1. Wenn ein moderner Mittelklassewagen mit Dieselmotor bei einem Kilometerstand von nur ca. 88.000 einen schwerwiegenden Motorschaden („Kolbenfresser“) erleidet, obwohl der Motor ausreichend mit Schmier- und Kühlmittel befüllt war, spricht schlicht die Lebenserfahrung dafür, dass dieser Motorschaden im technischen Zustand des Wagens selbst und damit bereits bei Übergabe an den Käufer angelegt war.
  2. Die Annahme, ein „Kolbenfresser“ könne durch einen „Bedienungsfehler“ des Fahrers verursacht werden, ist angesichts der Einfachheit der technischen Bedienung eines Kraftfahrzeugs und des heutigen Stands der Technik eine rein theoretische, veraltete Vorstellung.

OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 04.03.2005 – 24 U 198/04

Sachverhalt: Der Beklagte, der gewerblich mit gebrauchten Kraftfahrzeugen handelt, verkaufte dem Kläger am 06.03.2003 einen Pkw mit Dieselmotor. Das Fahrzeug wies einen Kilometerstand von 80.146 auf und war im Januar 1999 erstzugelassen worden. Am 20.07.2003 erlitt der Wagen bei einem Kilometerstand von nunmehr ca. 88.000 einen schwerwiegenden Motorschaden („Kolbenfresser“). Nachdem der Beklagte sich zunächst um die Beschaffung eines Austauschmotors bemüht, dem Kläger den Wagen später aber wieder zurückgegeben hatte, ließ der Kläger einen Austauschmotor einsetzen und zahlte hierfür 5.107,02 €.

Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung dieses Betrags verurteilt. Die Berufung des Beklagten hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: 2. … Das Landgericht hat den Beklagten zu Recht zum Ersatz der dem Kläger aus dem Austausch des Motors entstandenen Aufwendungen verurteilt. Denn der gekaufte Wagen war zum Zeitpunkt der Übergabe – zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs (§ 446 BGB) – mangelhaft, und der Kläger kann deshalb Schadensersatz in Gestalt des Betrags verlangen, der zur Herstellung eines mangelfreien Zustands – hier: durch Austausch des defekten Motors – erforderlich war (§§ 437 Nr. 3, 280 I, 281 I, II BGB).

In Übereinstimmung mit der vom Landgericht gefundenen Bewertung zweifelt das Berufungsgericht nicht daran, dass der bald – innerhalb von etwa dreieinhalb Monaten – nach Übergabe des Wagens offenbar werdende Motorschaden bereits bei Übergabe im Wagen selbst angelegt war, der Wagen damit nicht die Beschaffenheit aufwies, die der Käufer – der Kläger – erwarten durfte.

Erwarten durfte der Kläger von dem modernen Mittelklassewagen mit Dieselmotor ohne Weiteres, dass der Motor eine Kilometerleistung in deutlich sechsstelligem Umfang völlig problemlos erbringen würde. Wenn das – der Kilometerleistung angemessen – vier Jahre alte Fahrzeug bei einem Kilometerstand von ca. 88.000 unvermittelt einen schweren Motorschaden erlitt, und wenn – dazu sogleich – nichts auf ein schadensursächliches Fehlverhalten des Benutzers deutet, spricht schlicht die Lebenserfahrung dafür, dass dieser Motorschaden im technischen Zustand des Wagens selbst angelegt war; was der exakte technische Ursachenzusammenhang war, kann – deshalb – dahinstehen.

Irgendwelche Fehlleistungen des Benutzers selbst sind auch nicht im Ansatz dargetan. Dass der Wagen nicht ohne ausreichende Schmierung betrieben wurde, hat das Landgericht festgestellt; wenn es sich dabei auf die Bekundungen vor allem des Zeugen Z, der nach dem Ausfall des Motors den Ölstand überprüft hat, bezogen hat, dann sieht das Berufungsgericht nichts, was die Richtigkeit der vom Landgericht getroffenen Feststellungen in Frage stellen könnte; insoweit hat auch der Beklagte im Berufungsverfahren keine weiterführende Überlegung angestellt. Ebenso wenig hat sich auch nur der geringste Hinweis darauf ergeben, der Kläger habe den Wagen ohne ausreichende Befüllung mit Kühlmittel betrieben. Immerhin war der Wagen kurz vor Schadenseintritt zur Inspektion in einer Werkstatt.

Irgendwelche „Bedienungsfehler“ des Benutzers – des Klägers oder seiner Ehefrau – stehen als Schadensursache nicht ernstlich im Raume. Angesichts der Einfachheit der technischen Bedienung eines Kraftwagens und des heutigen Stands der Technik wäre die Annahme, ein Kolbenfresser könne durch „Bedienungsfehler“ – durch Fehler beim Fahren – verursacht werden, eine rein theoretische, veraltete Vorstellung.

Sämtlich weiteren Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs aus § 437 Nr. 3, §§ 280 I, 281 I, II BGB sind zwischen den Parteien unumstritten.

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