- Eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Kfz-Händlers, wonach der Händler von seiner Leistungspflicht frei wird und von einem Kaufvertrag zurücktreten darf, wenn er selbst nicht beliefert wird, obwohl er „bei zuverlässigen Lieferanten deckungsgleiche Bestellungen aufgegeben“ hat (Selbstbelieferungsvorbehalt), ist grundsätzlich wirksam.
- Ein Selbstbelieferungsvorbehalt soll den Verkäufer im Wesentlichen nur vor der Haftung für unverschuldete Unmöglichkeit bei Gattungsware schützen. Der Vorbehalt ist deshalb so zu verstehen, dass er nur dann zur Befreiung des Verkäufers von der Lieferpflicht führt, wenn der Verkäufer ein kongruentes Deckungsgeschäft mit seinem Vorlieferanten geschlossen hat. Er ist auf zukünftige, noch ganz ungewisse Gefahren unter Ausschluss der regelmäßigen und vorhersehbaren Ereignisse beschränkt und befreit nur von einer Haftung, wenn sich der Verkäufer die Ware trotz zumutbarer Anstrengungen nicht zu besorgen vermag.
OLG Stuttgart, Urteil vom 16.02.2011 – 3 U 136/10
Sachverhalt: Die Klägerin, die gewerblich mit Kraftfahrzeugen handelt, begehrt von der Beklagten, die insbesondere Pkw aus I. importiert und bei der die Klägerin im Februar 2009 zehn Fahrzeuge der Marke X bestellt hat, Schadensersatz.
Die Parteien streiten vornehmlich darum, ob ein wirksamer Kaufvertrag über die Fahrzeuge, die die Beklagte nicht geliefert hat, geschlossen wurde, und ob die Beklagte – den Abschluss eines wirksamen Kaufvertrags unterstellt – mangels Selbstbelieferung zum Rücktritt berechtigt ist.
Mit Urteil vom 24.06.2010 hat das Landgericht die im Wesentlichen auf Zahlung von 22.567,22 € nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es hauptsächlich ausgeführt, dass die Klägerin mit der Beklagten zwar einen Kaufvertrag über zehn Pkw der Marke X geschlossen habe. Die Beklagte sei jedoch befugt gewesen, unter Berufung auf die in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Selbstbelieferungsklausel von diesem Kaufvertrag zurücktreten. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten seien Vertragsgrundlage geworden. Die fragliche Klausel benachteilige die Klägerin nicht unangemessen. Sie werde auch den Anforderungen des § 308 Nr. 3, Nr. 8 BGB gerecht. Die Beklagte habe vor dem Abschluss eines Vertrags mit der Klägerin ein kongruentes Deckungsgeschäft mit der Firma S geschlossen und sei von dieser im Stich gelassen worden. Ein Rücktritt sei auch nicht nach § 242 BGB ausgeschlossen. Denn Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagten bei Abschluss des Einkaufskontrakts bekannt gewesen sei, dass die Belieferung ungewiss sei, lägen nicht vor.
Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: II. … 1. Die Klägerin kann von der Beklagten nicht gemäß §§ 433, 280, 281 I, 249, 252 BGB Zahlung von 22.567,22 € plus Zinsen … beanspruchen.
a) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist vom Zustandekommen eines Kaufvertrags über zehn Pkw der Marke X auszugehen.
aa) Die Beklagte hat der Klägerin ausgefüllte Bestellformulare übermittelt, auf denen sowohl der Verkaufsgegenstand als auch die Verkaufskonditionen festgehalten waren. Hierbei handelte es sich um eine invitatio ad offerendum, da nach dem klaren Wortlaut der Formulare die Bestellung von der Klägerin ausgehen sollte und sich die Beklagte die Annahme vorbehalten wollte.
bb) Die Klägerin hat die beiden Bestellformulare der Beklagten unterschrieben und am 05.02.2009 an die Beklagte zurückgefaxt. Hierin liegt ein Angebot i. S. von § 145 BGB. Da sich die Beklagte die ausdrückliche Vertragsannahme vorbehalten hat, wie aus dem Formulartext hervorgeht, kann die Erklärung der Klägerin nicht als Annahme interpretiert werden.
cc) Dieses Angebot wurde durch die Beklagte im April 2009 angenommen. In den weiteren Telefonaten, die zwischen den Parteien auf der Basis des Angebots vom 05.02.2009 geführt wurden, ist spätestens ein konkludenter Vertragsschluss zu erblicken.
(1) Nicht nachgewiesen ist, dass die Beklagte, vertreten durch Herrn J, unmittelbar im Anschluss an den Erhalt der Bestellungen fernmündlich das Angebot angenommen hat. Es steht schon nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Zeuge J nach dem Erhalt der Bestellungen noch am 05.02.2008 mit dem Zeugen W telefoniert hat.
Richtig ist zwar, dass der Zeuge W bekundet hat, er sei telefonisch mit Herrn J in Kontakt getreten, nachdem die Bestellungen von ihm an die Beklagte zurückgefaxt worden seien. Bei diesem Telefongespräch habe Herr J bestätigt, dass die beiden Bestellungen eingegangen seien … Nach der Darstellung des Zeugen J hat kein Telefonat unmittelbar im Anschluss an den Eingang der Bestellungen stattgefunden. Insoweit steht Aussage gegen Aussage. Beide Zeugen stehen jeweils im Lager derjenigen Prozesspartei, von der sie benannt worden sind. Daher erscheinen die Angaben des Zeugen W nicht glaubwürdiger als diejenigen des Zeugen J.
Es kommt hinzu, dass die vom Zeugen W geschilderte Mitteilung vom objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) nicht als Annahmeerklärung ausgelegt werden könnte. Denn hierbei ging es nach der eigenen Erinnerung des Zeugen lediglich darum, … den Eingang der Bestellungen zu bestätigen …
Unter diesen Umständen kann insoweit dahinstehen, ob die Parteien für den Vertragsschluss die Einhaltung der Schriftform vereinbart haben, und ob diese gewahrt worden ist.
(2) Der Umstand, dass die Beklagte nicht unverzüglich nach Eingang der Bestellungen zum Ausdruck gebracht hat, dass sie das Angebot der Klägerin nicht annehme, hat nicht zu einem Vertragsschluss geführt.
Nach Nr. 2 III 4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten könnte diese zwar gehalten gewesen sein, die Klägerin als Bestellerin unverzüglich zu unterrichten, wenn sie die Bestellung nicht annimmt. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung – unterstellt, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten haben Gültigkeit erlangt – kann aber allenfalls eine Schadensersatzverpflichtung nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo nach sich ziehen, nicht aber das Zustandekommen eines Vertrags. Denn das Schweigen auf ein Angebot zeitigt regelmäßig gerade keine Rechtswirkungen (BGH, NJW 2002, 3629; Palandt/Ellenberger, BGB, 70. Aufl. [2011], vor § 116 Rn. 7).
Zu Unrecht verweist die Klägerin in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des BGH vom 14.02.1995 (VI ZR 65/94, NJW 1995, 1281). Danach ist zwar in dem Schweigen auf ein Angebot, das aufgrund von alle wichtigen Punkte betreffenden Vorverhandlungen ergeht und ihnen im Ergebnis entspricht, in der Regel eine stillschweigende Annahme zu sehen. Diese Rechtsprechung greift jedoch nur dann ein, wenn nicht nach den Umständen des Einzelfalls eine stillschweigende Annahme ausgeschlossen sein sollte (BGH, LM § 151 BGB Nr. 2). Im vorliegenden Fall sollte nach dem Willen der Beklagten, wie er in Nr. 2 III ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen und im Wortlaut der Bestellungen zum Ausdruck kommt, ein wirksamer Vertragsschluss von einer ausdrücklichen Bestätigung der Annahme durch die Beklagte abhängig sein, sodass ein Schweigen gerade keine Annahme bewirken sollte.
(3) In der Bestellung von zehn Pkw der Marke X bei der Lieferantin S in I. durch die Beklagte liegt ebenfalls keine Annahmeerklärung. Die Bestellung durch die Beklagte erfolgte zeitlich vor der Bestellung durch die Klägerin … Außerdem sagte die Bestellung der Beklagten nichts darüber aus, welcher Interessent Fahrzeuge von der Beklagten erhalten sollte.
(4) Ein Kaufvertrag über zehn Pkw der Marke X, Typ P, ist auch nicht dadurch geschlossen worden, dass die Parteien über den Kauf eines Pkw der Marke X, Typ A, Einigung erzielt haben …
(5) Ein Vertragsschluss ist spätestens durch die im April 2009 zwischen den Zeugen W und J geführten Telefonate erfolgt.
Laut den übereinstimmenden Angaben des Zeugen W und des Zeugen J hat im April 2009 ein Telefonkontakt stattgefunden. Zu diesem Zeitpunkt war die Annahmefrist gemäß § 147 II BGB verstrichen. Nach dieser Vorschrift können Anträge unter Abwesenden nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in dem der Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen zu erwarten ist. Bei einem Autokauf ist eine Annahme nach ca. zwei Monaten jedenfalls zu spät (OLG Frankfurt, NJW-RR 1998, 566; Staudinger/Bork, BGB, Neubearb. 2003, § 147 Rn. 15). Gleiches gilt, falls Nr. 2 III 3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten Anwendung finden sollte, wonach ein Angebot nur innerhalb von zwölf Werktagen angenommen werden kann, weil auch diese Frist nicht eingehalten wurde. Die Zusage eines Liefertermins für April 2009 durch den Zeugen J stellte somit ein neues Angebot dar (§ 150 I BGB). Eine solche Zusage wurde übereinstimmend durch die Zeugen W und J berichtet. Jedenfalls durch die nachfolgenden mehrfachen Nachfragen zum Liefertermin vonseiten des Zeugen W, die dem Zeugen J ebenfalls noch in Erinnerung waren, hat die Klägerin zu verstehen gegeben, dass sie die bestellten Fahrzeuge nach wie vor abnehmen will, was als Annahmeerklärung zu werten ist.
Für einen wirksamen Vertragsschluss spricht überdies nicht nur die Aussage des Zeugen W, es seien „verbindliche Bestellungen“ gewesen, sondern auch das Verhalten des Zeugen J. Für letzteren war „verständlich“, dass der Händler nach dem Liefertermin fragt, denn „er hat die Fahrzeuge ja bestellt und will sie auch haben“. Danach bestanden auch aus der Sicht des Zeugen J letztlich keine Zweifel mehr am Bestehen eines rechtsgültigen Kaufvertrags. Eventuell bestehende Formabreden wurden konkludent einvernehmlich aufgehoben.
b) Die Beklagte ist gemäß Nr. 4 IV ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen vom Kaufvertrag zurückgetreten (§ 346 I BGB). Hierzu war sie berechtigt. Durch den Rücktritt gestaltet sich das Vertragsverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis um. Damit entfallen Ansprüche auf Erfüllung der Klägerin ebenso wie Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung der ursprünglichen Leistungspflichten.
aa) Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten sind zum Vertragsinhalt geworden. In den Bestellformularen wird zum einen auf die Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ausdrücklich hingewiesen und zum anderen deren Zusendung auf Wunsch angeboten. Dies genügt für eine Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen unter Kaufleuten nach § 305 II BGB (OLG Düsseldorf, VersR 1996, 1394; Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 305 Rn. 50, 53). Außerdem waren die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten seit Sommer 2008 im Internet abrufbar, wie der Zeuge H glaubhaft angegeben hat.
Einbezogen wurde somit auch die in Nr. 4 IV der Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Selbstbelieferungsklausel, die folgenden Wortlaut hat:
„Werden wir selbst nicht beliefert, obwohl wir bei zuverlässigen Lieferanten deckungsgleiche Bestellungen aufgegeben haben, werden wir von unserer Leistungspflicht frei und können vom Vertrag zurücktreten. Wir sind verpflichtet, den Besteller über die Nichtverfügbarkeit der Leistung unverzüglich zu unterrichten und werden jede schon erbrachte Gegenleistung des Bestellers unverzüglich erstatten.“
Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die die Beklagte … zu den Akten gereicht hat und die den Zusatz „Stand Oktober 2008“ ausweisen, sind inhaltlich bis zum Februar 2009 unverändert geblieben … Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten mit dem Vermerk „Stand März 2009“ sind in der Tat identisch mit der früheren Fassung vom Oktober 2008, es wurde nur das äußere Erscheinungsbild überarbeitet.
cc) Ein Selbstbelieferungsvorbehalt mit diesem Inhalt wurde bei Verträgen unter Kaufleuten von der Rechtsprechung als nicht unangemessen i. S. von § 307 BGB gebilligt, da er handelsüblich ist (BGHZ 92, 396 = NJW 1985, 738). Er räumt dem Verkäufer keinen Freibrief ein, sondern soll ihn im Wesentlichen nur vor der Haftung für unverschuldete Unmöglichkeit bei Gattungsware schützen. Er ist dahin zu verstehen, dass er zur Befreiung des Verkäufers von der Lieferpflicht nur dann führt, wenn dieser ein kongruentes Deckungsgeschäft mit dem Vorlieferanten geschlossen hat. Er ist in seiner Bedeutung auf zukünftige und noch ganz ungewisse Gefahren unter Ausschluss der regelmäßigen und vorhersehbaren Ereignisse beschränkt und befreit von einer Haftung nur, wenn sich der Verkäufer die Ware trotz zumutbarer Anstrengungen nicht zu besorgen vermag (BGHZ 124, 351 = NJW 1994, 1060). Das einseitige Vertragslösungsrecht greift nur Platz, wenn der Verkäufer ein kongruentes Deckungsgeschäft geschlossen hat und von seinem Lieferanten im Stich gelassen wird (BGH, NJW 1985, 738; BGHZ 49, 388 = WM 1968, 510). Bedenken gegen die Wirksamkeit ergeben sich weder aus § 308 Nr. 3 BGB (BGH, NJW 1983, 1321; NJW 1985, 738) noch aus § 308 Nr. 8 BGB.
dd) Die Beklagte hatte, um die Pflichten als Verkäuferin gegenüber der Klägerin erfüllen zu können, mit der Firma S einen kongruenten Deckungsvertrag abgeschlossen und wurde von dieser im Stich gelassen. Die Voraussetzungen, die nach der vereinbarten Selbstbelieferungsklausel zum Rücktritt berechtigen, sind daher erfüllt.
(1) Kongruenz ist gegeben, wenn der Verkäufer – was zu seiner Beweislast steht – am Tage des Abschlusses des Verkaufskontrakts im Besitz eines rechtsverbindlichen Einkaufskontrakts war, der seinen eigenen Lieferanten verpflichtete, die Ware dergestalt zu liefern, dass er damit seinen Käufer befriedigen konnte (BGHZ 92, 396 = NJW 1985, 738). Für die Frage, ob Kongruenz zwischen dem Verkaufs- und dem Einkaufskontrakt gegeben ist, ist eine objektive Betrachtungsweise geboten. Die Ausgestaltung der beiden Kontrakte muss so beschaffen sein, dass bei natürlichem reibungslosem Ablauf die Erfüllung des Verkaufskontrakts mit der aus dem Einkaufskontrakt erwarteten Ware möglich ist; das heißt, die Lieferpflichten des Vormannes aus dem Einkaufskontrakt müssen gegenüber dem Verkäufer mindestens die gleiche Sicherheit für die Lieferung bieten, wie dieser sie selbst seinem Abkäufer im Verkaufskontrakt gewährleistet hat. Dies ist der Fall, wenn der Einkaufskontrakt die gleiche Ware und mindestens die gleiche Menge wie der Verkaufskontrakt betrifft, die Qualität der Waren und die Liefer- oder Abladezeit sich jeweils entsprechen und die Erfüllung aus dem Einkaufskontrakt nicht von einer Bedingung oder sonstigen, in der Sphäre des Vorlieferanten auftretenden Umständen abhängig gemacht ist (BGH, NJW 1995, 1959; WM 1990, 107).
(2) Mit dem Landgericht ist hier von einer Kongruenz zwischen Einkaufs- und Verkaufskontrakt auszugehen.
Die Beklagte hat nachgewiesen, dass am 05.02.2009 noch vor der Abgabe eines Angebots durch die Klägerin ein Einkaufskontrakt mit der Firma S über 50 Pkw der Marke X geschlossen worden ist. Von der Zeugin S war insoweit glaubhaft zu erfahren, dass von der Beklagten bei der Lieferantin 50 [Fahrzeuge des Typs P] bestellt worden seien, und dass die Lieferantin die Bestellung per Mail bestätigt habe. Diese Bestätigungsmail sei immer der letzte Kontakt mit der Lieferantin, dabei handele es sich um den verbindlichen Einkaufskontrakt. Die entsprechenden Angaben decken sich mit den Schriftstücken, die von der Beklagten … vorgelegt wurden. Diese beziehen sich, so die Zeugin S weiter, auf den streitgegenständlichen Einkaufskontrakt. Hieraus geht hervor, dass die Bestätigung bei der Beklagten schon am 05.02.2009 um 9.51 Uhr vorlag, während das Angebot der Klägerin bei der Beklagten erst am 05.02.2009 um 15.45 Uhr einging.
Im Übrigen widerlegen die vorerwähnten Unterlagen die Angabe des Zeugen J, dass die Bestellungen an die Disposition weitergegeben würden und von dort aus dann der gesamte Einkauf erfolge. Die von ihm angegebene zeitliche Reihenfolge ist für den hier zu entscheidenden Streitfall nicht zutreffend. Vielmehr erfolgte der Abschluss des Einkaufskontrakts vor dem Abschluss eines Verkaufskontrakts. Dieser Ablauf wurde auch von der Zeugin S so dargestellt, wonach es ein Angebot für reimportierte Autos immer erst dann gibt, wenn die Bestätigung des Lieferanten da ist …
Die Lieferpflichten der Firma S gegenüber der Beklagten haben mindestens die gleiche Sicherheit für die Lieferung geboten, wie sie gegenüber der Klägerin im Verkaufskontrakt gewährleistet worden ist. Insoweit ist unschädlich, dass der Einkaufskontrakt auch zur Erfüllung anderweitiger Verträge gedient hat (BGH, WM 1990, 107). Einen Selbstbelieferungsvorbehalt hat die Beklagte mit ihrer Lieferantin nicht vereinbart, wie der Zeuge P weiter mitgeteilt hat. Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, hätte durch einen branchenüblichen, inhaltsgleichen Selbstbelieferungsvorbehalt im Einkaufskontrakt die Sicherheit für die Klägerin in Bezug auf die Lieferung nicht negativ beeinflusst werden können, die von vornherein mit solchen Klauseln rechnen musste. Entgegen der Ansicht der Klägerin folgt eine Inkongruenz nicht daraus, dass von der Lieferantin kein genauer Produktionstermin für die verkauften Fahrzeuge genannt worden ist. Zum einen hat die Firma S die Beklagte im Februar 2009 darüber informiert, dass sich die [Fahrzeuge des Typs P] „im Vorlauf für Ankunft April“ befinden. Somit ging auch die Lieferantin ihrerseits zu diesem Zeitpunkt von einer Belieferung aus. Zum anderen ist der Vortrag der Klägerin plausibel, dass die Ursache für die aufgetretenen Lieferschwierigkeiten darin bestand, dass die Herstellerin gegenüber der Importeurin in I. vertragsbrüchig geworden sei und bereits nach I. verkaufte Fahrzeuge wegen der durch die „Abwrackprämie“ ausgelösten starken Nachfrage im Inland abgesetzt habe. In die gleiche Richtung weist die Darstellung der Zeugin S. Danach wurden die streitgegenständlichen Fahrzeuge produziert, aber dem Markt pflichtwidrig entzogen. Solch ein Verhalten war weder für die Firma S noch für die Beklagte vorhersehbar und kann nicht einseitig zulasten der Beklagten gehen. Nach Sinn und Zweck der Selbstbelieferungsklausel sollte sich die Beklagte gerade auch in einer derartigen Lage von ihrer Lieferverpflichtung lösen können. Jedenfalls kann der Beklagten eine Sorgfaltswidrigkeit bei der Beschaffung der streitgegenständlichen Pkw nicht zur Last gelegt werden. Mehr Anstrengungen waren ihr nicht zumutbar. Von der Firma S wurde die Beklagte in der Vergangenheit stets unproblematisch beliefert, wie von der Zeugin S weiter zu erfahren war.
Anhaltspunkte, aus denen sich sonst eine Inkongruenz ergeben könnte, sind nicht ersichtlich und wurden von der Klägerin auch nicht konkret vorgetragen. Die Beklagte hat alle für den Vertragsschluss mit der Lieferantin relevanten Unterlagen vorgelegt.
ee) Der Beklagten ist es nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Selbstbelieferungsklausel zu berufen.
Nach der Rechtsprechung des BGH darf sich ein Verkäufer dann nicht auf einen (wirksamen) Selbstbelieferungsvorbehalt stützen, wenn er beim Abschluss des (kongruenten) Deckungsgeschäfts nicht die Sorgfalt beachtet hat, die ein ordentlicher Kaufmann der betreffenden Branche regelmäßig beim Abschluss ähnlicher Kontrakte anzuwenden pflegt (§ 242 BGB). Er lässt diese Sorgfalt vermissen, falls er das Deckungsgeschäft ungeachtet ihm bekannter Umstände abschließt, welche seine Erwartung, aus dem Deckungsgeschäft rechtzeitig und richtig oder überhaupt beliefert zu werden, bei vernünftiger Betrachtungsweise als nicht gesichert erscheinen lassen. Dies ist zweifellos der Fall, wenn der Verkäufer beim Abschluss des Einkaufskontraktes Nachteiliges über den Vertragspartner wusste, das zwingend darauf schließen ließ, dass mit der Belieferung nicht gerechnet werden könne oder deren Ausführung zumindest ungewiss sei. Gleiches muss gelten, sofern sich der Verkäufer der sich nach Sachlage aufdrängenden Einsicht, sein Vertragspartner werde das Deckungsgeschäft möglicherweise nicht erfüllen, verschließt, und das Deckungsgeschäft sozusagen „blindlings“ abschließt (BGHZ 92, 396 = NJW 1985, 738).
Solche Umstände, die zur Anwendung von § 242 BGB führen können, sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar und erst recht nicht als bewiesen zu erachten. Dies wirkt sich zum Nachteil der Klägerin aus, weil sie insoweit beweisbelastet ist. Die Klägerin hat schon keine Indizien dafür vorgetragen, aus denen die Beklagte zum Zeitpunkt des Zustandekommens des Einkaufskontraktes hätte ersehen können, dass sie möglicherweise nicht oder nicht rechtzeitig beliefert wird. Insbesondere war der Beklagten nichts Nachteiliges über die Firma S bekannt geworden. Nach dem Vortrag der Beklagten handelte es sich im Gegenteil bei der S um einen zuverlässigen Vertragspartner, von dem in der Vergangenheit mehr als 1.000 Fahrzeuge geliefert worden seien, ohne dass es je Beanstandungen gegeben habe. Dass eine Belieferung nicht erfolgt, habe sie nicht gewusst. Diesen Sachvortrag hat die Zeugin S in den wesentlichen Zügen bestätigt. In Anbetracht der Ursache der Lieferschwierigkeiten, die soeben schon näher beleuchtet worden ist, bleibt für die Heranziehung von § 242 BGB kein Raum, auch wenn die Lieferantin der Beklagten nicht die genaue Produktionswoche mitgeteilt hat.
Bei der Annahme der Klägerin, eine Produktion der von ihr bestellten Fahrzeuge sei nicht sicher gewesen, handelt es sich um eine reine Spekulation. Es ist gerichtsbekannt, dass die X-AG in dem hier in Rede stehenden Zeitraum auf Grund der hohen Nachfrage mehr Neuwagen des Typs P hätte verkaufen können, als sie zu produzieren in der Lage war. Irgendwelche Hinweise darauf, dass die von der Beklagten bei der Firma S eingekauften Pkw nicht produziert werden, wurden von der Klägerin nicht dargetan und wären für die Beklagte auch nicht erkennbar gewesen.
Die Beklagte musste mit dem Weiterverkauf der Fahrzeuge auch nicht zuwarten, bis ihr ein verbindlicher Liefertermin von der Lieferantin genannt wird. Auf die Belieferung durch die Firma S konnte die Beklagte auf der Basis der Erfahrungen aus der Vergangenheit, die die Zeugin S näher beschrieben hat, ohne Weiteres vertrauen.
Im Ergebnis hat die Beklagte weder „blindlings“ ein Verkaufsgeschäft mit der Klägerin abgeschlossen, noch liegt in der Nichtbelieferung der Klägerin eine unbillige Härte.
ff) Das Stornierungsschreiben der Beklagten vom 24.07.2009 ist als Rücktrittserklärung aufzufassen.
c) Ob der Klägerin tatsächlich ein Gewinn in der behaupteten Höhe entgangen ist, bedarf nach alledem keiner Prüfung mehr.
d) Die Beklagte hat die Klägerin nicht fahrlässig zu spät darüber informiert, dass sie die streitgegenständlichen Pkw der Marke X nicht liefern kann. Die Klägerin hat weder substanziiert dargelegt noch unter Beweis gestellt, dass die Beklagte früher hätte Mitteilung hierüber machen können. Daran scheitert ein Schadensersatzanspruch wegen Verzugs gem. §§ 280, 286, 288 III BGB.
e) Die Abtretung eines Ersatzanspruchs der Beklagten, der gegen die Firma S gerichtet ist, gem. § 285 BGB kann die Klägerin nicht verlangen. § 285 BGB setzt ein bestehendes Vertragsverhältnis voraus und erfordert einen Wegfall der Leistungspflicht des Schuldners wegen Unmöglichkeit (§ 275 I BGB), wegen eines grob unverhältnismäßigen Aufwands (§ 275 II BGB ) oder wegen Unzumutbarkeit der persönlich aufzubringenden Leistung (§ 275 III BGB). Im vorliegenden Fall wurde das Vertragsverhältnis durch den Rücktritt umgestaltet, und der Wegfall der Leistungspflicht beruht nicht auf dem Gesetz, sondern auf dem vertraglich vereinbarten Selbstbelieferungsvorbehalt, der mit einer rechtsgeschäftlichen Bedingung gleichzusetzen ist mit der Folge, dass auf § 285 BGB nicht zurückgegriffen werden kann (MünchKomm-BGB/Emmerich, 5. Aufl. [2007], § 285 Rn. 3; Löwisch/Caspers, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2009, § 285 Rn. 29). Deswegen kann offenbleiben, ob der Beklagten überhaupt eine Ersatzforderung gegen die Firma S zusteht.
f) Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin lässt sich auch nicht nach den Grundsätzen über die Drittschadensliquidation begründen. Es fehlt schon an einer für die Drittschadensliquidation typischen Schadensverlagerung (vgl. Palandt/Grüneberg, a. a. O., vor § 249 Rn. 105; Staudinger/Schiemann, BGB, Neubearb. 2005, vor § 249 Rn. 62), weil sowohl der Klägerin als auch der Beklagten aus der Nichtbelieferung ein Schaden entstanden sein kann. Anspruchsinhaber ist in Fällen der Drittschadensliquidation der Inhaber der verletzten Rechtsstellung, der auf Leistung an sich oder an den Geschädigten klagen kann (BGH, NJW 1989, 452; NJW-RR 1987, 880; NJW-RR 1996, 724). Inhaber der verletzten Rechtsstellung ist hier die Beklagte, nicht die Klägerin. Zwar wird bei einem Auseinanderfallen zwischen Gläubiger und Geschädigtem regelmäßig ein Anspruch nach § 285 BGB zuerkannt (Palandt/Grüneberg, a. a. O., vor § 249 Rn. 107; Staudinger/Schiemann, a. a. O., vor § 249 Rn. 67). Aus den schon genannten Gründen kommt ein solcher Anspruch aber gerade nicht in Betracht.
2. In Ermangelung eines Schadensersatzanspruchs hat die Beklagte der Klägerin die vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten nicht zu ersetzen …