Ansprüche eines Kraftfahrzeughändlers auf Ersatz von Schäden, die ein Kaufinteressent an einem ihm zu einer Probefahrt überlassenen Kraftfahrzeug verursacht, verjähren in sechs Monaten von der Rückgabe des Wagens an ohne Rücksicht darauf, ob dieses Fahrzeug als Kaufgegenstand in Aussicht genommen war (Ergänzung zu BGH, Urt. v. 18.02.1964 – VI ZR 260/62, LM § 852 BGB Nr. 21 = NJW 1964, 1225).
BGH, Urteil vom 21.05.1968 – VI ZR 131/67
Sachverhalt: Der Autohändler F hat bei der Klägerin eine Haftpflicht- und Fahrzeugversicherung für Kraftfahrzeughandel und -handwerk nach den Sonderbedingungen des 4. Teils der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftverkehrsversicherung (AKB) abgeschlossen. Am 22.02.1965 überließ er dem Beklagten als Kaufinteressenten einen zum Verkauf stehenden Gebrauchtwagen (Peugeot 404) für eine Probefahrt, die der Beklagte in Begleitung des Angestellten M der Firma F durchführte. Bei dieser Probefahrt kam es zu einem Unfall; für den Schaden an dem Peugeot 404 musste die Klägerin mit 1.975 DM eintreten. Diesen Betrag verlangt sie unter Berufung auf § 67 VVG von dem Beklagten ersetzt; darüber hinaus begehrt sie die Erstattung der Kosten für ein Schadensgutachten in Höhe von 80 DM.
Mit den in Höhe von 1.000 DM am 22.12.1965 und im Übrigen am 28.02.1966 bei Gericht eingereichten Klagebegehren hat sie von dem Beklagten die Zahlung von 2.055 DM nebst Zinsen gefordert.
Der Beklagte hat um Abweisung der Klage gebeten. Er ist der Ansicht, dass bei dieser Probefahrt die Haftung für leichte Fahrlässigkeit stillschweigend ausgeschlossen gewesen sei. Ihm könne man aber nur leicht fahrlässiges Verhalten vorwerfen, während M eine Mitschuld treffe. Zu dem Unfall sei es bei einem Überholversuch gekommen. Diesem Versuch habe M, unter dessen Oberleitung die Fahrt gestanden habe und der das Beschleunigungsvermögen des Wagens besser gekannt habe als er, nicht widersprochen. Im Übrigen hat er Verjährung geltend gemacht, die nach seiner Ansicht im vorliegenden Fall sechs Monate beträgt.
Die Klägerin hält eine Haftung für leichte Fahrlässigkeit hier schon deshalb nicht für ausgeschlossen, weil der Beklagte einen Wagen gleichen Typs bereits seit längerer Zeit gefahren und seine Eigenschaften gekannt habe. Sein Verhalten sei im Übrigen als grobe Fahrlässigkeit zu werten.
Das Landgericht hat die Klage wegen Verjährung der Klageansprüche abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben, und auch ihre Revision hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: I. Das Berufungsgericht entscheidet nicht, oh ein übergangsfähiger und auf die Klägerin übergegangener Schadensersatzanspruch entstanden ist. Insbesondere lässt es dahinstehen, ob eine stillschweigende Haftungsbeschränkung im Umfang der versicherungsmäßigen Abdeckung des Sachrisikos angenommen werden kann. Voraussetzung hierfür wäre nach seiner Ansicht entsprechend den Grundsätzen der Entscheidungen BGHZ 22,109, 121 und BGHZ 43, 295 eine nur leichte Fahrlässigkeit des Beklagten. Ob er sie bejaht werden kann, lässt das Berufungsurteil offen. In Übereinstimmung mit dem Landgericht hält es einen etwaigen Schadensersatzanspruch jedenfalls für verjährt.
Hierbei geht das Berufungsgericht unangefochten davon aus, dass die Klageforderung, wenn man eine Verjährungsfrist von sechs Monaten zugrunde legt, verjährt ist. Dass für den Klageanspruch eine Verjährungsfrist von sechs Monaten gilt, nimmt das Berufungsgericht ebenso wie das Landgericht an.
II. 1. Die Firma F hat dem Beklagten den Kraftwagen zu einer Probefahrt im Rahmen der aufgenommenen Kaufverhandlungen überlassen. Der Beklagte sollte ihn ausprobieren können, um sich über den Ankauf dieses oder eines anderen Wagens schlüssig zu werden. Ersichtlich bedeutete die Überlassung des Kraftfahrzeugs zu einer Probefahrt nicht die Übergabe als einleitende Erfüllung eines noch abzuschließenden Kaufvertrags. Im Zeitpunkt der Schädigung des Kraftwagens durch den Beklagten bestand somit zwischen der Firma F und dem Beklagten ein sogenanntes gesetzliches Schuldverhältnis der Vertragsverhandlungen, das zwar keine primären Leistungspflichten zum Gegenstand hatte, dem aber besondere vorvertragliche Schutz- und Sorgfaltspflichten entsprangen, deren schuldhafte Verletzung zur Haftung des Beklagten führen konnte (Verschulden beim Vertragsschluss, culpa in contrahendo; BGH, Urt. v. 20.06.1952 – V ZR 34/51, BGHZ 6, 330, 333; Larenz, Schuldrecht I, 8. Aufl., § 4 V; Esser, Schuldrecht, 2. Aufl., § 10). Hierfür kam es rechtlich anerkanntermaßen nicht darauf an, ob es zu einem Kaufabschluss kam (vgl. Larenz, a. a. O., § 4 V I).
2. Schadensersatzansprüche des Kraftwagenhändlers, die auf der Beschädigung des überlassenen Kraftwagens durch den Kaufinteressenten während der Vertragsverhandlungen beruhen, verjähren, wie der Senat im Urteil vom 18.02.1964 – VI ZR 260/62, LM § 852 BGB Nr. 21 = NJW 1964, 1225 – ausgesprochen hat, in sechs Monaten von der Rückgabe des Wagens an. Für die Fälle unentgeltlicher oder entgeltlicher Gebrauchsüberlassung durch Leihe, Miete, Pacht oder Nießbrauch hat das Gesetz in den §§ 558, 581 II, 606 und 1057 BGB bestimmt, dass Schadensersatzansprüche wegen Veränderung oder Verschlechterung der Sache binnen sechs Monaten von der Rückgabe an verjähren. Mit diesen Vorschriften wird der Zweck verfolgt, eine rasche Auseinandersetzung zwischen den Partnern des jeweiligen Gebrauchsüberlassungsverhältnisses zu gewährleisten und eine beschleunigte Klarstellung der Ansprüche wegen des Zustands der überlassenen Sache bei ihrer Rückgabe zu erreichen (Prot. II, S. 177, 194; BGH, Urt. v. 31.01.1967 – VI ZR 105/65, BGHZ 47, 53, 56 = LM § 558 BGB Nr. 9; Urt. v. 18.12.1963 – VIII ZR 193/62, LM § 558 BGB Nr. 5 m. w. Nachw.; Urt. v. 11.11.1964 – VIII ZR 149/63, LM § 558 BGB Nr. 7 = NJW 1965, 151; Erman/Schopp, BGB, 4. Aufl., § 558 Anm. 1). Eine möglichst schnelle Abwicklung erscheint deshalb erwünscht, weil die Gebrauchsüberlassungsverhältnisse, insbesondere Miete und Pacht, vielfach und häufig wechselnde Interessen berühren und der Zustand der überlassenen Sache umso schwerer festzustellen ist, je länger dieser Zeitpunkt zurückliegt (BGH, Urt. v. 11.11.1964 – VIII ZR 149/63, LM § 558 BGB Nr. 7 = NJW 1965, 151 m. w. Nachw.). Gerade mit diesen Erwägungen wird in Schrifttum und Rechtsprechung ganz überwiegend die Auffassung vertreten, dass die genannten Verjährungsvorschriften weit auszulegen sind (BGH, Urt. v. 18.12.1963 – VIII ZR 193/62, LM § 558 BGB Nr. 5; Urt. v. 11.11.1964 – VIII ZR 149/63, LM § 558 BGB Nr. 7 = NJW 1965, 151 m. w. Nachw.). Sinn und Zweck dieser gesetzlichen Verjährungsvorschriften erheischen eine entsprechende Anwendung auf Fälle der vorliegenden Art (BGH, Urt. v. 18.02.1964 – VI ZR 260/62, LM § 852 BGB Nr. 21 = NJW 1964, 1225; vgl. auch BGH, Urt. v. 31.01.1967 – VI ZR 105/65, BGHZ 47, 53, 56 = LM § 558 BGB Nr. 9 mit Anm.).
a) Das Berufungsgericht verkennt nicht, dass der vorliegende Sachverhalt sich von dem Tatbestand, welcher der Entscheidung des erkennenden Senats vom 18.02.1964 – VI ZR 260/62, LM § 852 BGB Nr. 21 = NJW 1964, 1225 – zugrunde lag, unterscheidet. Dort beschädigte der Kaufinteressent einen ihm überlassenen Vorführwagen, der nicht zum Verkauf stand, während hier der Unfallwagen als Kaufgegenstand in Betracht kam. Mit Recht hat das Berufungsgericht hierin aber für die zu beantwortende Rechtsfrage der Verjährung keinen Grund zu unterschiedlicher Beurteilung gesehen. Zu Unrecht meint die Revision, das genannte Urteil habe dem Umstand, dass es sich um einen Vorführwagen gehandelt habe, entscheidende Bedeutung beigemessen. Die Entscheidung wendet sich mit ihren Ausführungen, dieser Vorführwagen habe nicht als Beweismittel für die Mustermäßigkeit des etwa zu liefernden Wagens dienen sollen, sei dem Beklagten vielmehr nur zur allgemeinen Orientierung für eine Probefahrt ausgehändigt worden, lediglich gegen die im dortigen Rechtsstreit von der Klägerin vertretene Auffassung, der Vorgang habe sich im Grunde in nichts von einem Kauf nach oder auf Probe unterschieden.
b) Ebenso wenig steht der gleichen Beurteilung entgegen, dass im jetzigen Sachverhalt der Autohändler dem Beklagten als Kaufinteressenten das Steuer zu einer Probefahrt überließ, die in Begleitung seines Angestellten M durchgeführt wurde, während im Fall jener Entscheidung (BGH, Urt. v. 18.02.1964 – VI ZR 260/62, LM § 852 BGB Nr. 21 = NJW 1964, 1225) der Kraftwagenhändler dem Kaufinteressenten das Fahrzeug zu einer Probefahrt ohne Begleitung eines seiner Angestellten gegeben hatte. Entscheidend für die entsprechende Anwendung, der genannten Verjährungsvorschriften der gesetzlich geregelten Überlassungsverhältnisse ist, dass die Firma F dem Beklagten eine – zeitlich begrenzte – Einwirkung auf das Fahrzeug einräumte, welche die Möglichkeit einer Schädigung bot. Entgegen der Auffassung der Revision kommt es für diese Beurteilung nicht darauf an, wie die Besitzverhältnisse nach der Überlassung des Steuers an den Beklagten zu werten sind. Jedenfalls ist ebenso wie bei den gesetzlich geregelten Gebrauchsüberlassungsverhältnissen nicht Voraussetzung der bejahten entsprechenden Anwendung, dass dem Beklagten der alleinige Besitz übertragen war. So bejaht man eine Anwendung des § § 558 BGB auch dann, wenn solche Teile der Mietsache in Betracht kommen, an denen dem Mieter nur ein Mitbenutzungsrechts zusteht (Treppen, Flure usw.; RG, Urt. v. 10.01.1911 – III 627/09, RGZ 75, 116, Palandt/Gramm, BGB, 27. Aufl., § 558 Anm. 1 a).
c) Allerdings charakterisiert das Berufungsurteil den Vorgang, der zur Probefahrt führte, rechtlich als Abschluss eines „Probefahrtvertrags“ und entnimmt ihm und nicht einem Schuldverhältnis der Vertragsverhandlungen die vom Beklagten verletzten Pflichten. Indessen ist der Hergang rechtlich nicht als Abschluss eines selbstständigen Vertrags (§ 305 BGB) zu werten. Hach dem Willen der Parteien soll bei einer derartigen Sachlage nicht ein bindendes Vertragsverhältnis mit Leistungspflichten begründet werden. Ebenso wie im Falle der Entscheidung vom 18.02.1964 – VI ZR 260/62, LM § 852 BGB Nr. 21 = NJW 1964, 1225 – ist davon auszugehen, dass die Parteien lediglich in unverbindliche Vertragsverhandlungen eingetreten sind, wodurch zwischen den Verhandlungspartnern ein Schuldverhältnis kraft Gesetzes entstand. Diese Frage vermag der Senat auch im Revisionsverfahren selbst zu beurteilen. Das Berufungsgericht hat nicht aufgrund tatsächlicher Feststellungen die Überzeugung gewonnen, der beiderseitige Wille dieser Parteien sei auf Abschluss eines selbstständigen Vertrags („Probefahrtvertrag“) gerichtet gewesen. Das Berufungsgericht ist zu seiner Auffassung vielmehr im Wege – im Einzelnen nicht begründeter – rechtlicher Wertung und nicht aufgrund einer Auslegung der Erklärungen beider Parteien gelangt.
d) Wenn das Berufungsgericht im Wesentlichen an die Rechtsfigur der Leihe anknüpft, ist diese Rechtsmeinung zwar zu eng, wie die obigen Ausführungen und die Begründung des Urteils vom 18.02.1964 – VI ZR 260/62, LM § 852 BGB Nr. 21 = NJW 1964, 1225 – im Einzelnen darlegen. Sachgerechtere Grundlage ist eine entsprechende Anwendung der Verjährungsvorschriften, die das Gesetz gleichmäßig für die genannten Gebrauchsüberlassungsverhältnisse aufgestellt hat. Letzten Endes entnimmt auch das Berufungsgericht all diesen Bestimmungen den gemeinsamen Rechtsgedanken, den es – zu Recht– auch auf den vorliegenden Sachverhalt für anwendbar erachtet.
Somit sind die Rügen der Revision gegenstandslos, die sich gegen die Ausführungen des Berufungsurteils über die Anknüpfung an die besondere Rechtsfigur der Leihe richten.
3. Unterliegt sonach der auf ein Verschulden beim Vertragsschluss gegründete Schadensersatzanspruch der kurzen Verjährungsfrist von sechs Monaten, so gilt diese kurze Frist auch insoweit, als das Begehren auf andere Vorschriften, so auf eine unerlaubte Handlung des Beklagten gestützt wird. Es ist anerkannten Rechts, dass die kurzen Verjährungsfristen, die für Schadensersatzansprüche aus den genannten Gebrauchsüberlassungsverhältnissen gesetzt sind, auch dann gelten, wenn die Ansprüche nicht aus Vertrag, sondern aus anderen Vorschriften begründet werden (vgl. BGH, Urt. v. 31.01.1967 – VI ZR 105/65, BGHZ 47, 53, 56 = LM § 558 BGB Nr. 9; Urt. v. 07.02.1968 – VIII ZR 179/65, BGHZ 49, 278 m. w. Nachw.). Der besondere bereits dargelegte Zweck der genannten Verjährungsvorschriften würde vereitelt, wenn der Verpflichtete nach Ablauf der kurzen Verjährungsfrist für den vertraglichen Anspruch weiter der Gefahr ausgesetzt bliebe, aus dem gleichen Sachverhalt – wenn auch mit anderer rechtlicher Begründung – in Anspruch genommen zu werden.
Diese Rechtsmeinung, die für das Verhältnis zwischen vertraglich und anderweit begründeten Ansprüchen entwickelt worden ist, trifft nach Sinn und Zweck auch dann zu, wenn wie hier Schadensersatzansprüche aus Verletzung vorvertraglicher Pflichten (culpa in contrahendo) und unerlaubter Handlung gerechtfertigt werden können. Eine solche Auffassung liegt auch der Entscheidung des erkennenden Senats vom 18.02.1964 – VI ZR 260/62, LM § 852 BGB Nr. 21 = NJW 1964, 1225 – zugrunde.
III. Nach alledem war die Revision unbegründet und mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.