgemäß repariert worden sei, sei der Pkw im vorderen Bereich undicht. Die rechte Fahrzeugseite sei nach mindestens einem Schadensereignis instand gesetzt worden; die Lackschichtdicke betrage dort stellenweise mehr als 220 μ. Im Rahmen der Vertragsverhandlungen habe der Verkaufsmitarbeiter der Beklagten ihm, dem Kläger, auf ausdrückliche Nachfrage zweimal die Unfallfreiheit des Fahrzeugs zugesichert. Auch der Werkstattmeister der Beklagten habe auf Nachfrage erklärt, das Fahrzeug sei unfallfrei.

Das Landgericht (LG Düsseldorf, Urt. v. 12.05.2010 – 7 O 147/08) hat der Klage ganz überwiegend stattgegeben. Es könne dahinstehen, ob die Beklagte dem Kläger bei Abschluss des Kaufvertrages ausdrücklich zugesichert habe, dass das Fahrzeug unfallfrei sei, oder ob sie lediglich eine Wissenserklärung („laut Vorbesitzer“) abgegeben habe. Denn jedenfalls habe der streitgegenständliche Pkw schon bei der Übergabe an den Kläger einen Mangel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB aufgewiesen, weil bereits zu diesem Zeitpunkt sein Flankenschutz beschädigt gewesen sei.

Der Käufer eines Gebrauchtwagens – so das Landgericht im Anschluss an die Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 10.10.2007 – VIII ZR 330/06, NJW 2008, 53 Rn. 20; Urt. v. 12.03.2008 – VIII ZR 253/05, NJW 2008, 1517 Rn. 18) – könne grundsätzlich erwarten, dass das Fahrzeug keinen Unfall erlitten habe, bei dem es zu mehr als „Bagatellschäden“ gekommen sei. „Bagatellschäden“ seien bei einem Pkw nur ganz geringfügige, äußere (Lack-)Schäden, nicht dagegen andere (Blech-)Schäden, auch wenn sie keine weitergehenden Folgen gehabt hätten und der Reparaturaufwand nur gering gewesen sei. Ob das Fahrzeug nach dem Unfall fachgerecht repariert worden sei, sei nicht von Bedeutung; alleine die Tatsache, dass es bei einem Unfall einen erheblichen Schaden erlitten habe, stelle einen Sachmangel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB dar.

Nach den Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen S weise das Fahrzeug des Klägers einen Unfallschaden in diesem rechtlichen Sinne auf, der die – sehr niedrig anzusetzende – Schwelle zur Erheblichkeit überschreitet. Zwar liege kein Unfallschaden im technischen Sinne vor. Vielmehr sei die rechte Fahrzeugseite nur deshalb teilweise nachlackiert worden, um Gebrauchsspuren wie etwa kleine Beschädigungen und Lackkratzer zu beseitigen. Allerdings sei der Flankenschutz des Fahrzeugs beschädigt. Diese Beschädigung – deren Beseitigung nach der Schätzung des Sachverständigen einen Kostenaufwand von über 1.000 € erfordere – sei nach der Einschätzung des Sachverständigen durch Zurückrollen eines anderen Fahrzeugs verursacht worden. Dieses Vorkommnis stelle ein Unfallereignis im Rechtssinne dar.

Eine Frist zur – unmöglichen – Nacherfüllung (§ 323 I BGB) habe der Kläger der Beklagten gemäß § 326 V BGB nicht setzen müssen. Der von der Beklagten zurückzugewährende Kaufpreis sei jedoch um 1.236,20 € zu reduzieren, weil der Beklagten eine Nutzungsentschädigung in dieser Höhe zustehe.

Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg.

Aus den Gründen: II. … Dem Kläger steht ein Anspruch auf Rückerstattung des Kaufpreises abzüglich gezogener Nutzungen und zuzüglich getätigter Aufwendungen in Höhe von insgesamt 17.063,80 € nicht zu. Ein entsprechender Anspruch ergibt sich nicht aus §§ 346 I, 434 I 2 Nr. 2, 437 Nr. 2 Fall 1, 323 BGB, der insoweit allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage.

Mit dem Landgericht ist noch davon auszugehen, dass das vom Kläger gekaufte Fahrzeug bei Gefahrübergang einen Mangel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB aufwies. Der Sachverständige S hat in seinem Gutachten vom 09.12.2008 insoweit festgestellt, dass geringfügige Schleifspuren auf der Seitenwand, ganz vereinzelte Staubeinschlüsse an der Tür vorne rechts im A-Säulen-Bereich sowie Lacknebel im Einstiegsbereich hinten rechts, eine Klarlackablösung der hinteren rechten Türe an der Fensterschachtleiste und ein nicht gänzlich hergestellter Flankenschutz rechts vorlägen. Die maximal vorstellbaren Nachbearbeitungskosten betrügen 1.151,39 € zuzüglich Mehrwertsteuer.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann der Kläger jedoch nicht zurücktreten, da eine Fristsetzung zur Mängelbeseitigung gemäß § 323 I BGB unstreitig nicht erfolgt ist und im Streitfall auch nicht entbehrlich war.

Selbst wenn man zunächst mit dem Kläger – entgegen dem eindeutigen Gutachten – davon ausgeht, dass sämtliche vom Sachverständigen aufgeführten Nachbearbeitungskosten in Höhe von 1.151,39 € netto darauf zurückzuführen sind, dass die Ehefrau des Klägers mit ihrem Fahrzeug auf das streitgegenständliche Fahrzeug aufgerollt ist, bleibt es dennoch dabei, dass sowohl die Nachbearbeitung hinsichtlich der Lackierung als auch die gänzliche Herstellung des Flankenschutzes behebbare Mängel darstellen, sodass der Kläger verpflichtet gewesen wäre, der Beklagten eine Frist zur Nacherfüllung zu setzen.

Etwas anderes gilt nach der Rechtsprechung des BGH nur dann, wenn der eigentliche Mangel in der Eigenschaft des Fahrzeugs als Unfallwagen liegt. Bei einem Unfallfahrzeug kann zwar auch dann, wenn der Unfallschaden vollständig und fachgerecht beseitigt wurde, wegen eines merkantilen Minderwertes noch ein Mangel bestehen bleiben, weil der Charakter eines Fahrzeugs als Unfallfahrzeug sich nicht durch Nachbesserung korrigieren lässt. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass trotz vollständiger und ordnungsgemäßer Instandsetzung eines erheblich beschädigten Kraftfahrzeugs bei einem großen Teil des Publikums, vor allem wegen eines nicht auszuschließenden Verdachts verborgen gebliebener Schäden und des Risikos höherer Schadensanfälligkeit infolge nicht fachgerechter Reparatur, eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb eines derart beschädigten Kraftfahrzeugs besteht (vgl. BGH, Urt. v. 20.05.2009 – VIII ZR 191/07, BeckRS 2009, 19519 Rn. 16). Nur ein derartiger Mangel ist nicht behebbar (vgl. BGH, Urt. v. 12.03.2008 – VIII ZR 253/05, juris Rn. 21).

Im Streitfall hat der Sachverständige in seinem Gutachten jedoch ausgeführt, dass aufgrund des Bagatellcharakters der Beschädigung eine merkantile Wertminderung nicht erkannt werden kann. Dann aber liegt ein in der „Unfalleigenschaft“ gründender Mangel nicht vor.

Zudem fehlt es an einer erheblichen Pflichtverletzung, die allein den Rücktritt begründen könnte. Nach der neueren Rechtsprechung des BGH (vgl. Urt. v. 12.03.2008 – VIII ZR 253/05, juris Rn. 22) läge auch bei einem Unfallwagen eine erhebliche Pflichtverletzung, die zu einem Rücktritt berechtigen würde, nur dann vor, wenn der merkantile Minderwert ein gewisses Gewicht hätte. Im Streitfall verbleibt, wie bereits ausgeführt, nach ordnungsgemäß durchgeführter Reparatur kein Minderwert.

Soweit der Kläger erstinstanzlich darüber hinaus behauptet hat, der Beklagte habe die Unfallfreiheit zugesichert, ergibt sich keine anderweitige Beurteilung. Zwar wird als Beispiel für eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung der Fall genannt, dass der Verkäufer eine Beschaffenheitsgarantie nicht eingehalten hat (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 10. Aufl., Rn. 523). Insoweit wird man jedoch berücksichtigen müssen, dass sich die Zusicherung einer Unfallfreiheit auf unfallbedingte Schäden bezieht, die zu einer Wertminderung führen. Bei den vom Sachverständigen vorgefundenen Bagatellschäden wird man auch vom Empfängerhorizont eines Käufers aus die Antwort des Verkäufers, das Fahrzeug sei unfallfrei, nicht als falsch ansehen können. Der Mangel „Unfallfahrzeug“ besteht nach den obigen Ausführungen gerade nicht. Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass nach den eindeutigen Ausführungen des Sachverständigen ein unfallbedingter Schaden nur an dem Flankenschutz vorliegt. Dieser ist aber gerade dazu gedacht, Schäden vom eigentlichen Fahrzeug abzuhalten. Gerade zu diesem Zweck wird ein schnell und günstig auszutauschender Flankenschutz an ein Fahrzeug angebracht.

Selbst wenn man dies anders sehen und eine erhebliche Pflichtverletzung annehmen wollte, würde es sich bei den vom Kläger gerügten Mängel insgesamt um behebbare Mängel handeln, sodass es vor Ausübung des Rücktrittsrechts einer Fristsetzung zur Nacherfüllung bedurft hätte. Diese ist unstreitig nicht erfolgt.

Entgegen der Auffassung des Klägers war eine Fristsetzung zur Nacherfüllung auch nicht wegen einer sogenannten Selbstmahnung der Beklagten entbehrlich. Die Beklagte hat lediglich die Berechtigung des Klägers zum Rücktritt zurückgewiesen. Soweit die Beklagte in der Klageerwiderung bestritten hat, dass das streitgegenständliche Fahrzeug zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs unfallbeschädigt war, reicht dies nicht aus, um anzunehmen, dass die Beklagte auch im Falle eines Nachbesserungsverlangens jegliche Nachbesserungsverpflichtung abgelehnt hätte. Dies gilt umso mehr, als auch der Sachverständige aus technischer Sicht davon ausgegangen ist, dass es sich nicht um ein Unfallfahrzeug handelt.

Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte arglistig gehandelt hätte, sind aufgrund der obigen Ausführungen nicht ersichtlich, sodass auch unter diesem Gesichtspunkt eine Fristsetzung zur Nacherfüllung nicht entbehrlich gewesen ist. …

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