1. Ein ver­geb­li­cher Nach­bes­se­rungs­ver­such liegt nicht nur vor, wenn ein vor­han­de­ner Man­gel nicht be­sei­tigt wird, son­dern auch dann, wenn die Nach­bes­se­rung zu ei­nem neu­en Man­gel führt.
  2. Nimmt der Käu­fer sein nach­ge­bes­ser­tes Fahr­zeug mit der Be­mer­kung ent­ge­gen, mit dem her­ge­stell­ten Zu­stand des Fahr­zeugs „le­ben zu kön­nen“, lässt sich dar­aus nicht oh­ne Wei­te­res ein Ver­zicht auf Ge­währ­leis­tungs­rech­te ab­lei­ten.

OLG Bran­den­burg, Ur­teil vom 20.07.2005 – 4 U 17/05

Sach­ver­halt: Der Klä­ger nimmt die Be­klag­te we­gen „Del­len“ an den Kot­flü­geln auf Rück­ab­wick­lung ei­nes En­de 2003 ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trags über ei­nen Neu­wa­gen (Kauf­preis: 28.698,40 €) in An­spruch. Die Be­klag­te wand­te ge­gen ih­re In­an­spruch­nah­me ein, bei den „Del­len“ hand­le es sich nicht um ei­nen Man­gel; das Fahr­zeug ent­spre­che viel­mehr dem Se­ri­en­stand. Der Klä­ger sei aber auch des­halb nicht zum Rück­tritt  be­rech­tigt, weil es sich bei dem Werk­statt­auf­ent­halt am 01./02.04.2004 nicht um zwei, son­dern nur ei­nen Nach­bes­se­rungs­ver­such ge­han­delt ha­be und der Klä­ger zu­dem mit dem dann her­ge­stell­ten Zu­stand ein­ver­stan­den ge­we­sen sei.

Das Land­ge­richt hat Be­weis er­ho­ben durch In­au­gen­schein­nah­me des Pkw und der Kla­ge so­dann über­wie­gend statt­ge­ge­ben. Ein Rück­tritts­grund ge­mäß §§ 440, 323 I, 437 Nr. 2 BGB sei ge­ge­ben, denn der Pkw sei man­gel­haft. Zwar sei zwei­fel­haft, ob die vom Klä­ger ge­rüg­ten beid­sei­ti­gen Beul­spie­gel die Qua­li­tät ei­nes Man­gels er­reich­ten, denn sie sei­en für ei­nen Lai­en mit blo­ßem Au­ge kaum wahr­nehm­bar. Ei­ne in ei­nem Pri­vat­gut­ach­ten als „senk­rech­te Ein­del­lung“ be­zeich­ne­te Er­schei­nung am rech­ten Kot­flü­gel – dem Ge­richt eher als senk­rech­te Schram­me von et­wa 15 cm Län­ge wahr­nehm­bar – sei in­des vor­han­den. Die­se Ein­del­lung sei ih­rer Art nach ei­nem Rost­fleck oder Lack­scha­den ver­gleich­bar, die ein Neu­wa­gen­käu­fer nicht hin­neh­men müs­se, weil ein Neu­wa­gen über die Ge­brauchs­fä­hig­keit hin­aus ei­nen be­stimm­ten Min­dest­stan­dard auf­wei­sen müs­se. Die­sen An­for­de­run­gen ge­nü­ge ein Kot­flü­gel mit ei­ner Ein­ker­bung in der be­zeich­ne­ten Län­ge nicht.

Ge­gen die­ses Ur­teil rich­te­te sich die Be­ru­fung der Be­klag­ten, mit der sie wei­ter­hin die Ab­wei­sung der Kla­ge er­rei­chen woll­te. Das Rechts­mit­tel hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: II. … 1. Das Land­ge­richt hat die Be­klag­te zu Recht zur Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses ab­züg­lich ei­ner der Hö­he nach un­strei­ti­gen Nut­zungs­ent­schä­di­gung so­wie zur Er­stat­tung der Kos­ten des Pri­vat­gut­ach­tens Zug um Zug ge­gen Über­ga­be des Pkw … ver­ur­teilt.

a) Die Be­klag­te ist ge­mäß den §§ 437 Nr. 2, 434, 323 BGB n.F. auf­grund des be­rech­tig­ten Rück­tritts des Klä­gers zur Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags ver­pflich­tet.

aa) So­weit es das Vor­lie­gen ei­nes Sach­man­gels i. S. des § 434 BGB n.F. be­trifft, ist der Se­nat … an die von der Kam­mer ge­trof­fe­nen tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen ge­mäß § 529 I Nr. 1 ZPO ge­bun­den, weil die Be­ru­fungs­be­grün­dung kei­ne An­halts­punk­te für Zwei­fel an de­ren Rich­tig­keit und Voll­stän­dig­keit auf­weist. Ei­ne Wie­der­ho­lung der Be­weis­auf­nah­me kam da­her nicht in Be­tracht.

Nach dem Pro­to­koll der Au­gen­scheins­ein­nah­me vom 26.11.2004 stell­te das Land­ge­richt bei ei­ner Be­trach­tung des Fahr­zeugs aus ei­nem Ab­stand zur Bei­fah­rer­tür von 2,5 m ei­nen senk­rech­ten Strich fest, der ei­ne Län­ge von et­wa 15 cm auf­wies. So­weit des Wei­te­ren pro­to­kol­liert ist, dass es sich nach sei­ner Ein­schät­zung um ei­ne über­la­ckier­te Schram­me oder ei­nen Krat­zer han­delt, er­folg­te dies er­kenn­bar le­dig­lich zur nä­he­ren Um­schrei­bung der Man­gel­er­schei­nung und nicht als Fest­stel­lung der Man­gel­ur­sa­che, für die dem Ge­richt – wor­auf der Be­klag­ten­ver­tre­ter zu­tref­fend hin­weist – wohl die Sach­kun­de fehl­te.

Mit dem in der Be­ru­fungs­be­grün­dung er­ho­be­nen Ein­wand, ihr Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ter ha­be den fest­ge­stell­ten Strich selbst nicht wahr­ge­nom­men, kann die Be­klag­te Zwei­fel an der Rich­tig­keit der ge­trof­fe­nen Tat­sa­chen­fest­stel­lun­gen nicht be­grün­den. Zur schlüs­si­gen Dar­le­gung an­de­rer als der fest­ge­stell­ten tat­säch­li­chen Ver­hält­nis­se ge­nügt es nicht, die ei­ge­nen Wahr­neh­mun­gen an die Stel­le der ge­richt­lich pro­to­kol­lier­ten zu set­zen.

bb) Der Man­gel ist auch nicht un­er­heb­lich mit der Fol­ge, dass ge­mäß § 323 V BGB n.F. ein Rück­tritt aus­ge­schlos­sen ist.

Zwar ent­hält das an­ge­foch­te­ne Ur­teil kei­ne aus­drück­li­che Aus­füh­run­gen da­zu, dass es sich bei der fest­ge­stell­ten Ein­ker­bung/Ein­del­lung um ei­ne nicht nur un­er­heb­li­che Ab­wei­chung von der üb­li­chen Be­schaf­fen­heit han­delt. Gleich­wohl ist auch in­so­weit von nach § 529 I Nr. 1 ZPO bin­den­den Fest­stel­lun­gen aus­zu­ge­hen. Die Kam­mer hat näm­lich die für die Er­heb­lich­keit des Man­gels maß­geb­li­chen Kri­te­ri­en im Rah­men der Ver­gleich­bar­keit der vor­han­de­nen Be­schaf­fen­heits­ab­wei­chung mit an­de­ren Män­geln an Neu­wa­gen ge­prüft und oh­ne Rechts­feh­ler be­jaht. Nach den ge­trof­fe­nen Fest­stel­lun­gen war die senk­rech­te Ein­ker­bung/Ein­del­lung am rech­ten vor­de­ren Kot­flü­gel deut­lich sicht­bar, was an­ge­sichts ih­rer Län­ge von et­wa 15 cm auch oh­ne Wei­te­res nach­voll­zieh­bar ist.

cc) Die Be­klag­te kann auch mit ih­rem Ein­wand, die for­ma­len Vor­aus­set­zun­gen für ei­nen Rück­tritt lä­gen nicht vor, nicht durch­drin­gen.

Es be­darf hier kei­ner Ent­schei­dung dar­über, ob die Aus­füh­run­gen in dem … Schrei­ben vom 25.06.2004 die An­nah­me be­grün­den, die Be­klag­te ha­be end­gül­tig die Nach­bes­se­rung ver­wei­gert. Die an sich ge­mäß § 323 I BGB er­for­der­li­che Frist­set­zung zur Nach­er­fül­lung war näm­lich ge­mäß § 440 Satz 1 Fall 2, Satz 2 BGB des­halb ent­behr­lich, weil hier zwei – er­folg­lo­se – Nach­bes­se­rungs­ver­su­che vor­la­gen.

Der ers­te Ver­such ei­ner Nach­bes­se­rung wur­de am 01.04.2004 vor­ge­nom­men und war, wie das Land­ge­richt zu­tref­fend aus­ge­führt hat, mit dem An­bie­ten zur Über­nah­me des ver­meint­lich nach­ge­bes­ser­ten Fahr­zeugs be­en­det. Mit der Wei­ge­rung des Klä­gers, das Fahr­zeug als nach­ge­bes­sert in Emp­fang zu neh­men, und der er­neu­ten Auf­nah­me in die Werk­statt zur An­pas­sung des neu­en Kot­flü­gels per Hand hat die Be­klag­te ih­re Be­reit­schaft kund­ge­tan, ei­ne wei­te­re Nach­bes­se­rung vor­zu­neh­men, die am 02.04.2004 mit dem von der Kam­mer fest­ge­stell­ten Er­geb­nis be­en­det war.

Die An­nah­me von zwei er­folg­lo­sen Nach­bes­se­rungs­ver­su­chen schei­tert auch nicht – wie die Be­klag­te meint – dar­an, dass nach dem zwei­ten Werk­statt­auf­ent­halt ein an­de­rer als der zu­nächst ge­rüg­te Man­gel vor­ge­le­gen ha­ben müs­se. Ein zwei­ter ver­geb­li­cher Nach­bes­se­rungs­ver­such ist nicht nur dann an­zu­neh­men, wenn die Nach­bes­se­rung den bei der ers­ten An­die­nung vor­han­de­nen Man­gel nicht be­sei­tigt, son­dern auch dann, wenn sie – wie hier am aus­ge­tausch­ten rech­ten Kot­flü­gel – ei­nen neu­en Man­gel er­zeugt (Pa­landt/Putzo, BGB, 63. Aufl. [2004], § 440 Rn. 7).

dd) Schließ­lich ist der Rück­tritt nicht des­halb aus­ge­schlos­sen, weil der Klä­ger nach dem – in ers­ter In­stanz un­be­strit­ten ge­blie­be­nen – Vor­trag der Be­klag­ten bei Ent­ge­gen­nah­me des Fahr­zeugs am 02.04.2004 er­klärt hat, mit dem her­ge­stell­ten Zu­stand „le­ben zu kön­nen“ bzw. ein­ver­stan­den zu sein. Ein wirk­sa­mer Ver­zicht auf Ge­währ­leis­tungs­rech­te – an den selbst bei ein­deu­tig er­schei­nen­den Er­klä­run­gen ho­he An­for­de­run­gen zu stel­len sind – liegt dar­in nicht. Der Äu­ße­rung, mit ei­nem her­ge­stell­ten Zu­stand „le­ben zu kön­nen“, läßt sich – wie die Kam­mer zu Recht aus­ge­führt hat – nicht oh­ne Wei­te­res die Be­deu­tung ei­nes Ver­zichts auf Ge­währ­leis­tungs­rech­te bei­mes­sen. Die Be­klag­te teilt aber auch kei­ne nä­he­ren Ein­zel­hei­ten da­zu mit, in­wie­weit sich der Klä­ger mit dem her­ge­stell­ten Fahr­zeug­zu­stand „ein­ver­stan­den“ er­klärt ha­ben soll. Nach ih­rer Schil­de­rung … han­del­te es sich bei die­sem „Ein­ver­ständ­nis“ des Klä­gers of­fen­bar le­dig­lich um die Ak­zep­tanz der Er­klä­run­gen des tech­ni­schen Au­ßen­dienst­mit­ar­bei­ters der Be­klag­ten, wo­nach ei­ne Zu­stands­ver­bes­se­rung durch Ver­än­de­run­gen, Ein­stel­lun­gen oder sons­ti­ge Ar­bei­ten nicht er­reicht wer­den kön­ne. Auch die üb­ri­gen Um­stän­de, na­ment­lich die zeit­nah nach Be­en­di­gung des zwei­ten Nach­bes­se­rungs­ver­suchs (Frei­tag, den 02.04.2004) in Auf­trag ge­ge­be­ne Be­gut­ach­tung des Fahr­zeugs durch ei­nen Kfz-Sach­ver­stän­di­gen – die Auf­trags­er­tei­lung er­folg­te aus­weis­lich des Pri­vat­gut­ach­tens am Diens­tag, den 06.04.2004 – ste­hen der An­nah­me, der Klä­ger ha­be auf sei­ne Män­gel­rech­te ver­zich­ten wol­len, ent­ge­gen.

b) Der Klä­ger kann die der Hö­he nach nicht be­strit­te­nen Kos­ten des Pri­vat­gut­ach­tens ge­mäß § 280 BGB n.F. ver­lan­gen …

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