Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen der als Vermittler auftretende Kraftfahrzeughändler als Sachwalter des Verkäufers selbst wegen Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen dem Käufer gegenüber Ersatz des Vertrauensschadens schuldet (Ergänzung zu BGH, Urt. v. 29.01.1975 – VIII ZR 101/73, BGHZ 63, 382).

BGH, Urteil vom 28.01.1981 – VIII ZR 88/80

Diese Entscheidung ist zum „alten“ Schuldrecht und vor Inkrafttreten der ZPO-Reform 2002 ergangen. Sie kann nicht ohne Weiteres auf das seit dem 01.01.2002 geltende Recht übertragen werden (so ist z. B. an die Stelle der Wandelung der Rücktritt vom Kaufvertrag getreten). Die genannten Vorschriften existieren heute möglicherweise nicht mehr oder haben einen anderen Inhalt.

Sachverhalt: Der Kläger erwarb am 05.01.1978 von dem Voreigentümer V durch Vermittlung der Beklagten einen Pkw Alfa Romeo zum Preis von 3.900 DM. Mit V hatte der Kläger keinen Kontakt. Die Vertragsverhandlungen führte der Ehemann der Beklagten, der Zeuge E, auf deren Betriebsgelände. In dem formularmäßig gestalteten Kaufvertrag ist jegliche Gewährleistung ausgeschlossen und bestimmt, dass außer den schriftlich niedergelegten Bedingungen keine weiteren Vereinbarungen getroffen und keine mündlichen Zusagen gemacht worden seien. Unter „Besondere Bedingungen“ heißt es vorgedruckt: „Barzahlung an den Vermittler bei Übergabe des Fahrzeugs an den Käufer“; maschinenschriftlich ist eingefügt: „bei Lieferung“.

Der Kläger erhielt das Fahrzeug am 06.01.1978. Einige Tage später beanstandete er, dass der Motor nicht anspringe. Der Mangel wurde auf Kosten der Beklagten in der Alfa-Romeo-Vertragswerkstatt X behoben. Am 13.02.1978 trat erneut ein Motorschaden auf. Eine vom Kläger beauftragte Werkstatt veranschlagte die Reparaturkosten auf 1.200–1.300 DM.

Mit der Behauptung, der Ehemann der Beklagten habe ihm wahrheitswidrig zugesichert, der Motor sei generalüberholt, verlangt der Kläger die Erstattung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs sowie den Ersatz der für die Schadensfeststellung aufgewendeten Kosten. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte Erfolg.

Aus den Gründen: I. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die Klage unschlüssig. Es hat ausgeführt, dem Kläger stünden gegen die Beklagte keine Gewährleistungsansprüche zu. Sie hafte ihm auch nicht auf Ersatz des Vertrauensschadens, denn er habe nicht dargetan, dass sie bei der Vermittlung des Fahrzeugs eine uneingeschränkte Sachwalterstellung für den Verkäufer eingenommen habe. Die Beklagte sei weder als Fachhändlerin anzusehen, noch führe sie einen Betrieb, der einer Werksvertretung gleichstehe. Dass sie sich selbst als Fachhändlerin bezeichne, reiche nicht aus. Eine Sachwalterstellung liege nur vor, wenn der Kunde den Erklärungen des sachkundigen Verkaufspersonals deshalb besonders vertraue, weil dem Vermittler ein technischer Apparat zur Verfügung stehe. Die Beklagte habe aber nicht einmal über eine Reparaturabteilung verfügt.

II. Das angefochtene Urteil hält den Revisionsangriffen nicht stand.

1. Die Parteien sind darüber einig, dass dem Kläger Gewährleistungsansprüche gegen die Beklagte nicht zustehen. Verkäufer des Alfa Romeo war V.

2. Auch aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen haftet grundsätzlich nur, wer Vertragspartner ist oder werden soll. Ausnahmsweise kann allerdings der für einen Beteiligten auftretende Vermittler oder Abschlussvertreter selbst aus dem Gesichtspunkt des Verhandlungsverschuldens auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden.

Die ausnahmsweise Haftung des Vermittlers oder Abschlussvertreters hat im Gewerbezweig des Gebrauchtwagenhandels in dem Maße an praktischer Bedeutung gewonnen, in dem Kraftfahrzeughändler zur Ersparnis von Mehrwertsteuer den Erwerb von Gebrauchtwagen, sei es als Vertragshändler oder Werksvertreter der Automobilhersteller im Zusammenhang mit dem Verkauf von Neuwagen, sei es als reine Gebrauchtwagenhändler, zwischen bisherigem Eigentümer und Kaufinteressenten vermitteln, also selbst nicht als Verkäufer im Rechtssinne in Erscheinung treten.

a) Der Gebrauchtwagenhändler haftet als Vermittler des Kaufvertrages oder als Abschlussvertreter aus Verschulden bei Vertragsschluss selbst, wenn der Kunde ihm ein besonderes, über die normale Verhandlungsloyalität hinausgehendes Vertrauen entgegenbringt und erwartet, darin rechtlichen Schutz zu genießen (Senat, Urt. v. 29.01.1975 – VIII ZR 101/73, BGHZ 63, 382).

Dazu kommt es angesichts der Geschäftspraxis im Gebrauchtwagenhandel leicht, weil der Kaufinteressent mit dem eigentlichen Verkäufer regelmäßig nicht in Berührung kommt. Vertrauen kann bei solcher Fallgestaltung überhaupt nur gegenüber dem Vermittler oder Abschlussvertreter entstehen. Bezeichnet er sich als Fachhändler, setzt er Fachkenntnisse im Verkaufsgespräch ein, berät er den Kunden, klärt er ihn über technische Einzelheiten des Fahrzeugs, den Erhaltungszustand, eine etwaige Beteiligung an einem Unfall auf, weist er auf Unfallfreiheit oder sonstige für den Kaufentschluss maßgebliche Einzelheiten als Fachmann hin und geschieht das unter Umständen, die für die Verlässlichkeit der Angaben sprechen, wozu beispielsweise eine eigene Werkstatt, eine Diagnosestation, wie sie auch in größeren Tankstellen anzutreffen ist, und schließlich die Beschäftigung geschulten Personals gehören, so nimmt der betreffende Vermittler oder Vertreter besonderes Vertrauen mit Vorbedacht in Anspruch. Er erweckt den Eindruck, für Bestand und Erfüllung des in Aussicht genommenen Rechtsgeschäfts Gewähr zu bieten. Aufgabe des Tatrichters ist es im konkreten Einzelfall, alle Umstände der aufgezeigten Art festzustellen und aus ihrer Gesamtwürdigung zu folgern, ob unter dem Gesichtspunkt eines dem vermittelnden Kraftfahrzeughändler entgegengebrachten und von diesem auch in Anspruch genommenen besonderen Vertrauens dessen persönliche Haftung aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen zu bejahen oder zu verneinen ist.

aa) Demgemäß wäre im vorliegenden Fall bei der Entscheidung darüber, ob der Kläger der Beklagten besonderes Vertrauen entgegengebracht hat, zu berücksichtigen gewesen, dass er mit dem Voreigentümer und eigentlichen Verkäufer, V, nicht in Kontakt gekommen ist und nur mit dem Ehemann der Beklagten als deren Verkaufsangestellten zu tun hatte. Ihn hat der Kläger, wie die Beweisaufnahme im ersten Rechtszug ergeben hat, im Zusammenhang mit dem in Aussicht genommenen Erwerb des Alfa Romeo mehrfach aufgesucht. Der Zeuge E hat dem Kläger zugesagt, das Fahrzeug werde bis zur Lieferung „technisch und optisch durchgearbeitet“. Zu dieser Äußerung ist es nach seinen Bekundungen gekommen, als bei der Probefahrt der Motor des Fahrzeugs eine zu geringe und unregelmäßige Leistung erbrachte, ein Umstand, den der Zeuge A darauf zurückführte, daß der Motor nur „auf drei Zylindern“ lief. Zu würdigen wäre auch die Erklärung des Zeugen E gewesen, der Voreigentümer habe das Fahrzeug generalüberholt, sowie der Umstand, dass der Zeuge A auf Befragen geäußert hat, er habe auf diesen Hinweis des Ehemanns der Beklagten vertraut und deshalb keinen Anlass gesehen, unter die Motorhaube zu schauen. Zu beachten war schließlich, dass die Beklagte sich als Fachhändlerin bezeichnete und ihre Kunden auf einen Werkstattdienst hinwies.

bb) Von diesen Gesichtspunkt hat das Berufungsgericht jedenfalls die Zusage außer Acht gelassen, der Alfa Romeo werde bis zur Lieferung technisch und optisch durchgearbeitet, und demzufolge auch, was der Ehemann der Beklagten darunter verstanden hat und wie der Kläger diese Erklärung verstehen durfte. Davon abgesehen hat das Berufungsgericht der Tatsache, dass die Beklagte nicht über einen „technischen Apparat“ verfügte, eine Bedeutung beigemessen, die ihr nach dem Senatsurteil vom 29.01.1975 (BGHZ 63, 382) nicht zukommt. Das Vorhandensein einer eigenen Werkstatt ist einer der eingangs dieses Abschnitts angeführten Umständen, die geeignet sind, das besondere Vertrauen eines Kaufinteressenten zu begründen. Das kann jedoch auch durch den Hinweis auf einen Werkstattdienst, hier konkretisiert auf die Zusammenarbeit mit der Alfa-Romeo-Werkstatt X, geschehen. In dieser Werkstatt sollten nach dem Sachvortrag des Klägers offensichtlich die Zündkerzen erneuert werden. Dort wollte die Beklagte das Fahrzeug ersichtlich vor der Lieferung technisch durcharbeiten lassen.

b) Selbst wenn das Berufungsgericht rechtsirrtums- und verfahrensfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt wäre, aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses sei eine Haftung der Beklagten wegen Verschuldens bei Vertragsschluss nicht gerechtfertigt, hätte geprüft werden müssen, ob die Haftung nicht deshalb begründet ist, weil die Beklagte ein eigenes wirtschaftliches Interesse am Abschluss des Kaufvertrages hatte (BGH, Urt. v. 17.09.1954 – V ZR 32/53, BGHZ 14, 313 [318]; Urt. v. 19.12.1962 – VIII ZR 216/61, WM 1963, 160; Urt. v. 10.06.1964 – VIII ZR 294/62, WM 1964, 916; Urt. v. 15.11.1967 – VIII ZR 100/65, WM 1968, 5; Urt. v. 05.04.1971 – VII ZR 163/69, BGHZ 56, 81). Für den Gebrauchtwagenhandel aufgrund Vermittlung hat dies der erkennende Senat mehrfach besonders betont (Urt. v. 17.03.1976 – VIII ZR 208/74, WM 1976, 614; Urt. v. 29.06.1977 – VIII ZR 43/76, WM 1977, 1048; Urt. v. 14.03.1978 – VIII ZR 129/78, WM 1979, 672).

Die im zweiten Rechtszuge unterbliebene Prüfung kann in der Revisionsinstanz nachgeholt werden, da es weiterer tatsächlicher Feststellungen hierzu nicht bedarf. Die im vorliegenden Fall gewählte Vertragsgestaltung, die den Kraftfahrzeughändler in die Rolle des Vermittlers bringt, entspricht, wie dargelegt, allgemeiner Übung, um das Entstehen einer Umsatzsteuerschuld zu vermeiden. Diese von der Finanzverwaltung gebilligte Praxis ändert indessen nichts daran, dass der als Vermittler oder Abschlussvertreter handelnde Kraftfahrzeughändler wirtschaftlich die Stellung des Verkäufers innehat. Auch darauf hat der erkennende Senat bereits im Urteil vom 29.01.1975 (BGHZ 63, 382) hingewiesen. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass in dem von der Beklagten vermittelten Kaufvertrag unter „Besondere Bedingungen“ vereinbart worden ist, dass der Käufer bei Lieferung „Barzahlung an den Vermittler“ zu leisten hat. Daraus folgt, dass der Beklagten der Anspruch auf die Gegenleistung zustehen sollte, weil sie ersichtlich dem Voreigentümer V den Gegenwert des Fahrzeugs bereits endgültig gutgebracht hatte. Als Inkassovollmacht kann die Klausel nach ihrer Formulierung und Stellung im Vertrag nicht verstanden werden. Damit aber steht das überwiegende, wenn nicht ausschließliche wirtschaftliche Interesse der Beklagten am Abschluss des Kaufvertrages fest.

c) Die Voraussetzungen der Ersatzpflicht des Vermittlers (oder Abschlussvertreters) aus Verschulden bei Vertragsschluss sind danach im vorliegenden Fall, entgegen der Meinung der Vorinstanz, erfüllt. Damit ist zugleich die Rechtsfrage, die zur Zulassung der Revision geführt hat, beantwortet.

3. Das Berufungsgericht hat – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – nicht festgestellt, worin ein Verhandlungsverschulden des Zeugen E, das sich die Beklagte nach § 278 BGB zurechnen lassen müsste, gesehen werden kann.

a) Der erkennende Senat hat wiederholt ausgesprochen, dass das Aufgehen des Ersatzanspruchs des Käufers aus Verschulden bei Vertragsschluss im Gewährleistungsanspruch nicht zur Folge hat, dass er einen Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens gegen den Vermittler oder Abschlussvertreter verliert, dass aber andererseits die daneben bestehende Haftung des Vermittlers oder Vertreters aus enttäuschtem Verhandlungsvertrauen nicht weitergeht, als diejenige des Verkäufers aus dem Vertrag (Senat, Urt. v. 29.01.1975 – VIII ZR 101/73, BGHZ 63, 382 [387 ff.]; Urt. v. 17.03.1976 – VIII ZR 208/74, WM 1976, 614; Urt. v. 29.06.1977 – VIII ZR 43/76, WM 1977, 1048).

b) Die im Kaufvertrag enthaltene Klausel, weitere Vereinbarungen seien nicht getroffen und mündliche Zusagen nicht abgegeben worden, hindert den Kläger nicht daran, sich darauf zu berufen, der Ehemann der Beklagten habe ihm versichert, der Motor des Alfa Romeo sei generalüberholt. Diese Klausel ist nicht als Schriftformvereinbarung zu werten, sodass eine mündliche Zusage unwirksam wäre. Sie enthält vielmehr nur die Bestätigung einer negativen Tatsache und wiederholt den Grundsatz, dass ein schriftlicher Vertrag die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich hat. Den Gegenbeweis zu führen, bleibt dem Kläger unbenommen.

c) Soweit allerdings der den Käufer bindende Gewährleistungsausschluss im Kaufvertrag reicht, ist es dem Kläger auch verwehrt, die Beklagte aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen in Anspruch zu nehmen.

Unberührt lässt der formularmäßige Gewährleistungsausschluss die Haftung wegen Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft auf Schadensersatz (§ 11 Nr. 11 AGBG). Deshalb kommt es darauf an, ob der Ehemann der Beklagten dem Kläger i. S. des § 459 II BGB zugesichert hat, der Motor des Alfa Romeo sei generalüberholt. Das Landgericht hat das bejaht. Das Berufungsgericht hat sich mit dieser Frage nicht befasst. Das muss nachgeholt werden.

Die Sachaufklärung in diesem Punkt ist nicht deshalb entbehrlich, weil sich bei der Probefahrt ergeben hat, dass der Motor unregelmäßig lief und nicht die volle Leistung erbrachte. Nur die positive Kenntnis des Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft schließt nach § 460 Satz 1 BGB die Haftung des Verkäufers aus und würde demgemäß im vorliegenden Fall auch den Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens gegenüber der Beklagten zunichte machen. Von positiver Kenntnis des Klägers, dass der Motor – entgegen der Zusicherung – nicht generalüberholt worden war, könnte allenfalls dann die Rede sein, wenn er, wie der Zeuge A, erkannt hätte, dass die Maschine nur mit drei Zylindern lief, dies allerdings unter der weiteren Voraussetzung, dass dieser Umstand zu dem Schluss zwingt, eine Generalüberholung habe nicht stattgefunden.

III. Das angefochtene Urteil konnte daher keinen Bestand haben. Eine endgültige Sachentscheidung ist dem erkennenden Senat verwehrt. Deshalb war der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

IV. Da der endgültige Erfolg oder Misserfolg des Rechtsmittels vom Ergebnis der anderweiten Verhandlung und Entscheidung abhängt, war dem Berufungsgericht auch die Entscheidung über die Kosten der Revision vorzubehalten.

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