Eine Klausel in einem Bestellformular für einen Gebrauchtwagen, wonach der Käufer an seine Bestellung zehn Tage gebunden ist, kann – insbesondere wenn das Fahrzeug vorrätig ist und Barzahlung vereinbart wurde – gegen § 308 Nr. 1 BGB verstoßen und damit unwirksam sein.

LG Bremen, Urteil vom 09.09.2003 – 1 O 565/03

Sachverhalt: Die Klägerin begehrt von dem Beklagten – Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeug – die Zahlung des Kaufpreises für einen gebrauchten Pkw.

Die Klägerin handelt unter anderem mit Gebrauchtfahrzeugen. Der Beklagte zeigte Interesse an einem gebrauchten Audi A6. Nachdem er am 04.02.2003 eine Probefahrt durchgeführt hatte, bestellte er mit dem Formular der Klägerin „Verbindliche Bestellung eines Kraftfahrzeuges“ am 06.02.2003 einen näher bezeichneten Audi A6 (Erstzulassung: 15.08.1997) zu einem Kaufpreis von 13.700 €. Es wurde vereinbart, dass das Fahrzeug bei Bereitstellung bar bezahlt wird.

Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin enthalten bezüglich der Bestellung unter I. 1 folgende Klausel, die der Empfehlung des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe e. V. entspricht:

„Der Käufer ist an die Bestellung höchstens bis 10 Tage … gebunden. Der Kaufvertrag ist abgeschlossen, wenn der Verkäufer die Annahme der Bestellung des näher bezeichneten Kaufgegenstandes innerhalb der jeweils genannten Fristen schriftlich bestätigt oder die Lieferung ausführt. Der Verkäufer ist jedoch verpflichtet, den Besteller unverzüglich zu unterrichten, wenn er die Bestellung nicht annimmt.“

Mit Schreiben vom 11.02.2003 erklärte der Beklagte, dass er „fristgerecht von der verbindlichen Bestellung des Kraftfahrzeugs“ zurücktrete. Mit Schreiben vom 12.02.2003, dem Beklagten zugegangen am 13.02.2003, erklärte die Klägerin die Annahme der Bestellung des Beklagten. Sie verlangt die Zahlung des vereinbarten Kaufpreises gegen Lieferung des Fahrzeugs.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch gemäß § 433 II BGB auf Zahlung des eingeforderten Kaufpreises zu. Ein wirksamer Kaufvertrag ist zwischen den Parteien nicht geschlossen worden. Die Annahmefrist, die sich die Klägerin in Nr. I 1 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorbehalten hat, ist wegen Verstoßes gegen § 308 Nr. 1 BGB unwirksam.

§ 308 Nr. 1 BGB bestimmt, dass in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unter anderem eine Bestimmung unwirksam ist, durch die sich der Verwender unangemessen lange Fristen für die Annahme oder Ablehnung eines Angebotsvorbehält. Nach der Rechtsprechung des BGH erfordert die Entscheidung, ob eine dem Verwender in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorbehaltene bestimmte Frist zur Annahme oder Ablehnung eines Angebotes unangemessen lang ist, eine wertende Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien unter Berücksichtigung der für den Vertragsgegenstand typischen Umstände. Ist die Annahmefrist wesentlich länger als die in § 147 II BGB umschriebene, übersteigt sie also den Zeitraum erheblich, der für die Übermittlung der Erklärungen notwendig ist und eine angemessene Bearbeitungs- und Überlegungsfrist einschließt, so ist diese Fristbestimmung nur dann wirksam, wenn der Verwender ein schutzwürdiges Interesse hat, das hinter dem Interesse des Kunden am baldigen Wegfall seiner Bindung zurückstehen muss (BGH, NJW 2001, 303 [noch zu § 10 Nr. 1 AGBG] m. w. Nachw.).

Nach der in Rede stehenden Klausel bleibt der Käufer an die Bestellung einseitig für zehn Tage gebunden, während die Klägerin innerhalb dieser Frist grundsätzlich nach Belieben verfahren kann. Ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin an einer solchen einseitigen zehntägigen Bindungsfrist ist – jedenfalls im vorliegenden Fall – nicht erkennbar. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass eine Annahmefrist des Gebrauchtwagenverkäufers von zehn Tagen nur vereinzelt als unangemessen lang (etwa AG Diepholz, MDR 1987, 936) und die Klausel (zumeist ohne nähere Begründung) bisher wohl überwiegend als wirksam angesehen wird (vgl. etwa OLG Köln, NJW-RR 1993, 1404; Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz, Nachtrag zur 9. Aufl., Anh. §§ 9–11 Rn. 436; zweifelnd Reinking/Eggert, Der Autokauf, 8. Aufl., Rn. 931, wonach die bisherigen Einschätzungen zur Wirksamkeit der Annahmefrist durch den Einsatz moderner Kommunikationsmittel fragwürdig geworden seien). Gerade die vorliegende Konstellation verdeutlicht jedoch, dass die Wirksamkeit der Klausel jedenfalls nicht für jede Fallgestaltung bejaht werden kann.

Die Klägerin begründet die Erforderlichkeit der Dauer der Annahmefrist zunächst damit, dass sie regelmäßig eine Prüfungs-, Überlegungs- und Entscheidungszeit hinsichtlich der Bonität des Kunden benötige. Dieses Argument greift hier jedoch nicht. In der Bestellung vom 06.02.2003 ist ausdrücklich Barzahlung ohne eine Kaufpreisfinanzierung vereinbart worden. Eine Prüfung der Bonität des Beklagten erübrigte sich also. Entsprechendes gilt, soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass Kaufinteressenten ihren alten Wagen häufig in Zahlung geben möchten und die Klägerin deshalb Zustand, Wert und Verwertbarkeit des Fahrzeuges prüfen müsse, denn eine Inzahlungnahme eines Altfahrzeugs des Beklagten war hier nicht vereinbart. Zudem stand das Fahrzeug auch unmittelbar zur Verfügung und musste nicht noch von einem anderen Standort beschafft werden.

Als schutzwürdiges Interesse der Klägerin ist im vorliegenden Fall allenfalls erkennbar, dass nach ihrer Behauptung der Mitarbeiter, der mit dem Beklagten verhandelte, wegen der Höhe des Kaufpreises erst Rücksprache mit der Geschäftführung habe nehmen müssen. Insoweit ist aber zu berücksichtigen, dass nach dem Vortrag der Klägerin bereits einen Tag vor der Unterzeichnung der Bestellung Einigkeit über den Kaufpreis bestanden hat. Es ist daher nicht ersichtlich, weshalb weitere zehn Tage erforderlich sein sollten, um die Zustimmung der Geschäftsführung einzuholen, zumal die Klägerin gar nicht vorgetragen hat, dass im vorliegenden Fall der tatsächlich vereinbarte von dem zunächst ausgezeichneten Kaufpreis abwich, oder aus anderen Gründen eine zeitnähere Zustimmung der Geschäftsleitung nicht erfolgen konnte. Es kommt auch nicht darauf an, dass nach der Klausel die Bindungsfrist dadurch abgekürzt werden kann, dass die Lieferung des Fahrzeugs ausgeführt wird, denn ein Anspruch des Käufers auf eine derartige Lieferung vor Ablauf der Bindungsfrist besteht gerade nicht, sondern steht wiederum allein im Belieben der Klägerin.

Schließlich kann der durch Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Verwenders erzeugte „Schwebezustand“ bei der Statuierung einer Annahmefrist nicht mit dem „Schwebezustand“ verglichen werden, der sich z. B. bei Verbraucherverträgen durch das den Verbrauchern eingeräumte Widerrufsrecht ergibt (§ 355 BGB). Die entsprechende Argumentation der Klägerin verkennt, dass das geltende Recht den Verbraucher besonders schützen will und sowohl das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Verbraucherverträgen als auch sein Schutz vor unangemessen langen Annahmefristen Ausdruck dieses gesetzlichen Verbraucherschutzes sind.

Die Klägerin hätte deshalb entweder eine für alle Fallgestaltungen angemessene kurze Annahmefrist vorsehen oder für die wohl auch bei ihr nicht selten vorkommenden Fälle des Barverkaufs vorrätiger Gebrauchtwagen eine besondere, kürzere Frist bestimmen müssen (vgl. dazu BGH, NJW 2001, 303 [304] zur Annahmefrist beim Kauf vorrätiger Möbel). Da es in der streitigen Klausel an einer erforderlichen Differenzierung fehlt und eine solche wegen des Verbots einer geltungserhaltenden Reduktion auch nicht vom Gericht vorgenommen werden konnte, ist die in Nr. I 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten vorgesehen Bindungsfrist unwirksam.

Nach der gesetzlichen Regelung wäre deshalb eine sofortige Annahme des Angebots des Beklagten aus der Bestellung vom 06.02.2003 (§ 147 I BGB) bzw. eine Annahme bis zu dem Zeitpunkt, in welchem der Antragende unter gewöhnlichen Umständen den Eingang der Antwort erwarten darf (§ 147 II BGB), erforderlich gewesen. Die „Annahme“ des Angebots durch die Klägerin in ihrem Schreiben vom 12.02.2003 erfolgte nicht mehr innerhalb dieses Zeitraums, stellt also lediglich ein neues Angebot dar (vgl. § 150 BGB). Dieses Angebot hat der Beklagte nicht angenommen mit der Folge, dass es nicht zum Abschluss eines wirksamen Kaufvertrags zwischen den Parteien gekommen ist …

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