- Wenn ein Kfz-Händler die Gesamtlaufleistung eines von ihm angebotenen Gebrauchtwagens angibt, erstreckt sich diese Erklärung nicht ausschließlich auf die zurückgelegte Fahrstrecke. Zugesagt wird auch ein bestimmter Erhaltungszustand des Fahrzeugs und insbesondere des Motors. Es wird nämlich zugleich erklärt, dass der Verschleißgrad der mitgeteilten Gesamtlaufleistung entspreche, der Motor also nicht wesentlich stärker verschlissen sei, als es die angegebene Laufleistung erwarten lasse.
- Normale Verschleißerscheinungen und normale Gebrauchsspuren stellen bei einem gebrauchten Kraftfahrzeug in der Regel keinen Sachmangel dar.
- § 476 BGB setzt einen binnen sechs Monaten seit Gefahrübergang aufgetretenen Sachmangel voraus und begründet eine lediglich in zeitlicher Hinsicht wirkende Vermutung, dass dieser Mangel bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorlag. Die einen Sachmangel erst begründenden Tatsachen muss der Käufer auch als Verbraucher voll beweisen.
OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.05.2006 – I-1 U 132/05
Sachverhalt: Die Klägerin verlangt die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen Gebrauchtwagen.
Gemäß Bestellschein vom 21.02.2002 bestellte die Klägerin – vertreten durch ihren Sohn – bei dem beklagten Kfz-Händler einen am 02.04.1993 erstzugelassenen Pkw (BMW) zum Preis von 8.500 €. Die Gesamtfahrleistung nach Angaben des Vorbesitzers war im Bestellschein mit 96.000 km angegeben. Die Zahl der Halter „laut Fahrzeugbrief/laut Vorbesitzer“ wurde mit fünf notiert. Vor der Auslieferung des Fahrzeugs an die Klägerin ließ der Beklagte, ein Vertragshändler der Marke M, die Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO und die Abgasuntersuchung durchführen. Außerdem wurde das Motoröl gewechselt.
Nach der Behauptung der Klägerin hat das Fahrzeug bereits auf der Überführungsfahrt erste „Macken“ gezeigt. Schon bei der Abholung Ende Februar 2002 sei aufgefallen, dass die Lenkung nicht in Ordnung gewesen sei. Bei höheren Geschwindigkeiten habe sich auf der Autobahn ein starkes Schütteln eingestellt. Es habe ständiger Lenkkorrekturen bedurft. Weiterhin hat die Klägerin einen unrunden Motorlauf beanstandet. Die Mängel seien auch gegenüber dem Beklagten gerügt worden. Mindestens dreimal sei der Wagen in der Werkstatt des Beklagten gewesen; einen Fehler habe er zu keinem Zeitpunkt feststellen können.
Unstreitig war das Fahrzeug Anfang Dezember 2002 beim Kilometerstand 108.459 in der Werkstatt des Beklagten. Vorausgegangen war eine Vorstellung des Fahrzeugs in dem Kfz-Betrieb der BMW-Vertragshändlerin Z. Dort war der Klägerin ein Kostenvoranschlag gemacht worden. Gegenstand waren unter anderem Arbeiten an den Spurstangen, am Antriebsriemen des Generators und am Abschlussdeckel des Ansaugkrümmers. Der Beklagte besorgte die in dem Kostenvoranschlag aufgeführten Teile und baute sie ein. Vor diesem Zeitpunkt will er von „Motorproblemen“ nichts erfahren haben. Erstmals Ende November/Anfang Dezember 2002 habe der Sohn der Klägerin mitgeteilt, der Leerlauf sei zu niedrig. Von einem Rütteln bzw. Schütteln sei nicht die Rede gewesen. Tatsächlich sei der Leerlauf nach Einlegen einer Schaltstufe des Automatikgetriebes von ca. 1.100 auf 500 Umdrehungen abgesunken. Daraufhin habe man den Abschlussdeckel des Ansaugkrümmers, wie im Kostenvoranschlag des BMW-Vertragshändlers angegeben, erneuert.
Über die Anfang Dezember 2002 durchgeführten Arbeiten hat der Beklagte eine Rechnung in Höhe von 352,62 € erteilt. Die Erneuerung des Abschlussdeckels des Ansaugkrümmers ist darin nicht aufgeführt.
Mit Anwaltsschreiben vom 08.01.2003 ließ die Klägerin mitteilen, sie wünsche eine „Wandelung“ des Kaufvertrags. Die gerügten Mängel seien trotz mehr als zwei Versuchen nach wie vor nicht beseitigt. Außerdem habe der Beklagte der Klägerin für die durchgeführten Reparaturarbeiten nichts berechnen dürfen. Mit Antwortschreiben vom 15.01.2003 hat der Beklagte eine Rückgängigmachung des Kaufvertrags abgelehnt. Der Wagen sei bei Auslieferung mangelfrei gewesen.
Die Klägerin verlangt die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs sowie die Feststellung, dass der Beklagte sich in Annahmeverzug befinde. Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, aufgrund der sachverständigen Ausführungen des Dipl.-Ing. S stehe fest, dass der Motor des Pkw im Untersuchungszeitpunkt Verschleißerscheinungen aufgewiesen habe, wie sie für ein Fahrzeug dieser Art völlig untypisch seien. Gegen dieses Urteil wendet sich die Berufung des Beklagten. Das Rechtsmittel hatte Erfolg.
Aus den Gründen: II. … [Der Klägerin] ist nicht der Nachweis eines Sachmangels gelungen.
Im zweiten Rechtszug geht es nur noch um die Frage, ob der Motor des Fahrzeugs von vertragswidriger Beschaffenheit und damit mangelhaft war. Die ursprünglich gerügten Mängel im Bereich des Fahrwerks bzw. der Lenkung sind mit Rücksicht auf die für die Klägerin ungünstigen Feststellungen des Sachverständigen S schon im Verlauf des ersten Rechtszugs in den Hintergrund getreten. Im Berufungsverfahren ist die Klägerin darauf nicht mehr in einer Weise zurückgekommen, die auf ein ernsthaftes Festhalten an dieser Mängelrüge schließen lässt. Jedenfalls sieht der Senat, nicht zuletzt nach den Feststellungen des erstinstanzlichen Sachverständigen, keine Grundlage für die Annahme einer im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung vorhandenen Mangelhaftigkeit im Bereich Fahrwerk/Lenkung.
Soweit es um den Zustand des Motors geht, gilt Folgendes:
1. Zunächst hatte der Senat der Rüge der Klägerin nachzugehen, der Motor sei im Zeitpunkt der Fahrzeugübergabe in einer Weise verschlissen gewesen, die mit der vertraglich vereinbarten Kilometerlaufleistung von 96.000 nicht zu vereinbaren sei. Damit macht die Klägerin geltend, der Zustand des Motors habe nicht der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit entsprochen (§ 434 I 1 BGB).
a) Eine Mangelhaftigkeit in diesem Sinne kann der Senat nicht feststellen.
aa) Allerdings ist es im Ausgangspunkt zutreffend, die Angabe des Beklagten über die Gesamtfahrleistung mit einer Zusage über die Beschaffenheit des Motors in Verbindung zu bringen. Wenn ein Kraftfahrzeughändler eine Angabe über die Gesamtfahrleistung eines von ihm angebotenen Gebrauchtwagens macht, erstreckt sich diese Erklärung nicht ausschließlich auf die zurückgelegte Fahrstrecke. Zugesagt wird auch ein bestimmter Erhaltungszustand des Fahrzeugs und insbesondere des Motors. Es wird nämlich zugleich erklärt, dass der Verschleißgrad der mitgeteilten Gesamtfahrleistung entspreche, der Motor also nicht wesentlich stärker verschlissen sei, als die angegebene Laufleistung erwarten lasse (vgl. BGH, Urt. v. 18.02.1981 – VIII ZR 72/80, NJW 1981, 1268 und – in Abgrenzung dazu – BGH, Urt. v. 15.02.1984 – VIII ZR 327/82, NJW 1984, 1454).
Nach der zitierten Rechtsprechung des BGH ist eine derartige Erklärung eines gewerblichen Gebrauchtfahrzeugverkäufers nicht nur als bloße Beschaffenheitsangabe, sondern sogar als Eigenschaftszusicherung i. S. des § 459 II BGB a.F. zu verstehen gewesen.
bb) Der Senat knüpft an diese Rechtsprechung insoweit an, als es um die Frage geht, ob der Beklagte mit den im Bestellschein niedergelegten Informationen über die Laufleistung des Fahrzeugs zugleich Angaben über die Beschaffenheit des Motors, insbesondere über seinen Verschleißzustand, gemacht hat. Das ist zu bejahen. Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Beklagte kein BMW-Vertragshändler war. Nach den vorgelegten Unterlagen vertritt er die Marke M. Zu bedenken war auch, dass der streitgegenständliche Pkw – anders als in den Fällen, über die der BGH entschieden hat – eine ungewöhnlich hohe Zahl von Vorbesitzern hatte und immerhin rund neun Jahre alt war. Außerdem war zu berücksichtigen, dass der Beklagte der Klägerin eine sogenannte „1111-Tage-Garantie“ für ein Jahr mit Schutz bei Motorschäden gegeben hat.
Auch unter Berücksichtigung dieser Besonderheiten ist der Senat der Ansicht, dass der Beklagte als sachkundiger Kraftfahrzeughändler mit der Erklärung „Gesamtfahrleistung nach Angaben des Vorbesitzers: 96.000“ zumindest eine Beschaffenheitsangabe des Inhalts gemacht hat, dass der Motor nicht wesentlich stärker verschlissen sei als die mitgeteilte Laufleistung von 96.000 km erwarten lasse (§§ 133, 157 BGB). Vor dem Hintergrund der oben zitierten Rechtsprechung des BGH gelangt der Senat auch deshalb zu dieser Auslegung, weil der Beklagte das Fahrzeug ausdrücklich als „fahrbereit“ und mit „frischen“ Plaketten für die Hauptuntersuchung (TÜV) und Abgasuntersuchung verkauft hat.
cc) Dass der Motor nicht von der vereinbarungsgemäß geschuldeten Beschaffenheit gewesen ist, hat die Klägerin nicht bewiesen. Das ist das Ergebnis der Beweisaufnahme in erster und zweiter Instanz. In erster Linie stützt der Senat sich auf die Ausführungen des von ihm beauftragten Sachverständigen T … Nach gründlicher Überprüfung des zerlegten Motors und nach einer Ölanalyse ist der Sachverständige zu dem Ergebnis gelangt, dass der Motor im Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeugs stärker verschlissen gewesen sein kann als üblicherweise bei normaler Einsatzart zu erwarten ist. Eine sichere Aussage sei ihm nicht möglich, da der genaue Zustand des Motors nicht mehr ermittelbar sei und der Verschleiß stark progressiv verlaufe. Letztere Bemerkung sei der Tatsache geschuldet, dass das Fahrzeug in der Zeit zwischen Ablieferung an die Klägerin und der Zerlegung des Motors durch den Sachverständigen Ende November 2003 rund 37.000 km gelaufen sei.
In der Tat hat diese beträchtliche Laufleistung die ohnehin bestehende Schwierigkeit, den tatsächlichen Verschleißzustand des Motors in einem bestimmten Zeitpunkt zu ermitteln, wesentlich verstärkt. Deutlich wird dies in der Bemerkung des Sachverständigen, der Verschleißzustand habe sich in der Zeit zwischen dem 23.07.2003 und dem 25.11.2003 „drastisch verschlechtert“. Diese Erkenntnis hat der Sachverständige aus einer Ölanalyse gewonnen. Hinzugefügt hat er, dass bei Übernahme des Fahrzeugs im Februar 2002 der Verschleiß wesentlich geringer gewesen sein müsse.
Auf der anderen Seite hat die Ölanalyse auch gezeigt, dass die innere Verschmutzung und Verschlammung des Motors „mit hoher Sicherheit“ schon vor Übergabe des Fahrzeugs vorhanden waren. In diesem Zusammenhang hat der Sachverständige darauf aufmerksam gemacht, dass von der BMW-Vertragshändlerin Z am 04.06.2003 bei einem Kilometerstand von 116.114 eine starke Verölung der Kerze des achten Zylinders festgestellt worden sei. Zur Verölung einer Zündkerze könne es unter anderem kommen, wenn der Kolben bzw. die Kolbenringe oder der Zylinder verschlissen seien, sodass Verbrennungsgase verstärkt in das Kurbelgehäuse eindringen. Bemerkenswert sei in diesem Zusammenhang ferner, dass der achte Zylinder den geringsten Druck gehabt habe.
Die starke Verölung an der Zündkerze, die ausweislich eines Belegs aus dem Autohaus Z Anfang Juni 2003 festgestellt wurde, lässt nach Ansicht des Sachverständigen darauf schließen, dass schon zu diesem Zeitpunkt ein erhöhter Verschleiß an Kolben, Kolbenringen und Zylindern vorgelegen hat. Damals war der Wagen rund 116.000 km gelaufen, also ca. 20.000 km mehr als bei Übergabe an die Klägerin.
Nach Einschätzung des Sachverständigen ist die starke innere Verschmutzung/Verschlammung des Motors, die mit hoher Sicherheit schon im Übergabezeitpunkt vorgelegen habe, auf eine atypische Einsatzart verbunden mit der Verwendung von überaltertem, möglicherweise auch qualitativ minderwertigem Öl zurückzuführen. Unter „atypischer Einsatzart“ versteht der Sachverständige einen Kurzstreckenbetrieb des Fahrzeugs in der Zeit bis zur Übergabe an die Klägerin. Hierzu hat der Sachverständige die einzelnen Nutzungszeiträume der früheren Halter untersucht. Nach seinen Feststellungen hat das Fahrzeug vor dem Verkauf an die Klägerin phasenweise stark unterdurchschnittliche Fahrstrecken zurückgelegt.
Dazu hat der Sachverständige in seinen Vorbemerkungen ausgeführt: Werde ein großvolumiger Motor, der eigentlich für einen Langstreckeneinsatz ausgelegt sei, überwiegend im Kurzstreckenverkehr benutzt, so könne der Verschleißgrad eines solchen Motors bei einer Laufleistung von etwa 96.000 km mitunter doppelt so hoch sein wie bei einem Motor, der überwiegend auf langen Strecken eingesetzt werde. Nicht zuletzt deshalb könne nicht konkret angegeben werden, welcher Verschleißgrad bei einem 8-Zylinder-Motor eines zum Zeitpunkt des Kaufs rund neun Jahre alten BMW mit vier Vorbesitzern (laut Bestellschein waren es fünf), bei einer Laufleistung von rund 96.000 km tatsächlich erwartet werden könne.
Das ist nachvollziehbar, kann aber in rechtlicher Hinsicht kein hinreichender Grund dafür sein, die Soll-Beschaffenheit anders zu definieren, als es der Senat im Hinblick auf die Rechtsprechung des BGH im ersten Teil dieser Entscheidung getan hat.
Dass der Zustand des Motors dieser Beschaffenheit nicht entsprochen hat, bleibt nach alledem offen. Dabei verkennt der Senat nicht, dass der erstinstanzlich eingeschaltete Sachverständige S aus dem Verschleißbild, das sich ihm bei der Zerlegung des Motors Ende November 2003 bei einem Kilometerstand von 133.049 offenbart hat, auf einen atypischen Verschleiß bereits bei Übergabe geschlossen hat. Das war die für das Landgericht entscheidende Aussage, um der Klage wegen eines Sachmangels nach den objektiven Kriterien des § 434 I 2 Nr. 2 BGB stattzugeben. Der Sachverständige T hat diesen Rückschluss ausdrücklich in Zweifel gezogen. Der Senat teilt diese Zweifel.
Anders als der Sachverständige S hat der Sachverständige T das Fahrzeug zwar Probe gefahren, doch schon seinerzeit betrug der Kilometerstand 118.224. Ersichtlich ist der Sachverständige S auch davon ausgegangen, dass die „starke Schüttelneigung“, die er bei Kilometerstand 118.224 festgestellt hat, schon im Jahr 2002 ein Thema war. Den vorhandenen Unterlagen will er entnommen haben, dass die Firma Z zur Vermeidung der Schüttelneigung bei Kilometerstand 108.114 ein bestimmtes Teil erneuert habe. Bezogen auf den Kilometerstand 108.114 liegt dem Senat indessen nur ein Kostenvoranschlag der Firma Z vor, keine Rechnung. Der Beklagte, persönlich im letzten Senatstermin angehört, hat unwidersprochen vorgebracht, bei dem Besuch des Sohns der Klägerin Ende November/Anfang Dezember 2002 in der Werkstatt des Beklagten sei ein „Motorschütteln“ oder etwas ähnliches nicht festzustellen gewesen. In einer bestimmten Situation sei der Leerlauf lediglich abgesunken, auf etwa 500 Umdrehungen pro Minute. Um dies zu beseitigen, habe man den Abschlussdeckel am Ansaugkrümmer, wie von dem Autohaus Z vorgeschlagen, erneuert
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Sachverständige S irrtümlicherweise von einer Schüttelneigung bereits bei einem Kilometerstand von 108.114 ausgegangen ist. Das lässt seine These fragwürdig erscheinen, der überproportionale Verschleiß des Motors sei bereits im Zeitpunkt der Übergabe vorhanden gewesen. Abgesehen davon fehlte ihm, anders als dem Sachverständigen T, der richtige Bezugspunkt, um verlässlich darüber Auskunft geben zu können, ob der Verschleiß „überproportional“ ist. Das setzt einen Vergleichsmaßstab voraus. Der Senat hat die entsprechende Vorgabe dem Sachverständigen T geliefert, indem er die Soll-Beschaffenheit näher definiert hat (zur Prüfungsreihenfolge in derartigen Fällen siehe Reinking/Eggert, Der Autokauf, 9. Aufl., Rn. 1231 ff; Otting, SVR 2004, 224).
b) Auch unter Berücksichtigung der objektiven Kriterien des Sachmangelbegriffs (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB) lässt sich Mangelhaftigkeit entgegen der Einschätzung des Landgerichts nicht feststellen. Im Ausgangspunkt ist dem angefochtenen Urteil allerdings insoweit zu folgen, als es zwischen normalem (natürlichem) Verschleiß und außergewöhnlichen Verschleißerscheinungen unterscheidet. Auch nach Maßgabe der objektiven Merkmale des § 434 I 2 Nr. 2 BGB gilt der kürzlich vom BGH bestätigte Grundsatz, dass normaler/natürlicher Verschleiß und normale Gebrauchsspuren bei einem gebrauchten Kraftfahrzeug in der Regel keine Sachmängel darstellen (vgl. BGH, Urt. v. 23.11.2005 – VIII ZR 43/05, NJW 2006, 434). Außergewöhnliche Verschleißerscheinungen dagegen weichen vom üblichen Zustand (Normalbeschaffenheit) ab und liegen zudem außerhalb der berechtigten Erwartung eines Durchschnittskäufers.
Dass das Alter und die Laufleistung des Fahrzeugs die berechtigten Erwartungen eines Käufers wesentlich prägen, versteht sich von selbst. Von Bedeutung sind in diesem Zusammenhang auch der für den Käufer erkennbare Pflegezustand des Fahrzeugs, die Anzahl der Vorbesitzer und die Art der Vorbenutzung.
Angesichts eines Alters von rund neun Jahren war die Laufleistung des streitgegenständlichen BMW mit 96.000 km erkennbar unterdurchschnittlich, wie auch der Sachverständige T festgestellt hat. Das lässt auf Kurzstreckenverkehr und/oder längere Phasen der Nichtbenutzung schließen. Was dies für den Verschleißgrad eines 8-Zylinder-Motors bedeutet, hat der Sachverständige überzeugend dargelegt. Als weitere ungünstige Bedingung, die auf die Käufererwartung gleichfalls von Einfluss ist, sieht der Senat die hohe Anzahl von Vorbesitzern. Nach dem Kaufvertrag, der insoweit auf den Fahrzeugbrief verweist, ist der Wagen durch insgesamt fünf Hände gegangen. Angesichts dessen konnte die Klägerin nicht von einer gleichförmigen und gleichartigen Benutzung des Fahrzeugs ausgehen. Vielmehr musste sie in Rechnung stellen, dass die verschiedenen Vorbesitzer den Wagen in unterschiedlicher Weise während der ca. neun Jahre benutzt und gewartet haben. Dass dies sich nachteilig auf den Erhaltungszustand des Fahrzeugs und gerade auch des Motors ausgewirkt haben kann, musste auch einem technischen Laien wie der Klägerin bzw. ihrem Sohn bekannt sein. Nicht ohne Grund interessiert man sich in Käuferkreisen für die Anzahl der bisherigen Besitzer/Halter eines gebrauchten Kraftfahrzeugs. Je höher die Anzahl der Vorbesitzer ist, desto kritischer werden Zustand und Haltbarkeit eines gebrauchten Pkw beurteilt.
So gesehen durfte die Klägerin zwar die Funktionsfähigkeit des Motors im Zeitpunkt der Übergabe und für eine gewisse Dauer darüber hinaus erwarten. Sie musste aber vernünftigerweise mit einem Verschleißzustand rechnen, der weiter fortgeschritten war als bei einem typgleichen BMW mit durchschnittlicher Jahresfahrleistung und sorgfältiger Fahrweise, Pflege und Wartung.
Dass der hiernach objektiv zu erwartende Verschleißzustand des Motors in Wirklichkeit nicht vorhanden war, kann der Senat nach den obigen Ausführungen nicht feststellen.
2. Allerdings hat die Klägerin auch bemängelt, dass der Motor von Anfang an nicht rund gelaufen sei. In tatsächlicher Hinsicht ist dazu Folgendes auszuführen:
a) Nach den Feststellungen des Sachverständigen S, die er am 23.07.2003 bei Kilometerstand 118.224 getroffen hat, waren bei normalem Leerlauf deutliche Schüttelbewegungen des Motors im Innenraum zu spüren. Bei Drehzahlanhebung verringerten sich die Schwingungen. Dennoch seien sie im Fahrzeuginnenraum deutlich spürbar gewesen. Im Vergleich zu anderen Fahrzeugen mit gleicher Motorbauart sei die Intensität dieser Schwingungen als „sehr ungewöhnlich“ zu bezeichnen. Es sei deshalb von einem Mangel auszugehen.
Ergänzend hat der Sachverständige S darauf hingewiesen, dass beim Einschalten der Klimaanlage die Leerlaufdrehzahl geringfügig angehoben werde, sodass die Schüttelneigung des Motors verringert werde. Das Niveau der Leerlaufdrehzahl sei korrekt gewesen. Nach Überprüfung verschiedener Komponenten habe sich ein konkreter Fehler für die Leerlaufvibrationen nicht feststellen lassen. Möglicherweise handele es sich um ein Problem der Zylinderfüllung.
Nach Zerlegung des Motors Ende November 2003 ist der Sachverständige S zu der Einschätzung gelangt, dass der unrunde Motorlauf etwas mit dem Zustand des achten Zylinders zu tun habe. Dieser werde bei Leerlaufdrehzahl zwar ausreichend mit Luft- und Kraftstoff versorgt. Der bei der Kompression entstehende Innendruck werde jedoch über die verschlissene Zylinderlaufbahn reduziert und das zündfähige Gemisch durch starke Ölrauchdämpfe behindert. Hierdurch fehle der Kraftanteil des Zylinders, sodass der Motorlauf unrund werde.
Demgegenüber ist der Sachverständige T zusammenfassend zu dem Ergebnis gekommen, dass die eigentliche Ursache für den unrunden Motorlauf nicht bekannt sei. Dafür gäbe es mehrere Gründe. Neben dem Defekt am Abschlussdeckel am Ende der Ansaugbrücke komme eine Verölung der Kerzen des vierten und achten Zylinders infrage.
b) Unter diesen Umständen kann der Senat entgegen der Beurteilung des Sachverständigen S nicht den Schluss ziehen, dass die im Juli 2003 festgestellten Schüttelbewegungen/Vibrationen bereits zum Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeugs an die Klägerin vorhanden waren. Da nach den Ausführungen des Sachverständigen T mehrere Ursachen dafür infrage kommen, ist schon die Existenz einer vertragswidrigen Beschaffenheit zweifelhaft. Auch in diesem Zusammenhang konnte nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Wagen bereits rund 17 Monate im Besitz der Klägerin und ca. 22.000 km in ihrer Sphäre gelaufen war, als der Sachverständige S ihn am 23.07.2003 erstmals besichtigen und Probe fahren konnte. Schon diese Umstände lassen den Rückschluss des Sachverständigen S auf den Motorlauf (Leerlauf) im Übergabezeitpunkt fragwürdig erscheinen. Dies um so mehr, als – wie bereits ausgeführt – der Sachverständige möglicherweise von der irrigen Annahme ausgegangen ist, die Schüttelneigung sei bereits zu einem deutlich früheren Zeitpunkt, nämlich Ende November/Anfang Dezember 2002, bei einem Kilometerstand von 108.114 vorhanden gewesen.
Nicht zuletzt aufgrund der unwidersprochen gebliebenen Angaben des Beklagten im letzten Senatstermin spricht einiges dafür, dass es zwar Ende November/Anfang Dezember 2002 ein Problem mit dem Leerlauf gegeben hat, das von dem Sachverständigen S rund neun Monate später festgestellte „starke Schütteln“ seinerzeit aber noch kein Thema war. Von dem Leerlaufproblem will der Beklagte erstmals Ende November/Anfang Dezember 2002 Kenntnis erlangt Beanstandungen hinsichtlich des Motors vorgebracht.
3. Nach alledem hat die Klägerin nicht bewiesen, dass ein Sachmangel überhaupt vorliegt. In dieser Beweissituation kann ihr die Vorschrift über die Beweislastumkehr (§ 476 BGB) nicht helfen. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin von ihrer Verbrauchereigenschaft ausgeht – was angesichts des substanziierten Sachvortrags des Beklagten nicht selbstverständlich ist – und ferner unterstellt, dass der unrunde Motorlauf sich bereits innerhalb der Sechs-Monats-Frist des § 476 BGB gezeigt hat, so ist § 476 BGB jedenfalls deshalb unanwendbar, weil die Klägerin nicht die Hauptvoraussetzung für das Eingreifen der Beweislastumkehr nachgewiesen hat. § 476 BGB setzt einen binnen sechs Monaten seit Gefahrübergang aufgetretenen Sachmangel voraus und begründet eine lediglich in zeitlicher Hinsicht wirkende Vermutung, dass dieser Mangel bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorlag (BGH, Urt. v. 02.06.2004 – VIII ZR 329/03, NJW 2004, 2299). Die einen Sachmangel erst begründenden Tatsachen stehen zur vollen Beweislast des Käufers auch in seiner Eigenschaft als Verbraucher. Nur wenn ungewiss ist, ob ein Sachmangel, der sich innerhalb der Sechs-Monats-Frist des § 476 BGB gezeigt hat, schon im Zeitpunkt der Übergabe vorhanden war, greift die Beweislastumkehr vorbehaltlich der im zweiten Halbsatz aufgeführten Ausnahmetatbestände ein.
Im Entscheidungsfall ist bereits zweifelhaft, ob der Motor überhaupt jemals in einem vertragswidrigen Zustand gewesen ist. In diesem Punkt ist die Klägerin beweisfällig geblieben …