1. Zur Frage der Zusicherung von Eigenschaften beim Kauf eines beim Händler stehenden, vom Käufer besichtigten Neuwagens.
  2. Gibt der Käufer eines Kraftfahrzeugs für einen Teil des Kaufpreises seinen Gebrauchtwagen in Zahlung, so kann er bei Geltendmachung des „großen Schadensersatzes“ nach § 463 BGB außer dem bar gezahlten Kaufpreisteil auch den für seinen Altwagen auf den Kaufpreis angerechneten Geldbetrag verlangen.

BGH, Urteil vom 28.11.1994 – VIII ZR 53/94

Diese Entscheidung ist zum „alten“ Schuldrecht und vor Inkrafttreten der ZPO-Reform 2002 ergangen. Sie kann nicht ohne Weiteres auf das seit dem 01.01.2002 geltende Recht übertragen werden (so ist z. B. an die Stelle der Wandelung der Rücktritt vom Kaufvertrag getreten). Die genannten Vorschriften existieren heute möglicherweise nicht mehr oder haben einen anderen Inhalt.

Sachverhalt: Der Kläger besichtigte bei dem beklagten Autohändler ein zum Verkauf stehendes Neufahrzeug des Typs Chrysler Voyager LE. Zuvor hatte der Beklagte in Zeitungsanzeigen unter anderem darauf hingewiesen, der Fahrzeugtyp sei serienmäßig mit Antiblockiersystem (ABS) und Fahrerairbag ausgestattet. Im Rahmen der Kaufverhandlungen betonte der Kläger, für ihn komme nur der Erwerb eines Fahrzeugs mit ABS in Betracht. Am 24.10.1991 unterzeichnete er für das genannte Neufahrzeug eine verbindliche Bestellung zum Preis von 56.000 DM. Gleichzeitig schlossen die Parteien einen Vertrag über den Ankauf des gebrauchten Pkw Opel Omega des Klägers durch den Beklagten zum Preis von 25.000 DM. Am 29.10.1991 erteilte der Beklagte dem Kläger eine Rechnung, in der das Fahrzeug mit dem Ausstattungsmerkmal „ABS“ aufgeführt wurde. Vom Kaufpreis wurden 25.000 DM für das gebrauchte Fahrzeug des Klägers in Abzug gebracht, sodass er noch 31.000 DM zu bezahlen hatte.

Nach Übergabe bemerkte der Kläger bei Durchführung einer Vollbremsung, dass das Fahrzeug nicht mit einem Antiblockiersystem ausgestattet war. Er verlangte vom Beklagten Ersatzlieferung, woraufhin dieser seinerseits die Rücknahme des Neufahrzeugs Zug um Zug gegen Rückgabe des Altfahrzeugs und Rückzahlung des Differenzbetrages anbot. Eine Einigung kam nicht zustande.

Daraufhin erhob der Käufer Klage auf Rückzahlung des vollen Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw Chrysler, hilfsweise begehrte er Wandelung. Das Landgericht hat den Beklagten gemäß dem von ihm anerkannten Hilfsantrag zur Rückgabe des Pkw Opel Omega und Rückzahlung des Restkaufpreises, Zug um Zug gegen Rücknahme des Pkw Chrysler, verurteilt. Nachdem der Kläger hiergegen Berufung eingelegt hatte, zahlte der Beklagte 27.989,83 DM und nahm das Neufahrzeug zurück. Der Kläger nahm das Gebrauchtfahrzeug an sich und veräußerte es am 14.06.1993 zum Preis von 12.600 DM. In der Berufungsinstanz ging der Streit der Parteien nur noch um die Frage, ob der Kläger den Mindererlös verlangen kann, der beim Verkauf des gebrauchten Opel Omega gegenüber dem mit dem Beklagten am 24.10.1991 vereinbarten Preis eingetreten ist, sowie um den Ersatz von Kosten im Zusammenhang mit dem Leistungsaustausch. Im Übrigen haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Das Berufungsgericht hat der Klage unter teilweiser Abänderung des landgerichtlichen Urteils zum überwiegenden Teil, insbesondere auch hinsichtlich der Erstattung des genannten Mindererlöses stattgegeben.

Die Revision des Beklagten hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: I. Das Berufungsgericht führt aus, dem verkauften Neufahrzeug fehle eine zugesicherte Eigenschaft i. S. des § 459 II BGB, nämlich das Antiblockiersystem. Da der Kläger bei den Kaufverhandlungen betont habe, für ihn komme nur der Erwerb eines Fahrzeugs mit „ABS“ in Betracht, sichere ein Händler, der daraufhin ein bestimmtes Fahrzeug anbiete, stillschweigend das Vorhandensein der vom Käufer ausdrücklich gewünschten Ausstattungsvariante zu. Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob eine Zusicherung vorliege, sei nicht allein die Vorstellung des Händlers, sondern wie der Käufer in der jeweiligen Situation dessen Erklärung verstehen dürfe.

Dem Kläger stehe deshalb Schadensersatz nach § 463 Satz 1 BGB zu. Da er sich für die Geltendmachung des sogenannten „großen Schadensersatzes“ entschieden habe, könne er das erworbene Neufahrzeug zurückgeben und den Nichterfüllungsschaden verlangen, das heißt die Rückgewähr des gesamten Kaufpreises in Geld. Zwar handle es sich bei dem Verkauf des Neuwagens und dem Verkauf des gebrauchten Fahrzeugs des Klägers trotz getrennter Vertragsurkunden um einen einheitlichen Kaufvertrag, bei dem der Käufer für einen Teil des Kaufpreises seinen Gebrauchtwagen habe in Zahlung geben dürfen. Dennoch brauche sich der Käufer nicht darauf verweisen zu lassen, sein Gebrauchtfahrzeug zurückzunehmen und lediglich den Differenzbetrag zum vollen Kaufpreis ausbezahlt zu erhalten. Letzteres gelte für die Durchführung der Wandelung. Der „große Schadensersatz“ im Rahmen des § 463 Satz 1 BGB sei auf das positive Interesse gerichtet, weshalb das Risiko der Wertminderung des in Zahlung gegebenen Gebrauchtfahrzeugs zulasten des zusichernden Verkäufers gehe.

II. Diese Ausführungen halten einer revisionsgerichtlichen Überprüfung stand.

1. Ob der Verkäufer eine bestimmte Eigenschaft der Kaufsache zugesichert hat, ist in erster Linie eine Frage tatrichterlicher Vertragsauslegung (vgl. BGH, Urt. v. 19.05.1993 – VIII ZR 155/92, WM 1993, 1374 [unter II 2]).

Das vom Berufungsgericht im Wege der Auslegung gewonnene Ergebnis, der Beklagte habe konkludent zugesichert, das dem Kläger angebotene und sodann von diesem erworbene Neufahrzeug sei mit Antiblockiersystem ausgestattet, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden:

a) Ob eine Angabe zur Kaufsache lediglich deren Beschreibung dient (§ 459 I BGB) oder ob mit ihr eine Eigenschaft zugesichert wird (§ 459 II BGB), ist in erster Linie danach zu beurteilen, in welchem Sinn sie der Geschäftsgegner als Erklärungsempfänger verstehen durfte. Entscheidend für die Annahme einer Zusicherung ist, dass aus der Sicht des Käufers der Wille des Verkäufers erkennbar wird, die Gewähr für das Vorhandensein einer bestimmten Eigenschaft zu übernehmen, wobei dies auch stillschweigend oder durch schlüssiges Verhalten geschehen kann (st. Rspr. des Senats, zuletzt BGH, Urt. v. 21.04.1993 – VIII ZR 113/92, BGHZ 122, 256 [259]). Bei der Annahme einer stillschweigenden Zusicherung ist allerdings Zurückhaltung geboten, wenn die Erklärung des Verkäufers, aus der eine Zusicherung hergeleitet werden soll, zugleich der Bezeichnung der Kaufsache dient (BGH, Urt. v. 28.06.1978 – VIII ZR 112/77, WM 1978, 1175 [unter I 1]). Insbesondere beim Verkauf neu hergestellter beweglicher Sachen ist die Annahme einer stillschweigenden Zusicherung grundsätzlich die Ausnahme, die der besonderen Begründung anhand der Umstände des Einzelfalls bedarf (BGH, Urt. v. 02.06.1980 – VIII ZR 78/79, WM 1980, 1035 [unter II 1a]; Urt. v. 29.10.1980 – VIII ZR 148/79, WM 1980, 1388 [unter I 1a]).

b) Zutreffend hat das Berufungsgericht dem Umstand besondere Bedeutung zugemessen, dass der Kläger bei den Vertragsverhandlungen über das beim Beklagten stehende und bereits besichtigte Neufahrzeug betont hat, für ihn komme nur der Erwerb eines Fahrzeugs mit Antiblockiersystem in Betracht. Legt der Käufer erkennbar auf das Vorhandensein einer bestimmten Eigenschaft des zu erwerbenden Kraftfahrzeugs Wert und macht er davon den Vertragsschluss abhängig, dann geht die Erklärung des Verkäufers, der daraufhin einen bestimmten bereits an ihn ausgelieferten Neuwagen mit dem verlangten Ausstattungsmerkmal anbietet, über den Rahmen einer bloßen Anpreisung oder beschreibenden Angabe hinaus. Seine Angaben sind geeignet, beim Käufer den Eindruck zu erwecken, der Verkäufer übernehme die Garantie für das Vorhandensein der erwähnten Eigenschaft (vgl. BGH, Urt. v. 30.01.1985 – VIII ZR 238/83, NJW 1985, 1333 = WM 1985, 518 [unter 1b bb]).

c) Ob dies auch dann gelten würde, wenn das Neufahrzeug nach Katalog und Preislisten über den Händler bestellt und vom Hersteller erst ausgeliefert wird, ist hier nicht zu entscheiden.

2. Gemäß § 463 Satz 1 BGB kann der Kläger wegen Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Bei der Schadensberechnung steht dem Käufer ein Wahlrecht zu. Er kann die Kaufsache zurückgeben und seinen gesamten Nichterfüllungsschaden verlangen – „großer Schadensersatz“ – oder die mangelhafte Sache behalten und den Minderwert liquidieren – „kleiner Schadensersatz“ (vgl. BGH, Urt. v. 23.06.1989 – V ZR 40/88, BGHZ 108, 156 [159]). Vorliegend hat der Kläger die Kaufsache zurückgegeben. Er macht mithin im Wege des „großen Schadensersatzes“ sein Nichterfüllungsinteresse geltend. In der Revisionsinstanz ist nur noch im Streit, ob der Kläger – wie im Fall der Wandelung – das in Zahlung gegebene Fahrzeug zurücknehmen muss – so die Revision – oder ob er den dafür angesetzten Teil des Kaufpreises verlangen kann.

a) Zu Recht geht das Berufungsgericht davon aus, dass es sich trotz zweier getrennter Vertragsurkunden über den Neuwagenkauf und den Verkauf des gebrauchten Altfahrzeugs aufgrund der Gesamtumstände und des Parteiwillens um einen Kaufvertrag handelte, bei dem der Käufer zu einem Teil des Kaufpreises seinen Gebrauchtwagen an Erfüllungs statt in Zahlung geben konnte. Dies wird von keiner Seite angegriffen.

b) Kommt es bei derartigen Vertragsgestaltungen zur Wandelung des Kaufvertrags, so kann der Käufer – außer dem in bar geleisteten Kaufpreisteil – nur den in Zahlung gegebenen Altwagen selbst zurückverlangen, nicht den auf den Kaufpreis angerechneten Geldbetrag (vgl. BGH, Urt. v. 30.11.1983 – VIII ZR 190/82, BGHZ 89, 126 [133]). Die Revision meint, Gleiches gelte für den Schadensersatzanspruch nach § 463 Satz 1 BGB, da Wandelung und großer Schadensersatz an die gleichen Voraussetzungen, nämlich Rückgewähr der Kaufsache, geknüpft seien. Dem kann nicht gefolgt werden:

aa) Für den Fall der Wandelung hat der Senat ausgeführt, ihr Grundgedanke sei es, die Vertragsschließenden so zu stellen, als wäre der Vertrag nicht geschlossen worden.

Habe der Käufer einen günstigen Anrechnungspreis für die Inzahlunggabe seines Altwagens vereinbart, so sei es im Falle der Rückgängigmachung des Kaufvertrags nicht gerechtfertigt, ihm diesen Vorteil zulasten des Verkäufers zu erhalten (BGH, Urt. v. 30.11.1983 – VIII ZR 190/82, BGHZ 89, 126 [134]). Auch könne die Rücknahme des alten Wagens zu Nachteilen führen, wenn das Fahrzeug zwischen Hingabe und Rückabwicklung einen Wertverlust erlitten habe. Dies sei eine Folge der gesetzgeberischen Grundentscheidung in den Vorschriften der §§ 467346 ff. BGB, mit denen dem Käufer ein Ausgleich für alle ihm erwachsenden Schäden nicht eingeräumt werde (BGH, Urt. v. 09.03.1983 – VIII ZR 11/82, BGHZ 87, 104 [107 f.]; BGH, Urt. v. 30.11.1983 – VIII ZR 190/82, BGHZ 89, 126 [134]).

bb) Demgegenüber – und das verkennt die Revision – ist der Käufer bei dem auf das Erfüllungsinteresse gerichteten „großen Schadensersatzanspruch“ im Rahmen des § 463 BGB so zu stellen, wie er stünde, wenn die Sache bei Gefahrübergang die zugesicherte Eigenschaft gehabt hätte (vgl. BGH, Urt. v. 19.05.1993 – VIII ZR 155/92, WM 1993, 1374 [unter II 3]). Sein Anspruch richtet sich auf die Herstellung des gleichen wirtschaftlichen Erfolgs, wie er ohne das schädigende Ereignis eingetreten wäre. Dann aber wäre der Käufer von Wertverlusten seines in Zahlung gegebenen Altfahrzeugs verschont geblieben. Der Vorteil eines für ihn günstigen Anrechnungspreises wäre ihm erhalten geblieben (in diesem Sinne bereits BGH, Urt. v. 30.11.1983 – VIII ZR 190/82, BGHZ 89, 126 [134]). Dies folgt aus der verschärften Haftung für nicht eingehaltene Zusicherungen nach den §§ 459 II, 463 Satz 1 BGB im Gegensatz zu Wandelung und Minderung bei Fehlern der Kaufsache i. S. des § 459 I BGB, wo dem Käufer kein Schadensersatzanspruch zur Seite steht.

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