Nimmt der gewerbliche Verkäufer eines Neuwagens den Gebrauchtwagen des Käufers derart „in Zahlung“, dass über das Altfahrzeug ein besonderer Kaufvertrag abgeschlossen und der Kaufpreis mit dem für den Neuwagen verrechnet wird, so ist die Gewährleistung des Neuwagenkäufers für sogenannte Verschleißmängel stillschweigend ausgeschlossen, sofern nicht eine eindeutige andere Regelung vereinbart wird oder Mängel arglistig verschwiegen worden sind.
BGH, Urteil vom 21.04.1982 – VIII ZR 26/81
Diese Entscheidung ist zum „alten“ Schuldrecht und vor Inkrafttreten der ZPO-Reform 2002 ergangen. Sie kann nicht ohne Weiteres auf das seit dem 01.01.2002 geltende Recht übertragen werden (so ist z. B. an die Stelle der Wandelung der Rücktritt vom Kaufvertrag getreten). Die genannten Vorschriften existieren heute möglicherweise nicht mehr oder haben einen anderen Inhalt.
Sachverhalt: Der Beklagte kaufte am 22.05.1979 von dem klagenden Kfz-Händler einen neuen Pkw Skoda für 9.104,95 DM. Das dem Kauf zugrunde liegende „Bestellformular“ enthält zur Zahlungsweise den Vermerk: „Bar Kasse bei Abholung. Es werden 3.400 DM als Anzahlung geleistet.“ Nach einem ebenfalls am 22.05.1979 vom Beklagten auf einem Formular des Klägers unterzeichneten „Verkaufsangebot“ verkaufte der Beklagte dem Kläger seinen gebrauchten, 1974 erstzugelassenen Pkw Ford Taunus mit einem Kilometerstand von 97.000 für 3.400 DM. Hinter dem Eintrag „Zahlung“ ist in dem Formular vermerkt: „Wird mit Skoda-Neuwagen verrechnet.“
Im Mai 1978 hatte der Beklagte den Ford Taunus zuletzt beim TÜV zur Hauptuntersuchung vorgeführt, nachdem er vorher eine „große Inspektion“ mit Überprüfung der Bremsanlage bei einer Werkstatt hatte ausführen lassen und dafür 734,65 DM bezahlt hatte.
Beide Fahrzeuge wurden am 08.06.1979 übergeben, ohne dass der Kläger bzw. der für ihn den Vertrag abschließende Angestellte eine Probefahrt mit dem Gebrauchtwagen gemacht oder ihn auf Mängel geprüft hatte.
Unter dem 07.09.1979 beanstandete der Kläger schriftlich, der Gebrauchtwagen weise erhebliche Mängel auf (Poltern der Vorderachse, zum Teil vollständig abgefahrene Reifen, schadhafte Bremse, völlig verwahrloster Lack); der Beklagte solle zur Erledigung der Angelegenheit 1.000 DM zahlen. Als sich der Beklagte weigerte, beantragte der Kläger am 07.11.1979 ein Beweissicherungsverfahren, in welchem der Sachverständige W am 21.12.1979 ein Gutachten erstattete und darin unter anderem ausführte, bereits bei Übergabe des am 18.06.1979 stillgelegten Pkw Ford seien die hinteren Bremsbacken total bis auf die Nieten abgebremst und beide Bremszylinder undicht gewesen; die Lagerung des Vorderachsträgers und das Lenkgetriebe seien ausgeschlagen und erneuerungsbedürftig; der Kostenaufwand für diese Reparatur betrage 851,06 DM netto.
Mit der am 01.02.1980 erhobenen Klage hat der Kläger Wandelung hinsichtlich des gebrauchten Pkw Ford verlangt und Zahlung von 3.400 DM nebst Zinsen gefordert. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Minderung des Kaufpreises zur Zahlung von 961,70 DM nebst Zinsen verurteilt.
Die Revision des Klägers, mit der er seinen Anspruch in voller Höhe weiter verfolgte, hatte keinen Erfolg, während die Anschlussrevision des Beklagten, der die die vollständige Abweisung der Klage erstrebte, erfolgreich war.
Aus den Gründen: I. Das Berufungsgericht würdigt die in den zwei Vertragsformularen niedergelegten Vereinbarungen der Parteien als – der Sache nach – typischen Fall des Verkaufs eines neuen Wagens gegen Inzahlungnahme eines gebrauchten. Dem Beklagten habe ebenso wie in dem vom erkennenden Senat in BGHZ 46, 338 [Urt. v. 18.01.1967 – VIII ZR 209/64] entschiedenen Fall die Befugnis zugestanden, einen Teil des Kaufpreises für das Neufahrzeug durch den alten Wagen zu ersetzen; für diesen habe er nach § 365 BGB wie ein Verkäufer Gewähr zu leisten.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts – Ersetzungsbefugnis des Beklagten und Leistung an Erfüllungs statt – zutrifft oder ob bei der hier gewählten Gestaltung der Vereinbarungen zwei selbstständige, allerdings durch eine Verrechnungsabrede zueinander in Beziehung gesetzte Kaufverträge anzunehmen sind (vgl. zu der ähnlichen Sachlage bei Vereinbarung eines Vermittlungsauftrags für den Altwagen Senat, Urt. v. 28.05.1980 – VIII ZR 147/79, LM BGB § 467 Nr. 6 = NJW 1980, 2190 = WM 1980, 1010). Da der Kläger Sachmängelansprüche erhebt, sind auf jeden Fall die Bestimmungen der §§ 459 ff. BGB maßgebend.
II. 1. a) Die von dem Sachverständigen W festgestellte Abnutzung der hinteren Bremsbacken, die Undichtigkeit der Bremszylinder, die ausgeschlagene Lagerung des Vorderachsträgers und das ebenfalls ausgeschlagene Lenkgetriebe sieht das Berufungsgericht als erhebliche Sachmängel (§ 459 I BGB) an, weil die Tauglichkeit des Gebrauchtwagens zu dem gewöhnlichen Gebrauch aufgehoben sei.
Ob diese Ansicht in allen Punkten zutrifft, ist nicht zweifelsfrei. Insbesondere ist fraglich, ob die getroffenen Feststellungen über den Zustand des Lenkgetriebes und des Vorderachsträgers ausreichen, die Annahme eines Fehlers i. S. des § 459 I BGB auch für einen fünf Jahre alten Gebrauchtwagen mit einer Fahrleistung von 97.000 km zu rechtfertigen (zur Problematik der Fehlerabgrenzung beim Gebrauchtwagenkauf vgl. u. a. BGB-RGRK/Mezger, 12. Aufl., § 459 Rn. 14; Staudinger/Honsell, BGB, 12. Aufl., § 459 Rn. 45; MünchKomm-BGB/Westermann, § 459 Rn. 37, jeweils m. w. Nachw.). Einer Entscheidung hierzu bedarf es jedoch nicht. Die Parteien haben nämlich – wie noch auszuführen sein wird – die Haftung des Beklagten für die hier allein in Betracht kommenden, auf Verschleiß beruhenden etwaigen Sachmängel durch eine stillschweigende Vereinbarung ausgeschlossen.
b) Im Hinblick auf diesen Haftungsausschluss kann auch dahingestellt bleiben, ob – was der Beklagte geltend macht, das Berufungsgericht jedoch ablehnt – der Kläger wegen Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis von den Mängeln schon nach § 460 BGB keinen Gewährleistungsanspruch hatte.
2. a) Das Berufungsgericht hält nur den vom Kläger in erster Linie verfolgten Anspruch auf Wandelung des Gebrauchtwagenkaufvertrages für stillschweigend ausgeschlossen. Es meint, entgegen der Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 18.01.1967 – VIII ZR 209/64, BGHZ 46, 338 ff.; kritisch dazu Pfister, MDR 1968, 361 ff., Dubischar, JZ 1969, 175 ff.) sei in einem Fall wie dem vorliegenden unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen an dem Neuwagen- und dem Altwagengeschäft die Vereinbarung über den Gebrauchtwagen so auszulegen, dass das Wandelungsrecht außer bei arglistig verschwiegenen Mängeln des Gebrauchtwagens jedenfalls dann ausgeschlossen sei, wenn der Händler zur Rücknahme auch des Neuwagens nicht bereit sei. Sein Interesse werde angemessen durch das ihm zuzubilligende Minderungsrecht gewahrt, dessen Höhe sich hier nach den für die Reparatur der hinteren Bremsen, der Vorderachse und des Lenkgetriebes erforderlichen Kosten von 961,70 DM (einschließlich MwSt.) richte.
Im Ergebnis halten diese Ausführungen den gegen den Ausschluss des Wandelungsrechts gerichteten Einwendungen des Klägers stand, nicht dagegen den Angriffen des Beklagten gegen die Zubilligung eines Minderungsrechts.
b) Verträge über die Inzahlungnahme von Altwagen beim Erwerb neuer Kraftfahrzeuge oder die dabei abgeschlossenen Vermittlerverträge sind typische Verträge des täglichen Lebens, deren Auslegung deshalb vom Revisionsgericht frei nachprüfbar ist (Senat, Urt. v. 05.04.1978 – VIII ZR 83/77, LM BGB § 433 Nr. 52 = NJW 1978, 1482 = WM 1978, 756; Urt. v. 18.05.1980 – VIII ZR 147/79, LM BGB § 467 Nr. 6 = NJW 1980, 2190 = WM 1980, 1010). Das gilt auch für die hier vorgenommene, in der Praxis möglicherweise nicht mehr so häufige Trennung des Neuwagen- und Altwagengeschäfts in zwei selbstständige Kaufverträge mit Verrechnungsabrede.
c) Der Wortlaut des Gebrauchtwagenkaufvertrags enthält keine ausdrückliche Haftungsausschlussklausel für Sachmängel. Das hindert aber nicht die Annahme einer stillschweigenden Gewährleistungsfreistellung, sofern sich aus den besonderen Umständen des Falles genügend Anhaltspunkte dafür ergeben (BGB-RGRK/Mezger, a. a. O., § 476 Rn. 1; Staudinger/Honsell, a. a. O., § 476 Rn. 1; MünchKomm-BGB/Westermann, a. a. O., § 476 Rn. 4). Das Berufungsgericht nimmt zu Unrecht an, der BGH habe eine derartige Auslegungsmöglichkeit bisher ausgeschlossen. In den Fällen, in denen der erkennende Senat über Mängelansprüche des aufkaufenden oder in Zahlung nehmenden Händlers zu entscheiden hatte, bestand keine Veranlassung, einen Haftungsausschluss zu erörtern, weil es sich entweder um Ansprüche wegen arglistig verschwiegener Mängel handelte, deren Ausschluss nach § 476 BGB unwirksam ist, oder um dem Händler bekannte Mängel, für die der Verkäufer nach § 460 BGB ohnehin nicht haftet (Senat, Urt. v. 18.12.1956 – VIII ZR 19/56, BB 1957, 238 = DB 1957, 186; Urt. v. 21.10.1964 – VIII ZR 151/63, LM BGB § 463 Nr. 11 = NJW 1965, 35; für die ähnlich liegenden Fälle bei Vereinbarung eines Vermittlungsvertrages über den Gebrauchtwagen Senats, Urt. v. 05.04.1978 – VIII ZR 83/77, LM BGB § 433 Nr. 52 = NJW 1978, 1482 = WM 1978, 756). Auch in dem vom Berufungsgericht zitierten Urteil vom 18.01.1967 (BGHZ 46, 338 ff.) bestand weder Anlass noch Gelegenheit, über einen Gewährleistungsausschluss zu entscheiden, weil das Berufungsgericht den dort behaupteten Mangel (einen früheren Unfalltotalschaden) nur unterstellt und auch den Inhalt der von den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen nicht vollständig festgestellt hatte; die Sache war deshalb an die Vorinstanz zurückzuverweisen (vgl. dazu die Veröffentlichung in WM 1967, 228 unter II und III, insoweit in BGHZ 46, 338 nicht abgedruckt), ohne dass die Möglichkeit eines Haftungsausschlusses bereits endgültig verneint werden sollte. In einem weiteren Urteil vom 31.03.1982 – VIII ZR 65/81 (zur Veröffentlichung bestimmt) – hat der Senat mit einer dem Gewährleistungsausschluss nahekommenden Begründung entschieden, dass ein Agenturvertrag über einen „in Zahlung gegebenen“ Gebrauchtwagen von dem Händler nicht wegen nachträglich bekannt werdender schwerer Folgen eines vom Auftraggeber an sich mitgeteilten Unfallschadens vorzeitig gekündigt werden könne.
Der wesentliche Anknüpfungspunkt für einen Haftungsausschluss liegt in der typischen Interessenlage der an dem Vertrag Beteiligten. Zu dem Verkauf (oder der Inzahlungnahme) des Gebrauchtwagens kommt es nur, weil gleichzeitig ein Neuwagen gekauft wird. Beide Vertragspartner wissen, daß der Altwagen infolge seiner Abnutzung Verschleißerscheinungen aufweist, die – wie das Berufungsgericht mit Recht bemerkt – in der Preisbemessung ihre Berücksichtigung finden. Das Ausmaß des Verschleißes läßt sich aber – jedenfalls ohne kostspieligen Aufwand – weder genau feststellen noch objektiv bewerten. Im Übrigen hängt der Kaufpreis nicht allein vom Verschleißgrad ab, sondern unter anderem auch vom Interesse des Händlers am Zustandekommen des Neuwagengeschäfts, sodass – wie allgemein bekannt ist – besonders bei weniger gängigen Fahrzeugmarken oder in Zeiten schwächerer Konjunktur dem Neuwagenkunden häufig ein verhältnismäßig hoher Gebrauchtwagenpreis zugestanden wird.
Der Neuwagenkäufer, der häufig den Neuwagen nur bei gleichzeitiger Veräußerung des Altwagens bezahlen kann oder will, will in aller Regel den Gebrauchtwagen in dem Zustand abgeben, in dem er sich gerade befindet, ohne später zu nachträglichen Leistungen, etwa zur Nachzahlung oder Nachbesserung, oder gar zur Rücknahme des Wagens verpflichtet zu sein. Dem Händler ist dieses Interesse bewusst. Wird nicht eine andere Regelung in einer für den Vertragspartner eindeutigen Weise vereinbart, muss die Erklärung des Händlers über den Vertragsabschluss von dem anderen Teil als Einverständnis mit einem Gewährleistungsausschluss für die – bei Gebrauchtwagen typischen – auf der bisherigen Abnutzung und dem Gebrauch beruhenden sogenannten Verschleißmängel verstanden werden.
Der Ausschluss belastet den Händler nicht übermäßig. Soweit der Verkäufer einen Fehler arglistig verschweigt, greift die Ausschlussvereinbarung nach § 476 BGB nicht ein. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats trifft das schon zu, wenn der Verkäufer tatsächliche Anhaltspunkte für bestimmte Fehler hat und dies dem Händler nicht mitteilt. Im vorliegenden Fall spricht nichts dafür und wird auch von dem Kläger nicht substanziiert behauptet, dass der Beklagte die Mängel der Bremsanlage sowie den Zustand der Vorderachse und des Lenkgetriebes kannte. Der Sachverständige hat dazu erklärt, sehr wahrscheinlich hätte nicht einmal ein Fachmann die Bremsmängel bei einer Probefahrt bemerkt, der Zustand am Vorderwagen aber wäre jedenfalls einem Nichtfachmann wie dem Beklagten nicht aufgefallen.
d) Ob ein derartiger Gewährleistungsausschluss uneingeschränkt auch dann anzunehmen ist, wenn der Händler das Fahrzeug vor Vertragsabschluss untersucht, kann dahingestellt bleiben, weil der Kläger hier nicht einmal eine Probefahrt unternommen hat. Allerdings spricht vieles dafür, die Gewährleistung auch nach Probefahrt und Untersuchung für ausgeschlossen zu halten, weil der Händler in solchen Fällen aus der Sicht des Vertragspartners den Zustand des Wagens ebenfalls in Kauf genommen hat.
Dahingestellt bleiben kann ferner, ob und unter welchen Umständen ein Gewährleistungsausschluss auch für andere als Verschleißmängel, insbesondere für Unfallschäden, in Betracht käme. Denn im vorliegenden Fall ist weder vorgetragen noch festgestellt, dass der beanstandete Zustand der hinteren Bremsanlage des Lenkgetriebes und der Lagerung des Vorderachsträgers auf anderen Ursachen als dem Verschleiß beruhte.
e) Die für die Haftungsfreistellung maßgebenden Gründe schließen es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts aus, dem Kläger wenigstens einen Minderungsanspruch zuzubilligen. Darf sich der nicht arglistig handelnde Neuwagenkäufer darauf verlassen, dass der Händler das Risiko für den Zustand des Gebrauchtwagens übernimmt, wären Zweck und Erfolg der Vereinbarung nicht gewahrt, wenn dem Händler für etwa notwendig werdende Reparaturen ein Minderungsanspruch verbliebe. Das gilt um so mehr, als die Reparaturkosten, die nach Ansicht des Berufungsgerichts das Ausmaß des Minderungsanspruchs bestimmen, unschwer die Höhe des Kaufpreises für den Gebrauchtwagen erreichen können.
V. Das angefochtene Urteil kann nach alledem keinen Bestand haben, soweit es den Beklagten zur Zahlung eines Minderungsbetrages verurteilt hat. Das Urteil des Landgerichts war wiederherzustellen, sodass der Kläger in vollem Umfange unterliegt …