-
Der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs ist selbst dann nicht berechtigt, „sofort“ vom Kaufvertrag zurückzutreten, wenn ihn die – an diesem Vertrag nicht beteiligte – Volkswagen AG arglistig getäuscht hat. Denn der Verkäufer des Fahrzeugs muss sich auch dann, wenn er Vertragshändler der Volkswagen AG ist, deren (möglicherweise) arglistiges Verhalten nicht zurechnen lassen. Weder ist die Volkswagen AG Gehilfe des Verkäufers bei der Erfüllung von Verkäuferpflichten i. S. des § 278 BGB, noch ist der Verkäufer (Wissens-)Vertreter der Volkswagen AG.
-
Dass die Volkswagen AG in die Nachbesserung eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs eingebunden ist, insbesondere weil sie das dafür erforderliche Softwareupdate entwickelt (hat), rechtfertigt nicht die Bewertung, dass die Nachbesserung dem – möglicherweise durch die Volkswagen AG arglistig getäuschten – Käufer i. S. des § 440 Satz 1 Fall 3 BGB unzumutbar ist (entgegen LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 83/16, NJW-RR 2016, 1397 [1399]).
LG Bonn, Urteil vom 19.05.2017 – 1 O 341/16
Mehr lesen »
-
Ein vom VW-Abgasskandal betroffenes Fahrzeug, dass die einschlägigen Emissionsgrenzwerte – hier: die Euro-5-Emissionsgrenzwerte – nur während eines Emissionstests auf dem Prüfstand einhält, weil eine Software die Testsituation erkennt und einen eigens dafür vorgesehenen Betriebsmodus aktiviert, in dem erheblich weniger Stickoxid ausgestoßen wird als beim Normalbetrieb des Fahrzeugs, ist mangelhaft. Denn zur i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB üblichen Beschaffenheit eines Pkw gehört es, dass er die einschlägigen Emissionsgrenzwerte auch beim regulären Betrieb im Straßenverkehr einhält.
-
Bei der Beurteilung, ob die Pflichtverletzung des Verkäufers, die in der Lieferung eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs liegt, i. S. des § 323 V 2 BGB unerheblich ist und deshalb einen Rücktritt des Käufers vom Kaufvertrag nicht rechtfertigt, ist nicht allein darauf abzustellen, ob die Kosten der Mangelbeseitigung im Verhältnis zum Kaufpreis gering sind. Vielmehr bedarf es einer umfassenden Interessenabwägung auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls, bei der auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung des Käufers abzustellen ist. Dabei fallen auch künftige Umstände ins Gewicht, die nicht sicher prognostiziert werden können, aber jedenfalls nicht fernliegen.
-
Bei der Beurteilung, ob einem Rücktritt des Käufers vom Kaufvertrag § 323 V 2 BGB entgegensteht, ist deshalb etwa zu berücksichtigen, dass das zur Nachbesserung der vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge erforderliche Softwareupdate zu Schäden am Motor führen könnte, die erst nach längerem Betrieb des Fahrzeugs zutage treten. Ebenso muss in die Beurteilung einfließen, dass der Verkaufswert eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs trotz Nachbesserung gemindert bleiben könnte.
-
Eine Nachbesserung durch die Installation eines Softwareupdates (§439 I Fall 1 BGB) ist dem Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Gebrauchtwagens i. S. des § 440 Satz 1 Fall 3 BGB unzumutbar. Denn weder kann ausgeschlossen werden, dass das Softwareupdate zu Schäden am Motor führt, noch ist auszuschließen, dass der Verkaufswert des Fahrzeugs trotz der Installation des Softwareupdates gemindert bleibt.
-
Darüber hinaus ist dem Käufer eine Nachbesserung deshalb unzumutbar, weil die – nicht Partei des Kaufvertrags gewordene – Volkswagen AG im Zusammenhang mit dem VW-Abgasskandal arglistig gehandelt hat. Denn eine Nacherfüllung ist dem Käufer i. S. des § 440 Satz 1 Fall 3 BGB unzumutbar, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen den Vertragsparteien nachhaltig gestört ist. Dafür genügt es, dass der Vertrauensverlust des Käufers zwar primär aus einem (früheren) Verhalten der Volkswagen AG resultiert, er sich aber auf das Vertrauensverhältnis zwischen den Vertragsparteien auswirkt, weil der Verkäufer bei der Nachbesserung ein von der Volkswagen AG entwickeltes Softwareupdate verwenden muss.
LG Köln, Urteil vom 18.05.2017 – 2 O 422/16
Mehr lesen »
-
Ein vom VW-Abgasskandal betroffener Neuwagen ist jedenfalls i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft. Denn dass in einem Neuwagen eine – als unzulässige Abschalteinrichtung zu qualifizierende – Software zum Einsatz kommt, die nur dann für eine Verringerung des Stickoxidausstoßes sorgt, wenn das Fahrzeug auf einem Prüfstand einen Emissionstest absolviert, ist bei Neuwagen anderer Hersteller nicht bekanntermaßen üblich.
-
Beruft sich der Verkäufer erst in einem Rechtsstreit über den Anspruch des Käufers auf Ersatzlieferung (§§ 437 Nr. 1, 439 I Fall 2 BGB) darauf, dass die Ersatzlieferung im Vergleich zu einer Mangelbeseitigung mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden sei, so ist bei der nach § 439 III 2 BGB gebotenen Beurteilung, welche Bedeutung der Mangel hat, auf den Zeitpunkt des Gefahrübergangs (§ 446 Satz 1 BGB) abzustellen.
-
Der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Neuwagens, der vom Verkäufer gemäß §§ 437 Nr. 1, 439 I Fall 2 BGB die Lieferung eines mangelfreien Fahrzeugs verlangt, verhält sich nicht treuwidrig (§ 242 BGB), wenn er an seinem Verlangen festhält, obwohl mittlerweile ein Softwareupdate zur Verfügung steht, nach dessen Installation der dem Fahrzeug anhaftende Mangel angeblich vollständig und folgenlos beseitigt sein soll. Denn jedenfalls trägt der Käufer angesichts der Tatsache, dass sowohl die Volkswagen AG als auch die jeweiligen Kfz-Verkäufer eine Mangelhaftigkeit der vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge in Abrede stellen, das Risiko, dass die Nachbesserung durch Installation des Softwareupdates scheitert. Er muss nämlich befürchten, dass er seinen Anspruch auf Nachbesserung des Updates klageweise durchsetzen muss und diesem Anspruch dann der Verjährungseinwand entgegengehalten wird.
-
Der Käufer eines vom VW-Abgasskandal, der vom Verkäufer mit anwaltlicher Hilfe Nacherfüllung (§ 439 I BGB) verlangt, hat gegen den Verkäufer gemäß § 439 II BGB einen Anspruch auf Ersatz der aufgewendeten Anwaltskosten.
LG Zwickau, Urteil vom 12.05.2017 – 7 O 370/16
Mehr lesen »
-
Ein vom VW-Abgasskandal betroffener Neuwagen ist jedenfalls deshalb i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft, weil er – entgegen der Erwartung eines Durchschnittskäufers – die einschlägigen (Euro-5-)Emissionsgrenzwerte nur auf dem Prüfstand und dort auch nur deshalb einhält, weil eine Software für eine Verringerung des Schadstoffausstoßes sorgt, sobald sie erkennt, dass das Fahrzeug einen Emissionstest absolviert.
-
Dass ein Neuwagen so, wie ihn der Käufer bestellt und erhalten hat, mittlerweile nicht mehr produziert wird, macht eine Ersatzlieferung (§ 439 I Fall 2 BGB) auch dann nicht i. S. des § 275 I BGB unmöglich, wenn der Kfz-Kaufvertrag keinen Änderungsvorbehalt i. S. des § 308 Nr. 4 BGB enthält. Vielmehr kann der Verkäufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs auch in diesem Fall verpflichtet sein, dem Käufer ein Fahrzeug der aktuellen Generation zu liefern. Denn dass es mittlerweile nur noch eine in bestimmten Punkten geänderte oder verbesserte Version des ursprünglich bestellten und gelieferten Fahrzeugs gibt, darf nicht zulasten des Käufers gehen.
-
Auf eine Nachbesserung durch Installation eines Softwareupdates kann dann nicht ohne erhebliche Nachteile für den Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Neuwagens zurückgegriffen werden, wenn öffentlich intensiv und kontrovers diskutiert wird, ob sich das Update in technischer Hinsicht negativ auf das Fahrzeug auswirkt. Denn die aus dieser Diskussion resultierende Unsicherheit kann den Wiederverkaufswert des Fahrzeugs auch dann mindern, wenn das Update tatsächlich nicht zu Folgeproblemen führt.
LG Detmold, Urteil vom 11.05.2017 – 9 O 140/16
Mehr lesen »
-
Ein vom VW-Abgasskandal betroffener Neuwagen ist schon deshalb mangelhaft, weil das Fahrzeug zum Erhalt der Betriebserlaubnis eines Softwareupdates bedarf. Der durchschnittliche Käufer eines Neuwagens kann indes i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB erwarten, dass die Betriebserlaubnis des Fahrzeugs nicht deshalb gefährdet ist, weil seine Vorschriftswidrigkeit feststeht oder vonseiten der Behörden (hier: des Kraftfahrt-Bundesamtes) angenommen wird.
-
Darüber hinaus weist ein vom VW-Abgasskandal betroffener Neuwagen auch deshalb nicht die Beschaffenheit auf, die ein durchschnittlicher Neuwagenkäufer i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB erwarten kann, weil der Durchschnittskäufer eines Neuwagens erwarten kann, dass das Fahrzeug die einschlägigen Emissionsgrenzwerte nicht nur während eines Emissionstests auf einem Prüfstand und nicht nur deshalb einhält, weil eine Software die Testsituation erkennt und für eine Verringerung des Stickoxidausstoßes sorgt.
-
Bei der Beurteilung, ob die Kaufsache eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB), ist gegebenenfalls ein herstellerübergreifender Vergleich anzustellen, weil man andernfalls bei Konstruktions- oder Fabrikationsfehlern, die einer ganzen Serie anhaften, einen Sachmangel verneinen müsste.
-
Bei der Beurteilung, ob der Mangel, an dem ein vom VW-Abgasskandal betroffener Neuwagen leidet, i. S. des § 323 V 2 BGB geringfügig ist, kann nicht allein auf die Kosten abgestellt werden, die für die Entwicklung und die Installation des zur Mangelbeseitigung erforderlichen Softwareupdates aufgewendet werden müssen. Denn insoweit existiert, da das Update ausschließlich vom Fahrzeughersteller angeboten wird, kein Marktpreis, sodass allenfalls an die vom Fahrzeughersteller angegebenen Kosten angeknüpft werden könnte. Das aber verbietet sich, weil andernfalls der Fahrzeughersteller durch entsprechende Angaben bestimmen könnte, ob ein von ihm verursachter Mangel geringfügig ist oder nicht.
-
Ein technischer Mangel eines Kraftfahrzeugs, für dessen Beseitigung der Fahrzeughersteller über Monate personelle und technischen Ressourcen einsetzen muss, ist nicht deshalb geringfügig i. S. des § 323 V 2 BGB, weil er einer Vielzahl von Neu- und Gebrauchtwagen anhaftet und der auf das einzelne Fahrzeug (anteilig) entfallende Mangelbeseitigungsaufwand vergleichsweise gering ist.
-
Eine Frist zur Nachbesserung eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Neuwagens von über einem Jahr ist nicht mehr angemessen i. S. von § 323 I BGB, sondern unangemessen lang. Daran ändert nichts, dass vom VW-Abgasskandal allein in Deutschland Millionen von Fahrzeugen betroffen sind; denn die Mangelhaftigkeit dieser Fahrzeuge geht auf eine bewusste Manipulation der Fahrzeugherstellerin zurück.
-
Kosten, die der Käufer eines Neuwagens für Winterreifen aufgewendet hat, sind ebenso wie Inspektionskosten notwendige Verwendungen i. S. des § 347 II 1 BGB. Gleiches gilt für die Kosten für eine Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO; jedenfalls aber handelt es sich dabei um nützliche Verwendungen i. S. von § 347 II 2 BGB.
LG Aachen, Urteil vom 04.05.2017 – 10 O 422/14
Mehr lesen »
-
Ein vom VW-Abgasskandal betroffener Gebrauchtwagen ist mangelhaft, da sein Schadstoffausstoß die einschlägigen Emissionsgrenzwerte (hier: die Euro-5-Emissionsgrenzwerte) überschreitet und sich das Fahrzeug deshalb mangels Zulassungsfähigkeit nicht für die vorausgesetzte Verwendung eignet. Dem steht nicht entgegen, dass das Kraftfahrt-Bundesamt die Nutzung des Fahrzeugs im Straßenverkehr einstweilen toleriert. Denn der tatsächliche Umgang des Kraftfahrt-Bundesamtes mit vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugen ändert nichts daran, dass diese Fahrzeuge nicht zulassungsfähig sind.
-
Dem Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen – mangelhaften – Gebrauchtwagens ist eine Nachbesserung (§ 439 I Fall 1 BGB) vor allem deshalb unzumutbar, weil die begründete Befürchtung besteht, dass das Fahrzeug auch nach der Installation des vorgesehenen Softwareupdates nicht mangelfrei sein wird. Vielmehr ist die Sorge des Käufers berechtigt, dass das Update sich nachteilig auf die Schadstoffemissionen, den Kraftstoffverbrauch und die Motorleistung auswirken wird. Denn nach den Gesetzen der Logik hätte die Volkswagen AG keine den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprechende Fahrzeuge konzipiert, wenn sie mit einem geringfügigen Mehraufwand, wie er jetzt für die Entwicklung des Softwareupdates betrieben wurde, gleich gute Fahrzeuge hätte konzipieren können, die den gesetzlichen Vorschriften entsprechen. Wenn es aber für die sonstigen Eigenschaften der vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge vorteilhaft gewesen ist, erhöhte Stickoxidemissionen in Kauf zu nehmen, dann müssen spiegelbildlich diese sonstigen Eigenschaften negativ betroffen sein, wenn nunmehr der Stickoxidausstoß mittels eines Softwareupdates reduziert wird.
-
Eine Nachbesserung ist dem Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Gebrauchtwagens auch dann unzumutbar, wenn sein Vertrauensverhältnis zur Herstellerin des Fahrzeugs, der Volkswagen AG, die auch das für eine Nachbesserung erforderliche Softwareupdate entwickelt hat, nachhaltig gestört ist. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Volkswagen AG sowohl die Behörden als auch die Käufer ihrer Fahrzeuge mithilfe einer Manipulationssoftware über Jahre hinweg systematisch irregeführt hat. Der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs hat deshalb wenig Anlass, der Volkswagen AG dahin gehend zu vertrauen, dass es im Zusammenhang mit dem für eine Nachbesserung erforderlichen Softwareupdate nicht erneut zu Manipulationen kommt.
-
Der Mangel, der einem vom VW-Abgasskandal betroffenen Gebrauchtwagen anhaftet, ist schon deshalb nicht geringfügig i. S. des § 323 V 2 BGB, weil der Käufer praktisch gezwungen ist, das Fahrzeug durch die Installation eines Softwareupdates nachbessern zu lassen, um nicht die Zulassung des Fahrzeugs zum Straßenverkehr zu gefährden. Es ist indes nicht ausgeschlossen, dass sich das Update negativ etwa auf den Kraftstoffverbrauch auswirken und trotz seiner Installation ein merkantiler Minderwert verbleiben wird.
-
Zwar ist der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs, der von der Volkswagen AG Schadensersatz wegen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung (§ 826 BGB) verlangt, dafür darlegungs- und beweisbelastet, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter der Volkswagen AG i. S. des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat. Allerdings trifft die Volkswagen AG insoweit eine sekundäre Darlegungslast, wenn der Käufer greifbare Anhaltspunkte dafür vorträgt, dass verfassungsmäßig berufene Vertreter der Volkswagen AG (§ 31 BGB) Kenntnis von der Entwicklung und dem Einsatz der den VW-Abgasskandal kennzeichnenden Manipulationssoftware hatten. Dieser sekundären Darlegungslast genügt die Volkswagen AG durch den Vortrag, wer die Entscheidung, die Manipulationssoftware zu entwickeln und einzusetzen, getroffen hat.
LG Baden-Baden, Urteil vom 27.04.2017 – 3 O 163/16
Mehr lesen »
-
Ein vom VW-Abgasskandal betroffener Neuwagen ist zwar mangelhaft, weil er keine i. S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB übliche und von einem Käufer zu erwartende Beschaffenheit aufweist. Die in der Lieferung eines solchen Fahrzeugs liegende Pflichtverletzung des – nicht mit der Fahrzeugherstellerin identischen – Verkäufers ist jedoch unerheblich i. S. von § 323 V 2 BGB. Denn der Verkäufer kann den Mangel durch die Installation eines Softwareupdates beseitigen, und die Kosten dafür sind im Verhältnis zum Kaufpreis geringfügig, zumal die – nicht beim Verkäufer angefallenen – Kosten für die Entwicklung des Updates außer Betracht bleiben müssen.
-
Der Hersteller eines Kraftfahrzeugs ist auch dann nicht Gehilfe (§ 278 BGB) des – rechtlich selbstständigen – Verkäufers bei der Erfüllung der in § 433 I BGB genannten Pflichten, wenn der Verkäufer ein Vertragshändler des Herstellers ist. Ein etwaiges Verschulden der Volkswagen AG im VW-Abgasskandal muss sich ein VW-Vertragshändler deshalb nicht nach § 278 BGB zurechnen lassen.
LG Aachen, Urteil vom 27.04.2017 – 1 O 234/16
(nachfolgend: OLG Köln, Beschluss vom 14.06.2018 – 5 U 82/17 ⇒ OLG Köln, Beschluss vom 16.07.2018 – 5 U 82/17)
Mehr lesen »
-
Ein vom VW-Abgasskandal betroffener Gebrauchtwagen ist nicht zulassungsfähig und deshalb i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft. Daran ändert nichts, dass das Kraftfahrt-Bundesamt den Betrieb der vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge im öffentlichen Verkehr – einstweilen – toleriert.
-
Eine Nachbesserung (§ 439 I Fall 1 BGB) ist dem Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Gebrauchtwagens vor allem deshalb i. S. des § 440 Satz 1 Fall 3 BGB unzumutbar, weil die begründete Befürchtung besteht, dass das Fahrzeug auch nach der Installation eines Softwareupdates nicht mangelfrei sein werde. Es drängt sich im Gegenteil der Verdacht auf, dass sich das Softwareupdate negativ auf den Kraftstoffverbrauch, die Motorleistung und die Schadstoffemissionen auswirken und zu einem erhöhten Verschleiß führen wird.
-
Dem Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs ist eine Nachbesserung auch deshalb i. S. des § 440 Satz 1 Fall 3 BGB unzumutbar, weil sein Vertrauensverhältnis zur – am Kaufvertrag nicht beteiligten – Volkswagen AG nachhaltig gestört ist. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass eine Nachbesserung die Installation eines von der Volkswagen AG entwickelten Softwareupdates erfordert und die Volkswagen AG sowohl die Behörden als auch die Käufer ihrer Fahrzeuge jahrelang systematisch getäuscht hat. Ein Käufer hat daher wenig Anlass, darauf zu vertrauen, dass er in Gestalt des Updates nicht wieder eine manipulierende Software erhält.
-
Angesichts der mit einer Nachbesserung möglicherweise einhergehenden Nachteile besteht das naheliegende Risiko, dass der Verkaufswert eines vom VW-Abgasskandal betroffenes Fahrzeugs trotz Nachbesserung gemindert bleibt (merkantiler Minderwert). Schon dieses Risiko macht dem Käufer eines solchen Fahrzeugs eine Nachbesserung i. S. des § 440 Satz 1 Fall 3 BGB unzumutbar (im Anschluss an LG Kempten, Urt. v. 29.03.2017 – 13 O 808/16).
-
Die Pflichtverletzung des Verkäufers, die in der Lieferung eines vom VW-Abgasskandal betroffenen – mangelhaften – Fahrzeugs liegt, ist auch dann nicht i. S. des § 323 V 2 BGB unerheblich, wenn eine Beseitigung des Mangels einen Kostenaufwand von lediglich rund 100 € erfordert. Vielmehr ist der dem Fahrzeug anhaftende Mangel schon deshalb erheblich, weil nicht auszuschließen ist, dass eine Nachbesserung durch Installation eines Softwareupdates negative Auswirkungen auf das Fahrzeug hat und dessen Verkaufswert gemindert bleibt. Abgesehen davon nimmt allein der Umstand, dass der Käufer auf eine Nachbesserung faktisch nicht verzichten kann, weil er andernfalls die Zulassung des Fahrzeugs gefährdet, dem Mangel den Anschein der Unerheblichkeit.
-
Indem die Volkswagen AG Fahrzeuge mit einer Software ausgestattet hat, die nur dann eine Verringerung des Stickoxidausstoßes bewirkt, wenn die Fahrzeuge auf einem Prüfstand einen Emissionstest absolvieren, hat sie den Käufern dieser – vom VW-Abgasskandal betroffenen – Fahrzeuge in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich einen Schaden zugefügt.
LG Baden-Baden, Urteil vom 27.04.2017 – 3 O 123/16
Mehr lesen »
-
Eine Frist zur Nachbesserung eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs von nur einer Woche ist nicht angemessen i. S. der § 281 I 1 BGB, § 323 I BGB, sondern erheblich zu kurz.
-
Der Verkäufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Gebrauchtwagens verweigert eine Nachbesserung des Fahrzeugs nicht i. S. der § 281 II Fall 1 BGB, § 323 II Nr. 1 BGB ernsthaft und endgültig, wenn er erklärt, dass er keine autorisierte VW-Vertragswerkstatt betreibe und deshalb das von der Volkswagen AG entwickelte, für eine Nachbesserung erforderliche Softwareupdate nicht installieren könne, die Installation des Updates in einer autorisierten Vertragswerkstatt aber vermitteln werde.
-
Der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs genügt seiner Darlegungslast nicht, wenn er pauschal behauptet, dass sich eine Nachbesserung des Fahrzeugs durch Installation eines Softwareupdates insbesondere negativ auf den Kraftstoffverbrauch, die Motorleistung, die Geräuschemissionen und die „Lebenszeit“ des Fahrzeugs auswirken werde. Insoweit ist nämlich zu berücksichtigen, dass die Nachbesserung der vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge in Abstimmung mit dem Kraftfahrt-Bundesamt erfolgt und dieses davon überzeugt ist, dass die Installation des Softwareupdates keine negativen Auswirkungen auf die Fahrzeuge hat.
-
Die EG-Typgenehmigung der vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge ist nicht gemäß § 19 II 2 Nr. 3, VII StVZO automatisch erloschen. Diese Vorschriften gelten nämlich nur für den Fall, dass (bestimmte) Änderungen an einem bereits in den Verkehr gebrachten Fahrzeug vorgenommen werden. Den – hier vorliegenden – Fall, dass der Fahrzeughersteller Änderungen bereits vor dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs vorgenommen hat, erfassen sie dagegen nicht.
-
Der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs kann nicht mit Erfolg geltend machen, dass er dem Verkäufer gemäß § 281 II Fall 2 BGB, § 323 II Nr. 3 BGB keine Frist zur Nachbesserung setzen müsse, weil eine Nachbesserung nur mithilfe der Volkswagen AG möglich sei und diese ihn – den Käufer – arglistig getäuscht habe. Denn zum einen kann dem Verkäufer ein möglicherweise arglistiges Verhalten der Verantwortlichen der Volkswagen AG nicht zugerechnet werden. Zum anderen trägt der Gedanke, dass eine (mögliche) arglistige Täuschung die für die Nachbesserung erforderliche Vertrauensgrundlage zerstört habe, im VW-Abgasskandal nicht, weil die Nachbesserung unter Aufsicht einer unabhängigen Behörde (Kraftfahrt-Bundesamt) erfolgt.
LG Braunschweig, Urteil vom 25.04.2017 – 11 O 4/17
Mehr lesen »
-
Die bei Gefahrübergang vorhandene Eintragung eines Kraftfahrzeugs im Schengener Informationssystem (SIS) ist ein Rechtsmangel i. S. § 435 Satz 1 BGB, der den Käufer grundsätzlich zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt. Ein wirksamer Rücktritt setzt indes regelmäßig voraus, dass der Käufer dem Verkäufer erfolglos eine Frist zur Nacherfüllung, das heißt zur Beseitigung der SIS-Eintragung gesetzt hat.
-
Die Eintragung eines Kraftfahrzeugs im Schengener Informationssystem (SIS) begründet keinen Anscheinsbeweis dafür, dass das Fahrzeug i. S. des § 935 I BGB abhandengekommen ist, also ein unfreiwilliger Verlust des unmittelbaren Besitzes stattgefunden hat.
LG Offenburg, Urteil vom 05.04.2017 – 6 O 102/16
(nachfolgend: OLG Karlsruhe, Urteil vom 29.09.2017 – 4 U 80/17)
Mehr lesen »