Beschädigt ein Kaufinteressent bei einer Probefahrt den ihm vom Kraftfahrzeughändler überlassenen Pkw, von dem er annimmt, er gehöre dem Händler, während er in Wirklichkeit einem Dritten gehört, so muss sich der Kraftfahrzeughändler die kurze Verjährung nach §§ 558, 606 BGB auch dann entgegenhalten lassen, wenn er den Kaufinteressenten nicht aus eigenem, sondern aus abgetretenem Recht des Dritten auf Schadensersatz in Anspruch nimmt.

BGH, Urteil vom 14.07.1970 – VIII ZR 1/69

Sachverhalt: Der Kläger ist Kraftfahrzeughändler. Am 15.10.1964 verursachte der Beklagte bei einer Probefahrt in Begleitung eines Verkäufers des Klägers, D, mit einem Pkw (BMW 1800) einen Verkehrsunfall, bei dem an dem Fahrzeug Totalschaden entstand. Der Wagen gehörte dem Angestellten des Klägers B. Der Beklagte, dem das nicht bekannt war, nahm an, es handele sich um einen Wagen des Klägers.

Der Kläger hat mit der Behauptung, er habe B entschädigt und dieser habe seine Schadenersatzansprüche an ihn abgetreten, mit der am 29.09.1967 eingereichten Klage vom Beklagten Zahlung von 8.279,40 DM verlangt. Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen.

Die Revision des Klägers, der damit die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebte, hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Das Berufungsgericht hat, ohne Grund und Höhe der geltend gemachten Ansprüche zu prüfen, die Klage wegen Verjährung nach §§ 558, 606 BGB abgewiesen.

I. Die Klage ist ausdrücklich auf die abgetretenen Rechte des B gestützt, und das Berufungsgericht unterstellt, dass eine solche Abtretung stattgefunden hat. Die Grundsätze der Rechtsprechung, wonach Ersatzansprüche des Kraftfahrzeughändlers gegen den Kunden, der bei einer Probefahrt das zur Verfügung gestellte Fahrzeug des Händlers beschädigt, in entsprechender Anwendung der Vorschriften §§ 558, 581 II, 606, 1057 BGB innerhalb von sechs Monaten verjähren (BGH, Urt. v. 18.02.1964 – VI ZR 260/62, NJW 1964, 1225; Urt. v. 21.05.1968 – VI ZR 131/67, NJW 1968, 1472), greifen deshalb hier nicht unmittelbar ein.

II. Das Berufungsgericht hält indessen in Anlehnung an das Urteil des erkennenden Senats vom 07.02.1968 – VIII ZR 179/65, BGHZ 49, 278 – auch den Anspruch des B für verjährt. Bs führt aus, B habe seinen Wagen dem Kläger zum Zwecke der Durchführung einer Kundenprobefahrt zur Verfügung gestellt. Daher sei es angebracht, auch den Beklagten in den Schutzbereich dieses Überlassungsvertrags einzubeziehen und ihm keine schlechtere Rechtsposition einzuräumen als dem Kläger, der im Verhältnis zu B sich auf die kurze Verjährung nach nach §§ 558, 606 BGB hätte berufen können. Das gelte insbesondere auch deshalb, weil der Kläger nach § 426 BGB dem Beklagten ausgleichspflichtig wäre, wenn dessen unter Beweis gestellte Behauptung zuträfe, dass der Verkäufer D den Unfall schuldhaft mitverursacht habe. Werde dem Beklagten die Verjährungseinrede versagt, so könne er den Kläger über § 426 BGB zum Schadensausgleich heranziehen, sodass dieser im Ergebnis für den Schaden jedenfalls teilweise aufkommen müsse, obgleich er nach §§ 558, 606 BGB gegenüber B hätte die Verjährungseinrede erheben können.

III. Den hiergegen gerichteten Rügen der Revision hält das angefochtene Urteil im Ergebnis stand.

1. In der Entscheidung BGHZ 49, 278 hat der erkennende,Senat die Anwendung der §§ 558, 606 BGB nicht nur auf die Einbeziehung des am Vertrag nicht beteiligten Dritten in den Schutzbereich des zwischen dem Geschädigten und dem Entleiher bzw. Mieter geschlossenen Vertrags gestützt, sondern vor allem auch darauf, dass der Dritte als ein Arbeitnehmer des Mieters bzw. Entleihers Freistellung von den gegen ihn geltend gemachten Ansprüchen des Geschädigten hätte verlangen und damit im Ergebnis den Schutz der kurzen Verjährung hätte zu Pall bringen können (Senat, Urt. v. 07.02.1968 – VIII ZR 179/65, BGHZ 49, 278, 281).

Der Sachverhalt, Uber den hier zu entscheiden ist, liegt anders. Eine derartige Freistellung aus dem Gesichtspunkt der gefahrgeneigten Tätigkeit kommt nicht in Betracht; denn der Beklagte war keine Hilfsperson des Klägers. Mit dem Berufungsgericht auf einen etwaigen Ausgleichsanspruch des Beklagten aus § 426 BGB abzustellen, erscheint aus zwei Gründen bedenklich. Einmal ist nicht festgestellt, dass der Kläger wegen des vom Beklagten behaupteten, vom Kläger aber stets bestrittenen Verschuldens seines Verkäufers D neben dem Beklagten überhaupt auf Schadenersatz haftet und deshalb nach § 426 BGB ausgleichspflichtig wäre. Zum anderen ist es unbefriedigend, das Durchgreifen der Verjährungseinrede davon abhängig zu machen, ob im Einzelfall ein Tatbestand vorliegt, der auch eine gesamtschuldnerische Haftung des Kraftfahrzeughändlers gegenüber demjenigen begründet, der das Fahrzeug zur Probefahrt zur Verfügung gestellt hat.

2. Es kommt darauf aber auch nicht an; denn der festgestellte Sachverhalt rechtfertigt die angefochtene Entscheidung auf jeden Fall.

a) Das Berufungsgericht lehnt ohne Rechtsirrtum die Annahme eines zwischen B – vertreten durch den Kläger – und dem Beklagten unmittelbar geschlossenen Überlassungsvertrags ab. Dann aber handelte es sich folgerichtig um zwei Überlassungsverhältnisse, einmal zwischen B und dem Kläger, zum anderen zwischen dem Kläger und dem Beklagten. Für beide Verhältnisse galten zwischen den jeweils Beteiligten die §§ 558, 606 BGB, das heißt, der Kläger konnte gegenüber B, der Beklagte konnte gegenüber dem Kläger sich ohne Weiteres auf die kurze Verjährung berufen, wenn ihr jeweiliger Gläubiger eigene Schadenersatzansprüche geltend machte.

Ob aus dem Bestehen zweier hintereinander „geschalteter“ Überlassungsverhältnisse allein schon gefolgert werden könnte, dass B, wenn er im Wege des direkten Durchgriffs selbst gegen den Beklagten vorgegangen wäre, sich die kurze Verjährung hätte entgegenhalten lassen müssen, kann dahinstehen.

b) Es ist nämlich schon im Ansatz nicht, richtig, für die hier zu treffende Entscheidung auf diese Frage abzustellen. Im vorliegenden Fall, in dem B bereits entschädigt ist, geht es allein um die Abwicklung des Überlassungsverhältnisses zwischen dem Kläger und dem Beklagten. Für dieses gelten – wie ausgeführt – zweifeiefrei die Bestimmungen der §§ 558, 606 BGB. Diese Vorschriften werden von jeher in der Rechtsprechung weit ausgelegt und insbesondere auch auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung oder Eigentum ausgedehnt, weil der Zweck der kurzen Verjährung darin besteht, die Abwicklung beendeter Gebrauchsüberlassungsverhältnisse so schnell wie möglich klarzustellen (BGH, Urt. v. 31.01.1967 – VI ZR 105/65, BGHZ 47, 53, 55, 56 m. w. Nachw.; Urt. v. 18.02.1964 – VI ZR 260/62, NJW 1964, 1225; Urt. v. 21.05.1968 – VI ZR 131/67, NJW 1968, 1472). Es ist aber keinerlei Grund ersichtlich, dem Vermieter oder Verleiher, dem die Berufung auf eigene Ansprüche aus Eigentum oder unerlaubter Handlung gegenüber der kurzen Verjährung nichts nützt, in seinen Rechtsbeziehungen zum Mieter oder Entleiher nur deshalb besser zu stellen, weil er nicht eigene, sondern ihm abgetretene fremde Ansprüche geltend macht und nun diese zur Abwicklung des beendeten Vertragsverhältnisses benutzt. Das liefe auf eine Umgehung der §§ 558, 606 BGB und damit auf eine Vereitelung des Gesetzeszwecks hinaus, die nicht hingenommen werden kann.

Dieses aus Sinn und Zweck der genannten Vorschriften gewonnene Ergebnis ist um so unbedenklicher, als damit eine nicht vertretbare Schlechterstellung des Gläubigers nicht verbunden ist. Einerseits genießt er im Verhältnis zum Eigentümer aufgrund der mit diesem bestehenden Vertragsbeziehungen seinerseits den Schutz der kurzen Verjährung, und im Verhältnis zu seinem Schuldner ist nicht einzusehen, warum ihm nicht angesonnen werden sollte, Ansprüche, gleichgültig ob diese auf eigenem oder abgeleitetem Recht beruhen, rechtzeitig, nämlich innerhalb von sechs Monaten nach Rückgabe der überlassenen Sache geltend zu machen. Im Übrigen war hier der Kläger B gegenüber aus dem zwischen ihnen bestehenden Vertragsverhältnis auf alle Fälle schadenersatzpflichtig, weil der Beklagte insoweit sein Erfüllungsgehilfe war (§ 278 BGB). Der Kläger hat also B nicht etwa entschädigt, ohne dazu verpflichtet gewesen zu sein. Wenn er jetzt im Ergebnis den Schaden allein tragen muss, so beruht dies ausschließlich darauf, dass er es versäumt hat, rechtzeitig gegen den Beklagten vorzugehen.

Umgekehrt wäre es eine nicht zu rechtfertigende Benachteiligung des Beklagten, wenn ihm die Berufung auf die kurze Verjährung versagt würde. Er ging als selbstverständlich davon aus, dass das zur Verfügung gestellte Fahrzeug dem Kläger gehörte. Wäre diese durch die Lebenserfahrung begründete Annahme zutreffend gewesen, so hätte an der Anwendung der Vorschriften §§ 558, 606 BGB ohnehin kein Zweifel sein können (vgl. BGH, Urt. v. 18.02.1964 – VI ZR 260/62, NJW 1964, 1225; Urt. v. 21.05.1968 – VI ZR 131/67, NJW 1968, 1472). Dass der Beklagte im Verhältnis zum Kläger dieses Rechtsvorteils verlustig gehen sollte, weil – ihm unbekannt – der Kläger zur Probefahrt ein fremdes Fahrzeug zur Verfügung gestellt hat, kann nicht gebilligt werden.

IV. Nach allem war die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

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