1. Ein Selbstbelieferungsvorbehalt in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Kfz-Verkäufers ist gemäß § 308 Nr. 3 BGB gegenüber einem Verbraucher unwirksam, wenn der Vorbehalt nicht ausdrücklich auf den Fall beschränkt ist, dass der Verkäufer von seinem Lieferanten trotz Abschlusses eines kongruenten Deckungsgeschäfts im Stich gelassen wird.
  2. Ein Kfz-Käufer, der ein zu einem günstigen Preis gekauftes Fahrzeug vertragswidrig nicht erhält, erleidet einen Vermögensschaden in Höhe der Differenz zwischen dem Marktwert des Fahrzeugs und dem dafür vereinbarten Kaufpreis (im Anschluss an OLG Hamm, Urt. v. 10.03.1995 – 19 U 206/94, VersR 1996, 1119).

LG Duisburg, Urteil vom 27.04.2007 – 10 O 581/05

Sachverhalt: Am 30.05.2005 bestellte die Klägerin bei der Beklagten einen Neuwagen Audi A4 Avant 1.9 TDI zum Preis von 23.314 €. Der Bestellung lagen die Allgemeinen Geschäftbedingungen der Beklagten zugrunde, in denen es unter „D. Lieferung und Lieferverzug“ heißt:

„2. …

Ausbleibende Lieferung seitens der Exporteure/Lieferanten, die der Verkäufer nicht zu vertreten hat, schließen eine Haftung des Verkäufers aus (z. B. höhere Gewalt/Kontigentierung). Der Liefer-/Bestellvertrag ist damit erloschen.“

Unter „H. Haftung" findet heißt es unter anderem:

„3. Der Verkäufer ist nicht schadensersatzpflichtig sofern er selbst nicht beliefert wird oder nicht abnehmen kann (z. B. Streik, höhere Gewalt, Produktionsfehler der Hersteller, Kontigentierung, Exportstop, organisatorische Umstände durch den Hersteller, Fehlbestellung des Lieferanten, Zwischenfinanzierungsausfall etc.). Die [Beklagte] verpflichtet sich, den Vertragspartner unverzüglich über die Nichtbelieferung zu informieren und evtl. Anzahlungen des Vertragspartners unverzüglich zu erstatten. Der Kaufvertrag oder der Bestellauftrag sind nach der Anzeige der Nichtbelieferung erloschen, soweit keine andere schriftliche Absprache getroffen wurde.“

Der bestellte Wagen sollte die Farbe brillantschwarz haben und mit schwarzen Polstern sowie dem Radio „Chorus“ ausgestattet sein; im Übrigen sollte die im „Glanzpaket“ enthaltene Ausstattung vorhanden sein. Der Listenpreis für ein Fahrzeug mit dieser Ausstattung beläuft sich auf 28.715 €.

Die Parteien vereinbarten zunächst „verbindlich“, dass die Klägerin eine Bankbürgschaft beschaffen und das bestellte Fahrzeug drei Monate nach dem Eingang der Bürgschaftschaftsurkunde bei der Beklagten geliefert werden sollte. Später vereinbarten sie davon abweichend, dass die Klägerin der Beklagten einen bankbestätigten Scheck über den vereinbarten Kaufpreis übergeben sollte.

Die Sparkasse S. stellte am 31.05.2005 einen entsprechenden Verrechnungsscheck aus. Diesen übersandte die Klägerin der Beklagten mit Einschreiben vom selben Tag. In dem Schreiben der Klägerin hieß es:

„Wie vereinbart übersende ich Ihnen anliegend treuhänderisch den bestätigten Bankscheck in Höhe von 23.314 € … Den Eingang des Schecks mit Übernahme dieses Treuhandauftrages bitte ich mir auf diesem Schreiben per Fax umgehend zu bestätigen …

Hiermit wird der Eingang des obigen Schecks und die Übernahme des Treuhandauftrages bestätigt:

Dinslaken, den …“

Die Beklagte sandte dieses Schreiben am 03.06.2005 unterzeichnet, mit ihrem Firmenstempel und dem Datum „03.06.2005“ versehen an die Klägerin zurück.

Mit E-Mail vom 04.06.2005 informierte die Beklagte die Klägerin darüber, dass sie die Bestellung des von der Klägerin gekauften Fahrzeugs an ihren Lieferanten abgesandt habe. Mit E-Mail vom 10.06.2005 bestätigte die Beklagte sodann die Bestellung.

In der Folgezeit gab die Beklagte den bankbestätigten Scheck der Klägerin auf Wunsch ihres Lieferanten zu seiner Absicherung an diesen weiter.

Mit E-Mail vom 12.07.2005 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass der Liefertermin für das bestellte Fahrzeug werksferienbedingt im September liegen werde; der genaue Termin werde der Klägerin noch mitgeteilt. Mit E-Mail vom 15.08.2005 informierte die Beklagte die Klägerin darüber, dass das bestellte Fahrzeug voraussichtlich Ende September ausgeliefert werde.

Am 02.09.2005 leitete die Klägerin der Beklagten eine E-Mail weiter, die sie selbst vom Autohaus A erhalten hatte. Darin wurde vor Betrügern gewarnt, die „Phantomfahrzeuge“, also Fahrzeuge, die nie geliefert werden, anbieten. Die Beklagte beantwortete die E-Mail der Klägerin ebenfalls per E-Mail am 02.09.2005, indem sie die Klägerin beruhigte und angab, dass sie auch in der folgenden Woche täglich Fahrzeuge zur Auslieferung erhalte.

Unter dem 21.09.2005 sandte die Beklagte der Klägerin ein Schreiben mit folgendem Inhalt:

„Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass der Lieferant, bei dem wir Ihre Fahrzeugbestellung platziert hatten, nicht in der Lage ist, das von Ihnen gewünschte Fahrzeug zu liefern. Daher können wir Ihre Fahrzeugbestellung nicht bestätigen bzw. das Fahrzeug nicht ausliefern. Vielmehr geht der mittlerweile abberufene Direktor des Lieferanten davon aus, dass dieser zahlungsunfähig ist. Wir können Ihnen leider das Fahrzeug, wie Sie es bestellt hatten, derzeit nicht beschaffen.

Da wir immer bemüht sind, den preisgünstigsten Lieferanten zu finden, hatten wir die X-GmbH ausgewählt. Wir prüfen gerne, inwieweit eine alternative Lieferung durch anderer Lieferanten möglich ist. Wenn Sie dies wünschen, teilen Sie uns dies bitte mit.

Wir möchten uns für die eingetretene Situation bei Ihnen entschuldigen. Wir senden Ihnen zu unserer Entlastung die notwendige Kaufpreisabsicherung zurück, sobald wir diese vom Lieferanten zurückerhalten haben. Diesem mussten wir die Kaufpreisabsicherung zur ‚ordnungsgemäßen‘ Bestellung abtreten und aushändigen.“

Am 26.09.2005 veranlasste die Klägerin bei der Sparkasse S. die Sperrung des Schecks.

Da sie ein vergleichbares, sofort verfügbares Fahrzeug nicht finden konnte, kaufte die Klägerin am 30.09.2005 für 25.000 € einen gebrauchten Audi A4 Avant 2.0.

Mit Schreiben ihres Rechtsanwalts vom 07.10.2005 erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten ihren Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte unter Fristsetzung (erfolglos) Schadensersatz in Höhe von 2.763,29 € und die Herausgabe des bankbestätigten Schecks.

Den Schadensersatzanspruch hat die Klägerin wie folgt errechnet:

Differenz zwischen dem vereinbarten Kaufpreis (23.314 €) und dem Anschaffungspreis für ein Fahrzeug mit gleicher Ausstattung (25.843,50 €) 2.529,50 €
Gebühr für die Bankbestätigung des Schecks 15,34 €
Zinsausfallschaden für die Zeit vom 31.05.2005 bis zum 21.09.2005 (Zinssatz: 3 %) 218,45 €
Gesamtschaden 2.763,29 €

Dem Händlerpreis in Höhe von 25.843,50 € liegen ein Listenpreis von 28.715 € und ein Händlerrabatt von 10 % zugrunde.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 2.763,39 € nebst Zinsen sowie zur Abtretung ihres auf Herausgabe des Verrechnungsschecks gerichteten Anspruchs zu verurteilen.

Die Klage hatte überwiegend Erfolg.

Aus den Gründen: 1. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung des ausgeurteilten Betrages gemäß §§ 280 I, III, 281 I BGB.

Die Parteien sind durch einen Kfz-Kaufvertrag miteinander verbunden. Spätestens mit ihrer E-Mail vom 04.06.2005 hat die Beklagte das Angebot der Klägerin vom 30.05.2005 auf Abschluss eines Kaufvertrages angenommen.

Die Beklagte hat den Kaufvertrag nicht erfüllt und so ihre Verpflichtung aus § 433 II BGB verletzt. Die Pflichtverletzung hat die Beklagte auch zu vertreten, denn sie hat mit Abschluss des Kaufvertrags das Risiko übernommen, der Klägerin das Eigentum am Kaufgegenstand zu verschaffen, was zu einer verschuldensunabhängigen Haftung führt … Darauf, dass die Beklagte nach ihrem Vorbringen selbst Opfer betrügerischer Machenschaften geworden ist, kommt es danach nicht an.

Die Haftung der Beklagten ist auch nicht durch die vereinbarten Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgeschlossen.

Gemäß Punkt D Nr. 2 II 3 und Punkt H Nr. 3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen haftet die Beklagte nicht bei Ausbleiben der Lieferung durch Lieferanten oder Exporteure, die sie nicht zu vertreten hat … Auf diese Bestimmungen kann sich die Beklagte aber nicht berufen, weil sie unwirksam sind.

Gemäß § 308 Nr. 2 BGB ist eine Bestimmung, die es dem Verwender ermöglicht, sich ohne sachlich gerechtfertigten Grund von seiner Leistungspflicht zu lösen, unwirksam. Unter diese Bestimmung fällt auch die Regelung eines Selbstbelieferungsvorbehalts (vgl. Becker, in: Bamberger/Roth, BGB, § 308 Nr. 3 Rn. 28), wie er in Punkt D Nr. 2 II 3 und Punkt H Nr. 3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen bestimmt ist. Gegenüber Verbrauchern ist ein solcher Selbstbelieferungsvorbehalt nur unter eingeschränkten Voraussetzungen zulässig (vgl. Becker, in: Bamberger/Roth, a. a. O., § 308 Nr. 3 Rn. 28). Der gegenüber Verbrauchern verwendete Selbstbelieferungsvorbehalt muss ausdrücklich auf den Fall beschränkt sein, dass der Verwender von seinem Lieferanten trotz Abschlusses eines kongruenten Deckungsgeschäfts im Stich gelassen wird (vgl. … BGH, Urt. v. 22.03.1995 – VIII ZR 98/94, NJW 1995, 1959). Diese Voraussetzung erfüllen die von der Beklagten verwendeten Klauseln nicht, da sie sich für den nichtkaufmännischen Verkehr nicht ausdrücklich auf den Fall beschränken, dass die Beklagte ein kongruentes Deckungsgeschäft abgeschlossen hat. Der Wortlaut der genannten Regelungen umfasst nämlich uneingeschränkt alle Fälle, in denen die Beklagte von ihrem Lieferanten nicht beliefert wird und sie die Nichtbelieferung nicht zu vertreten hat.

Darüber hinaus hatte die Beklagte ihrem eigenen Vorbringen zufolge ein solches kongruentes Deckungsgeschäft auch gar nicht – wie es, die Wirksamkeit des Selbstbelieferungsvorbehaltes unterstellt, erforderlich wäre – zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit der Klägerin abgeschlossen. Um als kongruent angesehen werden zu können, muss das Deckungsgeschäft bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Verkaufsvertrages vorliegen und mindestens die gleiche Warenmenge und die gleiche Lieferzeit wie der Verkaufsvertrag enthalten (vgl. BGH, Urt. v. 22.03.1995 – VIII ZR 98/94, NJW 1995, 1959; …). Tatsächlich bestellte die Beklagte den an die Klägerin verkauften Pkw erst am 10.06.2005, also nachdem sie den Kaufvertrag mit der Klägerin abgeschlossen hatte.

Die gemäß § 281 I 1 BGB grundsätzlich erforderliche Fristsetzung war im vorliegenden Fall entbehrlich (§ 281 II BGB). Das Schreiben der Beklagten vom 21.09.2005 ist als ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung aufzufassen. Dass die Beklagte in diesem Schreiben zugleich anbietet zu prüfen, „inwieweit eine alternative Lieferung durch andere Lieferanten möglich ist“, steht der Entbehrlichkeit der Fristsetzung nicht entgegen. Denn in der Zusammenschau mit der vorangestellten Mitteilung, die Beklagte könne das Fahrzeug nicht ausliefern, weil der Lieferant nicht in der Lage sei, das Fahrzeug zu liefern, und der Aussage „Wir können Ihnen leider das Fahrzeug, wie Sie es bestellt hatten, derzeit nicht beschaffen.“ ist der erstgenannte Absatz als Angebot auf Abschluss eines neuen Kaufvertrages – nicht etwa als Angebot der Nacherfüllung des bestehenden Vertrages – zu verstehen.

Die Beklagte hat die Klägerin gemäß § 281 BGB so zu stellen, wie wenn der Vertrag ordnungsgemäß erfüllt worden wäre. Wenn ein Käufer ein Fahrzeug, das einen bestimmten Marktwert verkörpert, zu einem günstigeren Preis kauft und nicht geliefert erhält, so erleidet er einen Vermögensschaden, der in der Differenz dieser beiden Positionen liegt (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 10.03.1995 – 19 U 206/94, VersR 1996, 1119; …). Diese Differenz hat die Klägerin unter Berücksichtigung eines üblichen, zehnprozentigen Händlerrabatts mit 2.529,50 € errechnet, ohne dass die Beklagte dem entgegengetreten wäre.

Nicht vom positiven Interesse umfasst sind hingegen die Scheckgebühren und der Zinsausfall. Diese wären auch dann angefallen, wenn die Beklagte den Vertrag ordnungsgemäß erfüllt hätte. Insoweit kommt ein Anspruch aus § 284 BGB in Betracht, der nur anstelle des Schadensersatzanspruchs statt der Leistung (§ 281 BGB) geltend gemacht werden kann.

2. Die Klägerin hat auch Anspruch auf Abtretung des Herausgabeanspruchs bezüglich der Scheckurkunde gemäß §§ 280, 249 BGB.

Die Parteien haben unter dem 31.05./03.06.2005 einen „Treuhandauftrag“ vereinbart, wonach der Scheck der Sicherung des Kaufpreisanspruchs der Beklagten dienen sollte („Zahlungsgarantie“) und erst mit Lieferung bzw. Fahrzeugübergabe zur Einlösung vorgelegt werden durfte. Gegen diese Verpflichtung, welche die Beklagte durch ihre Unterschrift anerkannt hat, hat sie verstoßen, indem sie den Scheck ihrem Lieferanten weitergegeben und als Sicherheit für dessen Ansprüche zur Verfügung gestellt hat. Dafür, dass die Beklagte hierbei nicht schuldhaft gehandelt hätte, ist nichts ersichtlich.

Hierdurch ist der Klägerin ein Schaden entstanden, denn ihr ist der Scheckbetrag vom Konto bereits abgebucht worden, ohne dass sie die Möglichkeit hatte, den Scheck vorzulegen und den Scheckbetrag erstattet zu erhalten.

Der Schadenersatzanspruch ist gemäß § 249 I BGB auf Naturalrestitution gerichtet. Die Beklagte hat die Klägerin so zu stellen, als hätte sie den Scheck nicht vertragswidrig weitergegeben. Anstelle des Herausgabeverlangens hat sich die Klägerin vorliegend – als Weniger – mit der Abtretung des Herausgabeanspruchs begnügt, den die Beklagte gegen ihre Lieferantin hat …

PDF erstellen