1. Ein verständiger Gebrauchtwagenkäufer kann grundsätzlich nicht erwarten, dass das Fahrzeug den vom Hersteller in der Werbung genannten Kraftstoffverbrauch aufweist, da sich die entsprechenden Angaben stets auf ein Neufahrzeug beziehen und der tatsächliche Verbrauch nach Inbetriebnahme durch verschiedene Umstände (z. B. die Pflege des Fahrzeugs, das Einfahrverhalten und die Ausrüstung mit gewichtserhöhenden Sonderausstattungen) beeinflusst wird.
  2. Beträgt der „kombinierte“ Kraftstoffverbrauch eines Fahrzeugs nicht, wie vom Hersteller angegeben, 5,5 l/100 km, sondern 5,79 l/100 km (= Mehrverbrauch von 5,25 %), liegt allenfalls ein unerheblicher, nicht zum Rücktritt berechtigender Sachmangel vor. Daran ändert nichts, dass der Kraftstoffverbrauch außerstädtisch nicht, wie vom Hersteller angegeben, 4,6 l/100 km, sondern 5,06 l/100 km (= Mehrverbrauch von 10 %) beträgt. Denn zum einen überschreitet auch dieser Mehrverbrauch nicht die Erheblichkeitsschwelle von 10 %, und zum anderen ist grundsätzlich auf den „kombinierten“ Kraftstoffverbrauch abzustellen.

OLG Naumburg, Urteil vom 28.02.2007 – 5 U 99/06

Sachverhalt: Am 25.07.2005 kaufte die Klägerin von der Beklagten einen am 17.02.2005 erstzugelassenen Opel Corsa. In der Folgezeit erklärte die Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag, weil das Fahrzeug zu viel Kraftstoff verbrauche.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass ein zum Rücktritt berechtigender Sachmangel nicht vorliege, da der Kraftstoffmehrverbrauch im Euro-Mix unter 10 % liege und deshalb unerheblich sei.

Die Klägerin meint, der von der Rechtsprechung unter der Geltung des § 459 I 2 BGB a.F. entwickelte Grundsatz, wonach ein Kraftstoffmehrverbrauch von weniger als 10 % im Durchschnittswert aller drei Fahrzyklen (Euro-Mix) unerheblich sei, sei mit Blick auf die nunmehr gültige Richtlinie EG 93/116, nach der der Verbrauch nur noch in zwei Fahrzyklen gemessen wird, das wachsende Umweltbewusstsein und die zwischenzeitlich gestiegenen Kraftstoffpreise überholt. Jedenfalls aber sei sie deshalb wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten, weil sie das streitgegenständliche Fahrzeug ausschließlich außerstädtisch nutze und gerade in diesem Fahrzyklus ein erheblicher Mehrverbrauch festgestellt sei.

Die Berufung hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises (§ 346 I BGB). Sie ist nicht wirksam von dem Kauf gemäß § 437 Nr. 2 BGB i. V. mit § 323 I BGB zurückgetreten.

Dahinstehen kann, ob das streitgegenständliche Fahrzeug einen Sachmangel i. S. des § 434 I BGB aufweist.

Haben die Parteien – wie hier – keine Beschaffenheit vereinbart, liegt ein Sachmangel nur vor, wenn die Sache sich nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, sonst, wenn sie sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet und nicht die Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Die Verwendungsfähigkeit des Fahrzeugs steht hier außer Streit. Fraglich ist, ob der von der T-GmbH festgestellte Kraftstoffverbrauch, der für den außerstädtischen Bereich von den Herstellerangaben abweicht, zur Annahme eines Sachmangels führen muss. § 434 I 3 Fall 2 BGB legt zwar fest, dass zur Ermittlung der vertragsgemäßen Beschaffenheit i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB auch bestimmte öffentliche Äußerungen des Herstellers heranzuziehen sind. Hierzu zählen die Herstellerangaben in den Verkaufs- und Werbeprospekten, jedoch nicht die nach dem Kauf überreichte EU-Übereinstimmungserklärung, die sich ohnehin nur auf das Grundmodell bezieht. Die Qualität und die Leistung, die der Käufer vernünftigerweise erwarten kann, hängen aber unter anderem davon ab, ob die Güter neu oder gebraucht sind. Welche Beschaffenheit der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann, bestimmt sich objektiv aus der Sicht eines Durchschnittskäufers. Entscheidend ist nicht, welche Erwartungen er tatsächlich hat, sondern welche er bei Anwendung der verkehrserforderlichen Sorgfalt hätte (Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, Neubearb. 2004, § 434 Rn. 79). Bei dem Kauf eines Gebrauchtfahrzeugs kommt es darauf an, wie in Ansehung des Alters des Fahrzeugs, der Zahl der gefahrenen Kilometer und des Kaufpreises das Vorstellungsbild eines gewöhnlichen Käufers aussieht, dem dann das Gesamtbild der Abstriche vom Neuwagenbild gegenüberzustellen ist (MünchKomm-BGB/Westermann, 4. Aufl., § 434 Rn. 58). Ein bestimmter Treibstoffverbrauch wird bei einem Gebrauchtwagen ohne Beschaffenheitsvereinbarung danach nicht als geschuldet anzusehen sein (MünchKomm-BGB/Westermann, a. a. O., § 434 Rn. 58). Ein verständiger Käufer eines Gebrauchtfahrzeugs kann grundsätzlich nicht erwarten, dass der Wagen den vom Hersteller in der Werbung genannten Kraftstoffverbrauch aufweist, da sich diese Angaben stets auf ein Neufahrzeug beziehen und der tatsächliche Verbrauch nach Inbetriebnahme durch verschiedene Umstände wie zum Beispiel die Pflege des Fahrzeugs, das Einfahrverhalten und die Ausrüstung mit gewichtserhöhenden Sonderausstattungen beeinflusst wird. Ob der Käufer gleichwohl noch einen den Herstellerangaben für Neufahrzeuge entsprechenden Kraftstoffverbrauch erwarten darf, wenn das Fahrzeug – wie hier – zum Zeitpunkt des Kaufs erst seit fünf Monaten genutzt wurde und eine relativ geringe Laufleistung aufwies, kann offenbleiben.

Der Rücktritt vom Kauf ist jedenfalls nach § 323 V 2 BGB ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift kann der Gläubiger im Fall vertragswidriger Leistungen vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist. So liegt hier der Fall.

Wich der Kraftstoffverbrauch eines Neufahrzeugs im „Euro-Mix“ um weniger als 10 % von den Herstellerangaben ab, stellte dies unter Geltung des § 459 I 2 BGB a.F. eine nur unerhebliche Minderung des Fahrzeugwerts dar (BGH, Urt. v. 18.06.1997 – VIII ZR 52/96, NJW 1997, 2590). Diese Grundsätze gelten weiter. Sie wirken sich nunmehr erst im Rahmen der geltend gemachten Mängelansprüche aus. Anlass, wegen der Einführung der Richtlinie 93/116/EG von der bisherigen Rechtsprechung abzuweichen, besteht nicht, da sich die maßgeblichen Umstände nicht verändert haben. Die Richtlinie galt bereits zum Zeitpunkt der oben genannten Entscheidung, wenngleich sie das dort betroffene Fahrzeug noch nicht erfasste. Sie führte lediglich zu einem geänderten Messverfahren. Dass dieses zu niedrigeren Messergebnissen führt, ist nicht anzunehmen. Mit Blick darauf, dass allein die Messungenauigkeit nach den Ausführungen des Sachverständigen in dem von der Klägerin vorgelegten Beweissicherungsgutachten schon 5 % beträgt, erscheint auch die Beibehaltung der Unerheblichkeitsgrenze mit 10 % weiterhin angemessen.

Diese Toleranzgrenze ist hier nicht überschritten. Bei den vom Hersteller angegebenen Verbrauchsspannen war, da diese den Verbrauch je nach Ausstattung ausweisen, auf die höchsten Werte abzustellen. Ausweislich des Beweissicherungsgutachtens hat das streitgegenständliche Fahrzeug nicht die Normalausstattung. Es ist aufgrund der Sonderausstattung gegenüber dem Grundmodell … im Leergewicht 95 kg schwerer als im Fahrzeugschein bzw. 30 kg schwerer als in der Betriebsanleitung angegeben, was mit Blick auf das Normalgewicht von 980 kg zu einem nicht unerheblichen Mehrverbrauch an Kraftstoff führt.

Ausgehend von einem Kraftstoffverbrauch für innerorts mit 7,1 l/100 km und dem Messergebnis gemäß Prüfprotokoll von 7,03 l/100 km liegt der Verbrauch im Stadtfahrzyklus noch unter den Herstellerangaben. Im außerstädtischen Fahrzyklus durfte der Verbrauch 4,6 l/100 km betragen. Gemessen wurden gemäß Prüfprotokoll 5,06 l/100 km. Dies bedeutet einen Mehrverbrauch von 10 %. Bei der Betrachtung des Kraftstoffverbrauchs kombiniert entsprechend der Richtlinie 93/116/EG steht der Wert 5,5 l/100 km dem gemäß Prüfprotokoll … ermittelten Verbrauch von 5,79 l/100 km gegenüber. Das bedeutet einen Mehrverbrauch von 5,25 %. Dieser Mehrverbrauch, der nur knapp über der Messungenauigkeit liegt, stellt eine unerhebliche Abweichung dar. Der Umstand, dass die Klägerin das Fahrzeug überwiegend im außerstädtischen Fahrzyklus nutzt, spielt keine Rolle. Maßgeblich ist der kombinierte Verbrauch, sofern die Parteien nichts anderes vereinbaren. Zudem liegt der Mehrverbrauch auch außerorts nicht über der Erheblichkeitsschwelle von 10 % …

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