Liegt der kom­bi­nier­te Ver­brauch ei­nes Fahr­zeugs nicht, wie vom Her­stel­ler/Ver­käu­fer an­ge­ge­ben, bei 7,5 l/100 km, son­dern bei 8,1 l/100 km, stellt dies bei ei­nem Vor­führ­wa­gen mit ei­ner Lauf­leis­tung von nur 2.000 km ei­nen Sach­man­gel dar, ob­wohl beim Kauf ei­nes Ge­braucht­wa­gens in der Re­gel grö­ße­re To­le­ran­zen als bei ei­nem fa­brik­neu­en Pkw hin­zu­neh­men sind.

AG Mi­chel­stadt, Ur­teil vom 23.12.2009 – 1 C 140/09

Sach­ver­halt: Der Klä­ger be­gehrt von dem Be­klag­ten Er­stat­tung ei­nes Min­de­rungs­be­trags von 2.974 € we­gen er­höh­ten Kraft­stoff­mehr­ver­brauchs ei­nes von dem Be­klag­ten er­wor­be­nen Kfz.

Der Be­klag­te be­treibt ein Au­to­haus. Der Klä­ger er­warb von dem Be­klag­ten im No­vem­ber 2006 ei­nen Nis­san X-Trail dCi Co­lum­bia als Vor­führ­wa­gen mit ei­ner Lauf­leis­tung von 2.000 km zum Preis von 25.940,16 € (net­to). Das Fahr­zeug wur­de über die B-Bank ge­least. Die­se hat den Klä­ger be­voll­mäch­tigt, den streit­ge­gen­ständ­li­chen An­spruch im ei­ge­nen Na­men gel­tend zu ma­chen.

Dem Klä­ger lag ein Ver­kaufs­pro­spekt für das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug vor. In die­sem Pro­spekt ist als Kraft­stoff­ver­brauch nach 80/1268/EWG an­ge­ge­ben: „in­ner­orts l/100 km: 9,2 (9,4), au­ßer­orts l/100 km: 6,8 (6,8), ko­mi­niert l/100 km: 7,6 (7,7)“. In der Fuß­no­te heißt es: „Wie bei je­dem Fahr­zeug wer­den Ver­brauch und Fahr­leis­tung in der Pra­xis je nach Fahr­wei­se, tech­ni­schem Zu­stand, nicht se­ri­en­mä­ßi­gen An- und Ab­bau­ten, Stra­ßen­be­schaf­fen­heit und ört­lich kli­ma­ti­schen Be­din­gun­gen von den nach Prüf­norm er­mit­tel­ten Wer­ten ab­wei­chen“.

Nach dem In­halt der EG-Ty­pen­ge­neh­mi­gung für das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug soll der Ver­brauch in­ner­orts 9,0 l, au­ßer­orts 6,7 l und kom­bi­niert 7,5 l auf 100 km be­tra­gen.

Nach­dem der Klä­ger nach Über­nah­me des Fahr­zeugs ei­nen er­höh­ten Kraft­stoff­ver­brauch des Fahr­zeugs fest­ge­stellt hat­te, wur­de das Fahr­zeug dem Be­klag­ten am 19.12.2006 zur Ein­stel­lung der Ein­spritz­an­la­ge über­ge­ben.

Mit An­trag vom 23.07.2007 lei­te­te der Klä­ger ein selbst­stän­di­ges Be­weis­ver­fah­ren vor dem LG Darm­stadt ein.

Der Be­klag­te wur­de mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 19.02.2007 auf­ge­for­dert, den Man­gel bis zum 19.03.2007 zu be­sei­ti­gen. Mit Schrei­ben vom 18.11.2008 for­der­te der Klä­ger den Be­klag­ten mit Frist­set­zung zum 08.12.2008 zur Zah­lung ei­nes Min­de­rungs­be­trags in Hö­he von 10 % des Kauf­prei­ses auf. Der Klä­ger be­haup­tet, das Fahr­zeug ha­be be­reits bei Über­ga­be ei­nen Mehr­ver­brauch in Hö­he 0,6 l pro 100 km (ent­spricht 8 %) auf­ge­wie­sen, und meint, für die Soll-Be­schaf­fen­heit des Fahr­zeugs sei auf den In­halt der EG-Ty­pen­ge­neh­mi­gung ab­zu­stel­len. Sei­ne Kla­ge hat­te nur zum Teil Er­folg.

Aus den Grün­den: Dem Klä­ger steht ein An­spruch auf Rück­erstat­tung ei­nes Min­de­rungs­be­trags in Hö­he von 800 € ge­mäß § 441 IV 1 BGB i. V. mit § 346 I BGB zu.

Die Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne Min­de­rung des Kauf­prei­ses ge­mäß §§ 437 Nr. 2, 441 BGB lie­gen vor.

Der er­wor­be­ne Pkw weist ei­nen Sach­man­gel i. S. von § 434 BGB auf. Ein sol­cher liegt vor, wenn die ge­kauf­te Sa­che nicht die ver­ein­bar­te Be­schaf­fen­heit hat. Zur Be­schaf­fen­heit ge­hö­ren auch Ei­gen­schaf­ten, die der Käu­fer nach den öf­fent­li­chen Äu­ße­run­gen des Ver­käu­fers oder des Her­stel­lers, ins­be­son­de­re in der Wer­bung oder bei der Kenn­zeich­nung über be­stimm­te Ei­gen­schaf­ten der Sa­che er­war­ten kann (§ 434 I 3 BGB). Hier­zu zäh­len beim Kauf auch die An­ga­ben über den Ver­brauch (LG Stutt­gart, Urt. v. 22.06.2007 – 8 O 180/06, ju­ris).

Vor­lie­gend hat der Ver­käu­fer/Her­stel­ler in dem für das Fahr­zeug maß­geb­li­chen Ver­kaufs­pro­spekt den Kraft­stoff­ver­brauch in­ner­orts mit 9,2 l, au­ßer­orts mit 6,8 l und ins­ge­samt mit 7,6 l pro 100 km an­ge­ge­ben, so­dass der Käu­fer grund­sätz­lich die Ein­hal­tung die­ser Ver­brauchs­wer­te er­war­ten kann.

Un­er­heb­lich ist da­bei, dass der Her­stel­ler­pro­spekt sich le­dig­lich auf Neu­fahr­zeu­ge be­zieht. Durch die Über­las­sung des Pro­spek­tes sind die An­ga­ben zu­min­dest still­schwei­gend Ver­trags­in­halt ge­wor­den (§ 434 I 1 BGB). In­so­fern über­sieht das Ge­richt nicht, dass bei dem Kauf ei­nes Ge­braucht­wa­gens in der Re­gel grö­ße­re To­le­ran­zen als bei ei­nem fa­brik­neu­en Pkw an­zu­neh­men sind … Hier han­delt es sich je­doch um ei­nen Vor­führ­wa­gen mit ei­ner Lauf­leis­tung von le­dig­lich 2.000 km, so dass ge­gen­über ei­nem Neu­wa­gen kei­ne we­sent­li­chen Un­ter­schie­de be­ste­hen.

Die hier­von ab­wei­chen­den Ver­brauchs­wer­te der EG-Ty­pen­ge­neh­mi­gung sind für die Soll-Be­schaf­fen­heit des Fahr­zeugs dem­ge­gen­über un­er­heb­lich, da der Klä­ger auch auf Hin­weis des Ge­richts … nicht dar­ge­tan hat, wie die­se als ver­ein­bar­te Be­schaf­fen­heit Ver­trags­be­stand­teil ge­wor­den sei­en sol­len. So­fern er sich auf Hin­weis des Ge­richts (wie­der­holt) auf die Falsch­an­ga­ben des Pro­spekts be­ruft, geht die­ser Hin­weis fehl, da der Pro­spekt ge­ra­de nicht die An­ga­ben aus der EG-Ty­pen­ge­neh­mi­gung über­nimmt, son­dern den kom­bi­nier­ten Ver­brauch mit 7,6 l/100 km an­gibt.

Die Pro­dukt­an­ga­ben aus der EG-Ty­pen­ge­neh­mi­gung sind auch nicht als öf­fent­li­che Äu­ße­rung des Her­stel­lers/Ver­käu­fers i. S. des § 434 I 3 BGB zu qua­li­fi­zie­ren, da sich die­se als Er­geb­nis ei­nes ver­wal­tungs­tech­ni­schen Prü­fungs­ver­fah­rens auf den Er­halt ei­ner eu­ro­päi­schen Ver­triebs­er­laub­nis be­zie­hen, nicht aber in ers­ter Li­nie an den Ver­brau­cher ge­rich­tet sind. Dies muss ins­be­son­de­re dann gel­tend, wenn sich – wie hier – aus dem bei Ver­kauf über­ge­be­nen Ver­kaufs­pro­spekt ab­wei­chen­de Wer­te er­ge­ben.

Die Ver­brauchs­mes­sung des vom Ge­richt im selbst­stän­di­gen Be­weis­ver­fah­ren be­auf­trag­ten Sach­ver­stän­di­gen hat den al­lein maß­geb­li­chen kom­bi­nier­ten Ver­brauch mit 8,1 l auf 100 km be­stimmt. Für die Fra­ge der Man­gel­haf­tig­keit ist da­bei al­lein auf den ge­wich­te­ten Ge­samt­ge­brauch ab­zu­stel­len (vgl. hier­zu BGH, Urt. v. 18.06.1997 – VI­II ZR 52/96, NZV 1997, 398).

Un­ter Zu­grun­de­le­gung der An­ga­ben aus dem Ver­kaufs­pro­spekt er­gibt sich da­mit ein Mehr­ver­brauch von 6,6 %, der auch bei Be­rück­sich­ti­gung ei­nes bei der Her­stel­lung von tech­ni­schen Pro­duk­ten zu be­rück­sich­ti­gen­den To­le­ranz­be­rei­ches (von bis zu 2 %) und un­ter Be­rück­sich­ti­gung et­wai­ger Mes­sun­ge­nau­ig­kei­ten (von bis zu 2 %) ei­nen Man­gel be­grün­det (vgl. hier­zu Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 10. Aufl., Rn. 312, 313 m. w. Nachw.).

Ge­mäß § 476 BGB wird ver­mu­tet, dass der Man­gel be­reits bei Über­ga­be an den Klä­ger vor­lag. Ei­nen Ge­gen­be­weis hat der Be­klag­te trotz aus­drück­li­chen Hin­wei­ses des Ge­richts nicht an­ge­bo­ten.

Dem Klä­ger steht in­fol­ge des er­höh­ten Kraft­stoff­ver­brauchs auch ein Min­de­rungs­recht zu.

Das Min­de­rungs­recht des Käu­fers setzt nach der aus­drück­li­chen ge­setz­li­chen An­ord­nung in § 441 I 2 BGB kei­ne Er­heb­lich­keit des Man­gels vor­aus. Nach § 459 I 2 BGB a.F. war ei­ne Ab­wei­chung der Ist-Be­schaf­fen­heit der Kauf­sa­che von der ver­trag­li­chen Soll-Be­schaf­fen­heit ge­währ­leis­tungs­recht­lich nicht re­le­vant, wenn ei­ne nur un­er­heb­li­che Min­de­rung der Taug­lich­keit vor­lag. Be­zo­gen hier­auf hat der BGH ei­nen Kraft­stoff­mehr­ver­brauch von bis zu 10 % ge­gen­über den Her­stel­ler­an­ga­ben als un­er­heb­lich an­ge­se­hen (BGH, Urt. v. 14.02.1996 – VI­II ZR 65/95, BGHZ 132, 55; Urt. v. 18.06.1997 – VI­II ZR 52/96, NZV 1997, 398).

Nach der durch das Schuld­rechts­mo­der­ni­sie­rungs­ge­setz vor­ge­nom­me­nen Neu­re­ge­lung gibt es für die Fra­ge, ob ein Sach­man­gel vor­liegt oder nicht, kein Er­heb­lich­keits­kri­te­ri­um mehr. Ein im vor­ge­schrie­be­nen Prüf­stands­test­ver­fah­ren fest­ge­stell­ter Kraft­stoff­mehr­ver­brauch ge­gen­über den An­ga­ben im Her­stel­ler­pro­spekt stellt des­halb be­reits dann ei­nen Sach­man­gel dar, wenn er jen­seits des­je­ni­gen To­le­ranz­be­rei­ches liegt, der durch Fer­ti­gungs­to­le­ran­zen und un­ver­meid­ba­re Un­ge­nau­ig­kei­ten der Ver­brauchs­wer­te­mes­sung vor­ge­ge­ben ist (vgl. Rein­king/Eg­gert, a. a.&tnbsp;O., Rn. 312, 313).

Ge­mäß § 441 III BGB, § 287 II ZPO schätzt das Ge­richt un­ter Be­rück­sich­ti­gung sämt­li­cher Um­stän­de den Min­der­wert des Fahr­zeugs in­fol­ge des Kraft­stoff­mehr­ver­brauchs auf 800 €. Da­bei hat das Ge­richt un­ter an­de­rem den ma­te­ri­el­len Nach­teil be­rück­sich­tigt, den der Klä­ger in­fol­ge des er­höh­ten Kraft­stoff­ver­brauchs zu er­war­ten hat. Bei ei­ner ge­schätz­ten Le­bens­dau­er von 200.000 km kann von ei­nem Mehr­ver­brauch in Hö­he von ca. 1.000 Li­tern us­ge­gan­gen wer­den. Auch un­ter Be­rück­sich­ti­gung ei­ner zu er­war­ten­den Preis­stei­ge­rung im Kraft­stoff­be­reich hält das Ge­richt da­her für den ge­sam­ten Nut­zungs­zeit­raum ei­nen ma­te­ri­el­len Scha­den von 1.100 € bis 1.500 € für wahr­schein­lich. Dies kann bei Be­mes­sung des Min­der­wer­tes be­rück­sich­tigt wer­den; die­ser muss aber der Hö­he nach deut­lich hin­ter dem pro­gnos­ti­zier­ten Scha­den zu­rück­blei­ben, da der Klä­ger durch die Min­de­rung sonst bes­ser ge­stellt wür­de, als er bei ord­nungs­ge­mä­ßer Er­fül­lung ge­stan­den hät­te. Das ver­schul­dens­un­ab­hän­gi­ge Min­de­rungs­recht kann ins­be­son­de­re auch nicht da­zu die­nen, dem Klä­ger zu er­mög­li­chen, ei­nen zu­künf­ti­gen Scha­den gel­tend zu ma­chen, der ihm un­ter Um­stän­den durch Ab­ga­be/Ver­lust des Fahr­zeugs gar nicht ent­ste­hen wird.

Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Be­klag­ten hat bei der Min­de­rung der To­le­ranz­be­reich (von ins­ge­samt bis zu 4 %) zwar nicht voll­stän­dig au­ßer Be­tracht zu blei­ben. Den­noch ist bei der Be­mes­sung des Min­de­rungs­wer­tes auch zu be­rück­sich­ti­gen ge­we­sen, dass der Käu­fer be­reits auf­grund der Un­ge­nau­ig­kei­ten des Mess­ver­fah­rens bis zu ei­nem ge­wis­sen Grad ei­nen er­höh­ten Kraft­stoff­ver­brauch hin­zu­neh­men hat (vgl. auch OLG Düs­sel­dorf, Urt. v. 18.08.2008 – 1 U 238/07).

Aus die­sen Grün­den ist auch die von dem Klä­ger in Hö­he von 10 % des Kauf­prei­ses gel­tend ge­mach­ten Min­de­rung (ent­spricht: 2.594 €) nicht ge­recht­fer­tigt, da über die er­höh­ten Kraft­stoff­kos­ten hin­aus kein wei­te­rer Nach­teil für den Klä­ger er­sicht­lich ist.

Un­ter Be­rück­sich­ti­gung des Ge­samt­kauf­prei­ses von 25.940,16 € hält das Ge­richt da­her ei­nen Min­de­rungs­be­trag von 800 € (3 % des Kauf­prei­ses) für an­ge­mes­sen und ge­recht­fer­tigt. An­ge­sichts des mit 6,6 % doch deut­lich er­höh­ten Kraft­stoff­ver­brauchs kann auch nicht mehr an­ge­nom­men wer­den, dass die Dif­fe­renz von Soll- und Ist-Ver­brauch oh­ne Ein­fluss auf den Mark­wert des Fahr­zeugs bleibt (so LG Ra­vens­burg, Urt. v. 06.03.2007 – 2 O 297/06 für ei­nen er­höh­ten Ver­brauch von 3,03 %), zu­mal ge­ra­de der Kraft­stoff­ver­brauch aus öko­no­mi­schen und öko­lo­gi­schen Grün­den im­mer maß­geb­li­che­ren Ein­fluss auf die Kauf­ent­schei­dung des Durch­schnitt­ver­brau­chers nimmt.

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