1. Beim Ver­kauf ei­nes Ge­braucht­wa­gens gilt als still­schwei­gend ver­ein­bart, dass das Fahr­zeug die Um­welt­pla­ket­te füh­ren darf, die zum Zeit­punkt des Ver­kaufs an­ge­bracht ist. Der Käu­fer kann da­von aus­ge­hen, dass das Fahr­zeug die für die Er­tei­lung die­ser Pla­ket­te er­for­der­li­chen Wer­te tat­säch­lich ein­hält.
  2. Ein Ge­braucht­wa­gen, der beim Ver­kauf mit ei­ner grü­nen Um­welt­pla­ket­te ver­se­hen ist, ist man­gel­haft, wenn er ei­ne grü­ne Pla­ket­te tat­säch­lich nicht füh­ren darf.
  3. Die Er­klä­rung ei­nes Kfz-Ver­käu­fers, das Fahr­zeug sei mit ei­ner grü­nem Um­welt­pla­ket­te ver­se­hen, be­sagt nicht nur, dass ei­ne sol­che Pla­ket­te am Fahr­zeug an­ge­bracht ist. Im Rah­men von Ver­kaufs­ver­hand­lun­gen hat sie viel­mehr – ge­ra­de wenn über das Feh­len ei­nes Par­ti­kel­fil­ters ge­spro­chen wird – auch die Be­deu­tung, dass das Fahr­zeug be­rech­tigt ist, die grü­ne Um­welt­pla­ket­te zu füh­ren.

OLG Düs­sel­dorf, Ur­teil vom 22.12.2011 – I-22 U 103/11

Sach­ver­halt: Der Klä­ger be­gehrt die Rück­ab­wick­lung ei­nes Kauf­ver­trags, mit dem er von der Be­klag­ten ei­nen Pkw Mer­ce­des-Benz E 320 CDI er­warb. Das Fahr­zeug war beim Ver­kauf mit ei­ner grü­nen Um­welt­pla­ket­te ver­se­hen; tat­säch­lich hat es aber nicht die Be­rech­ti­gung, ei­ne grü­ne Pla­ket­te zu füh­ren. Ei­ne sol­che kann auch nicht mit ei­ner nach­träg­li­chen Um­rüs­tung des Fahr­zeugs mit ei­nem Ruß­par­ti­kel­fil­ter er­langt wer­den.

Das LG Wup­per­tal hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Zur Be­grün­dung hat es un­ter an­de­rem aus­ge­führt, das Fahr­zeug wei­se zwar ei­nen Sach­man­gel auf, da kei­ne Be­rech­ti­gung be­ste­he, ei­ne grü­ne Um­welt­pla­ket­te zu füh­ren. Auf­grund des im Kauf­ver­trag ver­ein­bar­ten Ge­währ­leis­tungs­aus­schlus­ses haf­te die Be­klag­te für die­sen Man­gel je­doch nicht. Der Haf­tungs­aus­schluss sei nicht ge­mäß § 444 Fall  1 BGB un­wirk­sam, denn die Be­klag­te ha­ben den Man­gel nicht arg­lis­tig ver­schwie­gen. Aus dem Um­stand, dass das Fahr­zeug nicht mit ei­ner Par­ti­kel­m­in­de­rungs­tech­nik aus­ge­rüs­tet sei, kön­ne nicht ge­schlos­sen wer­den, dass die Be­klag­te wuss­te, dass der Wa­gen zum Füh­ren ei­ner grü­nen Pla­ket­te nicht be­rech­tigt ist. Der Klä­ger ha­be auch das Vor­brin­gen der Be­klag­ten, ihr Wa­gen sei bei Ein­füh­rung der Um­welt­pla­ket­te von ih­rer Werk­statt mit ei­ner grü­nen Pla­ket­te ver­se­hen wor­den, nicht be­strit­ten. Ei­ne po­si­ti­ve Kennt­nis der Be­klag­ten vom Feh­len der Be­rech­ti­gung zum Füh­ren der grü­nen Pla­ket­te kön­ne nicht fest­ge­stellt wer­den.

Die Be­ru­fung des Klä­gers hat­te über­wie­gend Er­folg.

Aus den Grün­den: B. … Dem Klä­ger steht ein Rück­tritts­recht zu, bei der Rück­ab­wick­lung ist je­doch vom Kauf­preis ei­ne Nut­zungs­ent­schä­di­gung in Hö­he von 3.727 € in Ab­zug zu brin­gen.

I. Dem Klä­ger steht ein An­spruch auf Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags aus den §§ 433, 434 I, 437 Nr. 2 Fall 1, 440, 323, 346 ff. BGB zu.

1. Zu­tref­fend hat das Land­ge­richt fest­ge­stellt, dass das Fahr­zeug ei­nen Sach­man­gel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB auf­weist. Der Sach­man­gel liegt dar­in, dass das Fahr­zeug nicht da­zu be­rech­tigt ist, die grü­ne Um­welt­pla­ket­te zu füh­ren.

a) Ei­ne aus­drück­li­che Ver­ein­ba­rung über ei­ne sol­che Be­schaf­fen­heit ha­ben die Par­tei­en zwar nicht ge­trof­fen. Un­strei­tig trug das Fahr­zeug zum Zeit­punkt des Ab­schlus­ses des Kauf­ver­trags je­doch ei­ne grü­ne Pla­ket­te. Ei­ne sol­che ist ty­pi­scher­wei­se bei der äu­ße­ren Be­sich­ti­gung er­kenn­bar, da sie deut­lich sicht­bar im Front­be­reich an­ge­bracht wird. So war das auch bei dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug. Die Fra­ge, wel­che Zu­gangs­be­rech­ti­gung auf­grund der Pla­ket­te, ins­be­son­de­re zur Ein­fahrt in In­nen­städ­te, be­steht, ist von all­ge­mei­ner Be­deu­tung. Re­gel­mä­ßig ist da­her auch oh­ne aus­drück­li­che Ge­sprä­che hier­über kon­klu­dent ver­ein­bart, dass das Fahr­zeug be­rech­tigt ist, die Pla­ket­te zu füh­ren, die zum Zeit­punkt des Ver­kaufs an­ge­bracht ist. Ei­ne sol­che Pla­ket­te kann zwar ver­gleichs­wei­se ein­fach da­durch er­langt wer­den, dass durch Vor­la­ge des Fahr­zeug­schei­nes ei­ne au­to­ri­sier­te Stel­le die ent­spre­chen­de Schlüs­sel­num­mer prüft und dann ei­ne Pla­ket­te ver­gibt. Es muss al­so nicht zwangs­läu­fig die Ver­ga­be durch den TÜV oder ei­ne ähn­li­che Stel­le er­fol­gen, be­rech­tigt sind auch Kfz-Be­trie­be. Gleich­wohl ist nach der ent­spre­chen­den Ver­ord­nung Vor­aus­set­zung, dass ei­ne „sorg­fäl­ti­ge Prü­fung“ statt­fin­det. Der Käu­fer ei­nes ent­spre­chen­den Pkw kann da­her da­von aus­ge­hen, dass die für die Er­tei­lung der Pla­ket­te er­for­der­li­chen Wer­te von dem Fahr­zeug auch tat­säch­lich ein­ge­hal­ten wer­den. Ver­gleich­bar der TÜV-Un­ter­su­chung wird durch die Pla­ket­te do­ku­men­tiert, dass das Fahr­zeug auch dem hier­durch be­schei­nig­ten Zu­stand ent­spricht (vgl. zur TÜV-Pla­ket­te BGH, Urt. v. 24.02.1988 – VI­II ZR 145/87, NJW-RR 1988, 943). Auch wenn ent­spre­chen­de (kon­klu­den­te) Er­klä­run­gen zur Be­schaf­fen­heit beim Pri­vat­ver­käu­fer, wie das Land­ge­richt zu­tref­fend aus­ge­führt hat, mit Zu­rück­hal­tung an­zu­neh­men sind, gilt dies nicht für zen­tra­le Aus­sa­gen in Be­zug auf die Ei­gen­schaf­ten ei­nes Fahr­zeugs. Da­zu zählt je­den­falls heut­zu­ta­ge im Hin­blick auf zahl­rei­che Re­strik­tio­nen auch der Um­stand, wel­che Um­welt­pla­ket­te ge­führt wer­den kann.

b) Hin­zu kommt vor­lie­gend, dass im Rah­men der Kauf­ver­trags­ver­hand­lun­gen das Vor­han­den­sein ei­ner grü­nen Pla­ket­te be­son­de­re Be­deu­tung er­langt hat.

Ent­spre­chend der Er­klä­run­gen des Klä­gers … ist da­von aus­zu­ge­hen, dass bei den Ver­trags­ver­hand­lun­gen der Ehe­mann der Be­klag­ten er­klärt hat, der Wa­gen ver­fü­ge über ei­ne grü­ne Pla­ket­te. Die Be­klag­te per­sön­lich hat zwar … hier­zu be­kun­det, sie kön­ne über den In­halt ei­nes sol­chen Te­le­fo­nats nichts sa­gen, da sie nicht da­bei ge­we­sen sei. Ein sol­ches Be­strei­ten mit Nicht­wis­sen ist vor­lie­gend je­doch ge­mäß § 138 IV ZPO nicht mög­lich. Für die Be­klag­te hat letzt­lich de­ren Ehe­mann ge­han­delt. Das er­gibt sich dar­aus, dass un­strei­tig ein Te­le­fon­ge­spräch je­den­falls statt­ge­fun­den hat, dar­über hin­aus der Ehe­mann der Be­klag­ten auch bei der Be­sich­ti­gung des Fahr­zeugs Aus­kunft über den feh­len­den Die­sel­par­ti­kel­fil­ter ge­ge­ben hat. Der Ehe­mann der Be­klag­ten ist ver­gleich­bar ei­nem Ver­käu­fer für die Be­klag­te tä­tig ge­wor­den. Er hat­te die Stel­lung, die ei­nem Ver­rich­tungs­ge­hil­fen ent­spricht. Ei­ne Er­klä­rung mit Nicht­wis­sen ist hin­sicht­lich von Hand­lun­gen, die Ver­rich­tungs- oder Er­fül­lungs­ge­hil­fen vor­ge­nom­men ha­ben, je­doch nicht zu­läs­sig (vgl. Hart­mann, in: Baum­bach/Lau­ter­bach/Al­bers/Hart­mann, ZPO, 69. Aufl., § 138 Rn. 55). Je­den­falls be­steht in­so­weit ei­ne Er­kun­dungs­pflicht, die die Be­klag­te auch oh­ne Wei­te­res hät­te wahr­neh­men kön­nen.

Die Er­klä­rung, ei­ne grü­ne Pla­ket­te sei vor­han­den, hat aber nicht nur den Cha­rak­ter ei­ner rei­nen Wis­sens­er­klä­rung, die sich dar­auf be­zieht, dass ei­ne sol­che Pla­ket­te am Fahr­zeug an­ge­bracht ist. Sie hat im Rah­men von Ver­kaufs­ver­hand­lun­gen, ins­be­son­de­re dann, wenn nach­fol­gend über das Feh­len ei­nes Par­ti­kel­fil­ters ge­spro­chen wird, auch die Be­deu­tung, dass das Fahr­zeug – un­ge­ach­tet des Feh­lens ei­nes Par­ti­kel­fil­ters – tat­säch­lich be­rech­tigt ist, die grü­ne Pla­ket­te zu füh­ren.

2. Die Par­tei­en ha­ben im Kauf­ver­trag ei­nen Ge­währ­leis­tungs­aus­schluss ver­ein­bart. Ein sol­cher Ge­währ­leis­tungs­aus­schluss ist zu­läs­sig und für den Pri­vat­ver­käu­fer auch im Rah­men von All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen mög­lich. Da­nach ist die Haf­tung für Män­gel des Fahr­zeugs grund­sätz­lich aus­ge­schlos­sen.

Ein sol­cher pau­scha­ler Haf­tungs­aus­schluss ist aber re­gel­mä­ßig – und so auch hier – da­hin ge­hend aus­zu­le­gen, dass er nicht für ei­ne be­stimm­te von den Par­tei­en ge­trof­fe­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung gilt (vgl. BGH, Urt. v. 29.11.2006 – VI­II ZR 92/06, NJW 2007, 1346 [1349]). Die Be­klag­te kann sich da­her hin­sicht­lich der feh­len­den Be­rech­ti­gung, die grü­ne Pla­ket­te zu füh­ren, nicht auf den Ge­währ­leis­tungs­aus­schluss be­ru­fen.

3. Ei­ne Rück­tritts­er­klä­rung des Klä­gers ist er­folgt. Frist­set­zun­gen sind nicht er­for­der­lich, weil zwi­schen den Par­tei­en un­strei­tig ist, dass ei­ne Nach­er­fül­lung nicht in Be­tracht kommt, weil ent­spre­chen­de Die­sel­par­ti­kel­fil­ter für das kon­kre­te Fahr­zeug nicht er­hält­lich sind. Da­mit steht fest, dass im We­ge der Nach­er­fül­lung die Ein­stu­fung da­hin ge­hend, dass ei­ne grü­ne Pla­ket­te zu­ge­teilt wer­den kann, nicht er­reicht wer­den kann. Dem­entspre­chend sind die ge­währ­ten Leis­tun­gen zu­rück­zu­ge­wäh­ren. Der An­trag des Klä­gers be­rück­sich­tigt je­doch nicht, dass die Nut­zungs­vor­tei­le aus­zu­glei­chen sind (§ 346 I BGB).

Die Nut­zungs­vor­tei­le sind ge­mäß § 287 ZPO zu schät­zen.

Der Klä­ger hat mit dem Fahr­zeug, das ihm mit ei­nem Ki­lo­me­ter­stand von 210.000 ver­äu­ßert wur­de, aus­weis­lich des im Ter­min vom 09.12.2011 vor­ge­tra­ge­nen Ki­lo­me­ter­stands von 256.875 ins­ge­samt 46.875 Ki­lo­me­ter zu­rück­ge­legt.

Da­bei legt der Se­nat vor­lie­gend die bei Ge­braucht­wa­gen für die Er­mitt­lung von Ge­brauchs­vor­tei­len üb­li­cher­wei­se ver­wand­ten Be­rech­nungs­for­mel

\frac{\text{Brut­to­kauf­preis}\times\text{ge­fah­re­ne Ki­lo­me­ter}}{\text{mut­maß­li­che Rest­leis­tung}}

(vgl. Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 10. Aufl., Rn. 1753) der Schät­zung zu­grun­de. Der Se­nat geht da­bei im Hin­blick auf die bei Ver­kauf be­reits vor­han­de­ne ho­he Lauf­leis­tung, der in­ner­halb der ver­gleichs­wei­se kur­zen Be­sitz­zeit von 13 Mo­na­ten wei­ter hin­zu­ge­füg­ten er­heb­li­chen Lauf­leis­tung von na­he­zu 50.000 km und dem Um­stand, dass für die Lauf­leis­tung maß­geb­li­che Män­gel nicht er­sicht­lich sind, da­von aus, dass – be­zo­gen auf den Ver­trags­schluss – noch ei­ne wei­te­re Lauf­leis­tung von 150.000 km zu­grun­de ge­legt wer­den kann. Die (nun­meh­ri­ge) Rest­lauf­leis­tung be­trägt da­mit 103.125 km, so­dass sich ein Be­trag von (ge­run­det)

\frac{\text{8.200 €}\times\text{46.875 km}}{\text{103.125 km}} = \text{3.727 €}

er­gibt.

4. Der Klä­ger kann Er­stat­tung der vor­pro­zes­sua­len Kos­ten aus den §§ 280 I, 249 BGB ver­lan­gen. Die Be­klag­te hat ih­re Pflicht zur Lie­fe­rung ei­ner man­gel­frei­en Kauf­sa­che je­den­falls fahr­läs­sig ver­letzt, weil sie den Klä­ger nicht dar­über in­for­miert hat, dass die An­brin­gung der grü­nen Pla­ka­te oh­ne ih­re Ver­an­las­sung er­folgt ist und da­mit ei­ne sach­ge­rech­ten Prü­fung der tat­säch­li­chen Be­rech­ti­gung des Füh­rens je­den­falls zwei­fel­haft ist. …

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