Verzögert der vom Eigentümer mit dem Verkauf eines Kraftfahrzeugs beauftragte Vermittler die nach Kündigung des Auftrags geschuldete Herausgabe des Fahrzeugs, so gehört zum ersatzfähigen Verzugsschaden auch die entzogene Nutzungsmöglichkeit.

BGH, Urteil vom 14.07.1982 – VIII ZR 161/81

Diese Entscheidung ist zum „alten“ Schuldrecht und vor Inkrafttreten der ZPO-Reform 2002 ergangen. Sie kann nicht ohne Weiteres auf das seit dem 01.01.2002 geltende Recht übertragen werden (so ist z. B. an die Stelle der Wandelung der Rücktritt vom Kaufvertrag getreten). Die genannten Vorschriften existieren heute möglicherweise nicht mehr oder haben einen anderen Inhalt.

Sachverhalt: Die Parteien schlossen am 11.03.1980 einen „Auftrag zur Vermittlung eines Fahrzeug-Verkaufs“ über einen dem Kläger gehörenden Pkw. Spätestens am 20.03.1980 kündigte der Kläger den Auftrag und forderte den Beklagten auf, das Fahrzeug bis zum 27.03.1980 herauszugeben.

Über die Berechtigung der Kündigung bestand zwischen den Parteien Streit; der Beklagte verweigerte die Herausgabe des Pkw.

Mit seiner daraufhin erhobenen Klage beantragte der Kläger, den Beklagten zur Herausgabe des Fahrzeugs und zur Zahlung von (30 Tage × 29 DM =) 870 DM nebst Zinsen als Ersatz für den Nutzungsausfall in der Zeit vom 01.04. bis zum 30.04.1980 zu verurteilen. Während dieser Zeit stand das Fahrzeug dem Kläger unstreitig nicht zur Verfügung.

Gegen den Beklagten erging ein Versäumnisurteil gemäß dem Klagantrag. Auf den Einspruch des Beklagten hin hob das Landgericht das Versäumnisurteil insoweit auf, als der Beklagte zur Zahlung verurteilt worden war, und wies die Klage in diesem Umfang ab. Im Übrigen hielt es das Versäumnisurteil aufrecht. Gegen dieses Urteil legten beide Parteien ohne Erfolg Berufung ein. Mit seiner Revision verfolgte der Kläger seinen Anspruch auf Zahlung von 870 DM als Ersatz für die Vorenthaltung seines Fahrzeugs durch den Beklagten weiter. Der ordnungsgemäß geladene Beklagte war in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht vertreten; der Kläger beantragte daher, durch Versäumnisurteil zu erkennen.

Das Rechtsmittel hatte Erfolg; das angefochtene Urteil wurde insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht zum Nachteil des Klägers erkannt hatte, und die Sache wurde in diesem Umfang an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Aus den Gründen: 1. Das Landgericht hatte die Zahlungsklage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass er den Kraftwagen in der fraglichen Zeit benötigt habe. Im Berufungsrechtszug war nicht mehr streitig, dass der in M. ansässige Kläger ab 10.04.1980 in R. stationiert war und sein Fahrzeug für Wochenendheimfahrten benötigt und benutzt hätte. Nach Ansicht der Vorinstanz steht jedoch der Zubilligung von Entschädigung für diesen Nutzungsausfall entgegen, dass die Rechtsprechung über die Gewährung von Nutzungsausfall als Schadensersatz nach Verkehrsunfällen grundsätzlich nicht auf die Vorenthaltung des Besitzes eines Fahrzeugs im Rahmen von Vertragsbeziehungen ausgedehnt werden könne. Vielmehr sei der Kläger – wofür er jedoch nichts vorgetragen habe – auf die Geltendmachung ganz konkreter Schadensersatzansprüche beschränkt.

Diese Ansicht kann jedenfalls für den hier vorliegenden Fall keine Geltung beanspruchen, in dem der Kläger Herausgabe seines Eigentums verlangt.

2. a) Der Anspruch des Klägers auf Herausgabe des ihm gehörenden Fahrzeugs ist zwischen den Parteien bindend festgestellt (vgl. zur Rechtskraftwirkung Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 13. Aufl., § 155 III). Nach dem Inhalt des insoweit rechtskräftigen Berufungsurteils folgt er sowohl aus §§ 675, 667 BGB als auch aus § 985 BGB, weil das Besitzrecht des Beklagten seit der Beendigung des auf die Verkaufsvermittlung gerichteten Geschäftsbesorgungsvertrags erloschen war (zur Anspruchskonkurrenz vgl. BGH, Urt. v. 21.12.1960 – VIII ZR 89/59, BGHZ 34, 122, 123 f.) . Gegenansprüche des Beklagten, die etwa ein Zurückbehaltungsrecht hätten begründen können, hat das Berufungsgericht verneint.

Für die Revisionsinstanz ist davon auszugehen, dass der Beklagte ab 01.04.1980 jedenfalls mit seiner Herausgabepflicht nach § 667 BGB in Verzug war (§ 284 BGB). Ein hieraus sich ergebender Schadensersatzanspruch des Klägers (§ 286 BGB; vgl. dazu MünchKomm-BGB/Seiler, § 667 Rn. 23) würde nicht dadurch infrage gestellt, dass ihm auch Ansprüche aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis nach §§ 987 ff. BGB zustehen; insoweit kann nichts anderes gelten als für die Anspruchskonkurrenz zwischen §§ 987 ff. BGB und einem Bereicherungsanspruch gegen den Pächter, der dem Berechtigten die Pachtsache vorenthält (dazu Senat, Urt. v. 28.06.1967 – VIII ZR 59/65, LM BGB § 597 Nr. 2 = NJW 1968, 197; vgl. allgemein Staudinger/Gursky, BGB, 12. Aufl., vor § 987 Rn. 12 m. w. Nachw.). Im Übrigen muss für die Revisionsinstanz auf sich beruhen, ob dem Kläger für den hier interessierenden Zeitraum Ansprüche aus   989 II BGB zustehen; denn dies würde positive Kenntnis des Beklagten davon erfordert haben, dass er nicht mehr zum Besitz berechtigt ist. Insoweit fehlt es jedoch an tatrichterlichen Feststellungen.

b) Das Berufungsgericht meint, die Rechtsprechung, wonach dem Eigentümer eines unfallgeschädigten Kraftfahrzeugs auch dann ein Entschädigungsanspruch für den vorübergehenden Verlust der Gebrauchsfähigkeit zustehe, wenn der Geschädigte von der Möglichkeit, sich einen Ersatzwagen zu beschaffen, keinen Gebrauch gemacht hat (BGH, Urt. v. 30.09.1963 – III ZR 137/62, BGHZ 40, 345; Urt. v. 15.04.1966 – VI ZR 271/64, BGHZ 45, 212; Urt. v. 18.05.1971 – VI ZR 52/70, BGHZ 56, 214; Urt. v. 28.02.1980 – VII ZR 183/79, BGHZ 76, 179, 186; st. Rspr.), lasse sich grundsätzlich nicht auf die Vorenthaltung des Besitzes eines Fahrzeugs im Rahmen von Vertragsbeziehungen ausdehnen.

aa) Dem Berufungsurteil ist nicht zu entnehmen, ob das Oberlandesgericht schon die Entstehung eines ersatzfähigen Vermögensschadens verneinen will. Jedenfalls geben seine Ausführungen keinen Anlass zu einer Überprüfung der vom BGH in ständiger Rechtsprechung vertretenen Ansicht, dass die dauernde Verfügbarkeit eines Kraftfahrzeugs als geldwerter Vermögensvorteil anzusehen ist, dessen vorübergehende Entziehung bereits einen Vermögensschaden darstellt.

Im Vordergrund steht für das Berufungsgericht die Erwägung, dass der Ersatz von Nutzungsausfall aus dem Gesichtspunkt der Abdeckung eines typischen, in der gesetzlichen Haftpflichtversicherung abgedeckten Massenrisikos des modernen Straßenverkehrs nur gerechtfertigt sei, wenn bei einem haftungsbegründenden Unfall die Substanz und Gebrauchsfähigkeit des Fahrzeugs selbst beeinträchtigt werde, es also beschädigt wurde und deshalb objektiv nicht fahrbereit ist. Diese Ansicht trifft sich mit einer im Schrifttum insbesondere von Werner Schulte vertretenen Auffassung (Schadensersatz in Geld für Entbehrungen, 1978, S. 116 ff.). Danach kommt eine Entschädigung, die sich am Wert der entzogenen Nutzungsmöglichkeit orientiert, bei vertraglichen Schadensersatzansprüchen nicht in Betracht. Insoweit sei beispielsweise der Käufer bei verspäteter Lieferung des bestellten Kraftwagens darauf verwiesen, entweder den entgangenen Gewinn gemäß § 252 BGB als Vermögensschaden geltend zu machen oder aber an der seinerseits geschuldeten Gegenleistung anzusetzen und als Reaktion auf das Ausbleiben der Leistung die ihm selbst obliegende Gegenleistung zum Erlöschen zu bringen, indem er gemäß § 326 BGB vom Vertrag zurücktritt (ähnlich, wenn auch mit unterschiedlichen Begründungen, Schmidt-Salzer, BB 1970, 55, 63 unter IV 7; Bätsch, NJW 1975, 1163 unter Ziffer 2 seiner Anmerkung zum Senatsurteil vom 12.02.1975 – VIII ZR 131/73, BGHZ 63, 393 = NJW 1975, 733 = JZ 1975, 529 m. Anm. Tolk; Hagen, Anm. zu BGH, Urt. v. 14.05.1976 – V ZR 157/74, BGHZ 66, 277, LM BGB § 251 Nr. 23 Ziffer 7 m. w. Nachw.; Ströfer, Schadensersatz und Kommerzialisierung, 1982, S. 115 ff.; Jauernig/Vollkommer, BGB, 2. Aufl.,§ 286 Anm. 2 c zum Stichwort „entgangene Nutzungsmöglichkeiten“, s. aber auch § 463 Anm. 4 c; für einen Ersatz der entzogenen Gebrauchsmöglichkeit auch im Rahmen vertraglicher Ansprüche etwa OLG Saarbrücken, Urt. v. 07.04.1965 – 1 U 56/64, DAR 1965, 299; OLG Nürnberg, Urt. v. 29.04.1969 – 3 U 28/68, DAR 1969, 300; OLG Hamm, Urt. v. 20.12.1979 – 2 U 160/79, BB 1980, 962, 963 m. w. Nachw. zum Anspruch aus § 284 BGB; Tolk, JZ 1975, 529, 532; Schacht, NJW 1981, 1350; MünchKomm-BGB/H. P. Westermann, § 463 Rn. 24 – das Senatsurteil vom 14.06.1967 – VIII ZR 268/64, LM BGB § 556 Nr. 2 = NJW 1967, 1803 = WM 1967, 749 betraf die Verletzung einer nachvertraglichen Obhutspflicht, stellt allerdings entscheidend auf die Verletzung des Eigentums an dem vormals vermieteten Gebäude ab).

bb) Der vorliegende Fall gibt indessen keinen Anlass, die Frage in aller Breite zu behandeln, ob bei vertraglichen Schadensersatzansprüchen (etwa wegen verspäteter Lieferung eines Kraftfahrzeugs) grundsätzlich auch Ersatz für die entgangene Nutzungsmöglichkeit zu leisten ist. Denn einmal ist schon durch die bisherige Rechtsprechung des BGH geklärt, dass der Ersatzanspruch nicht eine sich als Sachbeschädigung darstellende oder die Sachsubstanz beeinträchtigende Wirkung auf das Fahrzeug voraussetzt (BGH, Urt. v. 31.10.1974 – III ZR 85/73, BGHZ 63, 203, 206 unter IV 3).

Zum anderen geht es bei dem hier zu entscheidenden Prozess nicht um ein „Forderungsrecht“, das „noch unbefriedigt geblieben ist“ (so Schulte, a. a. O., S. 117). Vielmehr hat der Beklagte dem Eigentumsherausgabeanspruch des Klägers zu Unrecht sein – nicht mehr bestehendes – Besitzrecht entgegengehalten. Hiermit griff er in die dem Kläger zustehende Befugnis ein, mit dem Kraftfahrzeug grundsätzlich nach Belieben zu verfahren (§ 284 BGB). Die Verweigerung der Herausgabe stellt sich ebenso als nachteilige Einwirkung auf das Fahrzeug selbst dar wie etwa die pflichtwidrige Vorenthaltung der Kraftfahrzeugpapiere (vgl. BGH, Urt. v. 30.09.1963 – III ZR 137/62, BGHZ 40, 345, 351), die Blockierung einer Garagenausfahrt (vgl. BGH, Urt. v. 31.10.1974 – III ZR 85/73, BGHZ 63, 203, 206) oder die Sperrung eines schiffbaren Gewässers, wodurch einem darin befindlichen Schiff jede Bewegungsmöglichkeit genommen wird (vgl. BGH, Urt. v. 21.12.1970 – II ZR 133/68, BGHZ 55, 153). Dass es in jenen Entscheidungen um Ansprüche aus unerlaubter Handlung ging, steht der Anwendung der dort aufgestellten Rechtsprechungsgründsätze auf den vorliegenden Fall nicht entgegen; denn hier wie dort ist ausschlaggebend, dass es sich um eine Einwirkung auf das Fahrzeug selbst handelt, die seine Benutzung objektiv verhindert. Gesichtspunkte, die für eine unterschiedliche Behandlung sprechen könnten, sind nicht zu erkennen.

3. Die Vorinstanz hat nach alledem die Zahlungsklage unzutreffend schon aus Rechtsgründen abgewiesen. Da das Berufungsurteil insoweit auch nicht mit anderer Begründung aufrechterhalten werden kann, ist es in dem den Kläger belastenden Ausspruch (Abweisung der Zahlungsklage; Auferlegung von Kosten) antragsgemäß durch Versäumnisurteil aufzuheben. Die Sache muss zurückverwiesen werden, weil sie nicht entscheidungsreif ist. Dies betrifft insbesondere die Höhe des Anspruchs (vgl. zur Berechnung BGH, Urt. v. 18.05.1971 – VI ZR 52/70, BGHZ 56, 214, 221), zu der es an Feststellungen fehlt und die auch nicht als unstreitig angesehen werden kann. Im Übrigen müssen die Parteien Gelegenheit zu Ausführungen erhalten, ab wann nach den oben zu 2 a behandelten Anspruchsgrundlagen Verzug des Beklagten (§§ 284 ff. BGB) eingetreten ist. Da die Entscheidung über die Kosten der Revisionsinstanz vom endgültigen Ausgang der Sache abhängt, war sie dem Berufungsgericht zu übertragen.

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